Kitabı oku: «Mörderische Liebe», sayfa 4

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13

In der nächsten Woche befand ich mich in einem eigenartigen Seelenzustand. Ich konnte mich nur schlecht konzentrieren, brauchte doppelt solange für meine Reiseberichte und suchte stundenlang nach meinem Schlüssel, wenn ich aus dem Haus gehen wollte. Mein Herz klopfte und ich hätte jeden umarmen können, der mir über den Weg lief. Doch Gerson schien alles daran zu setzen, mir meine Freude zu vergällen. Schon wie er mich beim Frühstück schräg von der Seite her anschaute, gab meiner Hochstimmung einen Dämpfer. „Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich glauben, du bist verliebt.“

Er ahnt etwas, durchfuhr es mich, doch glücklicherweise gelang es mir schnell, auf sicheres Terrain zurückzukommen. Ein Blick auf Gerson genügte – so mürrisch wie er sein Butterbrötchen in zehn kleine Teile schnitt und sie wie eine Mauer um seinen Tellerrand legte, sagte mir alles über seinen Gemütszustand. Gerson war ein Miesmacher, ein Spaßverderber. Und dabei war er doch an allem schuld. Wer hatte mir denn das Bild von Paletti in einen roten Rahmen gesteckt und so auf meinem Schreibtisch platziert, dass ich, ob ich wollte oder nicht, darauf schauen musste? Gerson hatte vollkommen recht. Ich war verliebt, nicht so sehr in Luis, wie mir Gerson unterstellte, sondern in Paletti, den jungen Rotschopf. Der Hengst war einfach umwerfend und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass er gleich nach der Körung zu meiner Nine gebracht würde. Leider dauerte es bis dahin noch gute zwei Wochen und ich musste mich wohl oder übel in Geduld üben.

Nachts schlief ich unruhig und träumte immer wieder den gleichen Traum. Nine war rossig, es war nicht zu übersehen. Mit aufgestelltem Schweif und abgeschrägten Beinen stand sie da und rosste auf die Stallgasse. Da sah ich, wie sich ihr jemand mit einer Spritze näherte, ich konnte die Person nicht erkennen, doch ich war mir sicher, dass es ein Mann war. Nine sah ihn, riss ihre Augen auf und drehte sich zu mir um. Ich verstand jedes Wort: „Lass mich nicht allein“, flehte sie.

Schweißgebadet wachte ich neben Gerson auf, der friedlich vor sich hin schnarchte. Sie hat mich nicht mehr gehört, dachte ich, ich wollte ihr noch sagen, dass sie sich auf mich verlassen kann. Unsere Verbindung war abgerissen. Ich drehte mich auf die andere Seite und beruhigte mich mit dem Gedanken, dass Nine bei Iris in guten Händen war.

Am nächsten Morgen wurde ich durch ein penetrantes Kratzen draußen auf der Straße geweckt. Das Fenster stand einen spaltbreit offen und ein kalter Windzug streifte meine Stirn. Ich stand auf und schaute hinaus. Im fahlen Licht der Straßenlaterne tanzten Schneeflocken, die Autos waren mit einer weißen Haube überzogen. Unser Nachbar machte sich mit der Schneeschippe auf dem Gehweg zu schaffen. Wenn es noch morgen so weiter schneite, würden auch wir zur Schippe greifen müssen.

Aus dem Badezimmer hörte ich Gersons Rasierapparat brummen. „Du hast immer noch keine Winterreifen montieren lassen?“, rief er.

Winterreifen? An alles hatte ich gedacht, nur nicht an Winterreifen.

„Zu spät, kaufen kannst du bestimmt keine mehr!“

Glücklicherweise musste ich mit meinem Golf nicht über Land fahren. Zum Leierhof würde ich auch mit meinen abgefahrenen Sommerreifen kommen. Die Hauptstraßen waren meistens gut geräumt und gestreut. Aber wenn ich zu Nine ins Jura fahren wollte?

„Komm bloß nicht auf die Idee, mit deiner klapprigen Kutsche ins Gebirge zu fahren.“

Genau das hatte ich vorgehabt. „Vielleicht schneit es nächste Woche nicht mehr“, sagte ich hoffnungsvoll.

Gerson zog den Stecker aus der Dose, kam zu mir ins Schlafzimmer und sah mich entgeistert an. „Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Selbst wenn der Schnee von gestern wegtaut, kann über Nacht Neuschnee fallen und es kann zu Glatteis und Schneeverwehungen kommen. Montmirail liegt immerhin über 1000m hoch.“


14

„Unbedingt Iris anrufen!“ Den Zettel fand ich auf dem Küchentisch, als ich vom Yoga nach Hause kam. Yoga tat mir gut; ich hielt mich fürs Reiten fit und blieb gelenkig. Beim Üben waren wir Frauen unter uns und unsere Lehrerin verstand es, uns schnell in einen entspannten Zustand zu versetzen. Während dieser Stunde verstummte mein nerviger innerer Lautsprecher vollständig. Die Übungen mäßigten meine Ungeduld und dämpften meine dunklen Vorahnungen, wenn ich an Nine dachte, und wie lange ich von ihr getrennt sein würde.

Umso krasser empfand ich jetzt die Wirklichkeit meines Alltags. Da war der Zettel mit der Nachricht von Iris und jede Menge schmutziges Geschirr für Suppe, Hauptgericht und Nachspeise für zwei Personen. Gerson hatte einfach alles auf dem Küchentisch stehen lassen. Für wen hatte er da gekocht? Und warum waren sie so hastig aufgebrochen? Ohne große Hoffnung schaute ich in den Kühlschrank – nein – von dem wahrscheinlich opulenten Mahl war nichts übrig geblieben.

Mit spitzen Fingern fing ich an, Teller und Gläser in die Spülmaschine zu klemmen. Mit jedem Teil wuchs mein Groll. Eine dumpfe Ahnung sagte mir, dass es keiner unserer gemeinsamen Freunde war, den er bewirtet hatte.

Klingelte da nicht das Telefon? Iris, durchfuhr es mich, ich hätte mich gleich bei ihr melden sollen! Es war schon zehn Uhr, wenn sie so spät noch anrief, dann bedeutete das nichts Gutes. Hoffentlich war Nine nicht gestürzt! Auf dem glatten, eisigen Boden ausgerutscht, weil sie sich noch nicht ans Barfußlaufen gewöhnt hatte? Eine Sehnenzerrung oder ein dicker Bluterguss, der aufs Sprunggelenk drückte? Eine Erkältung? Sie war zwar geimpft, doch gegen fremde Viren bot die beste Impfung keinen Schutz. Wo hatte Gerson nur den Apparat hingelegt – nie brachte er ihn auf die Basisstation zurück! Da, in der Sofaecke blinkte etwas. Der Anrufbeantworter sprang an, und ich hörte Iris' Stimme: „Hallo Vera“, hastig griff ich zum Hörer und rückte auf die grüne Taste. „Ich bin's. Was gibt es? Hoffentlich nichts Schlimmes!“

„Wie man's nimmt. Willst du die gute oder die schlechte Nachricht zuerst hören?“

Es gab also eine Wahl und ich sagte: „Die gute!“

„Halt dich fest: Paletti ist gekört worden. Er hat unsere Erwartungen voll und ganz erfüllt. Er ist als Sieger aus allen Prüfungen hervorgegangen.“

„Uff, uff, uff!“ Der Indianerruf aus den Winnetou-Büchern meiner Kindheit war der einzige gute Kommentar, der mir zu dieser Meldung einfiel.

„Und die schlechte Nachricht?“

„Na ja, wirklich schlecht ist sie eigentlich auch nicht. Setze dich lieber: Paletti soll den 40-Tage Stationstest absolvieren.“

„Und Nine?“

„Was soll mit Nine sein, es geht ihr prächtig!“

In diesem Augenblick hörte ich, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde. „Iris, entschuldige, ich muss Schluss machen, wir telefonieren morgen noch einmal.“ Kaum hatte ich das Gespräch beendet, stand Gerson in der Tür.

„Hast du mit deinem Lover telefoniert, weil du gleich aufgelegt hast, als ich hereingekommen bin?“

„Ach Gerson!“ Ich war viel zu glücklich, um ihm für seine dumme Stichelei böse zu sein.

„Seit wann können Pferde telefonieren? Paletti ist als Sieger aus der Körung hervorgegangen!“

„Na, dann ist ja wieder mal alles paletti“, schmunzelte Gerson. Sein Blick fiel auf den Esstisch.

„Du hättest nicht aufräumen brauchen! Sandy musste schnell zum Zug, da habe ich ihr angeboten, sie hinzubringen.“

Hatte ich richtig gehört – Sandy?

„Meine Kollegin aus der Redaktion – wir planen eine Fototour, die muss gut vorbereitet werden.“

„Und warum weiß ich nichts davon?“

„Ach Vera, come on, ich habe dir doch neulich alles genau berichtet – dass wir nach Denver, Colorado fliegen – oder etwa nicht?“

„Hast du nicht, aber das macht nichts. Von Denver ist es nicht weit nach Wyoming, da werde ich Liberty Bescheid sagen, die wird ein Auge auf dich haben!“

Gerson ging zum Küchenschrank und nahm zwei Gläser heraus.

„Wir haben noch zwei Flaschen Ulisses Lima. Es sind die letzten. Ich schlage vor, wir machen eine auf, und ich erzähle dir alles noch einmal ganz von vorn.“

Seinen Ulisses Lima hütete Gerson wie einen Goldschatz. Wenn er freiwillig eine Flasche des kostbaren chilenischen Rotweins anbot, dann gab es entweder etwas zu feiern oder er hatte ein schlechtes Gewissen und wollte etwas wiedergutmachen. Und heute?

„Ich möchte einfach mal wieder mit dir auf dem Sofa sitzen und Rotwein trinken“, sagte er lächelnd und daran wollte ich nicht zweifeln.

„Wunderbar! Ich schneide mir einen Kanten Brot ab und nehme mir ein Stück Käse dazu.“

Gerson sah mich zerknirscht an: „Oh, du Arme, du hast noch nichts zu Abend gegessen!“

Er legte den Arm um meine Schulter und wir gingen ins Wohnzimmer. Gerson öffnete die Flasche mit einem satten Plopp, goss einen Finger breit Rotwein in sein Glas und hielt inne. „Moment! Fast hätte ich es vergessen! Ich habe dir etwas mitgebracht!“ Er sprang auf, ging hinaus und kam mit einem quadratischen Päckchen zurück. „Das ist für dich – with love from me to you!“ Er drückte mir ein Küsschen auf die Lippen, überreichte mir das Päckchen und widmete sich wieder dem Einschenken.

Ein kleiner blauer viereckiger Umschlag, er fühlte sich hart an – eine CD, aber welche? Oldies von Simon and Garfunkel, Jazz aus dem vorigen Jahrhundert von Keith Jarett oder moderner Jazz – Helgoland von Jonas Westergaard? Cellostücke vom großen Johann Sebastian, oder die neue CD von Bob Dylan? Gersons Musikgeschmack war abseitig und er ließ nichts unversucht, mich auf seine Seite zu ziehen.

„Mach es ruhig auf!“, sagte er.

The Killers, ich konnte es kaum glauben. The Killers waren meine Lieblingsband. Ich hörte ihre Songs am liebsten im Auto oder wenn ich allein zu Hause war. Der Rock ist ein Gebrauchswert, hieß es schon beim alten Marx, einer der wenigen Lehrsätze, die ich aus meinem Soziologiestudium mitgenommen hatte. Man musste ihn laut hören, bis zur Schmerzgrenze, sonst war Rock eben nicht zu gebrauchen. Gerson war anderer Meinung, aber erstens hatte er nicht Soziologie studiert und zweitens spielte das in diesem Augenblick keine Rolle.

„Das ist ja Wahnsinn – wie kommst du denn darauf? Days and Age! Die habe ich mir schon lange gewünscht! Danke!“

„Schieb sie gleich mal rein, ich finde sie nicht schlecht.“

Nach The Killers hörten wir noch die englische Suite vom alten Johann Sebastian und als Absacker die Neue vom alten Bob Dylan. Gerson erzählte mir von seinen Reiseplänen, Denver, Colorado und von da aus mit dem Auto nach Laramie, die schneebedeckten Rockies immer vor sich am Horizont. Alles war gut. Ich streckte mich auf dem Sofa aus und legte meinen Kopf in Gersons Schoß. Ich fühlte mich wohl und geborgen, seine Hand lag auf meinem Bauch und er streichelte mich sanft. „Denkst du eigentlich noch an unser Rotkäppchen?“, flüsterte er. Ich fasste seine Hand und drückte sie. „Komm, lass uns ins Bett gehen“, flüsterte ich zurück.


15

Die Zeit verging wie im Fluge. Wir waren immer noch nicht zu Nine nach Montmirail gefahren. Iris beruhigte mich. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen, sagte sie, alles liefe nach Plan, es sei sozusagen alles paletti.

Meistens ging ich an den Vormittagen mit meinem Laptop ins Büro. Anfang Januar lief das Reisegeschäft nicht besonders gut, die Weihnachtsferien waren vorüber und nur wenige Kunden verirrten sich in unser Reisebüro. Trotzdem bestand mein Chef Massimo auf den normalen Öffnungszeiten. Mir war es recht, ich konnte hier genauso gut arbeiten wie zu Hause, und manchmal genoss ich die Abwechslung sogar. Von meinem Schreibtisch konnte ich auf die belebte Brückenstraße hinaus schauen, was ich ausgiebig tat, denn mein Artikel über einen Nordic Walking Kurs in einem Vier Sterne Wellnesshotel im Allgäu erforderte nicht allzu viel Aufmerksamkeit. Ich hatte mein Handy angestellt, um für Iris jederzeit erreichbar zu sein.

Doch gerade, als das Handy losging, Dadadadam, dadadadam, gebieterisch und laut, fiel mein Blick auf eine Gestalt hinter der Glastür. Stand da nicht Luis – Luis Maertens? Ob er mich besuchen wollte? Nein, unmöglich, er wusste doch gar nicht, wo ich arbeitete.

Es war wirklich Luis, doch er war nicht allein. Er hatte den Arm um die Schultern einer jungen Frau gelegt. Sie trug schwarze, hohe Lackstiefel bis übers Knie und einen kurzen, taillierten Mantel aus einem billigen Leopardenfellimitat. Ihre Lippen waren zu einem knallroten Kirschmund geschminkt. Die roten, krausen Haare wurden von einem silberglänzenden Stirnband zurückgehalten, bei dessen bloßen Anblick meine Haut zu jucken anfing. Die beiden betrachteten die Plakate mit den Last-Minute Angeboten – Ägypten, Mallorca, Malediven. In den Wintermonaten nahm Massimo manchmal solche Pauschalangebote auf, weil die alternativen Rucksack-Reisen zu dieser Jahreszeit nicht so gut liefen. Dadadadam – schon wieder das Handy und immer noch völlig unpassend. Ob Luis verreisen wollte? Mit dieser Frau etwa? Wirklich, ich hätte ihm einen besseren Geschmack zugetraut. Die beiden tuschelten miteinander, und sie zeigte auf das Plakat mit den Pyramiden. Je länger ich die beiden beobachtete, desto verschwommener wurde mein Blick. Da schaute er zu mir her – ich hätte schwören können, dass mich Luis erkannt hatte und wollte schon den Mund zu einem Lächeln verziehen, als er sich umdrehte und etwas zu seiner Begleiterin sagte; dann hakte er sie unter und schob sie auf den Gehweg hinaus in Richtung Neckarbrücke. Ich sah gerade noch, wie sie einen rosa Schirm mit weißen Punkten aufspannte, obwohl es nicht regnete, sondern nur hauchdünne Flocken schneite. Warum war Luis nicht herein gekommen? Vielleicht wollte er mit dieser Frau lieber nicht gesehen werden? Vom Alter her hätte sie gut seine Tochter sein können. Dieser Gedanke tröstete mich etwas, wenn Kinder einmal erwachsen waren, konnte man die Eltern schließlich nicht für sie verantwortlich machen. Ich schluckte und wischte mir mit dem Handrücken eine Träne aus dem Augenwinkel.

Schon wieder dieser aufdringliche Ton, ich hatte das Handy doch abgestellt? Nein, hatte ich nicht, Beethovens Schicksalssinfonie als Signal nervte mich wirklich. Ich musste Gerson endlich bitten, mir eine neue Melodie aufzuladen. Auf dem Display erschien der Name Iris! Aufgeregt drückte ich auf Annahme – sie wollte mir bestimmt schöne Grüße von Nine bestellen.

„Hallo Vera, warum gehst du nicht ans Telefon? Hast du einen Augenblick Zeit?“

Ohne meine Antwort abzuwarten sprudelte sie los: „Ich habe dir doch von Plan B erzählt? Es hat geklappt!“

„Mal langsam, nichts hast du erzählt! Was verbirgt sich hinter diesem ominösen Plan B?“

„Ganz einfach, ich habe meinen Bekannten Monsieur Poliglott von unserer Absicht erzählt, Nine decken zu lassen. Natürlich habe ich ihm Nine vorgestellt und er hat sich auf der Stelle in deine Stute verliebt. Aber er hat mir vom Natursprung abgeraten. Abgesehen davon, dass es im Augenblick auch gar nicht möglich wäre. Sein Hengst müsste mit unserer Stutenherde zusammengebracht werden. Doch bei unseren Witterungsverhältnissen geht das nicht. Es ist eisig kalt und es liegt knöcheltief Schnee. Die Verletzungsgefahr sei zu groß, sagte er. Bliebe noch eine Bedeckung an der Hand. Ich habe bei dieser Prozedur ein paar Mal zugeschaut und es kam mir immer wie eine Vergewaltigung der Stute vor. Die Stute hat keine Möglichkeit dem Deckakt auszuweichen, in manchen Fällen wird sie an den Hinterbeinen und an den Vorderbeinen gefesselt, damit sie den Hengst nicht treten kann.“

„So habe ich mir das Ganze nicht vorgestellt!“, sagte ich enttäuscht.

„Einen Moment, lass mich erstmal ausreden! Wie gesagt, Monsieur Poliglott hat sich in Nine verliebt! Ich habe ihn gebeten, mir Sperma von Paletti zu verkaufen. Er hat eingewilligt, unter einer Bedingung: er wollte es mir schenken.“

„Und jetzt?“

„Das sagte ich doch schon – es hat alles wunderbar geklappt. Der Tierarzt von Saignelegier war vor drei Tagen bei uns und hat Nine künstlich besamt.“

„Wirklich?“ Ich musste erst einmal Luft holen. Vielleicht war mein Atemzug zu tief geraten, denn auf einmal war mir richtig schwindelig. „Ein Mann mit einer Spritze?“, brach es aus mir heraus.

„Was ist denn los mit dir? Nein, kein Mann, entschuldige, wenn ich mich falsch ausgedrückt habe, wir haben hier eine sehr sympathische Tierärztin, Madame Robine. Ich war die ganze Zeit dabei, ich kann dir versichern, es ist alles gut gegangen.“

„Na gut! Hoffentlich nimmt Nine auf! Jedenfalls brauchen wir jetzt die 40 Tage, die unser Liebling in Glovelier verbringt, nicht mehr abzuwarten.“

Ich fühlte mich unendlich erleichtert. „Vielleicht kann ich Massimo überreden, dass er mir bald ein paar Tage frei gibt, dann kann ich Monsieur Poliglott und seinen Paletti endlich persönlich kennenlernen.“


16

Drei Wochen später war alles klar. Die Rosse blieb aus, Nine hatte aufgenommen.

„Auf unser Fohlen“, prostete Gerson mir zu. Nicht mit Ulisses Lima, auch nicht mit Prosecco, sondern mit Glühwein. Es war immer noch ziemlich kalt, obwohl der Februar dem Ende zuging. Im Jura hatte es wieder Neuschnee gegeben, Montmirail lag unter einer 60 cm dicken Pulverschneedecke. Obwohl ich in unserem Garten schon die ersten vorwitzigen Schneeglöckchen entdeckt hatte, kletterten auch bei uns die Temperaturen nur wenig über Null.

„Auf Nines Fohlen und auf unseren Paletti.“ Gerson umarmte mich. „Schade, dass ich heute noch einen Termin habe. Tut mir leid, Sandy wartet in der Redaktion, es gibt Schwierigkeiten mit unserem Flugticket.“

Wir tranken noch einen Schluck, dann nahm Gerson seinen Rucksack, setzte seinen Fahrradhelm auf und winkte mir zu: „Bis später, du brauchst nicht auf mich zu warten, vielleicht gehen wir noch zu MacDo, einen Burger essen.“

Wie sich die Zeiten ändern, dachte ich wehmütig; noch vor kurzem hatte er mich mit einem Einkaufszettel zu Pronto geschickt und mir zum Abendessen Pasta gekocht und wir hatten uns einen Dampfgarer angeschafft. Doch dann hatte der italienische Supermarkt auf der Eppelheimer Straße geschlossen, Efeuranken überwucherten das Firmenschild und der Müll stapelte sich auf dem Parkplatz. Und jetzt ging Gerson mit seiner amerikanischen Kollegin zu Mac Donald‘s, während mir der Dampfgarer den Backofen versperrte, wenn ich eine einsame TK-Pizza hinein schieben wollte.

Im Topf war noch etwas lauwarmer Glühwein, den ich mir einschenkte. Doch er schmeckte mir nicht mehr und ich goss den Rest in den Ausguss. Vielleicht konnte ich Gerson zu einem Ausflug nach Montmirail überreden, wenn er von seiner Amerikareise zurück war? Er hatte noch nicht damit herausgerückt, wann sie abreisen würden, wahrscheinlich wusste er es selbst noch nicht genau.

Vor zwei Tagen hatte ich mir ein Buch vom FN-Verlag über die Aufzucht eines Fohlens bestellt, bestimmt lag es schon im Briefkasten. Schnell zog ich mir eine Jacke über und ging hinunter. Das Briefkastentürchen klemmte ein wenig und knirschte beim Öffnen. Rechnungen, Werbungsschreiben, eine Aufforderung die Gelben Seiten abzuholen, das war alles. Doch nein, beinah hätte ich den Brief mit der ausländischen Briefmarke übersehen. Der Absender fehlte und die Marke kam aus der Schweiz.

Mein Herz begann wie wild zu klopfen, du bist zu schnell unterwegs, sagte mein innerer Lautsprecher, mach langsam, doch beim Hinaufgehen nahm ich zwei Stufen auf einmal. Atemlos riss ich noch im Flur das Kuvert auf. Als erstes zog ich ein kurzes Schreiben heraus. Ob der Brief von Iris stammte? Vergeblich suchte ich nach einer Mitteilung für mich. Es war gar kein richtiger Brief, sondern ein Blatt, auf das drei E-Mails kopiert waren. Zuerst dachte ich, es handele sich um einen Scherz: Hände weg von der Misch-Zucht. Unser Blut muss rein bleiben.

Die zweite gab den Satz auf Französisch wider: Pur Sang: Non au mélange de race.

Und die dritte sprach eine Drohung aus: „Weg mit dem deutschen Fremdblut, oder wir richten es.“ Jede einzelne Mail war unterschrieben mit: Ligue Pur Sang, LPS. Jura Libre.

Mir wurde auf einmal kalt. Meine Hände fühlten sich so hart wie Eisklumpen an. Wie damals auf der Weide, als ich Nine fragen wollte, ob sie in die Schweiz wollte. Damals hatte ich den Frosteinbruch in meinem Körper auf den frischen Nordwind geschoben, doch heute gab es dafür keine Erklärung. Warum hatte ich nur den Glühwein weggeschüttet, jetzt hätte ich ihn brauchen können.

Ich verstand kein Wort von dem, was ich gerade gelesen hatte. Aber etwas anderes war mir klar. Es ging um Nine, um meine Nine und um ihr Fohlen.

Hastig griff ich zum Telefonhörer und drückte Iris' Nummer. Doch entweder war sie gerade im Stall oder unter der Dusche, jedenfalls nahm sie nicht ab, nicht einmal der Anrufbeantworter sprang an.

Immer wieder las ich die kopierten Mails und versuchte vergeblich, mir einen Reim darauf zu machen. Je länger ich auf den Text starrte, desto heftiger klopfte mein Herz. Auf einmal klingelte das Telefon. Iris! dachte ich, erleichtert.

„Hast du mich gerade angerufen, Vera?“

„Ich habe deinen Brief bekommen.“

„Welchen Brief denn?“

„Den mit den merkwürdigen Mails – du weißt schon!“

„Nichts weiß ich. Ich habe dir keinen Brief geschickt. Worum geht es eigentlich?“

Ich schluckte. „Moment, ich lese es dir vor: Pur sang, Hände weg von der Rassen-Mischung.“

„Oh nein, das darf nicht wahr sein – du auch?“

„Iris, bitte erklär mir, was los ist, mir ist ganz flau.“

„Vor ein paar Tagen habe ich die gleichen Mails bekommen. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht. So etwas kommt überall vor. Rassenmischung! So ein Quatsch – wer will denn Mischzucht betreiben!“

„Damit ist bestimmt Nine gemeint, oder?“

„Nein! Alles was wir wollen ist ein Fohlen aus deiner Stute. Wir wollen doch keine neue Zuchtlinie begründen!“

„Das stimmt; trotzdem – merkwürdig ist es doch. Und unheimlich. Irgendwie habe ich ein komisches Gefühl im Magen. Woher haben diese Leute meine Adresse und wer steckt hinter der Aktion? Was ist, wenn diese Liga Nine was antut?“

„Das mit deiner Adresse ist mir unerklärlich. Ich habe alle meine Unterlagen in meinem Büro und es war niemand Fremdes hier. Wir sollten den Vorfall nicht überbewerten. Nine geht es gut, sie ist hier sicher. Genau wie Paletti; er steht jetzt in dem Auktionsstall in Glovelier, der ist Tag und Nacht bewacht, da kann sich kein Verrückter einschleichen.“

„Trotzdem – das Gefühl in meinem Bauch – irgendetwas stimmt da nicht.“

„Vera, versprich mir, nicht darüber zu sprechen. Außer mit Gerson natürlich“, fügte sie hinzu. „Ich glaube nicht, dass ein Grund zur Sorge besteht; ich will alles tun, um die Sache aufzuklären. Ich melde mich wieder, wenn ich etwas Neues erfahren habe.“

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