Kitabı oku: «Mörderisches Schicksal», sayfa 2

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Sogar im Reisebüro wurde ich mit ihr konfrontiert, allerdings auf eine völlig andere Art und Weise.

„Massimo, trägst du heute einen besonderen Duft?“, fragte ich meinen Chef am Nachmittag.

Er warf mir einen überraschten Blick zu: „Das merkst du? Es riecht prickelnd und belebend, findest du nicht? Hansi Helm, mein Banker, hat mir das Parfüm geschenkt, der Gute will mich bei Laune halten! Seine Frau Tissa vertreibt es. Vielleicht kennst du sie? Sie hat drei Pferde, sie sind vor ein paar Tagen zu euch in den Stall gekommen.“

Ich lächelte matt und verkniff mir weitere Fragen. Durch das notdürftig mit Pappe geflickte Fenster zog es, und ich fröstelte trotz meiner Daunenweste, die ich mir vom Stall mitgebracht hatte.

„Ach so?“, sagte ich und wartete darauf, dass Massimo weitersprach. Massimo brauchte immer etwas länger, um die richtigen Worte zu finden.

„Ich muss schauen, dass ich aus den roten Zahlen komme. Hansi Helm will mir in der augenblicklichen Situation keinen Kredit mehr geben. Ich brauche Geld und das heißt: Sparen. Sobald ich Land sehe, kriegst du deinen Job wieder, das verspreche ich dir!“

Ich saß unbeweglich auf meinem Drehstuhl und vor meinen Augen tanzten Schlieren. Was hatte mir Massimo gerade gesagt? Dass er sparen müsse? Und was genau bedeutete das für mich? Nein! Nein! Nein!

Massimo hatte mir die Kündigung ausgesprochen! „Massimo, bitte! Du kannst mir doch nicht so einfach kündigen! Ich brauche das Geld – nächste Woche kommt Nine zurück und Alles Paletti …“

„Vera!“ Mein Chef saß vor mir mit einem roten Kopf und zusammengepressten Lippen. Er rang um seine Fassung, dann sagte er: „Es geht nicht anders, wenn ich es dir doch sage. Und ich verspreche dir …“

„Wann muss ich meinen Arbeitsplatz räumen?“, unterbrach ich ihn. Massimo würde sich von mir nicht umstimmen lassen, nicht einmal wenn ich mich auf den Kopf stellen würde.

„In drei, vier Wochen?“, sagte er. „Lass dir Zeit, Vera.“ Er stand auf, ging zu seinem Schreibtisch und suchte ein paar Papiere zusammen. „Ich hab noch einen Außentermin.“ Er schaute mich so liebevoll an, als ob er mir etwas Tröstendes hätte sagen wollen. „Wenn jemand nach mir fragt, dann sage einfach, ich hätte heute meinen freien Tag.“ Dann war er weg.

Nur drei Wochen? Und Iris wollte mir schon nächste Woche Nine und Alles Paletti bringen! Wenn ich demnächst arbeitslos wäre, wie sollte ich dann die Pension für zwei Pferde stemmen? Für zweieinhalb Pferde, verbesserte ich mich, denn für Fango war ich mit der halben Boxenmiete in der Pflicht.

Ich weiß nicht, wie lange ich gedankenverloren auf dem Stuhl gesessen hatte, jedenfalls wurde ich von einem dunklen Brummen aufgeschreckt. Es kam von der Straße, doch ich spürte die Schwingungen tief in meinen Eingeweiden. Ich stand auf und schaute durch das intakte Fenster hinaus. Jemand hatte ein schweres Motorrad genau vor unserem Reisebüro geparkt und versperrte die Hälfte des Gehwegs. Das Bike sah wie ein Insekt aus, die Rückspiegel stachen wie Fühler in die Luft, die abstehenden Schutzbleche ähnelten Flügeln und der offen liegende Motor kam mir wie Gedärm vor. Den schwarzen Tank zierte ein Aufkleber. Mir blieb keine Zeit, den Schriftzug zu entziffern, denn in diesem Augenblick ging die Tür auf und der Kunde stand vor mir. Ich trat einen Schritt zurück. „Guten Tag“, sagte ich schnell, „Was kann ich für Sie tun?“

Der Mann schaute sich im Laden um, als suche er etwas und deutete auf Massimos Schreibtisch. „Ich suche Herrn Auditi, ist er heute nicht im Büro?“

Ich hatte wieder hinter meinem Schreitisch Platz genommen, und während ich antwortete, stieg mir eine Duftwolke in die Nase, die mich umgeworfen hätte, wäre ich nicht auf meinem Drehstuhl gesessen. Der Duft verwirrte mich, außer Massimo kannte ich keine Männer, die sich parfümierten. Gerson benutzte ab und zu ein neutrales Deo, aber nur an wirklich heißen Sommertagen.

„Haben Sie eine Verabredung?“, fragte ich und überlegte angestrengt, wo ich den Mann schon einmal gesehen hatte. Der Duft, den er verströmte, war wirklich penetrant.

„Um elf Uhr, hier im Büro“, sagte er. Er schielte immer noch auf Massimos Schreibtisch, als ob er dort etwas suchte. Da fiel es mir ein: Hatte nicht Massimo das gleiche Parfüm an sich gehabt? Natürlich, es kam von dieser Tissa – ob der Typ vielleicht Hansi Helm war? Er war mir neulich auf dem Leierhof über den Weg gelaufen, als er seine Frau mit seiner schweren BMW abgeholt hatte.

Heute sah er wie ein Geschäftsmann aus, die schweren Bikerboots, die er im Stall trug, hatte er durch schwarze Straßenschuhe vertauscht, das dunkelblaue Sakko hatte er damals unter einer wattierten Karojacke getragen. Aus dem offenen Hemdkragen schaute ein roter Seidenschal hervor.

Massimo hatte mir nichts von diesem Termin verraten, aber das wollte ich ihm nicht auf die Nase binden. „Mein Chef ist gerade in einer wichtigen Besprechung“, log ich. „Ich kann ihn leider nicht stören.“

„Ein Missverständnis vielleicht“, sagte der Mann. „Aber wenn ich schon einmal hier bin – vielleicht können Sie doch etwas für mich tun?“

Hansi Helm buchte eine Bahnfahrt in die Schweiz. Nachdem ich mich einmal an sein penetrantes Parfüm gewöhnt hatte, kam er mir beinahe sympathisch vor. Er war einer von diesen gepflegten Typen, die sich jeden Morgen die Augenbrauen zupften und die Nägel mit einem durchsichtigen Lack bemalten. Ich überlegte kurz, wie viel Zeit er wohl aufbrachte, um seine Hände in einen solchen Luxuszustand zu bringen – unter meinen Nägeln schimmerte immer ein schwarzer Rand, so sehr ich sie auch mit der Bürste bearbeitete.

Ich öffnete ihm die Tür. Bevor er sein Motorrad startklar machte und seinen Helm aufsetzte, sagte er: „Schöne Grüße an Ihren Chef, er wird bald wieder von mir hören!“

Als er den Zündschlüssel umdrehte und sich das Dröhnen des Motors in meinen Brustkorb fortsetzte, schaute ich auf den Aufkleber auf seinem Tank. Er zeigte einen Skorpion; jetzt konnte ich auch den Schriftzug entziffern. „Final Sting“, las ich und dachte: Der Mann ist schuld an meiner Kündigung! Obwohl ich mir sagen musste, dass dieser Vorwurf jeglicher Grundlage entbehrte, hätte nicht viel gefehlt und ich wäre vor unserem Büro in Zornestränen ausgebrochen.


5

Seit dem Einbruch war mein Chef, den ich bei den Pferden als lebhaften, freundlichen Mann kennengelernt hatte, vollkommen verändert. Auch am nächsten Morgen saß Massimo hinter seinem Schreibtisch und starrte mit leeren Augen vor sich hin.

„Ich soll dich von deinem Banker Hansi Helm grüßen“, sagte ich. „Er war gestern mit dir verabredet, aber du warst wegen dieses dringenden Außentermins unterwegs.“

Massimo strich sich die verklebten Haare aus der Stirn. „Hast du eigentlich seine Frau schon kennengelernt?“, fragte er.

„Tissa?“, fragte ich, doch er murmelte nur etwas vor sich hin, was ich nicht verstand und sagte, mehr zu sich selbst als zu mir: „Tissa Krellic – ach du meine Güte!“

Dann fasste er sich, sah mich an und fragte: „Hat sie noch diesen schwarzen Hengst?“

Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr, es war mir nicht einmal klar, ob wir dieselbe Tissa meinten. Ihr Nachname, so wie er ihn aussprach, klang slawisch. Doch die Tissa, die unseren Leierhof umkrempeln wollte, hieß einfach nur Krell; sie hatte einen ganz normalen deutschen Familiennamen, der gut zu ihr passte, weil er mit einem harten Konsonanten anfing. Massimo nahm die Fragezeichen in meinen Augen wahr und sagte: „Ach, was rede ich da – das ist doch bestimmt 15 Jahre her, das kannst du gar nicht wissen, Vera.“

Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, es war, als ob er aus einem tiefen Schlaf erwachte. Dann sagte er: „Ich habe mich ablenken lassen. Dabei muss ich dir etwas ganz anderes sagen.“

Ich schaute ihn gespannt an.

„Es tut mir leid, aber aus den vier Wochen wird nichts. Ich kann dich noch genau eine Woche halten, dann ist Schluss!“

Hatte ich mich verhört? Oh bitte, liebe Göttin, mach, dass ich mich verhört habe! Was hatte er gesagt? Ich sollte schon in einer Woche meine Sachen packen? Aber die Göttin schwieg und ich flehte: „Warum Massimo? Was soll ich denn tun? In ein paar Tagen kommen Nine und Alles Paletti – wie soll ich ohne Job zweieinhalb Pferde finanzieren?“

„Das weiß ich! Es tut mir leid, Vera, wirklich!“

Die Verzweiflung war ihm ins Gesicht geschrieben, so zerknirscht hatte ich meinen Chef noch nie gesehen, irgendetwas musste tonnenschwer auf seiner Seele lasten.

„Ich verspreche dir, wenn …“ Massimo stockte.

Ich war den Tränen nahe und schwieg. Was hätte ich denn sagen sollen?

„Vera, ich habe das dumpfe Gefühl, dass ich verfolgt werde.“

„Von wem?“, fragte ich, aber mir war klar, dass ich darauf keine Antwort erhalten würde. Massimo fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Vom Schicksal“, sagte er. „Ich werde vom Schicksal verfolgt!“

Ich sah ihn ratlos an. Er braucht Urlaub, sollte sich mal ein paar schöne Wellnesstage gönnen, dachte ich. Die Sorgen um das Geschäft bringen ihn noch um. Wenn es so weitergeht, dreht er vollkommen durch.

„Entschuldige bitte, wenn ich Unsinn rede.“ Massimo goss sich ein Glas Wasser ein, jetzt hatte er sich wieder im Griff.

Um ihn abzulenken, fragte ich, ohne mir viel dabei zu denken, nach dem auffälligen Logo auf dem Motorrad des Bankers, dessen Bedeutung ich nicht verstand. „Final sting, was soll das?“ Massimo lachte nervös. „Da sieht man wieder, wie jung du bist, Vera! Die Scorpions waren eine Rockband, ihre letzte Tournee lief unter dem Motto Final Sting.“

„Das klingt ziemlich makaber!“, sagte ich. Massimo nickte. Er war ganz blass geworden, auf angenehmere Gedanken hatte ich ihn mit meiner gutgemeinten Ablenkung nicht gebracht.

„Noch etwas, Vera“, brachte er endlich heraus.

„Ja?“

„Ich möchte dich bitten, mich nächste Woche, in deiner letzten Arbeitswoche, zu vertreten. Natürlich nur, wenn es dir nichts ausmacht. Selbstverständlich überweise ich dir noch einen halben Monatslohn.“

Das Geld konnte ich dringend brauchen und ich wollte ihm seine Bitte nicht abschlagen, also willigte ich ein.

„Es kann sein, dass ich in den nächsten Tagen noch eine längere Geschäftsreise machen muss“, sagte er.


6

Noch bevor ich am Abend meine Hiobsbotschaft loswerden konnte, wedelte mir Gerson mit einem Blatt Papier unter der Nase herum.

„Du bekommst merkwürdige Post“, sagte er. Alarmiert nahm ich ihm den Umschlag aus der Hand. Adresse und Absender waren mit der Hand geschrieben, die Marke kam aus der Schweiz, der Absender hatte den Brief nicht richtig zugeklebt, so dass das Schreiben beinah herausgefallen wäre.

„Hast du es etwa gelesen?“, fragte ich.

Gerson nickte. „Nichts Besonderes, jemand muss dich auf einen Esoterik-Verteiler gesetzt haben! Wie du da drauf kommst, ist mir ein Rätsel.“

Aufgeregt zog ich das Blatt aus dem Umschlag. Im Stehen überflog ich das sauber mit Schreibmaschine getippte Schreiben. Nein, Reklame war das nicht, unter der Überschrift „Saturnrevolution“, ging es rätselhaft weiter: „Saturn setzt Grenzen in deinem Leben. Sei wachsam und vorsichtig.“ Und darunter stand kleingeschrieben: „Das Horoskop ist für den ganzen Monat Mai gültig.“ Das war alles. Und eine Rechnung über 50 Euro lag auch dabei.

„Der Brief ist von Claire! Sie ist die Nachbarin von Iris in Montmirail im Schweizer Jura, sie hat mir ein Horoskop gestellt.“

Gerson sah mich ungläubig an. „Einfach so? Du hast es doch bestimmt bei ihr bestellt! Vera! Bist du vollkommen durchgedreht? 50 Euro für drei Zeilen!“

Ich ließ mich aufs Sofa fallen. „Saturnrevolution – was um Himmelswillen soll das denn bedeuten?“

Ich starrte auf den Brief und buchstabierte alles noch einmal von vorne, ohne hinter den Sinn zu kommen.

„Die Rechnung musst du bezahlen, das heißt es!“, sagte Gerson und setzte hinzu: „Für 50 Euro bekommst du locker zwei Säcke Bio-Dyn-Horse-Feed!“

„Was?“

„Tissa Krell hat ein biologisches Futtermittel entwickelt. Du musst sie unbedingt mal kennenlernen.“

„Tissa kenne ich schon! Wie heißt das Zeug, sagst du?“

„Bio-Dyn-Horse-Feed“, sagte Gerson und betonte jede einzelne Silbe. „Die Koliken im Stall – die liegen an Toms Futter, sagt Tissa. Gestern musste wieder ein Pferd in die Klinik gebracht werden. Jeden Tag drei Schippen voll Hafer und dann noch Pellets, das Heu nicht mit gerechnet. Auf dem Leierhof haben einige das Futter schon ganz umgestellt.“

Obwohl mir der Sinn nicht nach einer Diskussion über die Vor- und Nachteile von biodynamischen Pferdefutter stand, war ich froh, dass Gerson sich so leicht ablenken ließ. Mir wäre es peinlich gewesen, wenn er noch länger auf dem leidigen Thema „Horoskop und seine Kosten“ herumgeritten wäre.

„Gerson?“

„Was ist los mit dir Vera, du siehst vollkommen fertig aus!“

Er hat ziemlich lange gebraucht, bis er es gemerkt hat, dachte ich und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter.

„Massimo hat mir gekündigt“, sagte ich leise.

Gerson warf mir einen mitleidigen Blick zu. „Oh, das tut mir leid! Aber mach dir keine Sorgen, du findest bestimmt bald wieder einen Job! Vielleicht endlich einmal einen, der wirklich deinen Fähigkeiten entspricht.“

Ich schaute ihn ausdruckslos an und wusste nicht, was ich sagen sollte. War das alles, was Gerson zu meinem Unglück einfiel?

„Ach, bevor ich es vergesse“, fuhr Gerson fort, „morgen muss ich früh raus, auf Foto-Tour. Ich habe schon einen Sack Bio-Dyn gekauft. Wir füttern eine Schippe voll, ich habe Tom bereits informiert.“

„Wen meinst du eigentlich mit wir?“, fragte ich. In meinen Fingerspitzen kribbelte es so stark, dass ich immer wieder eine Faust ballen musste, ohne dass das Kribbeln aufhörte.

„Tissa und ich“, sagte er „und du natürlich auch“, setzte er gerade noch rechtzeitig hinzu.

Ich schluckte; irgendetwas stimmte nicht zwischen Gerson und mir, für ihn gab es auf einmal nur noch Fango und ich zählte überhaupt nicht mehr. Oder war es Tissa, die ihm den Kopf verdrehte? Seit sie sich in unser Leben einmischte, war ich ihm ziemlich gleichgültig geworden. Auf einmal wusste ich, warum ich meine Stute so sehr vermisste. Nine war meine Freundin, die einzige, die mir auf dieser Welt geblieben war. Und Nine und ich, wir würden bald wieder beisammen sein.


7

Im Halbschlaf tastete ich am nächsten Morgen nach Gerson, aber seine Seite des Bettes war kalt. Im Zimmer war es stockdunkel, weil der Rollladen heruntergelassen war. Ich rieb mir den Sand aus den Augen und streckte meine Hand noch einmal aus: Sein Bett war leer und in der ersten Schrecksekunde dachte ich: Gerson war auf und davon, er hat mich verlassen! Er ist zu dieser Tissa und hat sich ohne ein Wort im Morgengrauen aus dem Haus geschlichen. Am liebsten hätte ich mir die Decke über den Kopf gezogen und mich in einen traumlosen Schlaf gebeamt, so lange bis Gerson mich mit einem Kuss geweckt hätte.

Ich quälte mich aus den Kissen, tastete mich zum Fenster und zog den knarrenden Rollladen nach oben. Die Sonne stach mir in die Augen und ich musste blinzeln. In diesem Augenblick fiel mir ein, dass Gerson sehr früh aufstehen wollte, um Fotos vom Heidelberger Schloss und der Alten Brücke im Morgennebel zu machen. Natürlich, wie hatte ich es vergessen können! Werbefotos für ein chinesisches Städtemagazin, da war Romantik gefragt. Es war sieben Uhr, die Kirchturmuhr hatte gerade geschlagen. Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare und streckte mich. Schnell unter die Dusche, heiß und kalt und heiß und kalt. Um zehn musste ich im Reisebüro sein und davor noch in den Stall, um Fango das Bio-Dyn-Feed zu füttern.

Eilig stieg ich aus meinem Golf und hätte fast vergessen die Wagentür abzuschließen. Am Hoftor kehrte ich noch einmal um, weil ich meinen Reithelm und meine Handschuhe im Wagen gelassen hatte; ich bewahrte allerlei Dinge dort auf, seit ich meinen Spind mit Gerson teilte und der schmale Schrank aus allen Nähten platzte. In meinem Auto freilich konnte ich jetzt kaum noch jemanden mitnehmen, weil die Dinge die Eigenschaft hatten, sich nicht auf den Kofferraum beschränken zu lassen und sich auf sämtlichen Sitzen, sogar dem Fußboden, ausbreiteten.

Ich grüßte hinüber zu Hansi, doch seine ganze Aufmerksamkeit galt Tissa, die plötzlich aus dem Nichts hinter ihm auftauchte und ihn unsanft am Oberarm packte. Tissa war ziemlich aufgeregt, sie glühte geradezu vor Wut und ich schnappte ein paar Wortfetzen auf, die keinen Zweifel an ihrer explosiven Gemütsverfassung zuließen.

„Nein? Du weigerst dich?“ Hansis Antwort konnte ich nicht verstehen, aber Tissas Schwall von Schimpfwörtern, von denen „feiger Schlappschwanz“ noch das mildeste war, drangen nur zu deutlich an mein Ohr. „Versuche ja nicht, mich zu hintergehen!“, sagte sie noch, dann hörte sie jäh zu sprechen auf. Sie hatte mich bemerkt. Sie stritten sich bestimmt wegen des Bio-Dyn-Futters, irgendetwas war faul an dem Zeug. Nach einer idyllischen Zweierbeziehung sah dieses Geplänkel nicht gerade aus.

In der Sattelkammer ließ ich eine Handvoll Bio-Körner durch meine Finger gleiten. Die Mixtur war mir nicht geheuer. Es enthielt blitzblaue Heublumen, roch nach frischem Heu und so stark nach Pfefferminz, als ob jemand eine ganze Packung Wrigley’s Spearmint darin verkrümelt hätte. Vielleicht gefiel dieser Geruch den Leuten – es musste schließlich einen Grund geben, warum es Tissa in kurzer Zeit fertig gebracht hatte, den halben Stall mit dem Gemisch zu versorgen. Eine Sekunde lang überlegte ich, ob ich Fango wirklich damit füttern sollte. Aber was blieb mir anderes übrig? Gerson hatte es mir aufgetragen, aber ich beschloss, Fango nur eine halbe Portion zu geben. Wenn das Futter wirklich so gut wäre, wie Tissa behauptete, dann würde die wunderbare Wirkung bei Fango eben etwas später eintreten.

Ich war gerade dabei, die leeren Pappbecher mit den aufgedruckten Skorpionen, die Tissa auf dem Mauervorsprung neben meiner Spindtür deponierte, in die gelbe Tonne zu befördern, als Hansi, der zu mir kam: „Hallo Vera!“

Er hatte mich ohne Umstände beim Vornamen genannt, was mir anbiederisch vorkam und mich noch mehr irritierte als sein nach Orange duftendes Männerparfüm, das er auch hier im Stall trug. Mit Reisebürokunden blieb ich im Privatleben lieber auf Distanz, wollte er vielleicht sein Bio-Dyn an die Frau bringen? Anstelle des Seidenschals hatte er heute ein blutrotes Cowboy-Bandanna um den Hals geknotet. Nach dem heißen Wortwechsel mit seiner Liebsten musste er sich offensichtlich durch körperliche Arbeit abreagieren. Er schleppte einen Sack Bio-Dyn nach dem anderen über der Schulter herbei und lud ihn an der Wand des Schuppens ab. Dort stapelten sich schon mindestens zehn prallgefüllte Säcke, die er aus Tissas Minibus, der jetzt vor der Scheune stand, herbeigeschafft hatte. Wenn sie heute nicht vor der Futterkammer stand, an ihrem Mitnehmkaffee nippte und mich mit ihren spitzen Bemerkungen traktierte, dann lag es bestimmt daran, dass sie sich nach ihrem heftigen Streit auf dem Parkplatz erst einmal wieder in Ruhe sortieren musste.

„Braucht ihr einen Sack, oder zwei? Tissa hat gesagt, ihr füttert Bio-Dyn jetzt regelmäßig?“

„Regelmäßig? Woher weiß Tissa das?“

„Von Gerson nehme ich an, die beiden waren doch heute Morgen zusammen unterwegs.“

„Wie bitte?“

„Tissa hat ihm gezeigt, wo sie das Bio-Dyn-Feed herstellen lässt.“

Bei mir schrillten alle Alarmglocken. Ob Gerson wirklich mit Tissa unterwegs gewesen war? Aber warum hatte er mir dann gestern noch erzählt, dass er Bilder von der Alten Brücke im Morgennebel fotografieren wollte?

„Es gibt jetzt zwei Sorten“, erklärte mir Hansi, der meine Bestürzung überhaupt nicht bemerkte. „Das normale und das Bio-Dyn-Feed-Plus. Welches bekommt denn euer Fango?“

„Das normale.“

„Bist du sicher?“, fragte Hansi lauernd.

„Ja, natürlich!“ Hansi durfte mir auf keinen Fall anmerken, dass ich in Bezug auf das Biofutter überhaupt nicht im Bilde war. Die Täuschung schien mir zu glücken, denn er verschwand und kam gleich darauf mit einem vollen Sack zurück.

„Ich stelle es vor deinen Spind“, sagte er. „Das Geld kannst du dann ja Tissa geben.“

Mein Misstrauen gegen die Futtermischung wuchs von Minute zu Minute. Ich musste mir Klarheit darüber verschaffen, was diesem Zeug alles untergemischt war. Schwierig war das nicht: Ich würde die Zusammensetzung des Futters chemisch analysieren lassen und hoffte, dass mir Doktor Abnemer dabei helfen würde. Ich musste nur noch auf eine passende Gelegenheit warten, denn ich wollte auf jeden Fall vermeiden, dass Tissa und Hansi vor der Zeit etwas von meinen verdeckten Ermittlungen erführen.