Kitabı oku: «Mörderisches Schicksal», sayfa 3

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8

Am nächsten Abend beugte sich Doktor Abnemer vor dem Stall schon wieder über seinen Medikamentenkoffer. Als ich an ihm vorbeiritt, machte er mir ein Zeichen. Das ist die Gelegenheit, auf die ich gewartet habe, jubilierte es in mir. Heute würde ich ihm die Analyseprobe geben, denn ich hatte weder Hansi und Tissa noch sonst jemanden auf dem Hof gesehen. Er winkte noch einmal und schien mir etwas sagen zu wollen, doch gerade da spitzte Fango die Ohren und verlangsamte seinen Schritt. Ein Plausch mit dem Tierarzt kam nicht in Frage, ich musste mich auf meinen Weg konzentrieren, und der ging an dem vollgestopften, überdimensionalen Mistcontainer vorbei. Gleich dahinter tat es einen Ruck, der mich beinah aus dem Sattel katapultiert hätte, denn Fango erstarrte zum Reiterstandbild. Mit weitaufgerissen Augen und geblähten Nüstern schielte Fango schräg nach unten. Auf dem schmalen Rasenstück vor dem Reitplatz wölbte sich eine schwarze Plane, die ich gestern noch nicht bemerkt hatte. Nur weiter und vorbei, wir konnten unmöglich hier stehenbleiben! Aber je mehr ich ihn antrieb und meine Absätze an seine Seiten klopfte, desto mehr versteifte er sich. Er schnaufte hektisch, verdrehte seinen Hals und ich konnte das Weiße in seinem Auge schimmern sehen. Das Pferd fühlte sich unter mir so hart an wie eine Eisenstange. Auf einmal fing er an zu tänzeln und versuchte, sich auf der Hinterhand zu drehen. Plötzlich war Doktor Abnemer neben uns und griff mir in die Zügel. Mir klopfte das Herz bis zum Hals, zitternd sprang ich von dem aufgeregten Pferd ab. Wie leicht hätte er steigen und auf dem glatten Beton das Gleichgewicht verlieren können!

„Ich habe Sie warnen wollen“, sagte der Tierarzt.

„Aber wovor denn?“, fragte ich zitternd.

„Unter der Plane liegt Elan. Wir mussten ihn gestern Abend einschläfern. Jetzt warten wir auf den Abdecker.“

„Hat Fango den Tod gerochen?“, sagte ich leise und fühlte eine leichte Übelkeit aufsteigen.

„Wer weiß?“, sagte der Tierarzt und zuckte mit den Achseln.

„Eine Kolik?“

Weil er schwieg, fragte ich noch einmal nach: „Und woran ist er … ich meine, hat er zu viel frisches Gras gefressen?“

„Das wohl nicht – eher eine heftige allergische Reaktion auf irgendetwas im Futter vielleicht. Was es genau war, bekommen wir wohl nie raus.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher!“ Jetzt hatte ich endlich meinen Anknüpfungspunkt! Gerade wollte ich Doktor Abnemer in mein Vorhaben einweihen, da hörte ich Hufgetrappel.

„Auf Sie habe ich gewartet.“ Tissa baute sich mit ihrer Stute Mausi vor dem Tierarzt auf, Mausi stand mit hängenden Ohren auf drei Beinen und Tissa sagte mit einem vielsagenden Blick in Doktor Abnemers Richtung: „Der Hufschmied!“

Irgendjemand musste ja schuld daran sein, wenn ein Pferd lahm ging und nur noch auf drei Beinen dastand! Mein vertrauliches Gespräch mit Doktor Abnemer war beendet und meine verdeckten Ermittlungen würden warten müssen.

Die Lust am Reiten war mir für heute verdorben. Fango tobte sich genauso gerne in der kleinen Halle aus. Ich gönnte ihm eine gute halbe Stunde, dann führte ich ihn in seine Box. Um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, weil ich nicht ordentlich geritten war, bürstete ich ihm ausgiebig das Fell.

Ein schrilles Lachen beendete unser Tête à Tête. Warum kam Tissa immer im falschen Moment, fuhr es mir durch den Kopf. Gerson kam nie, wenn ich bei Fango war und Tom auch nicht. Ich fühlte plötzlich einen unheimlichen Groll in mir aufsteigen, dessen Stärke mich erschreckte. Was hatte die Frau mir denn getan? Die Arme auf die Paddockstange gestützt, lugte sie zu uns herein. Warte nur, dachte ich, heute krieg ich dich dran. Ich tat so, als ob ich sie nicht bemerkte, verabschiedete mich von Fango, dann ging ich schnell hinaus auf den Hof, zur Sattelkammer. Hinter mir hörte ich Schritte, Tissa folgte mir.

„Hey, Vera!“

„Hey.“

Tissa blieb vor mir stehen, verknotete ihre Beine, nahm ihren Becher, der Skorpion war direkt auf mich gerichtet. „Na, hast du dich von deinem Schock erholt?“

„Schock? Von welchem Schock denn?“ Ich bekam einen roten Kopf. Hatte sie etwa gesehen, wie ich von Fango abgesprungen war? Aber egal, das war die Gelegenheit, auf die ich gewartet hatte. Ich griff mit der Hand in den offenen Bio-Dyn-Sack in meinem Spind und ließ die Körner ganz langsam durch meine Finger gleiten. Tissa beobachtete mich gespannt; es war verrückt und fahrlässig zugleich, aber ich konnte mir nicht helfen, ich musste dem Impuls folgen! Vielleicht würde ich in Kürze an mörderischen Bauchkrämpfen elendig zu Grunde gehen, doch ich steckte mir ein paar Körner in den Mund und fixierte Tissa dabei mit den Augen. Sie starrte mich an, hielt für einen Wimpernschlag lang den Atem an, dann schrie sie: „Vera!“

Mit so einer heftigen Reaktion hätte ich nicht gerechnet; fast wurde es mir selbst ein bisschen mulmig.

„Was hast du denn, Tissa? Ist was passiert?“, fragte ich mit schlecht gespielter Ahnungslosigkeit.

„Warum kaust du Pferdefutter? Hast du nicht gefrühstückt?“

„Die Leute sagen, es hätte Müsliqualität? Stimmt es etwa nicht? Das wollte ich einfach mal probieren. Mir schmeckt es nicht besonders“, sagte ich und spuckte die Körner in mein Taschentuch.

„Das ist Pferdefutter, kein Müsli“, sagte Tissa barsch.

„Ja, und? Hafer ist auch Pferdefutter und wir Menschen essen es.“ Tissa hatte den Becher abgestellt, unter ihrem dunklen Teint hatte ihre Gesichtshaut eine käsige Farbe angenommen.

„Ist dir nicht gut?“, fragte ich scheinheilig.

„Mir? Wieso? Nein, mit mir ist alles in Ordnung“ sagte sie. „Welches Futter gebt ihr eigentlich Fango?“

„Das Plus, glaube ich.“

Für einen Augenblick sah ich Tissa taumeln und dachte, sie würde stürzen. Doch dann fing sie sich wieder. Wie sie es geschafft hatte, den Skorpionbecher so zu balancieren, dass sie keinen Tropfen verschüttete, war mir schleierhaft.

„Zeig mir mal den Sack, ja?“, sagte sie. Ich tat ihr den Gefallen und ging einen Schritt zu Seite.

„Es ist das normale.“ Sie schien erleichtert, warum wusste nur sie oder der Teufel. Elan hatte angeblich auch nur das „normale“ Futter bekommen und nun lag er steif und kalt unter der Plane und wartete auf den Abdecker. Jetzt war ich mir fast sicher, dass das Zeug giftig war. Ach was, giftig! Hochgiftig sogar!

Ich schüttelte mich, weil ich gerade ein unheimliches Rumoren in meinen Eingeweiden spürte. Natürlich hatte ich die Körner vorsichtshalber nicht zerkaut und schon gar nicht runtergeschluckt, aber was, wenn zum Beispiel ein Stück Mutterkorn darunter gewesen wäre, von denen schon winzige Partikel reichten, um einen Menschen zu töten, oder ein paar getrocknete Hyazinthenblätter? Harmlos waren die ebenfalls nicht. Sie enthielten Oxalsäure und Saponine, die, wie ich bei Wikipedia gelesen hatte, Schleimhautreizungen verursachten, und das bedeutete, Mensch und Tier wurde es schlecht, ziemlich schlecht sogar. Vera, hör auf, Horrorszenarien zu entwerfen, rief ich mich zur Ordnung. Das Kommando wirkte, ich atmete durch und meine Gedanken kamen wieder auf die Reihe, einer hinter dem anderen. Tissa hatte sich selbst entlarvt, das reichte. Jetzt musste ich nur noch wissen, wo dieses Wunderfutter produziert wurde und wer dahintersteckte und wenn ich erst einmal die Laboranalyse von Doktor Abnemer in der Hand hätte, würde ich … sie ins Gefängnis bringen, vollendete ich meinen Gedanken. Aber so weit waren wir noch nicht! Ich musste Schritt für Schritt vorgehen und fragte Tissa ganz direkt: „Wo wird eigentlich dein Futter produziert?“

„Schau einfach auf den Sack“, sagte Tissa schnippisch und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Da steht alles drauf. Brauchst du eine Brille?“

Die brauchte ich wirklich, denn so sehr ich mich bemühte, ich konnte einfach kein Kleingedrucktes erkennen. Sie trickst, dachte ich, vor Tissa musste ich mich in Acht nehmen.


9

Morgens gegen zehn Uhr kamen nie Kunden ins Reisebüro und ich konnte mich in Ruhe mit dem kryptischen Inhalt meines Horoskopes beschäftigen. Schon allein die Ausdrücke waren mir fremd. Saturnrevolution?

Ich zerfurchte meine Stirn, aber nicht einmal ein Klick auf Wikipedia half mir weiter. Saturn braucht sieben Jahre auf seiner Umlaufbahn. Nach vier mal sieben Jahren steht er wieder da, wo er bei deiner Geburt gestanden hat. Das nennt man die Wiederkehr oder eben die Saturnrevolution, erfuhr ich dort.

Während ich las, hörte ich unser altes Faxgerät rattern. Mit feuchten Fingern zog ich das Blatt heraus, das Schreiben war an mich gerichtet, das sah ich sofort. Iris hatte es mir weitergeleitet, es kam von Claire, die sich bei mir wegen ihrer Vergesslichkeit entschuldigte. In ihrer ersten Sendung an mich habe die Erklärung gefehlt, die ich unbedingt brauchte, um mein Horoskop richtig zu verstehen. Ein Blick genügte, um mich kribbelig vor Neugier zu machen.

„Saturnrevolution. Sei achtsam und vorsichtig. Deine körperlichen Grenzen werden überschritten. Dein Freund trennt sich von dir, oder du musst eine alte Last abwerfen, um den idealen Partner zu finden.“

Ganz unten auf der Seite stand in einer steilen, altmodischen Handschrift: „Chère Madame Vera! Es sind nur Möglichkeiten, Beispiele, die so nicht eintreffen müssen. Zur Erklärung: Ein Horoskop stellt die Urkräfte dar, die seit Ihrer Geburt auf Sie einwirken. Wenn Sie diese Kräfte kennen, können Sie Klarheit in Ihrem Leben erlangen. Ich wünsche Ihnen Glück und Kraft auf Ihrer Reise, cordialement, Claire, und ich bitte Sie noch einmal, mir mein Versehen zu verzeihen.“

Enttäuscht ließ ich das Schreiben sinken und zog meinen Drehstuhl heran. War ich jetzt schlauer? Was sollte ich mir unter diesen Urkräften vorstellen? Die gutgemeinten Erläuterungen trugen eher zu meiner noch größeren Verwirrung bei, keiner der Ratschläge traf auf mich zu. Körperliche Grenzen? – Davon konnte bei mir wirklich keine Rede sein! Ich ritt ja nur noch zwei bis dreimal die Woche und die Stallarbeit warf mich auch nicht um. Und warum sollte sich mein Freund von mir trennen? War da etwa Gerson gemeint?

Ich hielt einen Augenblick inne und betrachtete die Kinoreklame auf der anderen Seite der Brückenstraße. In der Spätvorstellung zeigten sie wieder Stranger than Paradies und Down by Law von Jim Jarmusch, tolle Filme, die ich mir vor ein paar Jahren mit Gerson zusammen angeschaut hatte. Wie lange war das schon her! Seit wir Fango übernommen hatten, waren wir kein einziges Mal mehr zusammen im Kino gewesen, hatten nichts mehr Schönes gekocht und kaum Zeit für vertraute Gespräche gehabt, geschweige denn, dass wir mit unseren Freunden zum Schwofen in die Nachtschicht gegangen wären.

Aber hatte das alles wirklich nur mit Fango zu tun? Nein, ich musste es mir eingestehen: Kinofilme, Essen kochen, zusammen auf dem Sofa liegen und Musik hören, all das hatte aufgehört, als meine Geschichte mit Luis angefangen hatte. Und als der vermeintliche Pferdemann und Elitereiter wieder aus meinem Leben verschwunden war, hatte er Fango unversorgt auf dem Leierhof zurückgelassen. Tom hatte Fango schon im Internet zum Verkauf anbieten wollen, als Gerson aktiv geworden war: „Ich zahle die Hälfte der Boxenmiete, wenn du für den Beritt sorgst, Vera“.

Er war unglaublich großzügig gewesen und möglicherweise war mir meine Liebelei mit Luis deshalb so peinlich. Manchmal argwöhnte ich, dass Gerson und ich Betriebsamkeit vortäuschten, um unsere gegenseitige Entfremdung voreinander zu verbergen. Auf einmal sah ich das Horoskop in einem anderen Licht; Tränen traten in meine Augen und unter der Traurigkeit blitzte eine jähe Angst auf. Die Angst, Gerson für immer zu verlieren.


10

„Führst du das Reisebüro inzwischen allein?“, fragte mich Gerson am dritten Tag nach Massimos Abreise.

„Ich habe es ihm doch versprochen! Ich glaube, Massimo ist nach Norwegen gejettet. Er hätte sich ja mal melden können! Wenn er morgen nicht anruft und sagt, wo er steckt …“, ich konnte auf einmal nicht weitersprechen.

„… dann musst du endlich was unternehmen!“, ergänzte Gerson.

„Das sagst du so einfach. Keine Ahnung, wen ich nach ihm fragen könnte. Du kennst doch Massimo, er lebt allein. Und in den Stall kommt er auch nicht mehr. Sein Pferd hat er vor einem Jahr verkauft, als das Geschäft schlecht ging und er die Pferdehaarallergie bekam.“

Nach diesem Gespräch machte ich mich mit düsteren Vorahnungen auf den Weg zur Arbeit. An der Straßenecke knurrte mich ein struppiger Kläffer ohne Halsband an und folgte mir knurrend bis zur nächsten Kreuzung. Ich versuchte, ihn nicht zu beachten, nach ein paar Minuten hatte meine Taktik Erfolg und der Köter blieb zurück. Doch mein dumpfes Gefühl verdichtete sich zu der Ahnung, dass gleich etwas Schreckliches geschehen würde, und diese Ahnung verstärkte sich, je näher ich unserem Reisebüro kam. Vielleicht war Massimo zurück und würde mir eröffnen, dass er den Laden verkauft hätte, und dass ich nicht mehr auf eine neue Anstellung hoffen könnte? Möglicherweise litt er an einer unheilbaren Krankheit und wollte noch alles regeln, bevor er in die ewigen Jagdgründe einginge?

Und dann stand ich vor unserem Laden und sah es. Die ganze linke Seite des Büroschaufensters war mit schwarzer Farbe zugeschmiert. Kein Graffiti mit irgendeiner geheimnisvollen Botschaft, wie sie manchmal an frischgetünchte Hauswände geschmiert wurde, das Fenster war einfach nur rappenschwarz.

Ausgerechnet jetzt war mein Chef auf Dienstreise und ich wusste weder, was ich tun sollte, noch wie ihn erreichen. Die Polizei anrufen? Das wäre Massimo bestimmt nicht recht gewesen. Warum wusste ich nicht, aber er hatte ja wegen der zerbrochen Scheibe auch nur seine Versicherung verständigt. Ich befeuchtete meinen Zeigefinger mit Spucke und rieb auf dem Glas herum. Die Tünche stank fürchterlich, aber nach einer Weile verwandelte sich das Schwarze in eine braune Schmiere und begann sich aufzulösen. Es war gar keine Farbe, es war Kot – Hundekot vielleicht, oder Schweinemist. Jemand hatte Massimos Schaufenster von oben bis unten mit Mist zugekleistert. Was für eine Gemeinheit! Ich schaute mich um. Die Boutiquen auf der anderen Seite hatten noch nicht geöffnet und es waren kaum Fußgänger unterwegs. Wenn ich mich beeilte, konnte ich das Fenster in einer halben Stunde wieder einigermaßen sauber waschen. Es blieb mir nichts übrig, als mich mit einem Eimer Wasser an die Arbeit zu machen. Ich schaffte es, doch als die Scheibe wieder klar war, fühlte ich mich selbst durch und durch schmutzig. Meine Bürojeans hatte ein paar hässliche Flecken abbekommen und ich muffelte nach Schweiß und Jauche.

Ich war noch keine fünf Minuten mit meiner Säuberungsaktion fertig, als der Glaser kam und eine neue Scheibe einsetzte. Wie gut, dass der Handwerker die besudelte Scheibe nicht gesehen hatte. Bestimmt hätte er mir unliebsame Fragen gestellt, auf die ich keine Antwort gewusst hätte. Wenigstens wurde es jetzt wieder ein bisschen wärmer im Büro; doch mit jeder Stunde, die ich alleine dasaß und auf Massimo wartete, wurde es mir ungemütlicher.

Ich konnte einfach nicht mehr so tun, als ob alles in Ordnung wäre. Ich musste unbedingt herausfinden, wo Massimo steckte. Doch gerade, als ich voller Tatendrang Massimos Mailbox unter die Lupe nehmen wollte, sprang mein Handy an. Tracy Chapmans raue Stimme: Matters of the heart. Wehmütig dachte ich an die Zeiten, in denen Gerson mir jede Woche einen neuen Klingelton für mein Handy heruntergeladen hatte, mit so einer Spielerei verschwendete er seine Zeit schon lange nicht mehr. Es war Iris und augenblicklich kletterte mein Stimmungsbarometer steil nach oben. Ich ließ mich wieder auf meinen Schreibtischstuhl sinken und legte die Füße auf den leeren Chefsessel.

„Tschau Vera!“

„Hey, du bist es! Was gibt es?“

„Eine gute Nachricht! Morgen bringe ich dir Nine!“

„Wunderbar! Ich freu mich! Tom hat auch schon gefragt, wann sie kommt!“, sagte ich aufgeregt.

„Moment, freu dich nicht zu früh, es gibt auch eine schlechte Nachricht! Naja“, fügte sie hinzu, „so schlecht wie es klingen mag, ist sie auch wieder nicht.“

„Oh je, bitte nicht! Sag schon, Iris.“

„Alles Paletti hat starken Husten. Wenn ich ihn mitnehme, könnte er Nine anstecken und vielleicht sogar die Pferde in eurem Stall.“

„Dann kann er nicht mitkommen?“, fragte ich überflüssigerweise.

„Es wäre besser, wenn er noch hier in der frischen Juraluft bliebe.“

Weil ich mir für meine Antwort Zeit ließ, hakte Iris nach: „Bist du einverstanden? Alles Paletti bleibt noch hier?“

Ich musste meinen Frosch im Hals verscheuchen, bevor ich antworten konnte. „Ja, ich glaube, es ist besser so“, sagte ich traurig. Eigentlich ist es Glück im Unglück, dachte ich und brachte es trotzdem nicht übers Herz, Iris zu sagen, dass ich bald nicht einmal mehr das Geld für Nine übrig haben würde.

Ich legte auf und wählte gleich darauf Toms Nummer, um ihm die frohe Botschaft von Nines Ankunft zu überbringen. Er wollte immer gleich über alles Neue in seinem Stall informiert sein, und er würde sein Bestes tun, damit sich Nine in ihrer alten Box wieder richtig zu Hause fühlte.

Vorsichtshalber schloss ich die Bürotür ab, ich wollte für eine Viertelstunde ungestört sein, um mit meinen Recherchen zu beginnen. Ich kannte das Passwort von Massimos PC und machte mich an die Arbeit.

Die meisten Sendungen im Posteingang waren Geschäftsbriefe, Rechnungen, Kundenbeurteilungen und Reisebeschreibungen – ganz normale Geschäftskorrespondenz. Ich zögerte einen Augenblick, dann öffnete ich den Ordner „Gesendet“. Dort erregte eine Nachricht ohne Betreff meine Aufmerksamkeit. Massimo hatte sich vor fünf Tagen, also kurz vor seinem Verschwinden, mit einem mir nicht bekannten Kunden verabredet. In der Mail war der Treffpunkt angegeben: „Autobahnraststelle Bruchsal.“ Ob sie von dort aus zusammen weiterfahren wollten? Diese Raststätte war unter Reitern gut bekannt. Von Heidelberg Richtung Bruchsal kommend, konnte man hinter der Tankstelle über einen Feldweg auf die Bundesstraße stoßen und die Autobahnbrücke überqueren. Man brauchte nur von der Hauptstraße links abzubiegen und kam zu „Reitsport Vordermann.“ Das Geschäft lag auf der anderen Autobahnseite Richtung Heidelberg und der Schleichweg ersparte den Umweg über die nächste Autobahnausfahrt ein paar Kilometer weiter. Massimo hatte mich früher einmal dorthin mitgenommen. Er hatte sich Maßstiefel anfertigen lassen und ich hatte mir eine superschicke Ganzlederreithose gekauft.

Aber was wollte Massimo in einem Reitsportgeschäft, er hatte doch gar kein Pferd mehr? Ich legte den Hörer, den ich schon in der Hand hielt, wieder hin. Wahrscheinlicher war, dass er seinen Bekannten auf der Raststätte getroffen hatte und mit ihm in die Schweiz oder nach Italien gefahren war; mit einem schnellen Wagen konnte man in 8 Stunden in Milano sein. Aber dann rief ich doch bei Vordermann an, ich musste irgendetwas tun und ich wollte es einfach wissen. Der Chef meldete sich persönlich. „Ich habe eine Frage – war vor drei Tagen mein Boss, Massimo Auditi vom Reisebüro Reisen der Anderen Art in Heidelberg bei Ihnen? Ein großer, dunkler Mann, so ein sympathischer Holzfällertyp?“

Im Hintergrund hörte ich jemand tuscheln, dann kam eine Frauenstimme. „Ein großer dunkler Typ, sagen Sie? Der war hier, er hat unglaublich nach Parfüm gerochen.“

„Green Orange?“

„Wie bitte? Ach so, keine Ahnung, wir sind hier keine Drogerie – ich kenne mich mit diesen Wässerchen nicht aus. Er war mit einem Geschäftsmann im grauen Anzug da, der auch nach diesem Zeug gestunken – äh, ich meine geduftet hat. Hab schon gedacht, die beiden hätten was miteinander.“

„Was wollten sie denn?“, fragte ich.

„Sie haben sich nach unserem neuen Reiseprogramm erkundigt. Wir bieten seit neuestem Wanderritte an.“

Das nennt man Werkspionage, dachte ich schmunzelnd. Massimo war ein findiger Geschäftsmann. Ich atmete tief durch. Übertriebene Sorgen brauchte ich mir nicht mehr zu machen. Massimo würde bestimmt bald wieder auftauchen und mich in meinen letzten Arbeitstagen bis über beide Ohren mit Recherchen eindecken, es ginge ja um meinen zukünftigen Arbeitsplatz, hörte ich ihn sagen. Trotzdem fühlte ich mich so erleichtert, dass mir Freudentränen in die Augen traten; doch an meiner Reaktion merkte ich, dass ich unbewusst mit dem Schlimmsten gerechnet hatte.

Glücklicherweise hatte ich heute keine Kunden beraten müssen. Der penetrante Geruch, der immer noch an mir hing, hätte sie bestimmt in die Flucht geschlagen. Ich schloss die Ladentür wieder auf, doch das hätte ich mir sparen können, denn ich blieb den ganzen Nachmittag über allein. Ich nutzte die Zeit um ein paar Erkundigungen zu machen, die mir Massimo vor ein paar Tagen aufgetragen hatte. Es ging um Wanderritte durch Norwegen, und nun verstand ich, was Massimo damit beabsichtigte. Er wollte selbst so ein Programm anbieten, wie er es bei Vordermann gesehen hatte.

Zufrieden legte ich die ausgedruckten Ergebnisse, die einen stattlichen Stapel ergaben, in die Ablage auf Massimos Schreibtisch. Wenn er zurückkäme, würden wir das Norwegenprojekt gemeinsam in Angriff nehmen und vielleicht würde ich dann meinen Job viel früher wieder bekommen, als ich zu hoffen gewagt hatte.

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