Kitabı oku: «Versiegelte Unterwelt», sayfa 2
Abb. 12 Plan der Frauenhöhle bei St. Stefan in Hofkirchen. Dieser zeigt nur mehr das Fragment einer einst längeren unterirdischen Anlage.
Abb. 13 Schlupf im Erdstallfragment Vockenberg: Links vor dem Schlupf befindet sich eine der typischen Sitznischen, wie sie weitverbreitet in den Erdstallanlagen Europas vorzufinden sind. Bei uns in der Steiermark wurden diese Nischen immer auf der dem Eingang zugewandten Seite aus dem Fels geschlagen.
Bemerkenswert ist an diesen Zeilen, dass Karner die Gleichheit und Fundleere der Anlagen betont, die er allerdings in seinen Schlussbemerkungen wieder relativierte, weil er doch noch einige Streufunde aus Erdställen bergen konnte, und der vorletzte Satz beinhaltet eine Aussage, die vermutlich sehr nahe an die Wahrheit herankommen könnte, nur das Wort „Volksstamm“ ist nicht ganz zutreffend:
In der Anlage der Höhlen repräsentiert sich vielmehr eine Idee, die nicht mehreren Volksstämmen sondern nur einem einzigen eigen sein konnte.
Jedoch hatte er sinngemäß Recht, wenn er meint, dass gerade diese künstlich geschaffenen unterirdischen Anlagen von besonderer Bedeutung für die Erbauer gewesen sein mussten, weil viele architektonische Elemente, wie runde bzw. rechteckige Räume, Schlupfe, Rundgänge usw., in durchaus ähnlicher Ausgestaltung bei den einzelnen Anlagen immer wieder vorkommen. Bemerkenswert sind auch die Abmessungen der Gänge, Schlupfe, Kreisgänge und Kammern, sofern sie noch im Original vorhanden sind. Hier fallen sofort die engräumigen Gangpassagen auf, die in diesen Anlagen das Gesamtbild prägen. (Abb. 13 und Abb. 14) Viele wurden jedoch in den letzten Jahrhunderten durch die Bevölkerung nachträglich erweitert und verändert, weil man mehr Raum, meist Lagerraum für unterschiedliche Dinge, benötigte und so die Anlagen auch pragmatisch nutzte. (Abb. 15, Abb. 16 und 17)
Wie sehr sich Karner in seiner über 25-jährigen Arbeit in die Erdstallforschung vertiefte, weil er herausfinden wollte, wo der Ursprung der Erdställe zu finden ist, erkennt man an seinen zahlreichen lateinischen Zitaten von antiken Schriftstellern, wie Herodot (Buch LXXI, Cap. 108), Strabo (Buch V, Cap. 4), Plinius (Historia naturalis, Editio Basilensis, Froben 1525, 19, 1), Tacitus (Nat. Hist., VII, 56 und Germania, Cap. 16) und Pausanias (IX. Buch der Beschreibung Griechenlands, Cap. 39), die in ihren Texten unterirdische Anlagen in Europa beschrieben, die in einigen wenigen Fällen ohne Weiteres auch zur Gruppe der Erdställe zählen könnten. Er verglich die Erdställe von Österreich, Bayern und Mähren mit ähnlich gebauten Anlagen in Russland, Japan, Frankreich, Schottland usw. Wir würden seine Arbeit heute mit einem Wort umschreiben, und zwar „global“ oder „international“. Wie gesagt, er war seiner Zeit voraus, denn in den letzten Jahrzehnten gab es nur wenige Forscherinnen und Forscher, die es wagten, internationale Vergleiche zu diesem Thema zu ziehen und zu publizieren, um mögliche Parallelen aufzuzeigen. Das Problem waren in solchen Fällen immer die vielen Jahrtausende, die zwischen den von einigen wenigen Forschern offiziell vertretenen Altersangaben (Mittelalter oder Barockzeit) unserer europäischen Anlagen und den anderen auswärtigen lagen. Die Gefahr bei solchen rein auf Vermutungen aufgebauten Altersangaben von Erdställen liegt immer in der Pauschalierung der Objekte, weil wir nicht jede einzelne Anlage mit einem vermuteten Mindestalter generell mit der direkt danebenliegenden gleichsetzen können. Dazu kommt noch, dass viele der heute bekannten so genannten „Erdställe“ nur mehr Gangfragmente sind und diese Bezeichnung damit falsch wäre. Datierungen von sekundär eingebrachten organischen Materialien aus den Anlagen haben mit den Herstellungszeiträumen der Erdställe und Ganganlagen gar nichts zu tun!
Abb. 14 Plan des Vockenberg-Erdstalles. Diese aus dem anstehenden Fels gearbeitete unterirdische Anlage ist im hinteren Abschnitt verstürzt. Ein größerer Raum ist hier durch die Verwitterung der Höhlendecke eingebrochen und hat dadurch heute im Waldboden eine rund einen Meter tiefe großflächige Senke gebildet.
In seinen „Schlussbemerkungen“, die sich auf Seite 219 bis 235 befinden, machte sich Karner auch Gedanken über die Wächter-, Licht- und Tastnischen an den Gangwänden oder in den Kreisgängen und vor allem über das Phänomen der Schlupfe, jene meist 1 m langen, sehr engen Röhren, vor bzw. hinter denen oft Griffleisten zum Durchziehen oder Durchschieben im Boden oder an der Decke aus dem Fels gearbeitet worden sind. Fragt sich nur warum, denn auch ohne Griffleisten ist eine solche Stelle zu bewältigen, denn diese sind oft sehr nahe am Schlupf. Es gibt die Engstellen in drei Ausführungen, in schräg geneigter, in horizontaler und in vertikaler Ausführung.
Nun kennen wir vor allem aus Süd- und Westeuropa auch unterirdische Anlagen aus dem Neolithikum, die gleichfalls diese Engstellen und Rundkammern besitzen. Also war diese Bauweise, durch Funde datiert, vor etwa 8.000 Jahren bereits gut bekannt. Doch warum tat man sich diese Arbeit an, Schlupfe in das Gesamtarrangement eines Erdstalles oder Schrattels einzufügen, wenn man sich die Arbeit dadurch wesentlich erschwerte, weil durch diese Engstelle das ganze tonnenschwere Material, das von den dahinterliegenden Räumen und Gängen stammte, hindurchtransportiert werden musste? Auffallend ist auch, dass auch keinerlei Spuren von den Hunderten von Säcken oder Behältnissen, die mit Material gefüllt waren und vielleicht bei diesen Arbeiten durch die Engstellen hindurchgezogen werden mussten, an den Wand- und Deckenteilen oder dem Boden der Schlupfe erkennbar sind.
Abb. 15 Ein in der Neuzeit als Wassergang von der Familie Kraußler genutzter Stollen im Steingraben nahe von Vorau.
Abb. 16 Der Einstieg zum über 50 m langen Notter-Felsgang bei Pongrazen in einem Waldabschnitt weit entfernt von den Gehöften. Der Besitzer, Herr Siegfried Notter, erklärt uns gerade den Verlauf des Ganges, den er durch Zufall in über 4 m Tiefe unter dem Waldboden entdeckt hat.
Karner zitiert in seinem Buch „Künstliche Höhlen aus alter Zeit“ auf Seite 233–34 den Griechen Pausanias, der von 160 bis 180 n. Chr. einen Reisebericht (IX. Buch der Beschreibung Griechenlands, Cap. 39) verfasst hat. In diesem Textabschnitt wird die kultische Nutzung einer solchen Anlage, dem Orakel des Trophonius zu Lebedea im alten Griechenland, beschrieben und dabei ist uns etwas aufgefallen, das vielleicht einen Hinweis auf die ursprüngliche Anwendungsform der Schlupfe liefern könnte. So etwas bezeichnet man als Nachleben einer unverstandenen oder in Vergessenheit geratenen Tätigkeit:
Nachdem er alle Vorbereitungen schildert, deren sich der Besucher des Orakels unterziehen muss, auch dass er „ein linnenes mit Binden aufgegürtetes Unterkleid anzieht“, fährt er fort: „Dieses Orakel liegt oberhalb des Haines auf der Berghöhe. Hier steht eine kreisförmige Mauereinfassung aus Marmor im Umfang der kleinsten Tennen und nicht ganz zwei Ellen hoch … Innerhalb der Umfassungsmauern findet sich eine, nicht von selbst entstandene, sondern mit grösster Kunst und Regelmässigkeit gebaute Erdöffnung. Dieser Bau hat die Form des Gefässes zum Brodbacken, seinen Durchmesser kann man auf vier Ellen und auch seine Tiefe nicht höher als auf acht Ellen schätzen.“ Bekanntlich vergleicht auch bei uns das Volk die Erdstallkammern mit Backöfen. „Es führt jedoch kein Weg auf den Grund hinab, sondern wenn jemand dem Trophonius sich nahen will, so holt man eine enge und schwache Leiter herbei; steigt man auf dieser hinab, so sieht man zwischen dem Boden und der darauf gebauten Wand eine Öffnung, die mit zwei Spannen breit und eine Spanne hoch vorkam. Ist man unten, so legt man sich mit Honigkuchen in den Händen auf den Boden, steckt dann die Füsse in die Öffnung und rückt dann auch mit dem übrigen Körper nach, um die Kniee in die Öffnung hineinzubringen; ist es aber soweit, so wird der Körper augenblicklich nachgezogen und muss den Knieen so schnell folgen, wie wenn ein grosser und reissender Strom einen Menschen verschlingt, den der Strudel gefasst hat. Ist man aber in das innerste Heiligtum gelangt, so besteht von jetzt an keine feste Bestimmung mehr darüber, wie man die Zukunft erfahren soll, sondern der Eine erfährt sie durch das, was er sieht, der Andere durch das, was er hört. Wer hinabsteigt, muss auch den Rückweg durch dieselbe Öffnung nehmen, gleichfalls die Füsse voran.“
Abb. 17 Der Notter-Gang ist im hinteren noch im Original erhaltenen Abschnitt nur knapp einen Meter hoch und der Boden ist durchgehend mit Steinplatten bedeckt.
Nun finden wir in diesen über 1.800 Jahre alten Zeilen eine Beschreibung vor, wie sich ein Gläubiger in einer unterirdischen Anlage zu verhalten hat, um zu einer Weissagung im eigentlichen Orakelraum zu gelangen. Interessant sind die Beschreibungen des Einganges und der Räumlichkeiten, die viele Ähnlichkeiten mit Erdstallanlagen aufweisen. Der Einstieg geht in einen senkrechten Abstieg, eine Art Schacht, über. Vom Schachtgrund führt ein Schlupf, also eine Engstelle, in eine interessanterweise nicht näher beschriebene Kammer, in der die Weissagung bzw. Eingebung erfolgte. Bis zu diesen Fakten wäre ja alles in Ordnung, nur die Beschreibung der Bewältigung des Schlupfes ist außergewöhnlich, denn hier wird davon gesprochen, dass der Gläubige mit den Füßen zuerst, und dies auch noch sehr schnell, wie im Sog eines Strudels, durch dieses Loch hindurchgezogen wird. Nun würde kein Erdstallforscher durch einen horizontalen Schlupf mit den Füßen zuerst durchkriechen, es sei denn, dieser führt senkrecht oder schräg in die Tiefe. (Abb. 18) Und der Abstieg kann auch nicht schnell wie in einem Sog eines Strudels erfolgen, denn jeder, der sich durch eine Engstelle durchgezwängt hat, weiß, dass dies nicht mit einer eleganten Leichtigkeit erfolgen kann, sondern eher je nach Größe, Umfang und Alter der Person mit einer gewissen Anstrengung verbunden ist. Je kleiner die Person ist, desto leichter ist es ihr, möglichst elegant durchzuschliefen. Doch versucht jeder erst einmal, mit dem Kopf voran durchzukommen, um zu sehen, was ihn erwartet. Bei dieser sonderbaren, rituellen Beschreibung der Bewältigung dieser Engstelle, könnte es sich um eine alte überlieferte Form der ursprünglichen Nutzungsart von Schlupfen handeln. Der „Honigkuchen“ in den Händen des Besuchers ist offensichtlich eine rituelle Handlung, die aber auch vielleicht eine Nachahmung einer alten überlieferten, aber unverstandenen Handlung gewesen sein könnte, von der wir heute keinerlei Ahnung bzw. tradierte Überlieferung mehr haben.
Weiter zitiert Lambert Karner auf den Seiten 230 und 231 in seinem bereits genannten Buch eine Niederschrift von Erzbischof Dr. Anton von Steichele aus dem zweiten Bande (1864) seines Werkes „Das Bisthum Augsburg historisch und statistisch beschrieben“ auf Seite 418 ff.:
So räthselhaft und geheimnisvoll diese unterirdischen Bauwerke auch erscheinen, so ist doch hinreichender Grund zur Annahme vorhanden, dass dieselben mit der heidnischen Religion der ältesten Landesbewohner in einer Beziehung gestanden (pag. 418).
Abb. 18 Der Schlupf im Erdstallfragment von Alt-Schielleiten. Rechts und links vor dem Schlupf sind zwei Sitznischen angeordnet. Der ursprüngliche Eingang dieses aus dem anstehenden Fels gearbeiteten Erdstalles befand sich rund 50 m von dieser Stelle entfernt vor der Außenmauer der Ruine Alt-Schielleiten. Heute ist der Gangverlauf durch Einbrüche im Keller und im hintersten Abschnitt des Eckturms unterbrochen. Auch hier wurde das Gebäude nachweisbar sekundär über der Erdstallanlage errichtet.
Über den wahrscheinlichen Zweck sagt er auf Seite 421:
Unsere Gänge sind ungeachtet ihrer Spitzbogen anderen Baues und anderer Beschaffenheit (als die mittelalterlichen unterirdischen Gänge), und so wie mir dürfte Jedem, der solche Gänge betreten, ihre Verzweigungen durchforscht hat und in ihre geheimen Kammern eingedrungen ist, der Eindruck geblieben sein, dass sie aus uralter Zeit stammen und einem Volke angehören müssen, welches schon vor dem Einbruche der Römer diese Landstriche bewohnte. Ähnliche Gänge und Räume bestehen nach der Beschreibung von Carmont „Cours antiquités monumentales“, Paris 1830, Seite 163 bis 166, auch in Gegenden Frankreichs und Englands, in welchen sich Kelten niedergelassen haben, dort, gleich der Alraunhöhle bei Schwarzach in Niederbaiern, in Felsen gehauen wie bei uns in Sand. Bei Vergleichung der Gänge untereinander tritt ferner die Wahrnehmung hervor, dass dieselben nach einem einheitlichen Typus, ja nach einem kunstgerechten Systeme, angelegt und gebaut worden seien, daher sie nicht von gewöhnlichen Landbewohnern herrühren können, sondern einem solchen Stande im Volke zugeschrieben werden müssen, welcher mit der Technik unterirdischer Bauten wohl vertraut war und mit unseren Gängen höhere, über die Bedürfnisse des profanen Lebens hinausreichende Zwecke anstrebte, wofür damals nur der Stand des Priesters geeignet sein konnte. …
Wie wir aus den Zeilen entnehmen können, treffen die Schlussfolgerungen des Erzbischofs Steichele so ziemlich die Ansichten von Lambert Karner. Beide vertraten damals schon die Meinung, dass nur eine technisch herausragende Personengruppe diese Bauten europaweit bzw. global gesehen errichtet haben könnte. (Abb. 19 bis 21) Wer sich im Detail mit dem Bergbau im Mittelalter und der Neuzeit beschäftigt, weiß, dass man damals technisch einfach nicht in der Lage war, so präzise gearbeitete Gänge zu schaffen. (Abb. 22 und 23) Es hätte ja auch keinen Sinn, denn in einem Bergwerk sucht man nach Mineralien, also Bodenschätzen, und da folgt man den an der Erdoberfläche ausbeißenden Erzadern in den Gesteinskörper hinein. (Abb. 24 und 25) Wie war diese präzise Technik, mit der die Tunnels entstanden sind, vorher möglich und wo ist das Wissen geblieben? Im Nahen Osten, wo es vergleichbare unterirdische Anlagen gibt, werden diese von den Wissenschaftlern durch Streufunde auf ein Mindestalter von 4.000 Jahren und mehr datiert. Aber auch hier ist der Ursprung, also die Entstehungszeit, unbekannt, denken wir nur an die vielen unterirdischen Städte in Zentralanatolien, die in der Hethiterzeit bereits vorhanden waren und von denen heute niemand weiß, wann sie wirklich gebaut worden sind. Hier gibt es in der Fachliteratur doch einige gute Beispiele, man muss sie nur suchen und sich selbst eine persönliche Meinung bilden. Außerdem wären die Arbeiter in den engen Gängen bei ihren Vortriebsarbeiten wahrscheinlich erstickt, denn sie benötigten ja auch Licht, und wenn wir annehmen, dass sie offenes Feuer als Beleuchtung hatten, so verbraucht die Flamme einer Kerze, Fackel oder eines Kienspans auf Dauer mehr Sauerstoff als ein arbeitender Mensch beim Atmen.
Abb. 19 Spitzbogenförmiger Felsgang in einem Erdstall nahe Stubenberg.
Hier gäbe es viele Beispiele aus der jüngsten Zeit, die aufzeigen, wie schnell langjährige Deutungen und Theorien speziell im Bereich unserer Forschungen nur durch neue gewissenhafte und vor allem globale Recherchen verändert werden können. So besteht bereits über Jahrzehnte hinweg die von einer Person mit Nachdruck vertretene Annahme, dass man die Erdställe ausschließlich zum Zwecke einer Schutzfunktion vor Räubern, Dieben und plündernden Soldaten im Mittelalter und der Neuzeit errichtet bzw. gegraben hätte. Dies wäre eine völlig sinnlose Maßnahme, denn man würde unseren Vorfahren in einem solchen Fall totale Unwissenheit, ja vielleicht sogar Dummheit unterstellen. Dass sich in unruhigen Zeiten die ländliche Bevölkerung in diesen bereits vorhandenen und ihnen gut bekannten unterirdischen Anlagen kurzfristig versteckte, ist gut bekannt, weil dies ja noch im Zweiten Weltkrieg so gemacht wurde. Doch wussten diese Leute sehr wohl, dass sie sich während ihres Aufenthaltes in einer gefährlichen und für sie schwer entrinnbaren Todesfalle befanden. Viele Zeitzeugen, vor allem Frauen, aber auch Männer, die sich im Zweiten Weltkrieg kurzfristig in solchen Hohlräumen bei Gehöften oder im Wald versteckten und die wir in den letzten Jahren kennenlernen konnten, bestätigten uns dies auch in ihren Erzählungen. Der deutsche Erdstallforscher Dr. Walter Kick publizierte 2014 in der Zeitschrift „Der Erdstall“ einen Artikel über „Erdställe als Zufluchtsort und Todesfalle im Grenzgebiet der March“, in dem er die Sterbematrikeleinträge der Kirche aus der Neuzeit, und zwar aus dem 17. und 18. Jahrhundert, untersuchte und dabei feststellte, dass es bei Ein- bzw. Überfällen auf niederösterreichische Dörfer doch viele Todesfälle von Personen gab, die in so genannten Erdställen Zuflucht gesucht hatten. Die meisten Leute sind in den unterirdischen Anlagen erstickt. Also wusste man in der Neuzeit sehr wohl, dass ein Aufenthalt in den unterirdischen Räumen lebensgefährlich sein konnte, es wurde ja auch schriftlich festgehalten und so für die Nachwelt dokumentiert. Solche Anlagen boten meist nur kurzfristigen Schutz für ganz wenige Personen, aber nicht für mehr und wurden auf keinen Fall ausnahmslos für die Nutzung als künftiger Zufluchtsort erbaut!
Abb. 20 Ein schön gearbeiteter Felsgang unter einem Waldhang bei Kleinschlag. An der linken Wandseite sind rezente Kratzspuren von Tieren erkennbar.
Also scheidet die alleinige Nutzungsform als Versteck als genereller Herstellungsgrund der unterirdischen Anlagen einmal aus, denn niemand baut sich selbst Todesfallen, wenn er sein Leben schützen möchte! Also welche Funktionen kommen dann noch in Frage? Natürlich gibt es auch hier viele Möglichkeiten, die berücksichtigt werden sollen und müssen. Eine solche Variante wäre die kultische Nutzung egal welcher Art, die ja über Jahrhunderte hindurch im kirchlichen und ländlichen Raum in einigen wenigen Fällen bekannt ist. Weitere Nutzungsformen wären noch die Deponierung von Wert- oder Nutzgegenständen, die ja auch vereinzelt durchgeführt wurde, oder letztlich die Entsorgung von Müll. Doch waren alle diese Möglichkeiten sekundäre Nutzungsformen, weswegen man auch jahrelang keine Löcher, Schächte und Gänge in Sandstein, Obok bzw. Fels grub, in einigen Fällen auch mit einem oder mehreren Schlupfen, und Tonnen an Gestein zutage förderte, um sich danach in den Gängen nicht einmal richtig bewegen zu können. Sie waren ja zu engräumig, zu nieder und, sieht man von den nachträglich durch den Menschen erweiterten Anlagen einmal ab, gab es oft nicht einmal genügend Atemluft für tagelange Arbeitseinsätze oder Aufenthalte! Also was war der Grund für den Bau dieser unterirdischen Anlagen und vor allem wann wurden sie errichtet? Diesen Fragen geht man schon seit rund 150 Jahren nach und die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärnutzung ist nur bei den im Mittelalter und in der Neuzeit grob nachgearbeiteten Anlagen leicht erkennbar.
Abb. 21 Ein mit Schwemmsand verfüllter Felsgang auf dem Grund der Familie Glatz in Kleinlungitz, der beim Straßenbau vor mehreren Jahren angeschnitten wurde.
Abb. 22 Eingangsöffnung zu einem neuzeitlich nachgearbeiteten Stollen bei Oberneuberg am Masenberg. Test eines Niederfrequenzgerätes zum Aufspüren von größeren Hohlräumen unter dem Waldboden.
Abb. 23 Das recht grob ausgehackte Gangprofil des neuzeitlichen Stollens bei Oberneuberg am Masenberg. Die sehr rohe Bearbeitung der Wand und der Decke, die auf eine neuzeitliche Nachbearbeitung hinweist, ist hier gut erkennbar. Entlang der Kluft- und Schichtflächen ist der Fels ausgebrochen und bildet so eine unregelmäßige Oberfläche.
Abb. 24 Ansicht eines rezent verfüllten Einganges zu einem in der Neuzeit erweiterten Felstunnel in den Ausläufern des Ringkogels bei Hartberg.
Abb. 25 Ein neuzeitlicher Bergwerksbereich in den Steinberghöhlen bei Waldbach. Sehr schön ist der Versatz des tauben Abbaumaterials, also die nachträglichen Verfüllungen von freien Gangpartien, zu erkennen. Es wurde in dieser Zeit nur das, was wirklich von Nutzen war, an die Erdoberfläche gefördert, der Abraum wurde im Stollen zurückgelassen.
Hier kommen wir auch gleich auf den vermutlichen Herstellungszeitraum der Anlagen zu sprechen. So favorisierten die älteren Forscher des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts den prähistorischen Zeitraum, weil sie beispielsweise in antiken Textstellen Hinweise auf bereits bekannte und vorhandene unterirdische Anlagen gefunden hatten. Allerdings änderte sich diese schon damals richtige Erkenntnis, als man begann, Untersuchungen und Ausgrabungen in den Erdställen durchzuführen. Man stieß dabei vorwiegend auf mittelalter- und neuzeitliche Keramik, aber auch auf ältere Fundstücke, die zwar erwähnt, aber doch meist eher ignoriert wurden, weil man annahm, dass sie sekundär eingebracht wurden. Speziell in Drassmarkt im heutigen Burgenland scheint der gesamte Hügel, auf dem das Dorf steht, mit Gängen und Kammern durchzogen zu sein. (Abb. 26) Immer wieder brachen früher bei Bauarbeiten die Hohlräume ein und legten teilweise verfüllte Gangpassagen frei. Bei den Freilegungsarbeiten und Untersuchungen durch die Bewohner wurde archäologisches Material aus allen Zeiträumen gefunden, darunter auch sehr viele Steinwerkzeuge, die Gott sei Dank auch fotografisch dokumentiert wurden. Bauarbeiter, die vor wenigen Jahren bei Straßenarbeiten vor der Ortschaft auf zwei weitere offene Gänge stießen, erzählten uns, dass diese, nachdem sie von den Arbeitern besichtigt worden waren, danach mit mehreren Betonfuhren verfüllt wurden.
Die wenigen archäologischen Ausgrabungen und Datierungen von organischen Materialien, die bisher in sechs Erdställen durchgeführt worden waren, erbrachten erwartungsgemäß ein mittelalterliches oder neuzeitliches Alter, das korrekt bestimmt wurde, aber mit der Entstehung der Anlagen generell vermutlich nichts zu tun hat, weil die Holz- bzw. Kohlereste wahrscheinlich in diesen Fällen sekundär durch den Menschen, Tiere oder die Natur selbst (Einschwemmungen?) in die Hohlräume gelangt sind. Auch die Verfüllungen in den so genannten Arbeitsschächten können später erfolgt sein, als die Erdställe auf Anweisung von offizieller kirchlicher Seite her zugeschüttet worden sind. Die Auswahl von Auslegungen und Interpretationen ist groß! Das Vorhandensein von Fundstücken (meist sind es Streufunde) aus unterschiedlichen Epochen beweist ebenfalls in keinster Weise den Herstellungszeitraum der Erdställe, sondern sie belegen ausschließlich nur jenen Zeitraum, in dem sich Menschen darin aufgehalten haben, wobei dies auch sehr wichtig ist, weil hier ein mögliches Mindestalter der Existenz dieses Fundortes angegeben werden kann – aber nicht mehr!
Wir konnten in den letzten Jahren einige spezielle Untersuchungen bei den derzeit 754 uns bekannten unterirdischen Anlagen (Forschungsstand 2014) im oststeirischen Bereich durchführen. (Abb. 27 und 28) Vom Entstehungsalter her sind viele, mit Ausnahme der mittelalter- und neuzeitlich nachgearbeiteten Objekte und der Bergwerksstollen, eher älter, also vermutlich dem prähistorischen Zeitraum zuzuordnen.
Speziell im ost- bzw. nordoststeirischen Raum nördlich der Stadt Hartberg und südwestlich des Wechselmassivs (Seehöhe 1.743 m) erstreckt sich ein Gebietsabschnitt, der durch tiefe Taleinschnitte und Hochflächen (bis zu 1.700 m Seehöhe) gebildet wird.
Das gesamte Gebiet besteht geologisch gesehen aus alten Sediment- und Tiefengesteinen. Nur wenige Kalkinseln mit einigen Naturhöhlen befinden sich südwestlich des Bergmassivs Stuhleck (Seehöhe 1.782 m). Gerade in diesen alten Gesteinsformationen, mit Hauptanteilen von Schiefer, Gneis, Granit, Amphibolit u. v. a. m., gibt es ein relativ großes Vorkommen von künstlich geschaffenen unterirdischen Anlagen aus unterschiedlichen Zeitepochen, die heute wohl zu den interessantesten Objekten in der Oststeiermark zählen.
Generell unterscheiden wir derzeit vier verschiedene Arten von unterirdischen Anlagen aus unterschiedlichen Zeiten in unserem Forschungsgebiet:
Abb. 26 Ansicht des Ortes Drassmarkt im Burgenland. Fast die gesamte Kuppe ist mit unterirdischen Anlagen unterhöhlt, jedoch wurden alle wieder verschlossen. Interessant sind die seinerzeit geborgenen archäologischen Funde aus diesen Objekten, die weit in die Vorzeit dieses Raumes zurückreichen.
Abb. 27 Forschungsstand 2014 in der Oststeiermark. Grafik: Dr. Heinrich Kusch
1) Über 440 Felsgänge mit unterschiedlichen Längen (zwischen 6 und 520 m Ganglänge, derzeit sind über 7 km begehbarer Gänge bekannt), viele davon sind durch Einbrüche, Überbauungen oder Bauarbeiten nur mehr fragmentarisch vorhanden (etwa 10 Prozent davon sind mit Erdstallelementen ausgestattet, wie Schlupfe, Kreisgänge und Schachtzugängen).
2) 28 Bergwerke und Stollen (von bekannter und unbekannter Nutzung). Diese Stollen sind der Bevölkerung gut bekannt und sofort an ihrer grob gehauenen Ausführung erkennbar.
3) Mehr als 250 aus Trockenmauern errichtete unterirdische Räume, Schächte, Kreisgänge und Gangpassagen, viele davon wurden von der Bevölkerung wieder verschlossen.
4) Über 30 Schottergänge (Horizontalgänge), auch von ihnen dürfte es wie bei den zuvor genannten unterirdischen Anlagen noch wesentlich mehr geben.
All diese Varianten sind laut aktuellem Forschungsstand nicht nur in der Oststeiermark, sondern auch in der Weststeiermark und teilweise vereinzelt auch in obersteirischen Gebietsabschnitten vorzufinden. Wir können nach unserem derzeitigen Wissens- und Forschungsstand vorsichtig annehmen, dass es weit über 1.000 künstlich geschaffene unterirdische Anlagen bei uns in der Steiermark geben könnte. Da sind die Bergwerke noch nicht dazugerechnet!
Abb. 28 Verbreitungskarte der unterirdischen Anlagen um Vorau und Pöllau. Forschungsstand 2014. Grafik: Dr. Heinrich Kusch
Ein auffallendes Merkmal ist die relative Fundleere vieler Objekte, die abseits von Siedlungsräumen liegen.
Doch berücksichtigt man den langen Zeitraum mit den gebietsbezogenen wechselnden geschichtlichen Epochen, so ist dies nicht weiter verwunderlich, denn gerade in den letzten Jahrhunderten hat man im Rahmen wiederholter Nutzbarmachungen, d. h. auch Freilegungen, sicherlich so ziemlich alles aus den unterirdischen Räumen entfernt, was darin an ursprünglich deponierten Gegenständen zu finden war. (Abb. 29 bis 30)
Das Entfernen von Streufunden oder deponierten Fundstücken aus unterirdischen Hohlräumen (siehe auch Plünderungen von frühen Grabanlagen bei alten Hochkulturen) lag seit jeher in der Natur des Menschen und daran hat sich bis heute nichts geändert. Vereinzelt fanden Besitzer noch neolithische (?), römische, mittelalter- und neuzeitliche bzw. rezente Streufunde in den Gängen vor, die aber zum Teil nur deshalb noch vorhanden waren, weil diese Anlagen in der Folge oft als regionale Müllentsorgungsplätze dienten.
Eingänge, Löcher und Schächte wurden seit Jahrhunderten nicht nur durch die Natur selbst, sondern vor allem, wie gerade erwähnt, aus unterschiedlichen Gründen durch den Menschen verschlossen. (Abb. 31 und 32)
Im Mittelalter und der Neuzeit hat man dort, wo Eingangsöffnungen bekannt waren, diese mit Müll (Keramik, kaputtem Hausrat, Knochen usw.) oder manchmal auf Anweisung der Kirche tonnenweise mit Steinen und Erde verfüllt. Bei uns in der Steiermark werden solche Tagöffnungen von unterirdischen Anlagen, wo man Müll entsorgt, als „Scherbengruabn“ bezeichnet. Ein solches Beispiel erwähnt auch im Jahre 1859 Theodor Bernaleken in seinem Buch „Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich“ auf Seite 231 (letzter Absatz):
Abb. 29 Eingangsöffnung zu einer natürlich entstandenen Abrisskluft auf dem Grund der Familie Schweighofer bei Pongrazen, wo in den 1960er-Jahren menschliche Überreste unbestimmter Zeitstellung gefunden wurden.
Abb. 30 Original-Foto von den aus der Abrisskluft geborgenen Skelettresten, die von den Exekutivbeamten nach deren Untersuchung auf einem Friedhof beigesetzt wurden.
Abb. 31 Verschütteter Stolleneingang, aus dem im Winter ein feuchtwarmer Luftstrom aus dem Boden kommt und so für die Vereisung der unmittelbaren Umgebung der Eingangsöffnung sorgt. An solchen Merkmalen ist ein längerer Tunnel, auch wenn er verschüttet ist, leicht erkennbar. Bei einem kurzen Blindstollen würde keine Wetterführung entstehen!
Jetzt wird das Fenesloch nur noch benützt um die Steine der nahe gelegenen Äcker hineinzuwerfen, aber im Munde des Volkes leben die Sagen von den Fenesleuten fort.
Abb. 32 Höhleneingang auf dem Steinberg bei Waldbach mit starker Wetterführung im Sommer und im Winter. Dieser Luftstrom kommt aus einer größeren, über 500 m langen, horizontal verlaufenden unterirdischen Anlage. Jedoch sind nicht die drei Eingänge für diese Wetterführung allein verantwortlich, sondern ein mit Versatz (taubes Material) verfüllter Gang, der in die Tiefe führt und aus dem ein mit hoher Luftfeuchtigkeit angereicherter Luftstrom das ganze Jahr über austritt, was auf noch größere Fortsetzungen schließen lässt.
Wer waren nun die Fenesleute, nach denen die Höhle benannt ist? Auf Seite 228 im oben angeführten Buch beschreibt der Autor kurz diese Wesen, die dem Menschen zwar nichts zuleide taten, aber laut einer Erzählung durch das Austauschen ihrer eigenen Kinder mit den Kleinstkindern der Menschen bei der Bevölkerung unbeliebt waren und letztlich vertrieben wurden: