Kitabı oku: «Zwischen den Rassen», sayfa 5

Yazı tipi:

»Na, du bil­dest dir aber was ein!«

»Ich den­ke mir die Sa­che an­zu­se­hen. Wenn ich hier glück­lich her­aus bin, gehe ich, ver­mut­lich mit ei­ner Ge­sell­schaf­te­rin, auf Rei­sen. Spa­ni­en und Por­tu­gal neh­me ich mir be­son­ders vor.«

»Wie willst du als jun­ges Mäd­chen denn durch­kom­men? Schon die Spra­che!«

»Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Por­tu­gie­sisch!«

»Du hast längst al­les ver­ges­sen.«

»Ich kann schon noch et­was.«

»Sprich mal!«

Lola blies Rauch aus dem Fens­ter. Die Tür ward ge­öff­net, und Er­nes­tes Stim­me sag­te fran­zö­sisch:

»Ein Be­such, mei­ne Da­men.«

Sü­ßes Par­füm drang her­ein, und eine schö­ne Dame, schwarz und sehr ele­gant, noch jung, mit glän­zend weißem Ge­sicht und glän­zend schwar­zen Haar­ban­de­aus, trat rasch in den Kreis der jun­gen Mäd­chen, die auf­stan­den. Sie er­hob das Lor­gnon und sah um­her.

»Da ist sie«, sag­te Er­nes­te und zeig­te auf Lola. Die Dame ließ das Lor­gnon los; vom An­blick Lo­las schi­en sie be­trof­fen.

»Die Kin­der wer­den groß«, be­merk­te Er­nes­te. Die Dame lä­chel­te. Lola, die erb­lasst war, mur­mel­te zit­ternd:

»Mai?«

Die Dame sprach, ganz schnell, et­was Un­ver­ständ­li­ches; Lola konn­te, mit sto­cken­der Stim­me, nichts er­wi­dern als »Mai, Mai«; und bei­de stan­den, die Arme un­schlüs­sig ein Stück er­ho­ben, ein­an­der ge­gen­über. Er­nes­te sag­te in ih­rem kor­rek­ten Fran­zö­sisch:

»Ist das selt­sam, gnä­di­ge Frau! Als Ihre Toch­ter ehe­mals in die­ses Haus ein­trat, konn­te sie nicht mit mir spre­chen – und jetzt nicht mit Ih­nen.«

Zweiter Teil

I

Mit glän­zend glat­ten Ban­de­aus und ei­nem roh­sei­de­nen Schlaf­rock, cre­me und pfau­en­blau, kam Frau Ga­bri­el ins Zim­mer und frag­te:

»Sind die Sa­chen da?«

Lola las, hing da­bei aus dem Fens­ter und hör­te nicht. Er­mat­tet seuf­zend lehn­te Frau Ga­bri­el sich in einen Ses­sel.

Lo­las schlan­ker, kräf­ti­ger Na­cken da­hin­ten lag pflau­mig blond im Licht. Um ihr Haar her war ein gol­di­ges Ge­f­lim­mer. Die un­ge­heu­re blaue und durch­golde­te Wei­te trug Lo­las Schat­ten­riss in sich, be­reit, ihn da­hin­zu­raf­fen, auf­zuz­eh­ren. Drei Pal­men­blät­ter nick­ten mit ih­ren Spit­zen über den Fens­ter­rah­men hin­weg. Die Ho­tel­glo­cke ging. Nun schnaub­te ein Damp­fer. Von Ge­sprä­chen, Mu­sik und Ge­läch­ter flat­ter­ten Bruch­stücke durch Wind und Son­ne her­bei.

Frau Ga­bri­el saß und po­lier­te mit dem Ta­schen­tuch ihre Nä­gel. Lola sah sich plötz­lich um und fuhr zu­sam­men.

»Sind die Sa­chen da?« frag­te Mai ge­dul­dig.

»Da ste­hen sie doch!«

Nicht ein­mal den Kopf konn­te Mai wen­den; lie­ber saß sie eine hal­be Stun­de und war­te­te. Wenn je­mand aber auch gar kei­ne Ner­ven hat­te! Lola stell­te die ge­öff­ne­ten Schach­teln dicht ne­ben Mai hin.

»Gra­de habe ich sie noch be­zah­len kön­nen. Aber es war fast das Letz­te.«

»Schrei­be doch an Nene.«

»Das sagst du im­mer. Oh! Wäre ich erst aus­ge­bil­det und selbst­stän­dig! … Weißt du, wie viel wir schon vor­aus ha­ben? Die Zin­sen ei­nes hal­b­en Jah­res.«

»Nene ver­dient aber auch; er wird mit uns tei­len.«

»Er hat schon mit uns ge­teilt. Mir ist’s son­der­bar ge­nug, dass dort drü­ben ein jun­ger Mann für mich ar­bei­tet, den ich kaum ken­ne.«

»Ver­sün­di­ge dich nicht, er ist dein Bru­der.«

»Erin­nerst du dich, wie ich an­fangs, nach­dem du her­über­ge­kom­men warst, nicht wuss­te, wer Pao­lo war? Als Kind hat­te ich nie ge­hört, dass er Pao­lo hieß und dass Nene nur Baby be­deu­tet.«

»Der gute Nene.«

»Wir las­sen ihn also für uns ver­die­nen; nur dür­fen wir ihn nicht zu­grun­de rich­ten. Hörst du?«

»Ihr wer­det das schon zu­sam­men aus­ma­chen, ihr seid klü­ger als ich. Ach, un­se­re jet­zi­gen Ver­le­gen­hei­ten hat Pao­lo mir vor­aus­ge­sagt. Er woll­te mich durch­aus nicht rei­sen las­sen.«

»Zum Glück scheint er ener­gisch; sonst könn­te es schlimm en­den. Ich selbst ver­ges­se mich manch­mal. Zum Bei­spiel war’s sehr un­nö­tig, dass wir hier­her ka­men. Wir sind ge­nug hin­ter der Bran­zil­la her ge­reist. Da sie nun in der Ner­ven­heil­an­stalt sitzt und für mei­ne Stimm­bil­dung nichts mehr tun kann, hät­ten wir in Pa­ris blei­ben sol­len.«

»Pa­ris war schön!«

»Un­ser Le­ben in Pa­ris kos­te­te schließ­lich we­ni­ger: wir sa­ßen doch man­chen Abend zu Hau­se. Hier lässt man uns nicht.«

»Du hast recht, es ist schreck­lich; nun, Gott wird hel­fen. Kann ich jetzt die Sa­chen se­hen?«

»Aber – sie lie­gen dir doch vor der Nase!«

»Muss ich sie selbst her­aus­neh­men?«

Frau Ga­bri­el lä­chel­te zag­haft; die Lip­pe mit dem Le­ber­fleck im Win­kel kräu­sel­te sich und zer­stör­te die rei­ne Li­nie der gra­den Nase; die Au­gen ba­ten; in das ge­las­se­ne Ma­don­nen­ge­sicht ka­men Furcht und Un­be­hol­fen­heit ei­nes Schul­mäd­chens. Um ih­ren gu­ten Wil­len zu be­wei­sen, tauch­te sie eine ih­rer klei­nen, wei­chen, un­ge­üb­ten Hän­de in die Schach­tel. Gerührt hob Lola die Ko­stü­me her­aus, sah ein we­nig von oben her­ab zu, wie Mai sie be­wun­der­te, fass­te selbst Teil­nah­me – und bald wa­ren sie im Ve­rein ganz hin­ge­ge­ben an die­se Stof­fe, an die neu­en Er­fin­dun­gen die­ser Töne, die­ser Schnit­te, die ih­nen ver­spra­chen, ihre Schön­heit um­zut­au­schen und ih­nen eine noch nicht ge­kos­te­te Form von Le­ben und von Glück zu ver­mit­teln. Zum Schluss ver­riet Frau Ga­bri­el, wel­che Züge ihr Glück heu­te trug; denn sie frag­te:

»Meinst du, dass der Her­zog von Fin­ga­do mich liebt?«

Ihre Stim­me und ihr Blick wa­ren voll kind­li­cher Er­war­tung. Lola sag­te trös­tend:

»Ge­wiss, Mai.«

»Tat­sa­che ist, dass er neu­lich auf der Gar­den-Par­ty sich fast nur um mich küm­mer­te. Die Bri­cheau ver­si­cher­te mir, sei­ne Ver­lo­bung sei ins Wan­ken ge­kom­men. Das wäre mir wahr­haft un­an­ge­nehm.«

Aber es klang stolz. Dann, be­hut­sam:

»Sage mir eins, mein lie­bes Kind: gibt dir der Her­zog kein Ge­fühl ein? … Du brauchst es nur zu sa­gen.«

»Nicht das ge­rings­te … ob­wohl ich ihn sym­pa­thisch fin­de«, setz­te Lola höf­lich hin­zu. Und Mai, zit­ternd:

»Ich wür­de sei­ne Lie­be nicht wol­len, wenn du sie woll­test. Gott ist mein Zeu­ge, dass dein Glück mir hö­her steht als meins.«

»Gute Mai, ma­che dir kei­ne Sor­gen!«

Lola woll­te sich ent­fer­nen; Mai hielt sie, trä­nen­den Au­ges, am Rock fest.

»Ich wür­de mich dir op­fern, weißt du … Also du liebst ihn nicht? Schwö­re es mir!«

»Ich schwö­re es«; und Lola lä­chel­te nach­sich­tig. Man muss­te ein Kind sein wie Mai, um sich in den Ti­tel die­ses küm­mer­li­chen Jüng­lings zu ver­lie­ben.

»Aber auf dem Heim­we­ge«, be­merk­te Mai, »ist er mit dir ge­gan­gen. Ihr habt euch so­gar ab­ge­son­dert.«

»Er woll­te mir aus der Fer­ne sei­ne Yacht zei­gen – auf der er nicht fah­ren kann, weil er see­krank wird.«

»Wo­von spracht ihr noch?«

»Von Karl dem Zwei­ten.«

»Wer ist das?«

»Ein Kö­nig von Spa­ni­en – es ist lan­ge her, es wür­de dich nicht in­ter­es­sie­ren. Mich in­ter­es­sier­t’s auch nur manch­mal. Aber mit Fin­ga­do weiß ich nichts an­de­res zu re­den.«

»Wirk­lich nicht?«

»Tat­säch­lich.«

Mai nick­te be­ru­higt. Mit ei­nem un­auf­halt­sa­men Lä­cheln des Tri­um­phes:

»Mit mir re­det er an­de­res!«

»Wür­dest du ihn hei­ra­ten, Mai?« frag­te Lola, knie­te ne­ben ih­rer Mut­ter hin und strich ihr schmei­chelnd über Hals und Arm.

»Ich sehe mei­ne Mai schon als Her­zo­gin, in ih­rem Schloss in der Sier­ra; sie geht auf die Jagd nach Wöl­fen, Ad­lern und ähn­li­chen Wap­pen­tie­ren.«

Mai hat­te ernst­haft nach­ge­dacht.

»Al­les wohl über­legt«, sag­te sie, »hat auch Herr Aguir­re sei­ne Vor­zü­ge. Er ist Ab­ge­ord­ne­ter, sehr ein­fluss­reich, und Spa­ni­en wird viel­leicht Re­pu­blik wer­den.«

»Wie weit du denkst, Mai! Aguir­re, dies un­ge­sund ro­si­ge Baby, denkt nur an das Nächs­te: er will un­ser Geld, das Geld, das er uns zu­traut. Zu viel Ehre!«

»Du siehst zu trü­be, Lola. Und fer­ner ist er in ge­setz­tem Al­ter, und ich bin, ach, nicht mehr ganz jung.«

»Im Ge­gen­teil«; da­bei herz­te Lola ihre Mut­ter eif­ri­ger; »du bist so jung, dass ich mich ne­ben dir mei­nes Al­ters schä­me. Schon als du mich aus der Pen­si­on ab­hol­test, war ich, glaub’ ich, wei­ter im Le­ben als du. Die zwei Jah­re aber, die wir in der Welt um­her­ge­reist sind, ha­ben mei­nem Al­ter zehn hin­zu­ge­fügt. Ich fan­ge so­gar an, häss­lich zu wer­den.«

»Das ist nicht wahr! Du bist die Fri­sche selbst. Dein Al­ter bil­dest du dir ein, weil du zu viel denkst. Das könn­te dei­ne Stirn fal­ten; gib acht! Du bist zer­streut bei der Toi­let­te, und ge­ra­de sie ver­langt un­se­re gan­ze Geis­tes­kraft. Dann hät­test du dir nicht die Stirn­haa­re ab­ge­brannt und wä­rest jetzt nicht so schwer zu fri­sie­ren.«

Lola griff seuf­zend nach den krau­sen Här­chen.

»Ich habe schließ­lich doch mei­nen Be­ruf ver­fehlt. Oft kom­me ich mir vor wie ein ver­klei­de­ter Mann.«

»Das wird ver­ge­hen, wenn du hei­ra­test. Fin­dest du es noch nicht an der Zeit? Wel­che schö­nen Ge­le­gen­hei­ten hast du vor­über­ge­hen las­sen! Ich weiß nicht: du bist doch so klug; aber eine Schwar­ze hat mehr Ge­schick, sich einen Mann ein­zu­fan­gen. Halt, ge­fällt dir etwa Herr Aguir­re? Er scheint mich zu lie­ben. Meinst du nicht?«

»Ge­wiss, Mai.«

»Tat­sa­che ist, dass er wäh­rend der Re­gat­ta nicht von mei­ner Sei­te wich. Wenn du ihm aber ir­gend­ein Ge­fühl ent­ge­gen­bringst …«

Mais Stim­me beb­te schon wie­der; Mai war schon wie­der zu ei­nem Op­fer be­reit und ängs­tig­te sich da­vor. Lola wehr­te ab; sie lach­te be­fan­gen, tat ein paar Schrit­te; dann, ernst­haft, mit ver­hal­te­nem Zorn:

»Du sprachst von mei­ner Ver­hei­ra­tung, und doch ver­lierst du sie zu oft aus dem Auge. Die Toch­ter ei­ner Mut­ter, die sich zu gut un­ter­hält, wird nicht leicht einen Mann fin­den.«

Mai sah tief er­schro­cken aus; Lola schloss ver­zei­hend:

»Ich weiß, du ver­dienst kei­nen erns­ten Ta­del. Erin­ne­re dich nur, bit­te, wie leicht man sich un­schul­dig kom­pro­mit­tiert, und ver­spä­te dich abends mit kei­nem der Her­ren mehr!«

»Du bist streng wie dein Va­ter«, sag­te Mai und er­schau­er­te. »Weißt du wohl, dass ich ihn wie­der­ge­se­hen habe? Ja, ge­ra­de in der Nacht, von der du sprichst, er­schi­en er mir.«

De­mü­tig bit­tend:

»Willst du nicht sein Bild in dein Zim­mer neh­men?«

»Das geht nicht, Mai: es wür­de ihn noch mehr er­zür­nen.«

Lola ging ans Fens­ter und sah hin­aus. Frau Ga­bri­el mur­mel­te vor sich hin und seufz­te. Eine jun­ge Män­ner­stim­me kam von un­ten:

»Fräu­lein Lola, ich habe al­les, was Sie wünsch­ten.«

»Gut«, ant­wor­te­te Lola.

»Sie be­ste­hen im Ernst dar­auf?«

»Ohne Zwei­fel. Wann kom­men Sie?«

»Sehr bald. In ei­ner Stun­de wer­den die bei­den Ka­va­lie­re Ih­rer Mama da­sein. Emp­feh­len Sie mich ihr!«

»Auf Wie­der­se­hen!«

»In ei­ner Stun­de – und ich bin nicht an­ge­zo­gen!« rief Frau Ga­bri­el und sprang auf. »Lola, be­ei­le dich! Welch Glück, dass wir fri­siert sind.«

Bei der Tür kehr­te sie um.

»Was denkst du über un­sern Lands­mann?«

»Da Sil­va Do­len­ha?« – und Lola fühl­te sich un­frei.

»Ja. Hältst du es für un­mög­lich, dass er eine von uns liebt? Er kommt täg­lich.«

Da Lola schwieg:

»An­zei­chen gäbe es wohl, dass ich es bin, die er liebt.«

Lola kam plötz­lich in Be­we­gung.

»Nein, Mai, dies­mal irrst du. Sei ver­si­chert, der denkt nicht an dich!«

»Ach«; Mai war ge­kränkt; »wie kannst du das be­ur­tei­len. Du bist in sol­chen Din­gen ein Kind.«

»Mag sein. In die­sem Fall aber weiß ich, wen Da Sil­va liebt. Wir sind Freun­de, und er hat es mir ge­sagt.«

»Wen denn? Mein Gott!«

Mai stam­mel­te, hef­tig ent­täuscht. Lola, über­le­gen:

»Das ver­rät man nicht un­ter Freun­den.«

»Freun­de: was ist denn das?«

»Du wirst es se­hen. Geh, Mai, zieh dich an! Du wirst es se­hen.«

Dann rief sie noch­mals:

»Mai! … Glaubst du wohl, dass ich lei­den­schaft­lich bin?«

»Du? Wa­rum, Kind?«

»Ich mei­ne, weil wir von sol­chen Din­gen spre­chen … Nein, ich weiß ge­wiss, ich bin es nicht.«

»Wie son­der­bar du bist!«

Lo­las be­weg­te Mie­ne blieb noch auf die Tür ge­rich­tet, die sich ge­schlos­sen hat­te. All­mäh­lich ward ihr Blick sin­nend, und sie setz­te sich auf einen Kof­fer. Mais Mäd­chen trat ein und hol­te die Sa­chen ih­rer Her­rin. Lo­las ei­ge­ne la­gen auf Bett und Stüh­len ver­streut, mit Bü­chern und No­ten­blät­tern da­zwi­schen. Ein Glas mit Ro­sen war um­ge­fal­len; Lola er­hob sich un­be­wusst und rich­te­te es auf. Dann sah sie sich nach ei­nem frei­en Sitz um, fand kei­nen und kehr­te auf den Kof­fer zu­rück.

»Mai hat’s gut«, sann Lola. »Täg­lich an­de­re Klei­der, und merkt nicht, dass es ei­gent­lich al­les eins ist. So hat sie auch alle Tage eine neue Lie­be; und wem im­mer sie gel­ten mag: dass es Lie­be, rich­ti­ge Lie­be ist, dar­an zwei­felt sie nie. Wenn ich wüss­te, ob ich Da Sil­va lie­be! Manch­mal ist’s nur zu klar. Kurz dar­auf kom­me ich nach Haus und den­ke an et­was an­de­res. Aber das Manch­mal ist schlimm ge­nug, es ist be­schä­mend. Ich wer­de dann me­lan­cho­lisch, wie in der Pen­si­ons­zeit, als die di­cke Jen­ny mir ge­wis­se Auf­schlüs­se ge­ge­ben hat­te … Ich glau­be, nur äu­ßer­lich hal­te ich mich fes­ter; in­ner­lich bin ich viel lo­cke­rer als Mai. Ich glau­be jetzt, sie ist die bei Wei­tem Un­schul­di­ge­re. An­fangs habe ich sie un­ge­recht be­ur­teilt; es war ver­zeih­lich. Aus der an­stän­di­gen Welt Er­nes­tes plötz­lich her­aus – an die­se süd­li­chen Al­ler­weltsplät­ze, in ein er­hit­zen­des Durchein­an­der flüch­ti­ger Be­gier­den. Je­den Tag, den ich mich nicht amü­sier­te, sah ich als ver­lo­ren an; nur der Ehr­geiz, durch mei­ne so plötz­lich ent­deck­te Stim­me groß zu wer­den, er­hob mich noch, und auch er schwin­det schon, und ich will mit dem Sin­gen heu­te fast nichts mehr er­rei­chen als mei­ne Un­ab­hän­gig­keit … Und nun die Frau ne­ben mir, die eben­solch tau­meln­des In­stinkt­we­sen war wie die an­de­ren, ohne die Wür­de ei­nes Geis­tes, das war mei­ne Be­schüt­ze­rin, mei­ne Freun­din, mei­ne gan­ze Fa­mi­lie, das war Mai, die schö­ne Mai, die ich in al­len mei­nen Kind­heits­er­in­ne­run­gen so poe­tisch in ih­rer Hän­ge­mat­te lie­gen sah! Der ein­zi­ge Mensch, an den ich ge­glaubt hat­te! Ich weiß noch, wie em­pört ich war. Da­von also hat­te sie ge­träumt in ih­rer Hän­ge­mat­te! Kaum ist Pai tot, stürzt sie sich, ih­rer Frei­heit froh, in die dümms­te Un­en­t­halt­sam­keit! Um Pais wil­len war ich em­pört und be­reit, sie zu has­sen. Wie arg­wöh­nisch solch ganz jun­ges, un­er­fah­re­nes Mäd­chen das Le­ben ei­ner Frau durch­spürt – das Le­ben der Mut­ter! Als ich da­mals in Trou­ville mei­ner Sa­che end­lich ganz si­cher zu sein glaub­te: wel­che Ka­ta­stro­phe! Mai hat einen Ge­lieb­ten! In dem Ge­dan­ken saß ich wie in ei­nem be­täu­ben­den Ge­tö­se, wie in ei­nem Welt­un­ter­gang. Das Furcht­ba­re, sag­te ich mir, ist, dass auch ich das in mir habe und so wer­den muss! Was wuss­te ich da­mals? Heu­te habe ich fast einen Ge­lieb­ten, könn­te ihn je­den Au­gen­blick ha­ben, und wun­de­re mich alle Mor­gen beim Er­wa­chen, dass es noch nicht ein­ge­tre­ten ist.

Seit­dem muss ich Mai wohl mil­der be­ur­tei­len. Sie ist ein Kind und wird über die ge­fähr­li­chen Stel­len im­mer nur spie­lend hin­hu­schen. Geht sie einen Schritt zu weit, er­scheint ihr als­bald der tote Pai; und ich be­stär­ke sie in ih­ren Ge­sich­ten. Wa­rum ei­gent­lich? Doch nicht mehr um Pais wil­len. Auch nicht, weil Mais Auf­füh­rung mich hin­dern könn­te, einen Mann zu fin­den. Das ist mir gleich. Aber ich weiß wohl, warum: ich selbst bin in Ge­fahr und brau­che Rein­heit um mich her … Bin ich in Ge­fahr? So­bald ich’s aus­den­ke, glau­be ich’s nicht mehr. Ich! Ich bin doch eine ganz an­de­re! Auf We­sen wie die arme Mai bli­cke ich doch, deucht mir, ein gu­tes Stück hin­ab!

Je­den­falls hab’ ich sie gern. Wir sind gra­de im rich­ti­gen Ver­hält­nis: dem von ei­nem Paar Schwes­tern, die ein­an­der ei­fer­süch­tig schmei­cheln. Ob wir uns schwer ent­beh­ren wür­den, ist nicht si­cher. Wie schwärm­te Mai die ers­te Zeit von Nene! Jetzt er­wähnt sie ihn ge­mäch­lich und fast nur, wenn von Geld die Rede ist. Jetzt bin ich dar­an, die Mut­ter­lie­be zu ge­nie­ßen. Es tut doch wohl, wenn spät abends, nach­dem man sich ge­kämmt hat und die De­cke über sich ge­zo­gen hat, eine Mut­ter her­ein­kommt und einen küsst. Sie herzt mich lan­ge; mir wird ganz kind­lich und weich zu Sinn; dann spricht sie mir mit klei­ner sü­ßer, ent­zück­ter Stim­me von ih­ren Er­fol­gen, fragt mich nach mei­nen, und wir sind wie zwei Klei­ne un­term Weih­nachts­baum.

Nein, für Pai neh­me ich nicht mehr Par­tei. Ich ste­he, wenn ich’s be­den­ke, so­gar ent­schlos­sen auf Mais Sei­te. Ers­tens wohl, weil ich füh­le, dass auch mit mir, wie ich ge­wor­den bin, Pai nicht sehr ein­ver­stan­den wäre. Haupt­säch­lich aber, weil er ein Mann war und Mai un­ter­drückt hat. Und schließ­lich, mein Gott, ha­ben die Le­ben­den recht. Wenn ei­ner stirbt, ver­säumt er das Wei­te­re und darf nicht mehr drein­re­den. Käme Pai wie­der, er fän­de gar kei­ne An­knüp­fung mehr mit uns, glau­be ich. Mai lie­ße sich nicht mehr so leicht in die Hän­ge­mat­te le­gen; und ich – ach, ich bin wohl auch nicht sein rech­tes Kind: wie hät­ten wir sonst, kaum dass er tot war, den gan­zen bür­ger­li­chen Bo­den un­ter den Fü­ßen ver­lie­ren kön­nen! Denn das ta­ten wir doch …«

Lola sah sich im Zim­mer um.

»So sieht’s über­all aus, wo wir kam­pie­ren. Und ich sit­ze auf ei­nem Kof­fer. Nie kom­men die Kof­fer aus den Zim­mern, und sind im­mer nur halb aus­ge­packt. Die Jah­res­zeit wird stau­big, der Lieb­ha­ber fade. Fort von hier! Wo­hin am Ende? Dort ste­hen die An­sich­ten von zu Hau­se, die Mai mit­ge­bracht hat. Zu Hau­se! Wenn wir Lust be­kämen, einen Aus­flug dort­hin zu ma­chen, wür­de ich vor dem Blick auf Rio den­ken, dass er tat­säch­lich un­ver­gleich­lich schö­ner ist als der auf Nea­pel; wür­de von ei­nem Ho­tel, wo al­les wäre wie in die­sem hier, auf Se­hens­wür­dig­kei­ten aus­ge­hen, die Hit­ze un­er­träg­lich fin­den und ge­las­se­nen Ab­schied neh­men. Et­was an­de­res wäre es viel­leicht mit der Gro­ßen In­sel; aber die Pflan­zung ist ver­kauft … Wo­hin also am Ende? Da­nach fra­ge ich, scheint mir, zum ers­ten Mal. Fan­ge ich etwa an zu er­mü­den. Mais Kin­der­ner­ven hab’ ich nicht gra­de. Aber das Ende be­kommt wohl nur In­ter­es­se für mich, weil ich wis­sen möch­te, wo das en­den soll, was ich jetzt er­le­be.

Se­hen wir doch nach. Geht mich der Mensch wirk­lich so viel an? Wäre er in Ve­ne­dig noch so un­ent­behr­lich, wie er’s hier in Bar­ce­lo­na ist? Die Gri­ma­ni hat uns für Juli ein­ge­la­den. Oder was mei­ne ich zu Pa­ris? Das ist noch im­mer das amüsan­tes­te … Ich glau­be, es gin­ge.«

Eine jun­ge Män­ner­stim­me ward hör­bar. Lola er­hob sich has­tig.

»Nein, es geht nicht.«

Leicht vor­ge­neigt, mit fie­bri­gem Spiel der Fin­ger an der lan­gen Hals­ket­te, blick­te sie auf die Tür. Es klopf­te.

»Ge­hen Sie in den Sa­lon, bit­te. Ich kom­me gleich.«

Sie mach­te ei­ni­ge zor­ni­ge Schrit­te.

»Wa­rum muss ich auch grü­beln! Je­des Mal, wenn ich ge­grü­belt habe, bin ich schwach und gebe ihm dann An­lass, sich ein­zu­bil­den, was doch nicht wahr ist … Oh, heu­te Abend soll er kei­nen Vor­teil da­von­tra­gen!«

*

Sie hat­te sich be­ru­higt und ging hin­über. Mit of­fe­nem Lä­cheln be­grüß­te sie den Be­su­cher.

»Gnä­di­ges Fräu­lein – da ist al­les«, und er zeig­te nach dem Pa­ket auf dem Kla­vier. »Der Bote ist gleich mit mir ge­kom­men.«

»Ist al­les dar­in … und wird es mir pas­sen?«

An­statt nach dem Pa­ket zu se­hen, be­trach­te­te sie, und ihr Lä­cheln ward wi­der ih­ren Wil­len noch glück­li­cher, sein schö­nes, groß ge­mei­ßel­tes, fast bart­lo­ses Ge­sicht, in dem die Brau­en sich be­rühr­ten. Auch er ge­brauch­te sei­ne Wor­te nur als einen Vor­wand, sie an­zu­se­hen.

»Ich bin über­zeugt … Es sind ge­nau die Maße, die Sie mir ge­nannt ha­ben.«

Sie be­weg­te lei­se, wie ver­wun­dert, ih­ren lä­cheln­den Kopf. End­lich, sich los­rei­ßend:

»Es ist gut.«

Rasch er­griff sie das Pa­ket. Er stürz­te sich dar­auf.

»Ich tra­ge es Ih­nen hin­über.«

»Doch nicht«; ihr Lä­cheln ward schlau. »Sie blei­ben hier … und …«

Sie leg­te, un­ter der Tür, den Fin­ger auf die Lip­pen.

*

In ih­rem Zim­mer zog sie die Män­ner­klei­der an, die Da Sil­va mit­ge­bracht hat­te. Sie ver­barg die Brust in den Fal­ten des wei­chen Pi­quéhem­des, das Haar un­ter der halb­lan­gen Jüng­lings­pe­rücke, setz­te den run­den Hut auf, häng­te das Stöck­chen über den Arm und trat vom Spie­gel zu­rück, um sich zu mus­tern. Da stand im gut­sit­zen­den Abend­an­zug et­was wie ein ele­gan­ter Stu­dent, mit duf­ti­gen Ge­sichts­far­ben und glän­zen­den brau­nen Au­gen, ein sanft ver­we­ge­nes Lä­cheln auf den ro­ten Lip­pen und die ju­gend­lich ra­schen Wen­dun­gen ei­ner schi­cken Mü­dig­keit zu­lie­be ein we­nig ver­hal­ten, ein We­sen von be­un­ru­hi­gen­dem Reiz.

»Aber wie bin ich schön!« sag­te Lola ein­mal übers an­de­re. »Ich bin kei­ne Frau mehr! Jetzt erst sehe ich, wozu mei­ne große Nase gut ist. Die hohe Stirn kommt mir jetzt auch zu­stat­ten. Ach, ich kann mir Pais Fal­te zwi­schen den Brau­en ma­chen. Ob Pai je­mals so aus­ge­se­hen hat? Nicht ganz so, glau­be ich. Der dort im Spie­gel er­in­nert mich an eine Frau; aber nicht sehr leb­haft. Man wird den­ken: ›Er muss eine hüb­sche Schwes­ter ha­ben.‹ Für ein ver­klei­de­tes Mäd­chen hält so leicht kei­ner ihn.«

Sie räus­per­te sich, führ­te zwei Fin­ger an den Hu­trand und sprach mit tiefer Stim­me:

»Sie ge­hen in den Klub? Ich habe seit ges­tern Nacht kei­nen Hel­ler mehr. Nach­dem ich al­les ver­spielt hat­te, bin ich noch in die Schuld der Ge­li­da ge­kom­men …«

Dies ge­fiel ihr. Sie lief hin­über, und in der Tür des Sa­lons be­gann sie so­fort das­sel­be:

»Sie ge­hen in den Klub? Ich habe seit ges­tern Nacht …«

Da Sil­va hör­te sie, ans Kla­vier ge­lehnt und die Stirn in Fal­ten, bis zu Ende an. Er ließ sie nä­her kom­men und sich wen­den.

»Es ist ziem­lich in Ord­nung.«

Er warf noch die von Ver­ach­tung schwe­ren Wor­te hin:

»Bis auf die Kra­wat­te na­tür­lich.«

»Also bin­den Sie sie mir!«

Er mach­te sich dar­an.

»Hal­ten Sie’s so für bes­ser ge­lun­gen?«

»Nein, von vorn kann ich’s nicht. Ich kann’s nur, wenn ich die Kra­wat­te gra­de so hal­te wie bei mir selbst. So also, wenn Sie ge­stat­ten.«

Er trat hin­ter sie und schob die Arme über ihre Schul­tern. Sei­ne Arme be­rühr­ten sie kaum, und doch war sie dar­in ein­ge­schlos­sen und spür­te einen angst­vol­len Kit­zel. Sie muss­te auf sei­ne wei­ßen, star­ken Hän­de hin­ab­se­hen, die gleich un­ter ih­rem Kinn sich be­weg­ten. Wie er den Kno­ten an­zog, streif­te sei­ne Wan­ge ihre Schlä­fe.

»Ra­scher!« ver­lang­te sie, zwi­schen den Zäh­nen.

Er ließ los, ging um sie her­um und sah ihr in die Au­gen. Die sei­nen hat­ten wie­der das Düs­te­re, Be­sin­nungs­lo­se, das sie kann­te und das ihr so ge­fähr­lich war. Sei­ne Zäh­ne wa­ren in die Un­ter­lip­pe ge­drückt. Da be­gann er un­ver­mu­tet weich:

»Ihr An­blick tut mir weh! Nicht zwan­zig Stun­den sin­d’s, dass wir in die­sem sel­ben Raum bei­ein­an­der wa­ren, al­lein wie jetzt, und der Mond schi­en her­ein. Wir hat­ten mu­si­ziert, Ihre mär­chen­haf­ten Alt­tö­ne wa­ren ver­hallt, ich hat­te mich in großer Be­we­gung vom Kla­vier er­ho­ben, und den Kopf in der Hand be­trach­te­te ich Sie, die Sie, ein Knie auf den Stuhl­rand ge­stützt, das Ge­sicht nach dem of­fe­nen Fens­ter ge­wen­det hiel­ten. Ich war im Schat­ten; Ihre Ge­stalt ent­lang floss Mond­licht; es rann Ih­nen über die Lip­pen, die sich, Ih­nen un­be­wusst, von­ein­an­der lös­ten; es füll­te Ihre Au­gen – und mit der be­glänz­ten Hand, die Sie mir über­lie­ßen, zog ich zu mir hin, in mein Dun­kel und an mein Herz, die gan­ze tie­fe nächt­li­che Sü­ßig­keit, die durch Sie at­me­te, o Lola!«

Der jun­ge Bra­si­lia­ner hat­te beim Spre­chen den Hals hin und her ge­rückt, wie ein vom ei­ge­nen Ge­sang be­rausch­ter Vo­gel. Nun stand er noch und hör­te die Te­no­ra­rie sei­ner Sinn­lich­keit aus­klin­gen. Lola mach­te sich von sei­nem Ge­sicht los. Sie sah an ih­rem Dress hin­ab – und er­leich­tert auf­la­chend, warf sie sich ins Sofa.

»Nicht übel, mein Lie­ber. Et­was kit­schig zwar, und auf ein mo­der­nes Mäd­chen wer­den Sie, fürch­te ich, da­mit nicht wir­ken … Se­hen Sie, die Kra­wat­te muss ich mir nun doch selbst bin­den!«

In der Tür zeig­ten sich der Her­zog von Fin­ga­do und Herr Aguir­re. Beim An­blick des Ein­dring­lings blie­ben sie mit zu­rück­hal­ten­den Mie­nen ste­hen. Lola ver­such­te ihre feind­se­lig ab­war­ten­de Hal­tung nach­zuah­men: da platz­te sie aus. Die bei­den starr­ten sie an; dann wand­te ihr der mas­si­ge Vier­zi­ger mit an­ge­wi­der­ter Mie­ne den Rücken. Der un­jun­ge Zwan­zi­ger über­wand sei­nen Schre­cken und mach­te, den spit­zen, gelb­lich ge­fie­der­ten Schä­del her­aus­for­dernd im Na­cken, zwei Schrit­te ge­gen den Feind. Lola lach­te hef­ti­ger, und Da Sil­va klär­te die Her­ren auf, die in Rat­lo­sig­keit um­schlu­gen und dann in Be­wun­de­rung. Aber hin­ter ih­nen rausch­te es, und Frau Ga­bri­el brach, kaum dass sie ein we­nig ge­stutzt hat­te, in Jam­mern aus.

»Wie siehst du aus! Wer hat mir mein Kind so ver­un­stal­tet? Sie, Herr Da Sil­va! Ih­nen habe ich auch sonst Vor­wür­fe zu ma­chen! Dazu hat man nun eine hüb­sche Toch­ter!«

Die Her­ren er­klär­ten sich im Ge­gen­teil ganz ein­ver­stan­den mit Lo­las Ver­wand­lung. Fin­ga­do hat­te einen Ge­dan­ken.

»Wenn der künf­ti­ge Gat­te des gnä­di­gen Fräu­leins sie so sähe …«

»Was dann?« forsch­te Da Sil­va dro­hend.

Hin­ter den lee­ren blau­en Au­gen des Her­zogs ge­sch­ah eine müde, ver­geb­li­che Ar­beit.

»Ich weiß wirk­lich nicht«, schloss er, mit ei­nem Lä­cheln des Ver­zich­tes.

In­des Frau Ga­bri­el ih­ren jun­gen Lands­mann mit den Vor­wür­fen be­kannt mach­te, die er ver­dien­te, wid­me­te der Ab­ge­ord­ne­te sich Lola. Er türm­te sei­ne fein be­klei­de­te Fett­mas­se vor sie hin und plau­der­te, wie er al­lein es konn­te, nur ohne sei­ne ge­wohn­te Uner­schüt­ter­lich­keit. Sei­ne ro­si­gen Wan­gen zuck­ten; die Wulst­fin­ger be­tas­te­ten un­ru­hig die Hüf­ten; die lau­ni­gen Au­gen ver­ga­ßen sich bis zu ei­nem ver­däch­ti­gen Ge­fun­kel, das Aguir­re fühl­te und durch Un­ter­wür­fig­keit gutz­u­ma­chen such­te. »Ganz wie ein un­ge­sun­des Baby!« dach­te Lola. Sie hör­te Mai sa­gen:

»Ich be­kla­ge mich über Ihren Man­gel an Of­fen­heit ge­gen mich …«

»Das ist wahr, Herr Da Sil­va: warum sa­gen Sie Mai nicht, wen Sie lie­ben?« rief sie hin­über, ge­kit­zelt durch ihre Wir­kung, durch das neue We­sen, das sie vor­stell­te, und die Er­war­tun­gen, die man ihm sicht­lich ent­ge­gen­brach­te.

»Sie ge­hen in den Klub?« be­gann sie ge­gen Aguir­re. »Ich habe seit ges­tern Nacht kei­nen Hel­ler mehr …«

Sie brach ab, dreh­te sich ein­mal um sich selbst und sag­te in ei­nem Atem­zug:

»Pum­pen Sie mir was! Wer so viel ge­stoh­len hat wie Sie!«

Der Po­li­ti­ker kroch noch tiefer. Lola lä­chel­te plötz­lich zag­haft.

»Ge­hen wir? Bit­te, ge­hen wir!« ver­lang­te sie has­tig. Und man ging.

»Zu Fuß, Mai! Mir zu Ge­fal­len! Wo­hin? Ganz gleich: eine Irr­fahrt.«

Sie at­me­te tief die mat­te Luft der Däm­me­rungs­stun­de. Zu Da Sil­va, der mit ihr hin­ter den an­de­ren zu­rück­b­lieb, sag­te sie:

»Es gibt Ge­le­gen­hei­ten, bei de­nen ich mich nach – fast hät­te ich ge­sagt: nach Hau­se seh­ne, ich mei­ne nach dem reich­lich kal­ten Ort, wo ich er­zo­gen wur­de, und dem feuch­ten Nord­ost­wind, der den Ge­ruch ei­nes nor­di­schen Mee­res mit­brach­te.«

Und un­ver­mit­telt:

»Wie ich die Män­ner ver­ach­te!«

»Sie ha­ben doch noch so­eben einen großen Er­folg bei ih­nen ge­habt«, be­merk­te Da Sil­va mit bei­ßen­der Stim­me, »und ich be­glück­wün­sche Sie. Den Aguir­re über­lässt man Ih­nen; dem Her­zog al­ler­dings hat Mistress Job be­reits einen Teil sei­ner Schul­den be­zahlt, und Sie wür­den sich mit der Dame aus­ein­an­der­zu­set­zen ha­ben.«

»Ich ver­bie­te Ih­nen, ver­ste­hen Sie, über Frau­en schlecht zu re­den! Sol­che Ge­schich­ten er­fin­den die Män­ner, um für sich Re­kla­me zu ma­chen.«

»Wie Sie gleich auf­ge­bracht sind! Ich spre­che doch zu ei­ner Frau, die we­ni­ger ab­hän­gig von ih­rem Ge­schlecht ist als die an­de­ren – und es heu­te Abend zeigt.«

»Mer­ken Sie sich: Wer, um mir zu schmei­cheln, eine an­de­re Frau her­ab­setzt, mit dem bin ich schon fer­tig. Nichts kann krän­ken­der für mich selbst sein.«

»Böse im Ernst?«

»Nein; denn ich will mir den Spaß nicht ver­der­ben … Mai! Nicht wahr, wir tref­fen uns zum Es­sen bei Du­rieu? Ich gehe mit Herrn Da Sil­va einen an­de­ren Weg.«

»Al­lein mit Herrn –?«

Lola er­klär­te, in Ge­sell­schaft Mais er­ken­ne man sie. Auch habe sie als Ame­ri­ka­ne­rin das an­er­kann­te Recht, zu ge­hen mit wem und wo­hin sie wol­le.

»Und dann siehst du doch, dass ich ein Freund des Herrn Da Sil­va bin. Ja, Mai, Herr Da Sil­va und ich, wir sind rich­ti­ge Freun­de.«

»Sind wir Freun­de«, sag­te Da Sil­va im Wei­ter­ge­hen, »so müs­sen Sie mir eine War­nung er­lau­ben. Ges­tern sind Sie wie­der al­lein aus­ge­gan­gen. Ich ach­te Sie zu hoch, um –«

»Ja, frü­her ha­ben Sie mir we­gen sol­cher Din­ge Sze­nen ge­macht! Sie bes­sern sich.« Und sie wuss­te: »Er ach­tet mich hö­her, seit er mich für sei­ne Braut hält. Ist das echt männ­lich!«

Er schwieg un­zu­frie­den. Sie rich­te­ten sich nach der Mu­sik, die her­scholl. Wie sie auf den Platz ein­bo­gen, über des­sen Pal­men­hain der Kir­chen­gie­bel mäch­tig aus­griff und der Bron­ze­rei­ter da­hin­spreng­te, war das Stück zu Ende. Vie­le fä­cheln­de, die Hüf­ten wie­gen­de jun­ge Frau­en mit ih­ren Mäg­den und An­be­tern, vie­le prall ge­klei­de­te, rau­chen­de jun­ge Män­ner be­gan­nen lang­sam zu krei­sen.

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521 s. 2 illüstrasyon
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9783962818395
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