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5. Troja
Zweite und dritte Ausgrabung (1878–1883)
Beginn der Arbeiten in Troja 1878 – Die Arbeiten im Jahre 1879 – Wandlung vom Enthusiasten zum Gelehrten – Zusammenarbeiten mit anderen Gelehrten – Die Schenkung der trojanischen Altertümer – Hissarlik für die Stadt Troja zu klein – Mitarbeit der Architekten – Schwierigkeiten mit der türkischen Regierung
Schliemanns Lebenszweck war es geworden, mit Hacke und Spaten die Schauplätze der homerischen Gesänge aufzudecken. Daß eine wundersame wahrhafte Geschichte an den Stätten der Sage gespielt hatte, dafür hatte nun seine Beharrlichkeit den vollen Beweis erbracht. Die Denkmäler bezeugten es. Wäre eine so zähe Natur, welche für ein einmal ins Auge gefaßtes Ziel jede Minute ihre volle Manneskraft einsetzte, noch einer Steigerung ihrer Tätigkeit fähig gewesen, so mußte das nach solchen Erfolgen geschehen. Denn Rast und Muße nach getaner Arbeit kannte Schliemann nicht. Eine Unternehmung folgte bei ihm Schlag auf Schlag der andern, wie er auch in seinem Tagewerke überhaupt längerer Erholung keine Zeit gegönnt hat. So nahm er, sobald die Arbeit an den mykenischen Gräbern vollendet war, die Ausgrabung in Troja wieder auf.
Als er im Jahre 1873 das Ausgrabungsfeld dort verließ, hatte er gehofft, daß eine wissenschaftliche Gesellschaft, etwa eine der staatlichen Akademien, durch seine Erfolge belehrt, die weitere Erforschung des Platzes in die Hand nehmen möchte. Aber das war nicht geschehen. Er ging daher selbst an die Fortführung des Werkes. Der Ferman, welcher ihm dann im Jahre 1876 erteilt war, hatte nur für zwei Jahre gegolten und war inzwischen abgelaufen. Die Erlangung eines neuen war wiederum mit mancherlei Schwierigkeiten verknüpft, indessen sie wurden überwunden durch die tätige Hilfe und Fürsprache des britischen Gesandten in Konstantinopel Sir Austen Henry Layard. Um die Zeit bis zur Ausfertigung des Fermans nicht unbenutzt verstreichen zu lassen, ging Schliemann zuvor noch einmal nach Ithaka und untersuchte genauer diejenigen Plätze, an welchen er vor zehn Jahren die Stadt des Odysseus, die Grotte des Phorkys, die Ställe des Eumaios aufgefunden zu haben meinte.
»Mit einer großen Zahl von Arbeitern und mehreren Pferdekarren« – so beschreibt er die Umstände, unter welchen er die Grabungen in Troja wieder eröffnete – »nahm ich gegen Ende September 1878 meine Ausgrabungen in Troja wieder auf. Vorher schon hatte ich hölzerne, filzgedeckte Baracken bauen lassen, deren neun Zimmer für mich, meine Aufseher und Diener und zur Aufnahme von Besuchern bestimmt waren. Auch baute ich eine Holzbaracke, die zur Aufbewahrung wertloser Altertümer und als kleiner Speisesaal diente, ferner einen hölzernen Schuppen, dessen Schlüssel der türkische Beamte in Verwahrung hatte, und welcher zur Aufbewahrung derjenigen Altertumsfunde diente, die zwischen dem kaiserlich türkischen Museum und mir geteilt werden sollten; auch einen Schuppen zur Aufbewahrung meiner Werkzeuge, sowie der Schiebkarren, Handwagen und der verschiedenen bei den Ausgrabungen nötigen Maschinen; außerdem ein kleines aus Steinen erbautes Haus mit Küche und Bedientenstube, ein hölzernes Haus für meine zehn Gendarmen und einen Pferdestall. Ich ließ alle diese Gebäude auf dem Nordwestabhange von Hissarlik, der hier unter einem Winkel von 75° zur Ebene abfällt, errichten.
Die zehn Gendarmen, sämtlich rumelische Flüchtlinge, erhielten von mir monatlich 410 Mark; dafür waren sie mir aber auch von größtem Nutzen, indem sie mich nicht nur gegen die Räuber, damals eine Plage der Troas, beschützten, sondern auch bei den Ausgrabungen ein wachsames Auge auf meine Arbeiter hatten und diese dadurch zur Ehrlichkeit zwangen.«
Die Arbeiten galten vornehmlich der weiteren Aufdeckung des Gebäudes, welches 1873 oberhalb der großen Rampe und dem Südwesttore aufgefunden war, und welches Schliemann wegen des nahe dabei entdeckten großen Schatzes für den Palast des Priamos selbst hielt, trotz der ärmlichen Beschränktheit seiner Räume. Einige kleinere Funde an Goldschmuck bestätigten ihm zunächst seine Ansicht, wenn er auch, stutzig gemacht durch den Einspruch, den er von der gelehrten und der spottlustigen Welt erfahren hatte, von jetzt ab vorsichtiger den Bau »das Haus des letzten Königs oder Oberhauptes von Troja« nannte.
Der hereinbrechende Winter machte Ende November die Einstellung der Arbeit nötig. Schliemann begab sich auf einige Monate nach Europa. Schon Ende Februar aber kehrt er zurück; weder Kälte noch Dunkelheit hindern ihn, tagtäglich unter dem Schutze seiner Gendarmen nach der eine Stunde entfernten Küste so früh zum Seebade zu reiten, daß er noch vor Sonnenaufgang zum Beginn des Tagewerkes in Hissarlik zurück ist. Mit 150 Arbeitern hatten die Grabungen einen raschen Fortgang. Um auch andere Augen seine Entdeckungen prüfen zu lassen, hatte Schliemann schon von Mykenä aus an einige Gelehrte, namentlich an Rudolf Virchow in Berlin, Einladungen zum Besuche seiner Ausgrabungen ergehen lassen. Damals war seine Bemühung fruchtlos gewesen. Jetzt aber hatte er die aufrichtige Freude und Genugtuung, daß der beste deutsche Kenner vorgeschichtlicher Fundstätten an seinen Arbeiten ein warmes Interesse nahm und gemeinsam mit Emile Burnouf aus Paris sein Gast und Genosse des Werkes in Troja wurde. Der alte Satz, daß vier Augen mehr sehen als zwei, bewährte sich hier vortrefflich. Die Arbeit gewann an Umfang und Bedeutung durch die neuen Gesichtspunkte, welche die beiden Gelehrten mitbrachten: sie untersuchten die geologische Beschaffenheit der troischen Ebene und widerlegten den Einwand des Demetrios von Skepsis, des ältesten Zweiflers an der Lage von Troja, daß die troische Ebene, welche unter Hissarlik sich ausbreitet, erst nach der Zeit des trojanischen Krieges entstanden sei. Mit Virchow zusammen bereiste Schliemann bis hinauf zu den Höhen des Ida die Landschaft der Troas, die an Denkmälern alter Geschichte so reich ist. Virchows Vermittlung war es auch zu danken, daß der deutsche Botschafter Graf Hatzfeld im Verein mit dem britischen, Sir Layard, bei der Hohen Pforte vorstellig wurden und den lang ersehnten Ferman zu Grabungen an den großen Grabhügeln der troischen Ebene auswirkten. Schon einmal, im Jahre 1873, hatte Frau Schliemann in den sogenannten Pascha-Tepeh einen Graben hineinführen lassen, aber ohne daß dabei ein Grab entdeckt worden wäre. Nun machte sich Schliemann neben kleineren Grabungen in der Umgegend an die beiden mächtigsten unter den zahlreichen Grabhügeln, den Ujek-Tepeh und den Besika-Tepeh, welche beide, Land und Meer beherrschend, der eine 80, der andere 50 Fuß hoch über den Randhöhen der Besika-Bai anderthalb Stunden von Hissarlik aufragen. Der Umfang dieser fürstlichen Denkmäler war zu gewaltig, als daß man ihren Kern durch Abgraben der Erdmasse hätte aufdecken können. Daher wurden senkrecht und waagerecht Schächte und Tunnel hineingetrieben, eine sehr gefahrvolle Arbeit, welche indessen trotz aller aufgewandten Mühe nicht zur Auffindung der Gräber geführt hat. Man stieß im Kern des Ujek-Tepeh auf das Mauerwerk eines stattlichen 40 Fuß hohen Turmes, welcher auf einer kreisrunden Lage von polygonalen Blöcken ruht. Da nun Schliemann nirgends auf die Gräber selbst stieß, so bildete er sich die Ansicht, daß diese Hügel, einer Sitte des griechischen Altertums entsprechend, nur Scheingräber, Kenotaphe, seien, zu Ehren der Verstorbenen errichtet, deren Leichen in Wirklichkeit an anderm Orte beigesetzt wären. Während der Unternehmungen in der Umgegend wurde auch in Troja selbst mit Erfolg weitergegraben. Man ging dem Umkreise der Ringmauern nach und suchte durch schichtweise Abräumung des höher liegenden Schuttes die sogenannte dritte Stadt, welche damals als die verbrannte galt, in größerm Umfange bloßzulegen. Die dritte, von unten gerechnet: denn allmählich war es klargeworden, daß unter der Schicht des »Hauses des Stadtoberhauptes« weit über den Hügel hin sich Mauern einer älteren Ansiedlung befanden und daß noch 6 Meter tief unter dieser Ansiedlung die Reste der Häuser der ältesten Menschen, wie es scheint, die überhaupt auf dem Boden von Hissarlik gewohnt haben, erhaltengeblieben waren.
Im Juli 1879 beendete Schliemann die zweite seiner Ausgrabungsperioden in Troja und begab sich darauf nach Deutschland. Seiner Gewohnheit getreu nahm er die Ausarbeitung der Ergebnisse sofort in Angriff; drei Monate hindurch hielt er sich in Leipzig auf, um die Drucklegung so schnell wie möglich an Ort und Stelle zu betreiben. Das Buch »Ilios. Stadt und Land der Trojaner. Forschungen und Entdeckungen in der Troas und besonders auf der Baustelle von Troja«, die Frucht seiner Arbeit bis Ende des Jahres 1880, bekundete gegenüber den frühern Werken Schliemanns, namentlich denen über Troja, einen bedeutenden Fortschritt. Waren jene eine Zusammenstellung seiner Mitteilungen an die Tagesblätter gewesen und enthielten sie daher viel von den naturgemäß schwankenden Meinungen, welche während des wechselnden Tagewerkes der Ausgrabung in seinem enthusiastischen Geiste aufgestiegen waren, so war es jetzt Schliemanns sichtliches Bestreben, geordnet zusammenzufassen, was über Stadt und Land der Trojaner vom Altertum her und durch die Gesamtheit seiner Ausgrabungstätigkeit bekanntgeworden war. So konnte sein treuer Freund Virchow von ihm in der Vorrede zu »Ilios« sagen: »Jetzt ist aus dem Schatzgräber ein gelehrter Mann geworden, der seine Erfahrungen in langem und ernstem Studium mit den Aufzeichnungen der Historiker und Geographen, mit den sagenhaften Überlieferungen der Dichter und Mythologen verglichen hat.«
An den Anfang des Buches stellte Schliemann, wie für einen Mann von so außerordentlicher Entwicklung mit Recht, seine Lebensgeschichte, welche oben zum großen Teile abgedruckt ist. Daran schloß sich eine Übersicht über die geographischen Verhältnisse der Landschaft Troas und eine Ethnologie derselben; schließlich eine Geschichte der Stadt Troja selbst und eine erneute Erörterung über ihre Lage auf dem Hügel von Hissarlik. Danach behandelte er die Funde zeitlich geordnet nach ihrer schichtenweisen Reihenfolge, mit der auf dem Urboden gegründeten Niederlassung beginnend. In dem 16 Meter hohen Schuttberge unterschied Schliemann jetzt sechs übereinanderliegende Städte, die insgesamt noch durch die Einfachheit ihres Hausgerätes sich als prähistorisch darstellten. Über der jüngsten, der sechsten, folgte das griechische und römische Ilion, von welchem neben den Skulpturen des Athenatempels vornehmlich umfangreiche inschriftliche Denkmäler Zeugnis ablegten. Die Funde wurden in guten Abbildungen dem Verständnisse des Publikums zugänglich gemacht. So trat zum ersten Male klar hervor, in ein wie ungeahntes, unermeßlich hohes Alter hinauf an diesem Platz die Geschichte des Menschengeschlechts sich zurückverfolgen läßt.
Wenn derart sich der Enthusiast Schliemann in eine methodische wissenschaftliche Arbeitsweise hineinzuzwängen suchte, so blieb er doch bei allem in seiner Darstellungsart der originale Mensch, welchen ein eigenes persönliches Bedürfnis zu dieser Arbeit geführt hatte. Seinem Homer blieb er treu; die Homerischen Gedichte waren sozusagen das Glas, durch welches er seine Funde betrachtete, auch wenn diese um Jahrtausende älter als die Zeit des Dichters sein mochten. Je mehr man sich in die zähe Statur des Mannes hineinversetzt, um so mehr überzeugt man sich, daß es nicht Dichtung, sondern Wahrheit ist, wenn er in seiner Selbstbiographie sagt, daß bereits die ersten Eindrücke seiner Jugend für seine Lebensrichtung bestimmend geworden sind. Neben der homerischen Sage, welche ihn seit den Erzählungen seines Vaters beschäftigte, zogen ihn auf dem klassischen, schönheiterfüllten Boden am meisten die urtümlichsten Stein- und Tongeräte an, welche ähnlich auch in den Hünengräbern seiner nordischen Heimat gefunden werden. Außer dem Homerenthusiasten war Schliemann ein leidenschaftlicher Prähisioriker. Er konnte in Entzücken geraten, wenn er einmal ein rohes Gefäß fand, durch dessen Henkelansätze senkrechte anstatt der häufigeren waagerechten Durchbohrungen zum Durchziehen einer Schnur hindurchgingen. Es ist ihm sehr ernst, wenn er sich einmal darüber beschwert, daß solch ein urtümlicher Topf von dem Direktor einer Sammlung zusammen mit gewiß kunstvollerem römischen Geschirr auf ein Brett gestellt ist. »Von ähnlichen Gefäßen«, schreibt er, »erwähne ich zuerst ein prachtvolles mit der Hand gemachtes Exemplar im Museum von Boulogne-sur-mer, dessen Direktor in seiner Unkenntnis der vorgeschichtlichen Topfware dasselbe für römisch hält und es deshalb unter die römischen Tongefäße gestellt hat, obgleich es mehr wert ist, als die ganze Sammlung römischer Terrakotten im Museum. Möchte diese Bemerkung ihn erreichen und bewirken, daß die wertvolle Oinochoë endlich den gebührenden Platz erhält!«
Ansicht des Ujek-Tepeh.
Die Worte zeigen auch, wie sehr er alle Winkel und Museen Europas durchgespürt hatte nach Denkmälern, welche sich mit den trojanischen Funden vergleichen ließen. Zu dieser Übersicht kam ihm ferner sein ausgedehnter Briefwechsel und seine weite Bekanntschaft zugute. Ganz und gar von der Bedeutung seiner Arbeit erfüllt, wußte er mit jedem, mit dem er auf seinen vielen Reisen und bei seiner erstaunlichen Sprachfertigkeit in ein Gespräch kam, sich über seine Funde zu unterhalten, und was er dabei an Neuem erfuhr, das behielt er gewissenhaft. So fehlt im Buche »Ilios« unter den Autoritäten, welche sich über die großen Tonfässer aus Troja ausgesprochen hatten, selbst Fürst Bismarck nicht, den Schliemann im Juli 1870 in Kissingen getroffen. Sogar aus China, und von der Beute aus, die den Aschantis abgenommen war, berichtete man ihm über das Vorkommen des Zeichens der Swastika , welchem man auf den troischen Spinnwirteln begegnete. Wertvoller aber als diese gelegentlichen Beiträge war das, was die lange Reihe seiner gelehrten Freunde jetzt an Ergänzungen zu dem Werke lieferten. Der englische Orientalist Sayce behandelte die schwierige Frage, ob unter manchen der ornamentähnlichen Einritzungen auf Spinnwirteln und kleinen Zylindern, die in Troja gefunden waren, Schriftzeichen zu verstehen seien. Er bejahte die Frage, indem er nachzuweisen suchte, daß man in Troja, lange bevor die Griechen schreiben gelernt, sich eines in Kleinasien weitverbreiteten Alphabets bediente, eine Ansicht, die gegenüber dem vielfachen Unglauben, welchen sie erfuhr, durch den Fund eines Spinnwirtels, über dessen Inschrift kein Zweifel bestehen kann, während der Grabungen von 1890 eine starke Stütze erhalten hat. Der deutsche Ägyptologe Heinrich Brugsch erörterte auf Schliemanns Bitte hin die Nachrichten über die Stämme Kleinasiens, welche über das zweite vorchristliche Jahrtausend in ägyptischen Inschriften enthalten sind. Der langjährige Kenner und sozusagen Bürger der troischen Landschaft, der Amerikaner Frank Calvert, berichtete in Schliemanns Buche über die eine Stunde von Hissarlik bei seinem Landgute Thymbra vorgenommene Grabung. Andere trugen je nach ihrem Fache andere Ergänzungen bei. Vor allem unterstützten die beiden Arbeitsgenossen, der Franzose Emile Burnouf und der Deutsche Rudolf Virchow, bei der Abfassung des Werkes, jener besonders durch die Pläne, welche er vom Ausgrabungsfelde gab, und durch die Ergebnisse geologischer Studien, dieser mit der ganzen Fülle seiner ausgebreiteten Kenntnisse auf naturwissenschaftlichem und auf prähistorischem Gebiete, Kenntnisse, welche zudem verbunden waren mit einer Schliemann kongenialen Begeisterung für die griechische Dichtung und Heldensage. Kein anderer, von Schliemann selbst abgesehen, war so berechtigt, zu dem Buche »Ilios« eine Vorrede zu schreiben, und keiner hätte sie besser verfaßt als Virchow. Seine warmen und schönen Worte enthielten eine klare Würdigung der großen Arbeit, welche hier getan war, und des Mannes, welcher sie getan hatte. Und namentlich das letztere war nicht überflüssig gegenüber der Geringschätzung und dem Hohn, mit welchem von manchen Seiten die Schliemanschen Arbeiten bis dahin kritisiert worden waren.
»Es ist heute eine müßige Frage«, schrieb Virchow, »ob Schliemann im Beginne seiner Untersuchungen von richtigen oder unrichtigen Voraussetzungen ausging. Nicht nur der Erfolg hat für ihn entschieden, sondern auch die Methode seiner Untersuchung hat sich bewährt. Es mag sein, daß seine Voraussetzungen zu kühn, ja willkürlich waren, daß das bezaubernde Gemälde der unsterblichen Dichtung seine Phantasie zu sehr bestrickte, aber dieser Fehler des Gemüts, wenn man ihn so nennen darf, enthielt doch auch das Geheimnis seines Erfolges. Wer würde so große, durch lange Jahre fortgesetzte Arbeiten unternommen, so gewaltige Mittel aus eigenem Besitz aufgewendet, durch eine fast endlos scheinende Reihe aufeinandergehäufter Trümmerschichten bis auf den in weiter Tiefe gelegenen Urboden durchgegraben haben, als ein Mann, der von einer sicheren, ja schwärmerischen Überzeugung durchdrungen war? Noch heute würde die gebrannte Stadt in der Verborgenheit der Erde ruhen, wenn nicht die Phantasie den Spaten geleitet hätte.«
Hier mögen auch die charakteristischen Worte stehen, mit welchen Schliemann seinen Text abschloß: »Ich schließe mit dem Ausdruck der festen Hoffnung, daß die geschichtliche Forschung mit Spitzhacke und Spaten, welche in unsern Tagen die Aufmerksamkeit der Gelehrten in Anspruch nimmt, sich mehr und mehr entwickeln und schließlich über die dunkeln vorgeschichtlichen Zeiten des großen Hellenenstammes helles Tageslicht verbreiten möge. Möge diese Forschung mit Spitzhacke und Spaten mehr und mehr beweisen, daß die in den göttlichen Homerischen Gedichten geschilderten Ereignisse keine mythischen Erzählungen sind, sondern auf wirklichen Tatsachen beruhen, und möge sie dadurch, daß sie dies beweist, die Liebe aller zu dem edlen Studium der herrlichen griechischen Klassiker und besonders Homers, der strahlenden Sonne aller Literatur, vermehren und kräftigen!
Ich bringe nun diesen Bericht über meine uneigennützigen Arbeiten in aller Bescheidenheit vor den Richterstuhl der gebildeten Welt. Es wäre für mich die höchste Genugtuung, und ich würde es als den schönsten Lohn ansehen, nach welchem mein Ehrgeiz streben könnte, wenn es allgemein anerkannt würde, daß ich zur Erreichung dieses meines großen Lebenszieles wirksam beigetragen habe.«
»Meine großen Sammlungen trojanischer Altertümer haben einen unschätzbaren Wert, doch sollen sie nie verkauft werden. Wenn ich sie nicht noch bei meinen Lebzeiten verschenke, so sollen sie kraft letztwilliger Bestimmung nach meinem Tode dem Museum derjenigen Nation zufallen, die ich am meisten liebe und schätze.« So hatte Schliemann in seiner Selbstbiographie geschrieben. Es war nicht ohne weiteres sicher, daß er bei diesen Worten sein Vaterland im Auge haben sollte. Er hatte ihm den Rücken gekehrt, damals als er, an allem andern verzweifelnd, sich als Schiffsjunge nach Venezuela begeben wollte. In Rußland hatte er sein Glück gemacht. In Amerika war er Bürger geworden und innerlich war er in der Verquickung idealen Strebens mit nüchtern berechnender Geschäftsklugheit dem amerikanischen Wesen verwandt. Nach Griechenland hatte ihn sein Enthusiasmus für altgriechische Sage und Literatur geführt, hier hatte er sich jetzt sein Heim gegründet. In England fand seine Forschung den lebhaftesten Beifall; dort waren die trojanischen Sammlungen seit zwei Jahren im South-Kensington-Museum ausgestellt; seine Bücher, die er in den siebziger Jahren schrieb, hatte er zunächst in englischer Sprache abgefaßt. Bei seiner Schnelligkeit zu reisen war Schliemann überall in der ganzen gebildeten Welt zu Hause. Welches also war die Nation, die er am meisten liebte und schätzte?
Es wird Virchows Eindringen in alle Fragen der trojanischen Denkmäler und der Freundschaft und Hochachtung, die Schliemann mit diesem Manne verband, zu danken sein, daß die trojanischen Altertümer sich heute in Berlin befinden. Unterm 24. Januar 1881 dankte Kaiser Wilhelm I. dem Stifter für seine Schenkung, indem er bestimmte, »daß die genannte Sammlung der Verwaltung der preußischen Staatsregierung unterstellt und in der Folge in dem im Bau begriffenen ethnographischen Museum in Berlin in so vielen besonderen Sälen, als zu ihrer würdigen Aufstellung nötig sind, aufbewahrt werde, sowie, daß die zu ihrer Aufbewahrung dienenden Säle für immer den Namen des Geschenkgebers tragen. Zugleich – heißt es weiter in der Kabinettsorder – spreche ich Ihnen Meinen Dank und Meine volle Anerkennung für diese von warmer Anhänglichkeit an das Vaterland zeugende Schenkung einer für die Wissenschaft so hochbedeutenden Sammlung aus und gebe Mich der Hoffnung hin, daß es Ihnen auch ferner vergönnt sein werde, in Ihrem uneigennützigen Wirken der Wissenschaft zur Ehre des Vaterlandes gleichbedeutende Dienste zu leisten wie bisher.« Und nicht allein der Kaiser bezeugte so dem Forscher seine Hochachtung und Dankbarkeit, sondern Schliemann hatte auch die Genugtuung, daß ihn die Stadt, in welcher die Ergebnisse seiner langjährigen Tätigkeit nun würdig ausgestellt waren, neben Bismarck und Moltke in die erlesene Schar ihrer Ehrenbürger aufnahm. Von da an hat sich Schliemann öfters in Berlin aufgehalten und hat sich auch mehr als bisher bei seinen Aufzeichnungen der deutschen Sprache bedient.
Im Alter von sechzig Jahren hätte manch anderer nach solchen Erfolgen und Früchten seines Wirkens sich zufrieden zurückgezogen. Aber das entsprach Schliemanns Wesen nicht; sein durch stete Anforderungen gestählter Körper empfand keine Schwäche des Alters. Von Natur mit einem rastlosen Tätigkeitsdrange beseelt, hatte er von dem Gelehrten in sich aufgenommen, welchem eine gewonnene Erkenntnis nur der Ausgangspunkt zu neuer Forschung in das Unbekannte hinein ist, und der darum kein Ende seiner Arbeit findet. Kaum war die Drucklegung des Werkes »Ilios« vollendet, so sehen wir ihn bereits im November und Dezember 1880 im Verein mit seiner Frau mit Grabungen am sogenannten Schatzhause des Minyas im böotischen Orchomenos beschäftigt.
Wohl war nun bewiesen, welche uralte Geschichte eben der Platz von Hissarlik gehabt hatte, der wie kein zweiter der Lage von Troja entspricht. Die mächtigen Ringmauern und die tiefe Brandschicht darüber schienen von der geschichtlichen Wahrheit des Trojanischen Krieges greifbares Zeugnis abzulegen. Indessen wie klein war dies Troja! nicht einmal 2000 Meter war seine größte Ausdehnung, und wenn seine Häuser sechs Stock hoch gewesen wären, so hätten kaum 3000 Menschen darin Platz gefunden. Gleichwohl hatte Schliemann im Buche »Ilios« die Ansicht vertreten, daß die Stadt des Priamos auf den Hügel Hissarlik beschränkt gewesen sei. Wenn also Homer die heilige Ilios als eine wohlgebaute Stadt mit weiten Straßen rühmte, so schloß Schliemann, hatte er den Schauplatz der Taten, der ja zu Zeiten des Dichters längst im Schutt und unter späteren Ansiedlungen vergraben lag, sagenhaft und mit dichterischer Freiheit vergrößert. Hier war der Punkt, wo die Kritik nach dem Erscheinen des Werkes »Ilios« am lebhaftesten einsetzte. Man mochte nicht glauben, daß das Haus des Stadtoberhauptes jemals so unscheinbar, wie heute die Wohnung eines türkischen Bauern, gewesen sei. Schliemann selbst wurde bald in seiner Auffassung wankend. Sein Glaube an die Worte Homers war noch nie betrogen worden, wo er auch den Spaten angesetzt hatte. Er nahm daher in gutem Vertrauen 1882 die Arbeiten von neuem auf, um das an den Hügel Hissarlik angrenzende Gelände sorgfältiger als bisher zu durchsuchen und um so dem Bilde von der Stadt des Priamos die ihm nach Homer zukommende Ausdehnung zu verleihen. Im Jahre zuvor hatte er sich mit dem Plane getragen, in der Landschaft noch andere Sitze der Troer aufzudecken, und hatte dazu eine mehrwöchentliche Reise durch die ganze Troas unternommen, aber da ihm nirgends die Anzeichen einer so tiefen Schuttanhäufung wie auf Hissarlik vorzuliegen schienen, so stand er von größeren Grabungen außerhalb Trojas ab.
Mit dem Jahre 1882 erhalten Schliemanns Arbeiten und Arbeitsergebnisse eine andere Physiognomie. Es ist wohl das schönste Zeugnis für Schliemanns wissenschaftlichen Scharfblick, daß er, jetzt der gefeierte Entdecker der Schätze von Troja und Mykenä, die Lücke erkannt«, welche bei seinen Forschungen geblieben war. Wohl hatte er die Gegenstände, die aus dem Schutte heraus zutage gekommen waren, unermüdlich gesammelt, mochten sie so zahlreich wie die Spinnwirtel oder so roh wie die Steinhämmer und Idole sein, oder mochten sie zu den königlichen Goldschätzen gehören, zu denen sein Glück ihn führte, und wohl hatte er sich abgemüht, die Bedeutung und ehemalige Verwendung der einzelnen Fundgegenstände zu ergründen und hatte dabei an Virchow und andern treue und bewährte Berater gefunden. Aber etwas fehlte. Die Wissenschaft der vorgeschichtlichen Denkmäler schöpft sonst zumeist aus versprengten einfachen Gräbern. Hier aber in Troja bestand eine große Anlage mit mächtigen Festungsmauern: deren Entstehung und ehemaliges Aussehen festzustellen forderte die Arbeit eines Architekten. Schliemanns Glück und Menschenkenntnis hat sich darin in außerordentlicher Weise bewährt, daß er den richtigen Mann für die schwierige Aufgabe zu finden wüßte.
Im Jahre 1881 waren die Ausgrabungen des Deutschen Reiches in Olympia beendet worden, die erste große Grabung auf griechischem Boden, bei welcher mit allen verfügbaren Mitteln beobachtet worden war, wo gleichzeitig Architekten und Gelehrte der Kunstgeschichte und der Inschriftenkunde im Bunde miteinander die Funde geprüft hatten. Nachdem er eben das Bauführerexamen in Berlin absolviert hatte, war Wilhelm Dörpfeld in diesen Kreis eingetreten, hatte fünf Jahre hindurch bei der Arbeit in der Altis gelernt und sein helles Auge für das Verständnis der antiken Bauwerke geschärft. Schliemann hatte bereits mit einem Wiener Architekten, der durch einen Preis seiner heimischen Akademie ausgezeichnet war, für die Grabungen in Troja abgeschlossen. Es zeugt dafür, wie ernst es ihm war, die vorhandene Lücke in seinen Arbeiten auszufüllen, daß als Anfang 1882 Dörpfeld als Architekt des Deutschen Archäologischen Instituts nach Athen kam, er sofort auch diesen für die neue Kampagne gewann.
Diese währte vom März bis zum Juli 1882. Wiederum wurde eine Fülle von prähistorischem Hausrat aus dem Schutte hervorgezogen, aber der Hauptgewinn war die Klarheit über die aufgedeckten Bauten, welche die Mitarbeiterschaft der Architekten herbeiführte. Ihr geübtes Auge erkannte, daß die Wände des »Hauses des Stadtoberhauptes« erst auf der Brandschicht derjenigen Burg gegründet waren, deren Schutz und Schirm die großen Ringmauern gebildet hatten, mit andern Worten, daß die zweite »Stadt« von unten gerechnet die verbrannte war und nicht, wie Schliemann bis dahin geglaubt, die dritte. Wie schon gesagt, war der Hügel wieder und wieder besiedelt worden. Jeweils wurden die Häuser zerstört und soweit abgetragen, als sie bei späterer Bebauung im Wege standen. So lag jetzt ein Netz von kreuz und quer laufenden Fundamentmauern vor, welches beim ersten Anblick einem Labyrinth glich. Aber bei sorgfältiger Säuberung und Ausmessung der Reste hob sich klar der Grundriß eines Baues von den Fundamenten eines zweiten tiefer gelegenen ab. Das Rätsel des Labyrinths löste sich, indem man die räumlich und zeitlich aufeinanderfolgenden Bauschichten im Plane voneinander trennte. So erst ließ es sich verfolgen, daß im Innern der Ringmauern ausgedehnte Gebäude bestanden hatten, Gebäude von schmaler Front und großer Tiefe, nach einheitlichem Plan zu mehreren nebeneinander angeordnet, so daß das größte und stolzeste von allen in der Mitte die andern überragte, Gebäude von einem stets wiederholten Grundriß, welcher mit seiner Vorhalle und dem großen oblongen Zellaraume dahinter an den des einfachsten griechischen Tempels erinnerte. Säulen aber kamen an ihnen noch nicht vor. Bearbeitete Steine waren nur als Türschwellen und an den äußersten Vorsprüngen der Mauern verwandt worden, wo sie als Standplatten für die Bretterverkleidung der Mauern dienten, welche aus getrockneten Lehmziegeln bestanden. Das Dach hatte eine festgestampfte Lehmmasse gebildet. So bäuerlich einfach daher ihrem Material nach die Gebäude erscheinen mußten, so redeten doch ihre weiten Räume, ihre Lage auf dem beherrschenden Hügel, die gewaltigen Ringmauern, welche zu ihrem Schutze aufgeführt waren, eine stolze Sprache und erzählten von der Macht des Herrengeschlechtes, dessen Besitz sie gewesen waren. Bei der allgemeinen Ähnlichkeit des Grundrisses mit dem griechischen Tempel lag es nahe, auch diese Bauten zunächst als Tempel zu deuten. Erst durch die Aufdeckung von Tiryus wurde es klar, daß es sich hier wie dort um Herrscherpaläste handelte. Soviel aber war schon jetzt durch den Nachweis der vornehm weiten Anlage über alle Zweifel erhaben, daß in jener Glanzzeit Trojas die Wohnungen des Volkes auf dem Hügel keinen Platz hatten. Also mußte für die Häuser der Bürger eine Unterstadt bestanden haben, selbst wenn durch die Unbill der Zeiten, durch spätere Besiedlung oder durch die Arbeit des Pfluges keines der Häuser übriggeblieben sein sollte. Tatsächlich aber fanden sich bei genauerem Zusehen auf dem Plateau hinter dem Hügel in den tieferen Schichten viele sehr alte Scherben, so daß man von dem einstmaligen Bestehen einer Unterstadt an dieser Stelle überzeugt sein darf, wenn auch das Gelände noch nicht in größerer Ausdehnung und in weiterer Entfernung von der Burg aufgedeckt worden ist. Auf dem Hügel war nur die Burg einer großen Stadt gewesen, die Pergamos zur Stadt Ilios, wie Homer sagte, den nun kein Vorwurf dichterischer Übertreibung mehr traf, wenn er von der wohlgebauten weitstraßigen heiligen Stadt gesungen hatte.
So hatte Schliemann mit der Hilfe seiner Architekten aus dem durchwühlten Boden einen neuen Schatz gehoben, der nicht weniger wertvoll war, als die goldenen Gefäße des Jahres 1873. Es war ein Schatz, der sich nur auf dem Papiere, in den Plänen, darstellte, und doch ein Fund von höchster Bedeutung, wenn man bedenkt, daß durch ihn ein heller Lichtstrahl auf die Bauweise einer Zeit von märchenhaftem Alter fiel.