Kitabı oku: «Es war eine Mutter - Abschied Stück für Stück», sayfa 2

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Einen Korkenzieher bitte

Wie nicht verwunderlich bei der fehlenden Aufklärung meiner Mutter durch ihre Mutter wurde ich von ihr auch nicht aufgeklärt. Sie delegierte dieses auf die Dorfhebamme, in deren Arbeitsgruppe „Junge Sanitäter“ ich war.

Dort erfuhren wir neben allerlei nützlichen Sachen zur Blutungsstillung oder Wiederbelebung bzw. erst mal die Erkenntnis darüber, was von Nöten, immer wieder mal ein ‚Witzlein‘ wie z. B.: Eine Frau geht fremd, der Mann kommt heim, erwischt das Pärchen beim Liebesspiel und schlug mit dem Beil dazwischen. Dann ruft er den Arzt an und bestellt ein Pflaster für den Mann und einen Korkenzieher für die Frau bitte. Das erfüllte seinen Zweck, das verstanden wir.

Die Wunderpille

Einmal sagte die Hebamme zu uns, wir sollten doch mal darauf achten, alle unserer Muttis hätten so kleine Pillen, meist liegen die auf dem Nachttisch und darum bekämen wir nicht ständig neue Geschwister.

Ich nach Hause, da liegt nichts.

Das nächste Mal bei ihr im Brustton der Überzeugung: „Also, bei meiner Mutti gibt es so etwas nicht!“ Darauf sagt sie: „Hella, Deine Mutti ist doch operiert und kann keine Kinder mehr bekommen.“

Ich ganz entsetzt meine Mutti zur Rede gestellt, wie sie mir denn so etwas verheimlichen könne. Da meinte sie, da waren wir noch zu klein und ich erst acht und sie wollte uns nicht beunruhigen.

Ich hatte es auch nicht bemerkt, da sie sich jeden Tag zum Wäschewaschen und Kinderversorgen entlassen ließ und dann hatten wir ja auch noch unsere ‚kleine Mutti‘ und unser Vati übernahm mehr im Haushalt.

Ja, so waren unsere Eltern, wir sollten eine unbeschwerte Kindheit haben und Kummer machten sie mit sich selber aus und ließen es uns nicht anmerken. Da war sie das erste Mal an Krebs erkrankt, hat ihn mit Operation und Bestrahlung überwunden und schwärmte immer von ihrem damaligen Professor aus der Frauenklinik, der sehr menschlich und warmherzig war und die Paare gemeinsam beriet. Es gab einige Frauen, erzählte sie mir später, die nicht so den bedingungslosen Rückhalt ihres Mannes hatten, ihnen dann nicht mehr Frau genug zu sein glaubten und sich nicht Totaloperieren – so hieß damals die radikalere Operationsvariante nach Wertheim bei Gebärmutterkrebs, die die höchsten Überlebenschancen bot – lassen wollten, obwohl es ihnen dringend empfohlen wurde.

Manche wurden auch verlassen von ihren Männern in dieser Situation. Bei unseren Eltern stellte sich gar nicht die Frage, dass Empfohlene wurde gemacht und gemeinsam getragen und unser Vater stand voll hinter ihr. Da hatte sie mit der Erkrankung schon großen Kummer durchgemacht, auch die anschließenden Bestrahlungen waren nicht einfach und die regelmäßigen Nachsorgen, wo man wieder von einer ehemaligen Zimmergefährtin erfuhr, die es nicht geschafft hatte.

Das erzählte sie mir alles später. Auch das es dort zur Zeit ihres Klinikaufenthaltes ein spezielles Zimmer gab, in das die Fälle geschoben wurden, bei denen es auf das Ende zuging, damit man die anderen Patienten schonen konnte. Doch die Schmerzbehandlung war noch nicht so weit und man hörte es doch trotz aller Bemühungen und Fürsorge durch das Personal.

Der Verlobte

Meine Mutti erinnert sich: „Manchmal denke ich schon, zumindest einen Menschen unglücklich gemacht zu haben. Den Hans, meinen Verlobten. Der hat mich geliebt, aber ich ihn nicht richtig. Der hatte seine Mutti so verehrt, die ihn alleine großzog, da der Vater im Krieg geblieben war und sie war sehr lieb zu ihm, auch zu mir. Ich würde ihr so ähneln, sagte er immer. Das war aber nicht der Grund meiner fehlenden Gegenliebe, ich konnte seine Mutter auch sehr gut leiden und wir hatten uns ins Herz geschlossen, ich verstand es als großes Kompliment und besuchte sie gerne.“

Seine zu rücksichtsvolle, weiche Art hat ihr nicht gefallen. Er wollte ihr immer zu gefallen sein, fragte sie ihn was sie machen wollen, kam immer: „Wie du willst.“

Das ging ihr auf den Wecker und sie stritten sich dann oft.

Trotzdem fühlten sie sich vorbestimmt füreinander und sie wusste, er wäre immer gut zu ihr. Sie verlobten sich auf einer Parkbank im Stünzer Park und beim Ringaufstecken schaute er verschämt nach allen Seiten bevor er ihr einen kurzen Kuss aufdrückte.

Er war halt ein sehr gut erzogener Junge, immer anständig, immer zurückhaltend – ganz anders als ihr erster Mann, den sie bald kennenlernen sollte.

Der Hans heiratete erst viel später als sie, er und seine Frau bekamen leider keine Kinder. Er wurde Leiter vom staatlichen Notariat, dann verstarb seine Frau und er kam in Rente.

Kurz darauf erkrankte er an Demenz und wurde in ein Pflegeheim eingewiesen, bekam einen staatlich bestellten Betreuer, der ihn sehr kurz hielt.

Als sie von seiner Situation erfuhr, besuchte sie ihn immer regelmäßig und er bettelte nach Zigaretten, Kuchen, hatte keine Straßenschuhe mehr.

Unsere inzwischen verwitwete Mutter kümmerte sich, es jammerte sie, sie brachte ihm das Gewünschte mit, ging mit ihm spazieren und erfuhr, dass der Betreuer auch als Erbe eingetragen war und Hans war nicht unvermögend.

Er, der nur noch in der Erinnerung lebte, keine Orientierung oder zeitlichen Bezug mehr hatte, sich nichts mehr merken konnte, Keinen mehr erkannte, erkannte doch manchmal seine Blanka in „lichten Momenten“ und meinte einmal zu ihr: „Aber nun können wir doch endlich heiraten meine Blanka.“

Und sie tat es wieder nicht, ihr kam es da wie Erbschleicherei vor.

Sie besuchte ihn regelmäßig bis zu seinem Tode, obwohl es sie immer erschütterte und sie die größte Angst hatte, auch sie könne auch mal so dement werden und in ein Heim müssen – nur das nicht …

Großmutter, was hast du für schöne Beine?

… fragte sie eines Tages als kleines Kind bei der üblichen sonntäglichen Wanderung mit den Eltern und den Großeltern und Cousins und Cousinen ihre Großmutter, die etwas erhitzt beim Picknick ihren langen Rock lüpfte und dabei aus Versehen etwas von ihren weißen gut gestalteten noch jugendlich aussehenden Beinen blitzen ließ. „Schau woanders hin du dummes Ding“, war ihre Antwort.

Solch Schamhaftigkeit färbte natürlich ab.

Als sie eines Tages mit ihrem Freund zum Baden ging, dauerte es ewig, bis sie sich getraute, die Umzugskabine überhaupt in ihrem Badeanzug zu verlassen, dann rannte sie schnell zur Decke, legte sich dort auf den Bauch und rührte sich nicht mehr von der Stelle.

Ihr Freund meinte nur schmunzelnd, er hätte nichts anderes erwartet. Sonntag war Familienwandertag und es ging über die Dörfer, an der Mulde vorbei, über Taucha immer weiter und es wurde sich unterhalten. Rast wurde auch gemacht, manchmal auch in einer Gastwirtschaft, aber die selber geschmierten Stullen dabei verteilt und die Männer bekamen ein Bier und manchmal gab es für die Kinder auch eine Limonade. Das war ein Fest und immer schön.

So war man auch im Alltag für längere Wege bereit und fand es normal. Ihre Mutter arbeitete in der Innenstadt in einem großen Warenhaus als Verkäuferin. Da lief sie früh von der Herbarthstraße im Leipziger Osten hin, es gab eine zweistündige Mittagspause, da nahm sie auch nicht die auf der Strecke fahrenden Straßenbahn, diese kostete immerhin einen Groschen, dafür konnte man schon einen Hering haben. Also lief sie wieder heim und eine Stunde später wieder los und abends wieder heim.

Und das Tag für Tag bei jedem Wetter.

Sperrstunden und kein Tanz

Ihre Jugendjahre waren von Angst und Entbehrung gezeichnet.

Sie kannte die Sperrstunden, in denen man die Wohnung nicht mehr verlassen durfte und zu Hause sein musste.

Da gab es keine Tanzabende, kein Ausgehen.

Sie kannte Bombenangriffe und wie es ist, bei Alarm schnell aus dem Bett zu müssen und mit dem schon gepackten Koffer per Fahrrad in vermutete Sicherheit – einen Unterstand im Stünzer Park – zu fahren und dies manchmal mehrmals in der Nacht. Sie kannte die Geräusche der Kampffliegerverbände in der Luft. Sie erlebte Straßenzüge und Menschen in Flammen nach Brandbombenabwürfen. Sie kannte Schicksale von Treffern in die Häuser oder das Menschen wie Hasen gejagt wurden.

Sie sah Eltern noch Jahre nach dem Krieg Blumen für ihre gefallenen Töchter auf einen ehemaligen Flakabwehrstand am Mölkauer Mittelpunkt bringen, an dem diese als Flakabwehrhelferinnen verpflichtet waren und in den letzten Kriegsmonaten bei einem Bombenangriff umkamen. Viele Klassenkameraden von ihr blieben im Krieg, oft auch Brüder von Freundinnen, deren Eltern sie kannte.

Sie kannte Arbeitseinsätze bei Munitionsherstellung und Unterkunft in kalten Baracken. Dort lernte sie Schicksale kennen von jungen Mädchen, die aus okkupierten Ländern ihren Familien entrissen wurden um hier zu arbeiten.

Ihr Vater, der frühere Seemann, fand als Koch keine Arbeit mehr. Er führte jahrelang ein Geschäft, konnte dies aber nicht über die Inflationszeit retten, genauso wie eine später geführte kleine Gaststätte. Zu Wenige konnten sich einen Gaststättenbesuch leisten.

Lange Zeit Jahre arbeitete er dann mit hochschädlichen chemischen Verbindungen in einer Bonderei, dann bekam er wieder ein Angebot in seinem Beruf als Koch in einem Strafgefangenenlager und sie erlebte dort bei ihrem einmaligen Besuch Grausamkeit.

Einem jungen SS-Mann stand nach anfänglicher Freude über ihre Erscheinung, nach ihrem ausgedrückten Entsetzen über die Behandlung eines Gefangenen, der nach Kartoffelklau von einem Lageraufseher verprügelt wurde, die Abscheu im Gesicht und er bemerkte abfällig: „Das sind doch aber keine Menschen, und sie wollen ein deutsches Mädel sein?“

Sie erlebte die Existenzkämpfe ihrer Eltern, ihre Mutter wusch anderer Leute Wäsche, als sie keine Arbeit als Verkäuferin mehr fand, ihrem Vater wurde angedroht selber das ‚Gestreifte‘ nehmen zu müssen, wenn er nicht aufhöre, den Häftlingen Lebensmittel zuzustecken. Er reihte sich dann wieder in das große Heer der Arbeitslosen ein.

Sie sah Verblendung.

Sie kannte aber auch Menschen, die sich kritisch mit ihrer Zeit auseinandersetzten, die überlegten, wenn sie etwas sahen, die versuchten die Ursachen und Zusammenhänge herzustellen. Als alles jubelte über die Arbeitsbeschaffung durch den Autobahnbau Hitlers, meinte eine Großmutter von ihr: „Die lässt Hitler nur für seine Panzer bauen, der will Krieg.“ Diese wohnte an einer Bahnstrecke in der Ostheimstraße und in der Nacht fuhren Eisenbahnwaggons mit Panzern vorbei.

Ihr Vater, der bei seinen vielen Seereisen und seinem Schiffsuntergang im Ersten Weltkrieg auch in Amerika die Rassentrennung kennen- und verabscheuen gelernt hatte, hier den unmenschlichen Umgang mit Andersdenkenden, Ausgegrenzten, die Gleichgültigkeit mancher Menschen, erkannte Kriegs- und Krisengebiete später in der 3. Welt frühzeitig und sagte immer, da gibt es mal noch Krieg, da geht es mal ums Erdöl und dann tut man politisch, warnte immer vor den sogenannten Steigbügelhaltern des Kapitalismus, die sich nicht abgrenzen und den Krieg nicht kommen sehen wollen. Sie kannte Hungerzeiten und die mühsame Beschaffung von Lebensmitteln in den Nachkriegsjahren um zu überleben. Sie kannte den Wertverfall in Inflationszeiten. Sie ging oft mit ihrer Mutter übers Land mit dem Handkarren. Sie versetzte ihre schönen Kleider, selbst gestrickte Pullover gegen Kartoffeln, Speck und Eier und ihre Eltern das Tafelsilber und andere Wertgegenstände.

Sie sah, wie manche Bauern dadurch immer reicher wurden und unverschämter. Sie erfuhr aber auch, durch eigene Ernteeinsätze, die körperlich schwere Arbeit von früh bis spät auf den Höfen und sah ausgemergelte und frühzeitig gealterte Bäuerinnen. All dies schärfte bestimmt ihren Blick für das Wesentliche und ihren gesunden Menschenverstand, ließ ihren Charakter reifen und ihren Sinn für Gerechtigkeit.

Eigentlich wollte sie Krankenschwester werden, ihr Vater wollte dies aber nicht. So weltmännisch er auch war, seltsam in dieser Hinsicht. Unter den Tätigkeiten einer Krankenschwester verstand er nur die Allerniedrigsten. So meinte er zu ihr, sie werde doch wohl nicht anderen Leuten Hintern abwischen wollen und sie solle gefälligst einen richtigen Beruf erlernen.

So begann sie in der Handelschule eine kaufmännische Ausbildung und ging dann mit Eifer darin auf. Sie verschwendete schon in der Schule keine Zeit, war sehr lern- und wissbegierig und die Klassenbeste. Wenn ihre Freundinnen Märchen oder Liebesromane lasen, nahm sie das Lexikon mit ins Bett. Sie lernte neben den Grundlagen der Buchhaltung auch Schreibmaschine, Stenographie und gewann in einigen Wettbewerben.

Ihr erster Mann

Diesen lernte sie dann kurze Zeit später kennen mit seinem total anderen, sehr selbstsicheren Auftreten, eigentlich das Gegenteil von der zurückhaltenden Art ihres Verlobten. Er war ein Bekannter ihres Vaters, hatte Blanka so kennengelernt und ein Auge auf sie geworfen und besuchte die Eltern nun öfter. Abends zur Sperrstunde vergaß er einfach beizeiten zu gehen, während ihr Verlobter sich ordentlich verabschiedete. So bekam er das Gästezimmer zugewiesen. Er scherte sich wenig um die Bedürfnisse Anderer, das war auch der Grund warum ihre Ehe scheiterte. „Aber komischerweise hätte ich von dem Hans alles haben können und wollte es nicht.“ Hans holte dann noch Informationen ein über ihn und berichtete es ihren Eltern. Er war als Hallodri, Spekulant und Weiberheld bekannt. Man kannte aber auch seine traurige Vorgeschichte.

Er war jung verheiratet und hatte mit seiner Frau einen zweijährigen Sohn. Bei einem Fliegerangriff im Luftschutzkeller kam der Hackklotz mit dem Beil vom Fleischer oben durch die Decke und Mutter und Sohn wurden neben dem Vater regelrecht erschlagen.

Das muss ihm den Schock seines Lebens versetzt haben, ob er dann erst zum ‚Leichtfuß‘ wurde, weiß man nicht. Auf jeden Fall wurden die Hinweise von Hans in den Wind geschlagen und auf das Gute vertraut. Hinzu kam, dass sich Blanka einfach nicht entscheiden konnte und eines Tage, er verlor langsam die Geduld und fuhr mit ihr in seinem Auto immer schneller. Wenn sie nicht endlich ihr Jawort gäbe und dem Hans den Laufpass, fährt er mit ihr gegen einen Baum, ihm ist alles egal. Meine Mutter sagte „ja“ und damals war sie noch sehr gottgläubig und ein gegebenes Wort nimmt man nicht zurück. Er war sehr stolz auf sie, denn sie war ein sehr hübsches Frauchen und er nannte sie immer „meine Püppi“. Aber eigentlich wussten es andere schon zur Hochzeit, dass es keine gute Ehe wird. Im Keller wurde ihr Ehemann mit ihrer Freundin beim Knutschen erwischt von einem Freund der Familie, der aber aus Rücksicht auf die frisch getraute Braut und deren Eltern es nicht erzählte. Später bemerkte solche immer wiederkehrenden Ausrutscher auch ihr Vater. Einmal zog er mit dem Schwiegersohn auf Hamstertour übers Land. Dort wollten sie Eier, Speck und Butter gegen gestrickte Sachen meiner Mutter eintauschen. Mein Opa sollte im Auto bleiben, Georg wollte das schon machen und kam ewig nicht wieder, Opa fror, Stunden vergingen bis Georg gut gelaunt aus dem Hause kam und herzlich von dort verabschiedet wurde, er hatte ein Techtelmechtel mit der Bauerstochter.

Die tolle Saalfeier

Blanka war hochschwanger, es war Silvesterabend und Georg wollte nur kurz Zigaretten holen und kam nicht wieder. Erst am nächsten Tag um die Mittagszeit war er wieder zu Hause und erzählte irgendeine haarsträubende Geschichte. Mein Opa wollte dem auf dem Grund gehen und holte heimlich Erkundigungen ein. Er erfuhr in einer Gastwirtschaft von einem ach so netten jungen Mann, der Silvester alle ausgehalten hatte, bis in die späten Morgenstunden ausgelassen gefeiert und mit der Wirtstochter, seiner Verlobten getanzt hatte … Dies war der eigene Schwiegersohn, der dann um den Ehering seiner Frau bat, da er ihn versetzen musste um die Zeche zu bezahlen.

Sie entband in der übernächsten Nacht ihr erstes Kind.

Die Enttäuschung über ihren Mann hielt sie nicht davon ab, ihr Kind zu lieben. Sie erzählte, als sie ihre Tochter nach der Entbindung auf dem Arm hielt, fiel ein Lichtstrahl auf deren Gesichtchen und sie empfand eine tiefe, innige Woge des Glücks. Später, da war sie schon mit dem zweiten Kind schwanger und das erste noch nicht ein Jahr alt, bemerkte sie ihre Schwangerschaft an der Tatsache, dass ihre Tochter die Milch nicht mehr wollte und eine Frau aus der Straße, die immer sehr dankbar die übrige Milch für ihr Kind nahm – also auch da half man sich unkompliziert – wunderte sich auch über die Ablehnung ihres Sohnes, er drehte immer den Kopf weg und wollte die von ihm sonst so begehrte Milch nicht mehr. Kurz danach bekam sie die Schwangerschaft amtlich bestätigt.

Schokolade statt Fahrkarte

Er war bei einer Nacht- und Nebelaktion geflüchtet, man sagte ihm Schiebergeschäfte, nicht gehaltene Versprechungen und Schulden nach. Er wollte, dass sie ihm mit den Kindern in den Westen folgt und schickte ihr Geld für die Fahrkarte.

Sie holte für das Geld Schokolade für die Kinder, reichte die Scheidung ein und ließ sich auch nicht vom Kuckuckskleber, der bald danach ins Haus kam und fast alle Möbelstücke einzog und ihr nur noch eine alte Küchenbank daließ, auf der sie die Kinder aus – und anziehen konnte, von ihrem Entschluss abbringen.

Sie nahm sich ganz fest vor, ihre Kinder alleine groß zu ziehen. Das hat sie auch getan, der Sohn ging in den Kindergarten und die Tochter wurde von den im Haus wohnenden Großeltern betreut.

Sie bekam eine Stelle in anspruchsvoller Tätigkeit an der Universität bei der Studienbetreuung. Vieles musste da erst aufgebaut werden und oft musste sie auch auf Reisen gehen um Ausbildungsorte, Unterkünfte für die Studenten zu organisieren oder es ging zu Ausflüge mit den Studenten, wo sie meist ihre Kinder mitnahm, die dann liebevoll mit betreut wurden. Sie wollte mit ihrer ganzen Kraft einen Staat aufbauen, der von Gerechtigkeit und sozialem Miteinander geprägt war und von dessen Boden nie wieder ein Krieg ausgehen sollte. Sie wollte keiner versprochenen Gerechtigkeit im Jenseits mehr vertrauen, sie vertraute auf die Kraft und das Gute der Menschen und das es eine Gerechtigkeit im Staat, auf Erden geben kann, wenn alle mittun.


Von ihrem geschiedenen Mann bekam sie keinen Unterhalt, sie beantragte es nie. Sie war der Meinung, das Glück ihre Kinder bei sich zu haben und sie aufwachsen zu sehen, bedeutet auch die Pflicht für sie zu sorgen und ihm, der sie nicht mehr hatte, wollte sie nicht zur Kasse bitten, sie wollte es alleine schaffen.

Angebote im Umfeld mal so zum ‚Vernaschen‘ von verheirateten Männern, sie war ein sehr hübsches Frauchen, gab es genug und da wurde auch gelockt mit verdeckten Anspielungen auf finanzielle Erleichterung in ihrer schweren Lage. Diese Angebote, auch nach dem Krieg, wo Freundinnen sie mit zu Partys mit amerikanischen Soldaten nehmen wollten, nahm sie nie an, berichtete sie stolz.

Sie erzählte mir, es wäre wichtig, nie seine weibliche Würde zu verlieren. Ja, das hat sie nie, sie hatte Stolz, Würde und Format und vor allem ein großes Herz.

Auch wenn sie damals nicht mehr an die große Liebe glaubte, noch ahnte, dass sie ihr doch noch begegnen sollte, wegwerfen wollte sie sich nie. Viel später, als die Kinder schon groß und ihr erster Mann noch mal heiratete, sorgte seine spätere Frau dafür, dass an die Kinder immer mal ein Päckchen kam, dafür war sie sehr dankbar und rechnete es ihr hoch an, da sie es ja nicht gemusst hätte und wusste es umso mehr zu schätzen und freute sich für ihre Kinder. Aber einen Bettelbrief hätte sie nie geschrieben.


Sie war eine besonders hübsches Frauchen und von einer zurückhaltenden Natürlichkeit. Eines Tages wurde im Rektorat gefeiert nach erfolgreichem Semesterabschluss.

Vom Prorektor wurde sie eingeladen doch mitzukommen, sie wollen noch weiter feiern und er lädt in ein Lokal der Stadt ein. Eigentlich wollte sie nach Hause zu ihren Kindern, aber wollte auch gerne mal feiern, es wurde gerufen aus dem Auto doch mitzukommen. Mit einem Bein schon halb im Auto, stieg sie doch wieder aus mit dem Satz: „Und dennoch siegt die Tugend.“ Später wurde sie oft schmunzelnd gefragt, ob denn die Tugend immer noch siege.

Auf diesem Wege, auf der Fahrt mit dem Bus, lernte sie eines Tages, einige Jahre nach ihrer Scheidung, ihre große Liebe, unseren Vater kennen.

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22 aralık 2023
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9783957442475
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