Kitabı oku: «1 PUNKT», sayfa 2
DIE LIEBE HAT ETWAS FLIRRENDES.
Endlos lange windstille Sommernächte, geheime Momente in der Hitze des Tages. Kleine Inseln der Aufrichtigkeit tauchen im Meer der Lügen auf. Silvia spürt die Schläge nicht mehr. Irgendwo im Nirgendwo auf dem Weg in eine neue Zeit. Sehnsüchte ändern ihre Richtung. Und wenn Silvia mit sich selbst flirtet, hat es so etwas von Leichtigkeit, sie spürt ihre Gefühle, die sie vorantreiben. Die Liebe hat etwas Flirrendes. Sie hüllt alles in ein unbeschreibliches Gefühl. Doch dann sind sie wieder da, die Schläge, die sie in ihrem Gehirn in Zärtlichkeiten umwandelt. Sie tauscht ihre Freiheit ein. Sie will begehrt werden.
Es ist wie ein Handel. Ein Handel mit Liebe, mit Gefühlen mit Phantasien. Sie liegt da, ihr Körper eine Spielwiese. Eine Art Abenteuerspielplatz. Ihr Bauch, ein kleines Kunstwerk aus feinen zusammengesetzten Muskeln. Ihre Arme, wie geschliffener, polierter Marmor. Ihre Hüften erzählen von ihrer Weiblichkeit. Der Übergang zu den perfekten Beinen scheint ohne Ansatz. Glatt, unberührt. Die makellose Haut wirkt wie gewebt auf ihrem Torso. Ihre Brüste erinnern an die sanfte Hügellandschaft der Toskana im milchigen Frühnebel. Gierige Blicke zieht Silvia an. Unerfüllte Träume in einsamen Nächten. Protonen und Elektronen vereinen sich. Ein Gas, leichter als Luft, steigt einfach in den Himmel auf und verschwindet. Das Negative wird zum Positiven. Eine Art Selbstoptimierung setzt sich unaufhaltsam in Gang. Silvia, vom Karma gefangen, vergisst alles um sich herum und zum Schluss sich selbst. Noch nimmt sie die Schreie der Nacht wahr.
SIE TRÄUMT DEN TRAUM VOM FLIEGEN.
Sie träumt den Traum vom Fliegen, doch im Universum ist sie wie ein Fremdkörper. Nicht manövrierfähig, ohne Sauerstoff, ohne Schwerelosigkeit. Es scheint wie ein Blind Date mit dem Leben. Silvia steht außerhalb der Materie. Wie im Zeitraffer lösen sich die Möglichkeiten auf, werden bedeutungslos. Hastig schluckte sie eine Handvoll Globuli, die sie aus einer wunderschönen, mit unbekannten Ornamenten verzierten goldenen Schatulle nahm. Die Gehirnströme ändern ständig ihre Richtung. Sie taucht ein in ein Meer aus tintenschwarzen Tränen.
CLEAN
Es ist still. Die Uhr tickt. Gibt den Takt vor. Ihr Smartphone zeigt ein anderes Gesicht. Sie wischt es weg. Kiras Halluzinationen sind wie ein digitales Wachkoma. Sie bewegt sich wie eine Comicfigur. Die ersten Schritte, die ersten Bewegungen. Könnte jemand die Welt anhalten, sie würde aussteigen. Es umgibt sie ein gewisser Zauber. Keine Leerstelle ist sinnlos. Sie ist gefangen in existenzieller Einsamkeit. Sie hält nichts vom Sinn für Rhythmus. Ihre virtuosen Bewegungen zaubern eine gewisse Gleichgültigkeit in die flirrende, klare Luft. Die feinen Adern schimmern durch die helle Haut. Doch wann hört das auf?
DIE GOLDENE ZAHL PHI TAUCHT AUF
Es kreist der Schmerz im Kopf. Immer wieder neu. Die Bilder laufen ab. Der Film ist ein Blockbuster. Ein tödliches Video. Wie Wellen am Meer treffen sie auf die Steilküste ihrer Erinnerungen. Die Tränen auf ihren Augen funkeln wie Saphire im Sonnenlicht. Die goldene Zahl Phi taucht auf. Eiskalter Charme verschwindet hinter bunten Häuserfassaden. Kira will die Zeit in Sinn verwandeln. Ihre Wahnvorstellungen überträgt sie fein säuberlich in alle sozialen Netzwerke.
Ihr digitales Spiegelbild ist wunderschön. Makellos sitzt Kira da in einem lila Seidenkleid, die fast gläsern wirkenden Beine, die fragilen Arme, das schmale Gesicht, die pistazienfarbenen Augen, alles scheint perfekt. Nur ihre Seele schreit nach Liebe, nach Sex, nach dem gewissen Kick. Sie wendet ihren Blick ab vom leuchtenden Bildschirm, der wie eine altertümliche Höhensonne sein blaues fahles Licht auf ihre purpurroten Lippen wirft, die dadurch noch sinnlicher wirken. Das elektronische Summen des Computers ist das einzige Geräusch, das sie noch wahrnimmt. Ja, nein, vielleicht. Der weiße Tod wartet hinter der imaginären Leinwand. Sie spricht von einem anderen Ich. Ihre eigene Welt erscheint ihr plötzlich so fremd. Sie weckt ihre eigenen Dämonen. Ihr Geist hungert. Kira lächelt in die Kamera. Ein sinnlicher Blick, eine immer wieder einstudierte Pose. Ein kurzer Datencheck. Den Porträtmodus aktiviert. Alles scheint perfekt. Das Selfie gibt ihr Kraft zurück. Wie schön, einmal Dornröschen zu sein. Eine Armee von Schmetterlingen zieht los. Beflügelt von der Phantasie des Windes.
GREENPEACE
ES GIBT GENUG RAUM FÜR TRÄUME
Klick. Das Foto ist fertig. Die Szene ist für immer festgehalten, eingefroren, die Welt für einen kurzen Augenblick angehalten. Das satte Grün der Blumenwiese, die schneeweiße Tischdecke, der festlich gedeckte Tisch mit der üppigen Dekoration, die Ornamente, die Symmetrie der Gegenstände, die wie ein Heer von Soldaten in einer Reihe akkurat verteilt über die Fläche aufgereiht dastehen. Links daneben der alte Baum mit der großen Schaukel. Ein kleines Mädchen mit einem farbenfrohen Kleid, auf dem winzige Blüten aufgedruckt sind, schaukelt gedankenversunken auf und ab. Das Lachen der fröhlichen Menschen ist schon von weitem zu hören. War das eine imaginäre oder eine reale Welt. Es gibt scheinbar keine Trennlinie, keine Abgrenzung zwischen Schwerelosigkeit und Schwerkraft. Die Kulisse funktioniert, weil irgendjemand ihr eine Seele gegeben hat, eine Bedeutung, eine Existenz. Es gibt genug Raum für Träume und die ungeliebte Wirklichkeit. Und doch lockt das Schauspiel meine Neugier. Ich sitze da, als stiller Beobachter, und sehe, wie die Avatare ihre Gesichter tauschen. Plötzlich hatte die Welt andere Farben, andere Töne, andere Gerüche. Ich schlage das Buch der Phantasie auf, blättere und suche nach der einen Stelle. Und da ist sie. Es war also doch kein Märchen, keine Einbildung. Ich schließe die Augen und die Bilder holen mich ein, das Gestern wird aufgelöst, nur winzige Bruchteile bleiben mir im Gedächtnis. Und doch wäre ich gerne einer der Gäste an der reich gedeckten Tafel. Würde gerne meine Lachmuskeln spüren. Mein Herz hatte die gewisse Freiheit. Jeder Dialog ein kleines Geschenk. Akustische Muster dringen an mein Ohr. Ich bin wie ein Dolmetscher, der seine eigenen Worte übersetzt. Wie ein Maler, der sein Bild immer und immer wieder übermalt. Ein Zauberer, der sich selbst verzaubert. Ein BauMeister, der seine eigenen Luftschlösser baut. Es scheint nicht gut genug zu sein. Nicht perfekt genug. Die Farben strahlen noch nicht, der Ausdruck ist fahl. Ich zappe in der Vielfalt der Kanäle hin und her, auf und ab, rechts und links. Und dann entdecke ich die weiße Leinwand, die so rein und unberührt, so klar das Nichts widerspiegelt. Ich achte auf jedes noch so kleine Detail, das völlig unerheblich sein mag, und forme daraus meine Welt. Ich improvisiere mit Sehnsüchten, mit Affronts, mit Gefühlen, mit mir selbst.
SHADOW
ER BEFINDET SICH IN EINEM LICHTTUNNEL
Schallwellen verirren sich im Raum. Schatten verzieren die kahlen Wände. Mike Oldfields Hit „Shadow On The Wall“ erklingt digital, akkurat, remastered, perfekter als das Original. Erinnerungen legen sich wie Schatten über Leon. Die Töne treffen auf, heben ab, ein Teil wird verschluckt, so dass er nur den Refrain versteht. „Treat me like a prisoner“. Eine Metapher für den Zeitgeist. Leon wirft sich in die Hype-Arena. Tanzende Körper sprühen Funken – Metall wird durchtrennt. Jede Bewegung hinterlässt lange dunkle Schatten, die sich zu immer neuen Mustern vereinen. Sie docken an und reißen auseinander. Auch Leon sieht seinen Schatten inmitten der fragilen Scherenschnitte auf den aalglatten Betonwänden. Nur sein Schatten scheint anders zu sein. Filigraner, feiner, verletzlicher. Doch erst das Licht lässt auch all die anderen Schatten entstehen. Jedes Staubkorn wirft seinen Schatten. Alle Nuancen des Lichts strahlen auf ihn ein. Leon ist in all den Schatten gefangen. Ein unsichtbares Band verbindet ihn mit dem schwarzen Nichts, das dort am Boden, an den Wänden, plötzlich überall erscheint. Übermächtig. Die Stunden drehen sich um ein Karussell aus Eitelkeiten. Geblendet verlässt er die schwarze Hölle. Er befindet sich in einem Lichttunnel und jagt seine Ängste durch die Nacht. Die Straße liegt da, wie ein dunkler Schnitt in der Landschaft. Er folgt ihr, in der Hoffnung, sein eigenes Ich wiederzufinden. Im ersten Licht des Morgens empfängt er neue Nachrichten. Doch wie mutig wird er sein? Wird er sich gegen das Licht stellen? Wird er eins werden mit dem Licht? Wird er vom Licht verschluckt? Wird er unsichtbar? Oder erstrahlt er im Licht? In seinem Licht. Ja, alle sollten ihn sehen. Leon sieht sich im Scheinwerferlicht ganz oben und alles um ihn ist in absolute Dunkelheit gehüllt. Er ragt aus dem schwarzen Nichts heraus. Verwandelt sich unbemerkt in ein funkensprühendes Gebilde, dessen Strahlen sich messerscharf in die Herzen der Menschen bohren. Licht entzündet kleine Feuerwerke. Kunstwerke von so wunderbarer Schönheit, die jedoch nur er erkennt. Lichtpunkte wechseln die Richtung. Schwarz und Weiß wechseln sich ab. In Lichtgeschwindigkeit trägt ihn die Rauchwolke davon zu einer fernen Galaxie.
REMEMBER
DIE ZEIT ERSCHEINT IM SPIEGEL
WAS FÜR EINE VITA VON WAHNSINN
Die Musik klingt vertraut. Jeder Ton speichert eine Erinnerung. Gegen das Licht gehalten erscheint ihre Silhouette zerbrechlich. Alles ist fiktiv, alles wie feinstes Porzellan, das im Takt des Herzschlags vibriert. Er legt seine Gedanken zur Seite und sie verschwinden im nächsten Augenblick im Meer der Erinnerungen. Entscheiden feine Nuancen, die wie mit einem Glasschneider ihre Herzen zerschnitten haben, über Leben und Tod? Es ist wie ein Handel mit Devotionalien, ein Ablasshandel, ein Tauschgeschäft. Romeo und Julia tauschen ihre Liebe ein. Digitale Phantasien mischen sich zu jener schwarzen Masse, die undurchdringbar scheint. Der weiße Stift fährt über das weiße Blatt und allmählich erwachen die Buchstaben zum Leben. Klar und immer klarer. Sophia liest Zeile für Zeile. Doch nicht die Wörter ergeben einen Sinn, es sind die Abstände der Zeilen, die Abstände der Buchstaben, die ihre eigenen Geschichten erzählen. Die Finger gehorchen nicht mehr, die Tastatur wird zum Abenteuerspielplatz. Zeichen und Buchstaben wechseln einander ab. Shortcuts, Command, Steuerung Alt und D, Strg-C, Strg-D. Alles geschieht in Millisekunden. Icons, Piktogramme, Schriftzeichen, die große weite Welt der Buchstaben liegt vor ihr. Keine Farbe, keine bunten Tupfer, nur schwarz und weiß. Positiv und negativ. Clean, absolut rein. Messerscharfe Konturen schneiden sich ins Papier, tauchen ein in die unregelmäßige Struktur der Oberfläche. Sophia erreichte ein neues Level, wie in einem Computerspiel tastete sie sich voran, immer auf der Suche nach einem neuen Kick, einem neuen digitalen Abenteuer. Die Zeit erscheint im Spiegel der Glückseligkeit. Bleibt einen kurzen Moment, Glücksmomente paaren sich öffentlich in einer Art viraler Sexszene. Von Höhepunkt zu Höhepunkt schweben die Gedanken, die wie Starfighter den klaren Himmel mit ihren weißen Kondensstreifen in kleine überschaubare Spielfelder teilen. Sie hat das Passwort zu ihrem Glück nicht abgespeichert. Sophia versucht die verschiedensten Kombinationen und die aberwitzigsten Verknüpfungen. Erfolglos. Sie hat sich selbst den Zugang versperrt. Sie schwebt in der Cloud wie ein Rokkaku, einer dieser sechseckigen japanischen Kampfdrachen, der wie ein Blatt im Wind dahintreibt, um plötzlich zuzuschlagen. Sie kämpft gegen ihre Seele. Es vollzieht sich eine Metamorphose der ganz besonderen Art. Sie fühlt sich größer als das Leben. Was für eine Vita von Wahnsinn und Vergessen, von Gier und Hass. Bis endlich alles eins wird, ihr Kopf, ihre Seele, ihr Körper. Leise Zwischentöne, zarte Berührungen und doch fehlt die Liebe, die ganz große Liebe. Sie schwebt und fühlt sich wohl und doch bekommt sie bei ihrem Höhenflug Flugangst. Sie beobachtet sich selbstkritisch wie eine Voyeurin, die zwischen Depression und Genie hin- und herspringt. Sie feilt an jedem Wort, an jedem Satz. Sophia erinnert sich an die Feuerschlucker, die Gaukler, die fliegenden Menschen, die manchmal ihre Traurigkeit flankieren. Wird ihr Gerechtigkeit widerfahren? In ihrem Körper leben drei unterschiedlichste Personen, die androgyn-exzentrische Drag-Queen, die brutale Sado-Maso-Frau und die blasierte Mutter. Augenscheinlich steht Sophia sich selbst im Weg. Glück und Unglück im gleichen Atemzug.
TACT
Als ich zum ersten Mal diese Bar betrat, faszinierten mich die unzähligen Flaschen. Ich staunte über die Behändigkeit des Mannes hinter dem Tresen und seine ruhige Art. Ich war erstaunt über seine stoische Ruhe, seine Übersicht und sein Lächeln. Scheinbar blind griff er nach den wunderschönen bauchigen Flaschen, deren Farbigkeit sich im fahlen Licht deutlich abhob. Wie ein Magier entlockte er jeder einzelnen Flasche jene Einzigartigkeit. Er mixte vor meinen Augen mit einer mir unvorstellbaren Leichtigkeit. Die überschwänglichen, geradezu provozierenden Namen der Cocktails spürte ich auf meiner Zunge. Er beherrschte den Rhythmus, den Takt wie ein Dirigent, setzte an den richtigen Stellen Pausen, wechselte von piano zu mezzoforte. Er spielte gekonnt mit den Flaschen und deren Inhalt wie auch mit den illustren Gästen.
ES PRICKELT AUF MEINER HAUT
Eine eigene Welt, in der er sich wohlfühlte, tat sich vor mir auf. Eine Art Unterwelt. Es prickelt auf meiner Haut. Ich fühle Nähe, Verlust, Einsamkeit und Begehren in einer Sekunde, wenn der Alkohol sich durch den Mundraub in die Kehle und weiter in meiner Speiseröhre einätzt. Ein warmes Gefühl der Freiheit zerrt an meinen Lippen, die ausgetrocknet sich nach Liebe sehnen. Ich befeuchte die Haut mit Speichel. Meine Zunge spürt die zerrissene Oberfläche, die wie eine Mondlandschaft daliegt. Meine Nase versucht, einen Geruch wahrzunehmen. Vergeblich. Ich verirre mich im Schattenreich der Sucht. Dann tauche ich nochmals ein in die geheime Welt der Drogen. In ein Meer von Pillen und Tabletten. So überlebensgroß ist der Hauptpreis. Wie ein farbenfrohes Bilderbuch umgibt mich die Welt. Meine kleine Welt, die ich mir selbst erschaffen habe aus Perfektionismus, aus Idealismus, aus Harmonie, aus Ängsten und Träumen. Ich investiere in ein Magic Life voller Sweet Love. Eine Slide Show läuft unbemerkt im Hintergrund. Ich werfe meinen Körper in die Bilderflut. Die Wellen der Erkenntnis überspülen mich. Ich versuche, darauf zu surfen. Die Brandung der Ziellosigkeit wird vor mir sichtbar. In der Gischt der Liebe tauche ich wieder auf. Ebbe und Flut ziehen mich an, stoßen mich ab. Wie ein Apnoe-Taucher versuche ich, immer tiefer in die seelenschwarze Ungewissheit vorzudringen.
ICH FLIEGE IN DIE FERNE GALAXIE
Ich warte ungeduldig auf die Happy Hour. Mein Geschmackssinn verlässt mich nicht. Ich schmecke die Klarheit des Getränkes, mein Tastsinn erfühlt die schlanke Flasche mit der filigranen Prägung am Flaschenhals. Die Kombination aus Schmecken und Tasten, aus Riechen und Hören setzt die Grenzen eng. Erstaunlicherweise konnte ich die Zukunft antizipieren. Und ist alles auch Lichtjahre entfernt, der Mut, die Lügen, die Verzweiflung, die Ungewissheit, ich fliege in die ferne Galaxie. Es gibt kein Tabu, kein unvergesslich, ich nehme die Spur der Lügen auf. Doch was bleibt? Die flüchtigen Stoffe, die meine Nase berühren, eine Mischung aus ganz besonderen Düften. Freizügig präsentiert der Mann hinter der Bar seine neuesten Kreationen. Mit einem Monolog gespickt, erinnert mich die Szene an die unzähligen YouTube Videos, die all die Selbstdarsteller tagtäglich posten, uploaden in der Hoffnung auf Likes, Klicks der Bewunderung. Die hell ausgeleuchtete Realität steht gegen die abgrundtiefe Finsternis in den Herzen der Protagonisten. Die fragile Position des erzählenden Ichs steht im Mittelpunkt der Selbstverständlichkeit. Die omnipräsente Zurschaustellung der Intimität, der Individualität – klärt sie uns auf oder verschließt sie unsere Sicht? Geradezu harmlos stehe ich da mit meiner Weltanschauung. Ich verschränke die Arme, doch die bieten mir keinen Schutz. Es ist eine Grenzerfahrung ohne sichtbare Grenzen. Alles scheint im Fluss. Ich blicke nochmal zurück zum Barmann. Er schenkt mir sein schönstes Lächeln zum Abschied. In meinem Körper explodieren kleine Feuerwerke. Ich falle, suche Halt, alles scheint sinnlos. Bis jemand den Knopf an der PlayStation drückt. Game over.
COMING HOME
19. Februar 2017
„Falco lebt“, dringt es aus den Lautsprechern. Jedes Jahr lebt er neu. Die Magie der Unsterblichkeit. Kleine Glücksmomente lösen sich aus der Atmosphäre. Dekadenz drängt sich vor. Die Schlange wird länger. Er sieht sie vor sich, all die schönen Frauen, die ihre volle Weiblichkeit zur Schau stellen. All die Schönheiten, die in seiner Wahrnehmung Albträume auslöst. Schon wollen seine Hände nach den imaginären Hologrammen greifen, doch er greift ins Leere. Mit aller Kraft stemmt sich seine Phantasie gegen dieses Phänomen. Diese unstillbare Gier verfolgt ihn. Die Gegensätze, die er so liebt, scheinen ihn zu zerstören. Er, der Narzisst, zerbricht an seiner Selbstliebe, er erstickt an den übermächtigen Selbstzweifeln. Und immer wenn er die Geschichte erzählt, seine Geschichte, jede Einzelheit, jedes noch so kleine offenbar unwichtige Detail, dann, ja immer dann strahlen seine Augen, dann funkeln sie, wie kunstvoll geschliffene Diamanten. Er sucht einen Zeitvertreib, ein Spiel, das er jederzeit abbrechen kann. Wie wäre es, wenn er von einen auf den anderen Moment aussteigen würde?
ER BLICKT IN VIRTUELLE REALITÄTEN
Er blickt auf sein Handy. Wie lange reicht der Akku noch? Ist es eine spirituelle Sinnsuche? Besitzt er noch die Freiheit zu glauben? Das Gespür für Leben? Er blickt in virtuelle Realitäten. Tiefgründige Gespräche über den Sinn des Lebens folgen. Er fühlt sich wie eine Insel. Vielerlei Gebäude und steinerne Komplexe ragten in den Himmel, gingen ineinander über und bildeten eine gigantische Betonwüste. Schillernde Farben erreichten seine Augen. Er fühlte sich wohl in diesem Moment und mit dem Gefühl, in der alles eine gleichmäßige Einheit sein sollte, die Luft, die Sonnenstrahlen, der klare Himmel, wie unter einer riesigen Glaskuppel von etwas Unsichtbarem zusammengehalten. Sein Leben hängt an dieser Geschichte.
10. März 2017
ER HINTERFRAGT SEIN DASEIN
Eine Melodie wie aus einem Soundtrack legt sich auf seine Ohren. Geloopte Nachrichten, die wundersamen Töne aus einem Spielautomaten mischen sich mit Wortfetzen und unregelmäßigem Zischen. Akustische Muster, die so weit entfernt klingen. Höhen, Tiefen, leise, laut, Wiederholungen, die wie Heimweh klingen. Er ist wie elektrisiert von all den Eindrücken, den Masken und leblosen Gesichtern. Er durchbricht ein neues Level in einem ungleichen Spiel. Zufällige Entdeckungen werden zu spontanen Geschichten verarbeitet. Er erhebt seine Hände und die Geste wirkt wie eine schon tausend Mal ausgeführte Handlung, die Geste eines Pfarrers, der den Kelch des ewigen Bundes in die Höhe streckt, oder einer Braut, die ihren Strauß in die Höhe wirft. Die Lebenslinien treffen sich im Unendlichen und geben erst im Zusammenhang einen Sinn. Die Chiffre löst sich beinahe selbst auf. Er dreht den Zauberwürfel schnell und immer schneller. Die Farben wechseln, verschwinden und werden überdeckt von seinen flinken Fingern. In diesem Moment verlieren seine Finger den Kontakt und der Zauber ist zu Ende. Er hinterfragt sein Dasein, seine Rolle in dem Spiel. In Zeitlupe fällt er kopfüber in nichts. Hinter einer zerrissenen Dunstschicht erkennt er die Heimat. Überbelichtet, in gleißendes Sonnenlicht getaucht. Und in großen Lettern erkennt er die Schrift: COMING HOME