Kitabı oku: «Verbot, Verfolgung und Neubeginn», sayfa 6
Von Spitzeln wurde schließlich auch der „achte Freimaurergrad“ entdeckt, worin die Polizei verbrecherischen Umsturz und Hochverrat vermutete. Der Kaiser, der über alle freimaurerischen „Geheimnisse“ informiert werden wollte, erteilte den Auftrag, möglichst genaue Auskünfte über diesen Grad einzuholen. Am 01. Mai 1821 antwortete dann Sedlnitzky,
„… daß die orthodoxe Freimaurerei nur drei, höchstens sechs Grade in den Dogmen und Mysterien zählet, daß schon der siebente Grad als eine bestimmt mit politischen Zwecken sich befassende Arbeit, sohin als eine Abart von den orthodoxen Freimaurern betrachtet wird, und daß man den achten Grad der neuen Freimaurerei beinahe identisch mit dem sogenannten Priestergrade der Illuminaten nehmen kann, dessen antireligiöse und staatsverderbliche Instruktion der Carbonari sich zum Modell ihrer Lehrsätze genommen haben …“123
Auch die im Vormärz entstandenen Vereine standen unter polizeilicher Beobachtung, insbesondere der 1841 in Wien gegründete Juridisch Politische Leseverein, der bürgerliche Intellektuelle, darunter auch Freimaurer, gleichsam die Spitze des geistigen Lebens zusammenfasste und von dem Polizeiminister Sedlnitzky meinte, die Leute würden sich hier „zu Verbrechern“ lesen. Schon Ende 1840 wurden bei der Polizeihofstelle zwei Gesuche um Gründung juridischer Lesevereine eingereicht. Während das erste Ansuchen sofort auf Ablehnung stieß, hatte das zweite, das von 15 angesehenen Juristen unterschieben wurde, mehr Erfolg. Die Zielsetzung des Vereins bestimmte, dass „durch Auflegung von Zeitschriften und Journalen des In- und Auslandes, die sich mit den Staatswissenschaften und den damit im Zusammenhang stehenden Fächern beschäftigen“, die vorgesehen Aufgaben erfüllt werden sollten. Die Polizeihofstelle war mit der allgemeinen Formulierung zwar einverstanden, doch legte sie genau fest, welche Zeitschriften und Journale gehalten werden durften. Kaiser Ferdinand genehmigte den Verein am 14. Juli 1841, dessen erster Präsident Karl Freiherr von Sommaruga wurde.
Sicherlich war der besonders hervorgehobene wissenschaftliche Zweck des Vereins ein Vorwand, um die erwünschte Genehmigung zu erreichen. In Wirklichkeit wollte er sich mit den Fortschritten der Literatur auseinandersetzen und sie in breiten Kreisen bekannt machen. Diese Absicht verlangte auch politisches Engagement. Seit der Ankündigung, dass der Verein sich vor allem kritisch mit der neuen Literatur befassen wolle, begannen auch die Auseinandersetzungen mit der Polizeihofstelle. Die Mehrheit der Mitglieder war sicher liberal eingestellt und wünschte im Grunde eine Reform des Staates auf konstitutioneller Grundlage. Dem Verein gehörten auch entschiedene reaktionäre Persönlichkeiten verschiedenster Schattierungen und auch begeisterte Anhänger republikanischer-demokratischer Ideen an. Viele der Mitglieder waren Staatsbeamte, Advokaten, Hochschullehrer, Bankiers und Industrielle. Konfidenten der Polizei meldeten dem Polizeiminister, dass in den Rauchzimmern des Vereins sehr häufig politische und kriminalistische Diskussionen geführt würden. Die Tätigkeit des Vereins wurde daher genau überprüft, was zu einer Dezimierung verbotener Bücher und Journale der Bibliothek des Vereins führte.124
Der Polizeiminister ließ nicht nur den Leseverein überwachen, sondern bot nun Vieles auf, um alle geheimen Gesellschaften in Österreich aufzuspüren und in ihre Systeme einzudringen. Dementsprechend ließ er auch intensiv über den „achten Grad“ der Freimaurerei nachforschen.125 Bei dieser fast schrankenlosen Herrschaft der Geheimpolizei, die nach der französischen Julirevolution im Vormärz ihre Fortsetzung fand, musste sich jeder geheime Verein im Untergrund organisieren, wobei nun u.a. die in der Zwischenzeit stärker werdenden politischen Geheimbünde nach Ansicht der Polizei eine besondere Gefahr darstellten. Die Freimaurerei stand durch diese Entwicklung nicht mehr in erster Linie im Fokus der Polizei.
3. Die Revolution 1848/49 und die Loge „Zum heiligen Joseph“
Die Revolution von 1848/49 in Österreich wurde auf Grund des metternichschen politischen Systems in der Forschung als bürgerliche Umwälzung ohne bürgerliche Revolutionäre bezeichnet. In Österreich war der Vormärz trotz oder gerade wegen der restaurativen Politik Metternichs nicht ohne politische Spannungen geblieben. Allerdings konnten sich wegen der Härte des Regimes und der zahlreichen repressiven Maßnahmen der Polizei keine liberalen oder demokratischen Bewegungen herausbilden. Dafür entstand aber eine meist von Adeligen und städtischen Bürgern organisierte liberale Opposition zumindest in einigen Landtagen und im außerparlamentarischen Bereich. Die Forderungen der politischen Opposition bewegten sich durchaus im Rahmen des konstitutionellen Liberalismus und stellten daher keine ernsthafte Bedrohung des politischen Systems dar. Radikaldemokratische Ideen wurden nur von wenigen Theoretikern vertreten.126
Für die konkretere Ausbildung und Abgrenzung einer liberalen Ideologie in Österreich war nach der Julirevolution 1830 in Frankreich die zunehmende Politisierung maßgeblich, die auch Österreich ergriff. Das Unbehagen an der metternichschen Politik und die sozialen Probleme der Industrialisierung bezogen den kulturellen Bereich in die kritische Reflexion mit ein. Sie durchbrach gleichsam die Abschirmung, hinter der die Literatur und Philosophie der Romantik und des Idealismus unter den Bedingungen der Restauration einen gewissen Höhepunkt erreicht hatte. Die Dichtung wurde politisch, zunächst im Roman, seit den 40er Jahren auch in der Lyrik. Dazu kam noch die Abspaltung eines radikalen Demokratismus vom Liberalismus, die sich auf zwei Ebenen, einer politischen und einer theoretischen, vollzog, ohne allerdings die Schärfe der deutschen Entwicklung zu erreichen. Gemeinsam war dem liberalen und demokratischen Politikverständnis die rationale Begründung des Staates von den Individuen her durch die Annahme eines Gesellschaftsvertrages. Während jedoch der Liberalismus den Missbrauch der Macht des Souveräns durch verfassungsmäßige Sicherungen, durch Freiheitsrechts, Gewaltenteilung und rechtsstaatliche Vorkehrungen zu verhindern und seine politischen Ziele auf dem Wege von Reformen und der Vereinbarung mit den bestehenden Gewalten zu erreichen versuchte, hob die demokratische Theorie die mögliche Differenz zwischen dem Inhaber der Staatsgewalt und den seiner Macht Unterworfenen dadurch auf, dass sie beide, den Souverän und das Volk, gleichsetzte. Dies war das Konzept der Volkssouveränität. Diese Unterscheidung war allerdings in Österreich nur in Ansätzen vorhanden, während in den Staaten des Deutschen Bundes der Abspaltungsprozess zu einer Radikalisierung und zu starken ideologischen Spannungen führte. In Österreich wurde dieser Prozess durch die repressiven politischen Maßnahmen Metternichs zwar gehemmt, beschleunigte aber in den 40er Jahren jene gesamtgesellschaftliche Krise, die dann zum Ausbruch der Revolution 1848 führte.127 Ehemalige Freimaurer konnten sich mit den liberalen Ideen durchaus anfreunden, insbesondere mit den liberalen Hauptanliegen, wie z.B. die Entfaltung des Individuums, Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Zu den entscheidenden liberalen Forderungen zählte vor allem eine schriftliche Verfassung, die dem Staat gewährt werden sollte und in der die Organisation der politischen Herrschaft sowie die Rechte und Partizipationsmöglichkeiten der Bürger festgelegt sind. Wichtige Impulse gingen hier auch von den Freimaurern aus, die großenteils diese Grundlagen förderten und ihre Logen selbst als Demokratie im Kleinen betrachteten.128
Im Zentrum der Forderungen des liberalen Bürgertums stand die Gewährung einer Konstitution. Die Verfassungsfrage war im Verlauf der Märzereignisse als dringendes Bedürfnis empfunden worden, allerdings war diese Forderung theoretisch-konstitutionell noch nicht ausgereift. Die Regierung oktroyierte schließlich eine Verfassung, die mit Ausnahme des Großbürgertums von allen Bevölkerungsschichten aufgenommen wurde.
War es um die Freimaurerei im Vormärz in Österreich leiser geworden, gab es ein erstes Aufflackern maurerischen Lichtes in Wien erst wieder im Oktober 1848, nachdem Dr. Ludwig Lewis129, Sprachlehrer und Inhaber einer Sprachschule in Wien sowie Professor an der k.k. Ingenieur-Akademie in Wien, schon ab dem späten Frühjahr Vorbereitungen zur Errichtung einer Loge traf.130 Samuel Lasz schrieb über ihn: „Nachdem Br. Lewis vor 50 Jahren in Stettin unserm Weltbunde zugeführt worden war, erglühte er in reiner Begeisterung für die maurerischen Interessen und im Jahre 1848 suchte er die Loge zum heiligen Joseph in Wien, welche 1771 gegründet wurde, aber lange gefeiert hatte, zu reactiviren, und die Reden, welche er als Meister vom Stuhl bei der Einweihung derselben und bei den spätern Arbeiten hielt, zeigen uns, wie tief und rein er das Ideal des Bundes auffasste.“131 Wegen seiner Bemühungen, ungarische Logen zu unterstützen, wurde er sogar als „Gründer der ungarischen Maurerei“ bezeichnet. Er hielt auch Vorlesungen zum Thema Freimaurerei, die größten Beifall beim Publikum fanden. Zudem schrieb er auch eine „Geschichte der Freimaurerei in Oesterreich und Ungarn“, die in Leipzig erschienen ist.132
1825 wurde er – wie bereits erwähnt – in Stettin in die Loge „Drei goldene Anker zur Liebe und Treue“ aufgenommen. Im Juli 1848 erhielt er von der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland ein Attest, das ihm eine Wiederbelebung der Bauhütte „Zum heiligen Joseph“ in Wien gestattete, und zwar „in schuldiger Beachtung der desfalligen landesherrlichen Verordnung die Reaktivierung quiescierender St. Johannis Freimaurerloge genannt ‚zum heiligen Joseph‘ ins Werk zu setzen, oder auch den Umständen nach, die Stiftung einer neuen St. Johannis Freimaurerloge in Wien dergestalt vorzubereiten, daß wir dazu die nach den Vorschriften unserer alten, die Ehre Gottes und das Wohl der Menschheit bezweckenden Ordens, Genehmigung erteilen und die Konstitutionsurkunde ausfertigen können. Vor allem ist zu dem beregten Vorhaben die Genehmigung der betreffenden hohen Staatsbehörde in Wien einzuholen und uns in Urschrift vorzulegen.“ Lewis hat sich allerdings erst am 30. Juli in dieser Angelegenheit an Minister Doblhoff gewandt.133
Im August 1848 richtete er an das Ministerium des Inneren das Ansuchen, „die freimaurerische Loge ‚Zum heiligen Joseph‘, die 1794 ‚ihre Versammlungen und Arbeiten freiwillig für solange eingestellt hatte, bis günstigere Zeitumstände wieder ihrer sodann erneuerten Wirksamkeit einen gedeihlichern Erfolg und ihren Wünschen die lebendige Zuversicht geben würde.“134 Von Seiten der österreichischen Regierung gab es keine Schwierigkeiten, sodass die feierliche Reaktivierung dieser Loge am 05. Oktober 1848 stattfinden konnte. Der österreichische Minister des Innern, Joseph Freiherr von Doblhoff, sandte am 02. September 1848 an Lewis einen Bescheid, „daß es mit Rücksicht auf das freie Vereins- und Assoziationsrecht einer besonderen Genehmigung nicht bedürfe, die Loge ‚Zum heiligen Joseph‘ wieder ins Leben treten zu lassen“, da der Minister von der Voraussetzung ausgehe, „daß diese Verbrüderungen staatsgefährlichen Zwecken wohl eher entgegenwirken, als dieselben begünstigen werden“.135 Nun wurde die Loge unter der Konstitution der Großen Landesloge von Deutschland ins Leben gerufen. Am 05. Oktober 1848 fand am Abend im Hause des Grafen d’Harnoncourt in der Teinfaltstraße in Wien in Anwesenheit des Provinzial-Großmeisters der deutschen Landesloge und vieler Brüder die feierliche Einweihung der Bauhütte statt. Die Eröffnungsrede hielt Lewis.136
Der Bauhütte war jedoch auf Grund der revolutionären Ereignisse nur kurzer Bestand beschieden, zumal nach der Belagerung und Einnahme Wiens durch die kaiserlichen Truppen ein absolutes Versammlungsverbot erlassen wurde. Neuerliche Ansuchen um Zulassung der Loge wurden von der Behörde abgelehnt. Einzelne Brüder bemühten sich schon einen Tag nach der Gründung auf Grund der revolutionären Ereignisse in Wien beim Militärgouverneur die Erlaubnis zur Weiterarbeit der Loge zu erhalten, diese Bemühungen waren aber vergeblich. Lewis schrieb in seiner „Geschichte der Freimaurerei in Oesterreich im allgemeinen und der Wiener Loge zu St. Joseph insbesondere“ über diese Situation: „So von allen Militär- und Zivilautoritäten zurückgewiesen, blieb der Loge nichts übrig als die Zeit abzuwarten, wo günstige Verhältnisse für die Maurerei eintreten“.137 Durch den Sieg der Reaktion ist dieser Versuch einer Reaktivierung des Logenlebens in Wien nur eine kurze Episode geblieben. Aus dem Jahr 1848 sind Polizeiberichte vorhanden, betont Lewis, die einem polizeilichen Vertrauensmann zugeordnet wurden. Solche Vertrauensleute gab es während der Revolution sehr viele. In einer polizeilichen Relation vom 21. Juli 1868 heißt es dazu: „Im Jahre 1848 ist von dem gegenwärtig in Pest domizilierenden Dr. Louis Lewis die Reaktivierung der in der josefinsichen Epoche in Wien bestandenen Freimaurerloge Zum heiligen Joseph unternommen worden, jedoch nur von kurzer Dauer gewesen, da infolge des Belagerungszustands die kaum hergestellte Loge sich wieder aufgelöst hat. Seither ist der Versuch, die Freimaurerei in Wien einzuführen, nicht wieder erneuert worden.“ Von den Mitgliedern jener „ephemeren“ Loge des Jahres 1848 lebten nur noch: Lewis, Baron Andreas Stifft, der Abgeordnete Ignaz Kuranda, dann Anton Kuranda, der Hofschauspieler Löwe und vielleicht noch einige andere.
„Der Eröffnung der Loge im Oktober 1848 hat zwar der Prof. Kampmann aus Breslau – ein Freund von Lewis – beigewohnt, ein eigentlicher Verband mit Preußen aber ließ sich nicht nachweisen. Allerdings liegt es im Wesen und in der Konstitution des Freimaurertums, dass zur Eröffnung einer neuen Loge oder zur Wiederherstellung einer früheren bestandenen, wenn sie als eine echte gelten soll, die Zustimmung und Anerkennung von Seiten einer inländischen oder in deren Ermanglung einer auswärtigen Haupt- oder Mutterloge erforderlich ist, so wie die Statuten der Freimaurerei zum legalen Bestande einer Loge die Genehmigung der Landesregierung und die Unterordnung unter das Landesgesetz ausdrücklich voraussetzen. Demgemäß hatte auch Lewis sich im Jahre 1848 an das Ministerium des Innern mit diesbezügliche Genehmigung gewendet, die ihm sohin mit Erlass des Ministers des Innern Baron von Doblhoff vom 2. September 1848, Z. 2436, erteilt wurde, worauf erst Lewis am 5. Oktober 1848 zur Eröffnung der mehrerwähnten Loge Zum heiligen Joseph geschritten ist. Dieselbe wird übrigens, da sie sich aufgelöst hat, von den auswärtigen Logen als nicht mehr bestehend angesehen.“
Eine weitere „vertrauliche“ Meldung eines Konfidenten vom 23. April 1869, Z. 1330, enthält das folgende „vollständige“ Verzeichnis der im Jahre 1848 in Wien bestandenen Freimaurerloge ‚Zum heiligen Joseph‘. Diese Mitglieder waren:
„1. Dr. Ludwig Lewis, Meister vom Stuhl;
2. Anschütz, Hofschauspieler (tot), war erster Aufseher;
3. Sauer, Rechnungsrat (tot), zweiter Aufseher;
4. Baron Baldamus (tot), Sprecher der Loge;
5. Leicht, Handschuhmacher;
6. Koberwein, Sparkasse-Liquidator (tot);
7. Koberwein, Maler, Bruder des Vorigen und Schwiegersohn des Anschütz;
8. Kollmann, Buchhändler, von Wien;
9. Robert Diller;
10. Anton Kéler, derzeit unbekannt, hatte ein Kommissionsgeschäft;
11. Gustav Brabée, derzeit Sparkasse-Liquidator;
12. Franz Fitzinger, Kustos im k.k. Mineralienkabinett;
13. Baron Andreas Stifft, wohnt Bürgerspital;
14. Richter, Goldarbeiter auf dem Stephansplatz.“138
Die Freimaurer in Österreich galten als „Geheimbündler“ und blieben deshalb auch weiterhin verboten. Jegliche Versuche zu einer Vereinsbildung wurden mit dem Hinweis auf die geheimen Ziele der Freimaurerei untersagt. Erst der Ausgleich mit Ungarn 1867 änderte dann die Lage, da nun die Freimaurer in Österreich ihre rituellen Arbeiten auf ungarischem Boden im Grenzbereich abhalten konnten.139
4. Die Freimaurerei in Österreich nach der Revolution und der Kulturkampf
Ludwig Lewis hatte 1849 leider vergeblich gehofft, dass Vorurteile des katholischen Klerus in Österreich gegen die Freimaurerei verschwinden, und sich die Auffassung bestätigen werde, dass sich die Freimaurerei von konfessionellen Fragen enthalten würde. Die katholische Presse hatte zu dieser Zeit die Freimaurerei scharf angegriffen, wobei die Polemik u.a. in Sebastian Brunners „Wiener Kirchenzeitung“ nach Beginn der Konkordatsverhandlungen zunahm.140 Die Liberalen vermochten sich im Vormärz in Österreich kaum zu artikulieren, da das Polizeisystem und die Zensur starken Druck ausübten. Sie sahen sich daher gezwungen, ihre politischen Ideen, kritischen Reflexionen und Broschüren bei ausländischen Verlagen herauszugeben. Metternich war davon überzeugt, dass auch mit einem liberalen Pressegesetz die politische Ordnung aufrecht erhalten werden könne. So richteten die Wiener Schriftsteller unter Eduard von Bauernfeld eine Petition an den Kaiser, in der sie um ein geregeltes Zensurverfahren nachsuchten. Metternich zeigte sich aber unnachgiebig. Auch in weiteren Adressen und Petitionen wurden liberale Forderungen aufgestellt, wie z.B. die nach Veröffentlichung des Staatshaushalts, nach Mitsprache der Stände, die durch das Bürgertum verstärkt werden sollten, nach Mitsprache an der Steuerbewilligung, nach der Gesetzgebung und nach mehr Öffentlichkeit in der Rechtspflege und Verwaltung. Die Studenten verlangten vor allem Presse- und Redefreiheit, Lehr- und Lernfreiheit an den Universitäten, Gleichstellung der Konfessionen und eine allgemeine Volksvertretung. Doch die Regierung war nicht bereit, auf diese Forderungen einzugehen.141 Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Liberalismus in Österreich spielte auch die Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche eine wesentliche Rolle. Aus katholischer Sicht wurde die Freimaurerei in Österreich als treibende Kraft des Laizismus betrachtet, als Vertreterin einer reinen Diesseitskultur und als Hauptförderin der liberalen Richtung bezeichnet. Die katholische Begründung war, dass die Freimaurerei in ethischen Fragen „rein naturalistisch-humanitär … eingestellt sei und in der Metaphysik den undogmatischen Gottesbegriff mit rein subjektiver Binnenzeichnung vertrete“.142
In der Bruderkette wurden allerdings zwei Richtungen unterschieden. Die eine sah im „Allmächtigen Baumeister aller Welten“ ein Symbol des spirituellen Seinsgrunds, das sich als undogmatischer Gottesbegriff verstand, andererseits gab es auch freimaurerische Gruppen, die durchaus an einen persönlichen Gott glaubten. Bei der ersten Richtung spielte die Ethik ohne transzendente Bindung eine große Rolle, die auch als laizistisch bezeichnet werden konnte. Die Ethik aus freimaurerischer Perspektive war immer bestrebt, einen Beitrag zu einer humanistischen und ästhetisch wertvollen Verweltlichung zu leisten. Nach Beginn der Konkordatsverhandlungen gingen die Angriffe gegen die Freimaurerei etwas zurück. Das Konkordat, am 05. November mit einem kaiserlichen Patent erlassen, wurde am 13. November 1855 im Reichsgesetzblatt Nr. 195 publiziert. Damit trat es für die gesamte Monarchie in Kraft. Der Vertrag hob die wichtige Stellung der Kirche in der Monarchie hervor.143
Mit dem Beginn der liberalen Ära seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts bemühten sich die Freimaurer, die staatliche Wiederzulassung zu erreichen. So wurde 1865 die Eingabe zur Zulassung der Loge „Zum heiligen Joseph“ vom Ministerium Belcredi mit der Begründung abgelehnt, dass die Freimaurerei einen die Öffentlichkeit ausschließenden Charakter als Geheimbund habe. Besonders heftig trat schon vorher der Advokat Eduard Emil Eckert in zahlreichen Veröffentlichungen gegen die Freimaurer und deren staatliche Anerkennung in Österreich auf. In seinem Buch „Der Freimaurer-Orden in seiner wahren Bedeutung“ (1852)144 unterstellte er der Freimaurerei, dass diese eine Revolution gegen Kirche und Monarchie plane sowie Eigentum, Stände und Innungen in Frage stelle. Seine Schmähschrift leitete er 1852 an das sächsische Kriminalgericht weiter und hoffte, dass er die Auflösung der Freimaurerei erreichen könne. Die Verhandlungen blieben aber erfolglos. Allerdings wurde durch Erlass erreicht, dass Freimaurer als Offiziere der Armee nicht angehören durften. Die Motive für Eckerts Freimaurerhass waren wahrscheinlich darin zu suchen, dass seine Aufnahme in eine Loge abgelehnt wurde.145 Für Eckert war die Freimaurerei schlechthin „das Böse“. Seine antimasonische Agitation begann vor allem nach der Revolution von 1848/49, als er die Behauptung aufstellte, dass die Freimaurer an allen Revolutionen schuld seien. Eckerts Feldzug gegen die Freimaurerei, bei dem er sein Ziel nicht im gewünschten Sinne erreichte, ging von Dresden nach Berlin und nach seiner Ausweisung nach Prag und Wien, wo er die Redaktion der „Historisch-Politischen Blätter“ übernahm. Seine erneuten Hetzschriften gegen die Freimaurerei wurden später von Erich Ludendorff in seiner Offensive gegen die Bruderkette benutzt. Da er im Jänner 1866 in einem Wiener Krankenhaus Selbstmord beging, wurde von den Gegnern der Freimaurerei behauptet, dass er von den Brüdern ermordet worden sei.146
Im Jahre 1858 gab es zahlreiche Schreiben des Chefs der Obersten Polizeibehörde in Wien über freimaurerische Angelegenheiten bzw. Umtriebe.147 Das Mistrauen der Polizeibehörde über die Freimaurerei muss in diesem Jahr besonders ausgeprägt gewesen sein. In den diversen Schreiben finden sich auch Auszüge aus den Logen-Verzeichnissen dieser Zeit. Im Gesetz über das Vereinsrecht vom 15. November 1867 gab es nach wie vor keine Möglichkeit für die Freimaurer, ihre rituellen Arbeiten offiziell auszuüben.
Obwohl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich die Auseinandersetzungen zwischen der katholischen Kirche und dem Staat steigerten, sodass Rudolf Virchow im Deutschen Reich den Begriff „Kulturkampf “ einführte, fühlte sich die Freimaurerei vom Kulturkampf nur gering betroffen. Sie begrüßte aber größtenteils die Trennung von Staat und Kirche und die Zurückdrängung des Religiösen in der Gesellschaft. Die innerkirchliche Strömung des Modernismus, wie sie in der Enzyklika „Pascendi“ beschrieben wurde, hat Papst Pius X. die Freimaurerei mit dem katholischen Glauben als unvereinbar bezeichnet. Die verschiedenen Strömungen, die als „neuer Katholizismus“ und später als „Modernismus“ benannt wurden, sah die Kirche als Auswirkungen des Liberalismus. Papst Pius IX. hatte 1864 mit dem „Erlass des Syllabus“, ein Verzeichnis der „hauptsächlichsten Irrtümer unserer Zeit“, nämlich Pantheismus, Naturalismus, Rationalismus, Indifferentismus und Liberalismus massiv kritisiert. Er bezeichnete die Freimaurerei als „Synagoge des Satans“. Das Verhältnis zwischen Kirche und Freimaurerei spitzte sich dann im Kulturkampf noch weiter zu. Diese Verurteilungen beeinflussten auch die Freimaurerei in Österreich. Der Nachfolger Papst Pius’ IX., Leo XIII., verdammte in seiner Enzyklika „Humanum genus“ die Freimaurerei als Teufelswerk und beschwor alle katholischen Bischöfe, „die unreine Seuche“ auszurotten.148 Die Gegnerschaft zur Freimaurerei erfuhr vor allem Aufwind durch den Kulturkampf, wobei sich in der Habsburgermonarchie eine modifizierte Form der Verschwörungstheorie herausbildete. Diese manifestierte sich z.B. in der polemischen Auseinandersetzung zwischen H.J. Bidermann und dem Jesuiten Johann Wieser.149 Im Kulturkampf hat sich die Verschwörungstheorie als Manipulations- und Repressionsobjekt bewiesen, da aus der Perspektive der katholischen Kirche der Liberalismus und die Freimaurerei den Bruch mit der überkommenen Sozialordnung ideologisch gerechtfertigt hätten und damit der Prozess der Aushöhlung der alten Ordnung als Verschwörung gegen Thron und Altar vor sich gegangen sei.150
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95 Vgl. dazu H. Reinalter, Freimaurerei, Politik und Gesellschaft. Die Wirkungsgeschichte des diskreten Bundes, Wien – Köln – Weimar 2018, S. 128 ff.
96 Vgl. dazu H. Reinalter, Freimaurerei, Politik und Gesellschaft, S. 193.
97 Vgl. zu diesem Geheimbund H. Reinalter, Der Geheimbund der Carbonari, in: Tirol – Österreich – Italien, Festschrift für J. Riedmann zum 65. Geb., Innsbruck 2005, S. 571 ff.; ders., Geheimbünde in Tirol. Von der Aufklärung bis zur Revolution 1848/49, Innsbruck 2011, S. 181 ff.
98 Zit. nach H. Reinalter, Die Freimaurer in Österreich von der Aufklärung bis zur Revolution 1848/49, in: Zirkelund Winkelmaß. 200 Jahre Große Landesloge der Freimaurer, Wien 1984, S. 7 ff., hier S. 20 ff.
99 Zum Geheimbund der Carbonari und seiner Zielsetzung vgl. H. Reinalter, Die Freimaurer, München, 7. Aufl. 2016, S. 88 ff.
100 Kärntner Landesarchiv Klagenfurt, Topographische Sammlung Zenegg, Fasz. 7/1, Carbonari, Freimaurer, geheime Gesellschaften, vol. 1–2.
101 Vgl. H. Reinalter, Geheimbünde in Tirol, S. 184 f.
102 Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien (AVA), PH2632/1821.
103 Ebd.
104 Ebd.; zit. auch bei H. Reinalter, Geheimbünde in Tirol, S. 185 f.
105 Vgl. dazu S. Steiger-Moser, Anton David Steiger, Edler von Amstein. Der Gründer der Wildensteiner Ritterschaft zur Blauen Erde, in: Quatuor Coronati-Berichte H. 32 (2012), S. 217 ff.
106 Vgl. H. Reinalter, Johannisfreimaurerei, in: Freimaurerei. Geheimnisse – Rituale – Symbole. Ein Handbuch, Leipzig 2017, S. 123 f.
107 S. Steiger-Moser, Anton David Steiger, Edler von Amstein, S. 217 ff.
108 Vgl. dazu H. Reinalter, Geheimbünde in Tirol, S. 184 f.
109 Vgl. auch für das Folgende H. Reinalter (Hg.), Demokratische und soziale Protestbewegungen in Mitteleuropa 1815–1848/49, Frankfurt / M. 1986, S. 77 ff.
110 Zentrales Staatsarchiv Merseburg, Historische Abteilung II, Außenministerium 2.4.1.T. Nr. 8150, Nr. 8151 (heute Geheimes Staatsarchiv, Berlin-Dahlem, Preußischer Kulturbesitz); vgl. dazu auch H. Reinalter, Revolution und Verschwörungstheorie in Briefen und Berichten Metternichs, in: Innsbrucker Historische Studien 9 (1986), S. 115 ff.
111 H. Ritter von Srbik, Metternich. Der Staatsmann und der Mensch 1, München 1925, S. 388.
112 Vgl. dazu H. Reinalter, Revolution und Verschwörungstheorie, S. 115.
113 Vgl. ebd., S. 116.
114 Brief Metternichs an Wittgenstein, Wien, 21. Mai 1833, abgedruckt bei H.J. Schoeps (Hg.), Neue Quellen zur Geschichte Preußens im 19. Jahrhundert, Berlin 1968, S. 174 f.
115 Ebd., S. 175.
116 Zentrales Staatsarchiv Merseburg, Außenministerium, 2. 4. 1. I. Nr. 8150, vol. 5–6 (Abschrift); zitiert auch bei H. Reinalter, Revolution und Verschwörungstheorie in Briefen und Berichten Metternichs, S. 117.
117 H. Reinalter, Revolution und Verschwörungstheorie in Briefen und Berichten Metternichs, S. 119 f.
118 Ebd., S. 120.
119 Vgl. dazu M. Rietra (Hg.), Jung Österreich. Dokumente und Materialien zur liberalen österreichischen Opposition 1835–1848, Amsterdam 1980.
120 Zit. nach L. Brügel (F. Burger?), Aus den Tagen des „guten Kaisers Franz“. Die bespitzelte Freimaurerei, in: Wiener Freimaurer-Zeitung 11 (1926), S. 25 ff., S. 27.
121 Zit. nach L. Brügel, Aus den Tagen des „guten Kaisers Franz“, S. 35 ff.
122 Ebd., S. 36.
123 Ebd., S. 30 ff., S. 31; weiters auch Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien (AVA), Polizeihofstelle 3676/1821, über den 8. Grad der Freimaurerei, Sedlnitzky an den Kaiser 1. Mai 1821.
124 Zum Verein vgl. W. Brauneder, Leseverein und Rechtskultur, Wien 1992; H. Reinalter, Der juridisch-politische Leseverein, in: Österreichisches Vereins- und Parteienlexikon, hg. von A. Pelinka und H. Reinalter, Innsbruck 2002, S. 82 ff.
125 H. Reinalter, Geheimbünde in Tirol, S. 185 f.; ders., Liberalismus und Kirche in Österreich im 19. Jahrhundert, in: Der deutsche und österreichische Liberalismus, hg. von H. Reinalter und H. Klueting, Innsbrucker Historische Studien 26. Bd., Innsbruck 2010, S. 149 ff.
126 Vgl. dazu H. Reinalter, Die bürgerliche und demokratische Opposition in der Habsburgermonarchie nach 1815, in: Demokratische und soziale Protestbewegungen in Mitteleuropa, S. 102 ff.
127 H. Reinalter, Die Geschichte der frühen Demokratie in Europa, Innsbruck 2018, S. 63 ff. auch S. 68 ff.; ders., Die bürgerliche und demokratische Opposition in der Habsburgermonarchie, S. 103 f.
128 Vgl. dazu H. Reinalter, Freimaurerei und Demokratie im 18. Jahrhundert, in: ders., Aufklärung und Moderne, Innsbruck 2008, S. 265 ff.; ders., Freimaurerei, Politik und Gesellschaft, S. 147 ff.
129 Vgl. dazu S. Lasz, Ein greiser Gelehrter. Erinnerung an Dr. Ludwig Lewis, Budapest 1887.
130 Vgl. dazu H. Reinalter, Die Freimaurerei in Österreich im 19. und 20. Jahrhundert, in: Freimaurer und Geheimbünde im 19. und 20. Jahrhundert in Mitteleuropa, hg. von H. Reinalter, Innsbruck 2016, S. 130 f.
131 S. Lasz, Ein greiser Gelehrter, S. 27 f.
132 Ebd., S. 30.
133 Vgl. dazu E. Schönmann, 1848, in: Quatuor Coronati-Berichte Heft 1 (1974), S. 17 ff.
134 L. Brügel, Aus der Frühzeit der österreichischen Freimaurerei. 1848 bis 1869, in: Die Gegenwartsmaurerei, S. 64 ff., hier S. 66.
135 Ebd., S. 66.
136 Ebd.
137 L. Lewis, Geschichte der Freimaurerei in Oesterreich im allgemeinen und der Wiener Loge zu St. Joseph insbesondere, Wien 1861; vgl. auch L. Brügel, Aus der Frühzeit der österreichischen Freimaurerei, S. 66.
138 L. Brügel, Aus der Frühzeit der österreichischen Freimaurerei, S. 66 f.
139 Vgl. dazu L. Lewis, Geschichte der Freimaurerei in Oesterreich im Allgemeinen und der Wiener Großloge zu St. Joseph insbesondere; E. Schönmann, 1848, in: Quatuor Coronati Berichte 1 (1974), S. 17 ff.; R. Hubert- F. Zörrer, Die österreichischen Grenzlogen. Freimaurerei in Österreich 1869–1918, in: Quatuor Coronati-Jahrbuch 20 (1983), S. 145; H. Obrecht, Der Kampf um die staatliche Anerkennung der Freimaurerei, S. 32 ff., S. 50 ff.; H. Reinalter, Die Freimaurerei in Österreich, in: Zirkel und Winkelmaß. 200 Jahre Großloge von Österreich, Wien 1984, S. 22.