Kitabı oku: «Der Bürg mit dem Hundehalsband», sayfa 2

Yazı tipi:

Die Leiden des jungen Mieters

Ein Zinshaus wird renoviert. Alles ist mit einer dicken, weißlichen Staubschichte überzogen; in den Gängen und im länglichen Innenhof stapeln sich Zementsäcke, Paletten und Abfall, vor allem leere Säcke; für die standhaften Bewohner ist es mitunter nicht leicht, zu ihren Stiegenaufgängen zu gelangen. Die weniger standhaften haben ihre Wohnungen längst geräumt, welche nunmehr „neu adaptiert“ werden (an den gewinnträchtigsten Standard). In diesen Wohnungen ist alles auf Schimäre angelegt: Marmor imitierende Kacheln am Boden, Stadlauer-Fenster, Portas-Türen, mit Gewalt hineingequetschte Bad- und WC-Bereiche.

Der Held der Geschichte lebt in einer Zimmer-Küche-Wohnung auf Stiege 1 im 1. Stock. Auf dieser Etage werden zwei Wohnungen umgestaltet. Im Gang vor dem Fenster zum Hof steht eine Mischmaschine, vom Sicherungskasten am Gang spannen sich Drähte in Kopfhöhe zu den leer stehenden Räumlichkeiten. Unser Held, nennen wir ihn Michael, muss den Gang mehrmals am Tag überqueren, um zur Toilette zu gelangen; die frei schwebenden Leitungen zwingen ihn, sich dabei mehrmals zu bücken. Er ist fast immer zu Hause, weil er an seinem Computer an seiner Diplomarbeit werkt.

Groß: Ein Radiowecker zeigt 7:00 Uhr; Michael schläft tief und fest in seinem Hochbett. In dem Moment, in dem die Anzeige auf 7:01 springt, ertönt ein infernalisches Kreischen aus dem Innenhof: Ein Arbeiter zersägt Marmorimitatkacheln mit einer Flex. Dabei entsteht eine Fontäne aus Staub, die waagrecht nach vorne schießt und sich dann in Wolken im Hof verbreitet.

Michael wird aus dem Schlaf gerissen. Er schreckt hoch, will den Wecker abschalten und muss verwirrt feststellen, dass dies nichts nützt. Er registriert die Uhrzeit und sinkt stöhnend zurück, hält sich die Stirn; das Kreischen schwillt an und ab (wenn die Maschine leer läuft), aber an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Seufzend wickelt er sich aus seiner Decke, torkelt die Leiter hinab und geht mit halb geöffneten Augen zum Fenster, um es zu öffnen. Der frühe Morgen empfängt ihn mit einer beißenden Staubwolke, die ihn zum Husten bringt. Rasch schließt er das Fenster wieder. Er schlurft zu seiner Stereoanlage, die vom Vorabend noch viel zu laut eingestellt ist, und schaltet ein. Die Verkehrsfunk-Signation dröhnt durch den Raum. Michael zuckt zusammen und schaltet wieder aus. Tief durchatmend, macht er sich in Richtung Toilette auf den Weg, mittlerweile in einen Morgenmantel gekleidet. Im Moment des Türöffnens wird das Kreischen erheblich lauter. Er bahnt sich den Weg unter Drähten und um die Mischmaschine herum, verschwindet am Klo. Pinkel und Spülgeräusche.

Michael geht wieder zurück. Auf halbem Weg kommt ihm aus einem oberen Stockwerk ein Nachbar entgegen, der zwei große und anscheinend schwere Koffer die Stiegen hinunterschleppt.

Michael: (gähnend) Guten Morgen! Wohin geht denn die Reise?

Nachbar: In den 14. Bezirk … ich ziehe um.

Michael: (macht einen teilnahmsvoll-resignierenden Blick gen Himmel) Rausgeekelt! Another one bites the dust.

Nachbar: Nicht mehr lang. (Er klopft Michael freundschaftlich auf die Schulter, von der sich eine kleine, weiße Staubwolke löst; beide beginnen zu husten, verabschieden sich zugleich. Der Nachbar quält sich weiter mit den Koffern ab, Michael geht in seine Wohnung zurück.)

Michael legt eine Platte auf: Franz Liszt, Ungarische Rhapsodien. Das weiterhin an- und abschwellende Kreischen aus dem Innenhof wird größtenteils von der Klaviermusik übertönt. Er massiert seinen schmerzenden Kopf und versucht, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Dann steht er mit festem Schritt auf, schaltet die Musik ab und den Computer ein, setzt sich an das Gerät und beginnt zu schreiben. In diesem Moment beginnen die Arbeiter, in der angrenzenden Wohnung, Wand an Wand, den Verputz abzuschlagen. Das schwere Hämmern ist nicht nur unerträglich laut, sondern löst auch kleine Beben aus, die in Michaels Wohnung den Verputz gleich mitlösen. Kalkteilchen rieseln auf ihn herab. Mit verbissenem Gesichtsausdruck holt M. eine Plastikfolie aus einem Schrank und bedeckt den ganzen Schreibtisch und sich selbst. Er schreibt weiter. Plötzlich wird der Bildschirm unvermittelt schwarz. Panisch drückt er wahllos einige Knöpfe, springt dann auf, kämpft sich unter der Plane hervor und eilt auf den Gang, wo einer der Arbeiter eben den Sicherungskasten schließt.

Michael: Bist du wahnsinnig? Schalt sofort den Strom wieder ein!

Arbeiter: Kollega?

Michael: Strom! Licht! Einschalten! Die ganze Arbeit von heute beim Teufel.

Arbeiter: Kollega, Licht aus?

Michael: Ja, verdammt. Die falsche Wohnung.

Er rotiert händeringend herum, während der Arbeiter den Sicherungskasten wieder öffnet und den Fehler behebt. Grinsend verschwindet er in der Wohnung, die gerade in Arbeit ist. M. geht in seine zurück, blickt traurig auf seinen Computer, greift sich an seinen schmerzenden Kopf und gibt den Gedanken an geistige Arbeit auf. In einem Eck der Küche lehnen ein Brett und zwei Regalwinkel. Mit diesen beladen, geht er auf die Toilette. Dann deutet er dem Arbeiter in der Wohnung, zu kommen, zeigt ihm die Teile und vollführt Bewegungen wie mit einer Bohrmaschine. Der Mann nickt verstehend, geht ab und kommt rasch mit Bohrmaschine und Werkzeugkasten zurück. Die passenden Schrauben sind bald gefunden. M. stellt sich auf die Klobrille und beginnt zu bohren. Der Arbeiter steht in der offenen Tür und sieht zu. Ein älterer Mann im Anzug nähert sich.

Mann: (zu M.) Was du machen?

Michael: (irritiert) Wer sind Sie?

Mann: Äah … Ich bin von der Hausverwaltung und muss mich für alles interessieren. Was machen Sie?

Michael: Bitte, interessieren Sie sich. Ich montiere ein Brett, wie Sie sehen. Im Übrigen wohne ich hier.

Mann: (dümmlich) Aha.

Er dreht sich um und verschwindet wieder. Der Arbeiter blickt M. fragend an, deutet hinter sich und tippt sich an den Kopf. M. nickt bestätigend, beendet das Montieren der Regalwinkel und legt das Brett drauf.

Arbeiter: Kollega, fertig?

Michael: Ja, danke.

Die beiden gehen in die jeweiligen Wohnungen zurück. In Michaels Bude dröhnt nach wie vor der Vorschlaghammer, der in der angrenzenden Wohnung eingesetzt wird. Der junge Mann steht ratlos herum, als es klopft.

Michael: (öffnet die Tür) Was gibt’s?

2. Arbeiter: Wir stemmen jetzt für den Kloabfluss vom oberen Stockwerk.

Michael: Und?

2. Arbeiter: Nur, dass Sie's wissen. Schreien Sie, wenn Sie herauskommen.

Michael: (misstrauisch) Wo stemmen Sie denn?

2. Arbeiter: Hier entlang. (Deutet von oben nach unten entlang des Türstocks.) Ich hoff' nur, dass wir nicht zu Ihnen durchbrechen.

Michael: Ich hör wohl nicht richtig – machen Sie das gefälligst so, dass nichts passiert! (schließt die Tür und geht zum Telefon, wählt.) Hausverwaltung? Grüß Gott, Sabenter. Ich rufe an wegen dem Haus Altklostergasse 101. Es besteht die Gefahr, dass in meine Wohnung eingebrochen wird.

Frau: (am Telefon) Für Sicherheitsfragen ist die Polizei zuständig.

Michael: Ich meine die Arbeiter, die vor meiner Wohnungstüre stemmen. Sorgen Sie dafür, dass die Arbeiten ordentlich gemacht werden – nicht so, dass ich ein Loch in der Wand habe.

Frau: Was reden Sie? Machen Sie keine dummen Witze!

Michael: (ein besonders lautes Krachen ertönt, unmittelbar von einem dumpfen Geräusch gefolgt. Er sieht zur Eingangstüre, neben der ein Loch in der Wand klafft. Trümmer von Ziegelsteinen liegen in der Küche. Schreit in den Apparat.) WITZE? ICH SOLL KEINE WITZE MACHEN? Es ist schon passiert – sie sind herinnen. Tun Sie etwas! Sofort!

Frau: Holen Sie den Arbeiter an den Apparat.

Michael: Okay. (legt den Hörer neben das Telefon, geht zur Tür und öffnet sie. Kein Mensch ist zu sehen.) Scheiße! (zurück zum Telefonat) Hallo? Die sind alle verschwunden.

Frau: Beruhigen Sie sich – wir regeln das. Unverzüglich, ich verspreche es Ihnen. Sie hören von uns. Auf Wiedersehen.

Michael: Ääh … wiedersehen. (Legt auf, verlässt die Wohnung. Der Arbeiter kommt die Treppe herab und versucht, als er Michael erblickt, rasch zu flüchten.)

Michael: Halt, stopp! Richtet mir meine Wohnung wieder her, auf der Stelle!

Arbeiter: Du Polizei rufen?

Michael: Nein, die Hausverwaltung.

Arbeiter: Warum dann kein Kollega mehr da?

Michael: (grinsend) Das schlechte Gewissen, vermutlich.

Plötzlich heben sich überall staubige Planen, unter denen Arbeiter hervorkriechen. Türen öffnen sich und geben Blaumänner frei, einer lässt sich von der Decke, wo er sich an einem Balken festgeklammert hatte, herab. Im Nu ist Michael von Männern umringt, die erleichtert durcheinanderreden. Bierflaschen werden geöffnet, Zigaretten entzündet, einige beginnen zu singen, andere zu beten. Eine Art orientalisches Spontanfest ist voll im Gang, als zwei Polizisten auftauchen.

1. Polizist: Wer gibt diese Party?

Mehrere Arbeiter zeigen, nach einer kurzen Schrecksekunde, auf Michael, der ziemlich betrunken auf einem Sandsack halb sitzt, halb liegt und sich mit einer Hand an einem Draht festklammert.

1. Polizist: (an Michael gewandt) Es ist eine Anzeige wegen Ruhestörung ergangen. Ihren Ausweis, bitte.

Michael: (mit umflortem Blick, den Kopf langsam hebend. Sein Zungenschlag ist merklich beeinträchtigt.) Ruhestörung? Wer? Warum? Die Vorschlaghämmer? Die Kreissägen? Alles ruhig, so schön ruhig. Trinken's a Bier mit mir, Herr Inspektor – auf die Stille. (Hält dem Polizisten eine volle Bierflasche entgegen, die dieser ignoriert.)

2. Polizist: Spinnt der? Oder wü a uns vaoaschen?

1. Polizist: Vielleicht beides. Nemman mit.

Die beiden packen Michael links und rechts unter und richten ihn auf. Er wehrt sich überhaupt nicht, sondern wiederholt selig lächelnd „auf die Stille, auf die Stille“. Die drei verschwinden aus dem Bild. Die Arbeiter blicken ein wenig schuldbewusst drein und machen sich dann daran, das Loch in der Mauer zu Michaels Wohnung zu schließen.

© 1990

Der Selbstmörder

Werner, etwa 25 Jahre alt, steht in einer Telefonzelle der U-Bahn-Passage Schottentor. Sein Gesichtsausdruck zeigt Verbitterung und Resignation, als er zu telefonieren beginnt. Er wählt die Nummer von Veronika, die ihn kurz zuvor verlassen hat.

Veronika: Hallo?

Werner: Servus, Veronika. Ich bin's, Werner. Ich wollte …

Veronika: (ihn barsch unterbrechend) Du wolltest mich noch einmal beknien, zu dir zurückzukommen. Vergiss es! Ich habe dir gesagt, es ist aus, und dabei bleibt es.

Werner: Veronika, bitte. Hör mir doch wenigstens zu. Ich schaffe es nicht ohne dich. Ich fühle mich so einsam … ich brauche dich.

Veronika: Such dir eine andere Klagemauer, das Spiel habe ich bis zum Überdruss genossen. Ciao, ich leg' jetzt auf.

Werner: Veronika, nein, warte. Wenn du mich verlässt, bring ich mich um. Ich werf' mich vor die U-Bahn.

Veronika: Ich habe dich verlassen … im Übrigen: Den Mumm hast du sowieso nicht. (legt auf)

Werner: Veronika, bitte, Veronika … (hört schluchzend noch ein paar Sekunden dem Tuten im Hörer zu, legt dann auf. Einige Münzen fallen in das Ausgabefach zurück, aber er registriert es nicht. In völlig geknickter Körperhaltung schlurft er aus der Telefonzelle.)

Ein Sandler(26), der die Szene verfolgt hat, eilt zum Telefon, entnimmt ihm die Geldstücke, verliert dabei aber so gut wie nie den Blickkontakt zum Rücken Werners, der Richtung U-Bahn wankt. Nachdem die Münzen in einer Tasche der abgerissenen Kleidung des Sandlers verschwunden sind, geht er dem Verstörten hinterher.

Werner: (zu sich selbst murmelnd) Was soll das alles noch? Sinnlos, total sinnlos. Die wird schon sehen, dass ich genug Mut habe. Wenn's mi von der Garnitur kratzen, wird ihr das sehr, sehr leid tun. Aber dann kann sie mi nimmer anrufen und um Verzeihung bitten, dann is' sie allein mit dem Problem.

Er nähert sich den Entwertern und entnimmt aus reiner Gewohnheit seiner Brieftasche einen Fahrschein. Bevor er ihn in den Schlitz schiebt, hält er aber inne, betrachtet ihn eine Weile und legt ihn dann auf das Kästchen obenauf. In diesem Augenblick kommt ein Kontrollor in Uniform die Treppe heraufgerollt. Er sieht, wie Werner den Fahrschein auf den Entwerter legt. Im Hintergrund der folgenden Szene sieht man den Sandler, der hocherfreut auch den Fahrschein einsteckt.

Kontrollor: (mit sich selbst sprechend) Was macht denn der da? Na, jedenfalls a leichte Beute. (geht energisch und zielsicher auf Werner zu und spricht ihn mit Triumph in der Stimme an) Guten Tag, Ihren Fahrausweis, bitte.

Werner: (zuckt zusammen) Was? A Schwarzkappler! Des halt i ned aus. (geht weiter)

Kontrollor: (umläuft Werner und stellt sich ihm erneut in den Weg) Bleiben Sie stehen! Zeigen Sie mir Ihren Fahrschein!

Werner: (sieht dem Kontrollor lang, tief und sehr ernst in die Augen und spricht dann mit Grabesstimme) Tote brauchen keinen Fahrschein. (lässt den verwirrten Mann stehen und geht weiter auf die Rolltreppe zu)

Kontrollor: (nach einer ausgiebigen Schrecksekunde) Sie san aber no sehr lebendig für an Toten. Der Schmäh is guat, aber ned guat gnua fia mi. Wenn Sie sich nicht sofort ausweisen, rufe ich die Polizei. (Da Werner unbeeindruckt weiterschlurft, greift der Schwarzkappler zu seinem Funkgerät) Zentrale? Rasch, an Streifenwagen zur U2 Schottentor. I versuch, den Schwarzfahrer so lange aufzuhalten. Ende. (Hastig schaltet er ab, lässt das Gerät wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückrutschen und stürzt hinter Werner her, der nur noch zwei Schritte von der Rolltreppe entfernt ist.)

Der Mann in Schwarz umläuft Werner und verbarrikadiert mit seinem Körper die einzige nach unten führende Rolltreppe. Werner, momentan irritiert, hält inne und versucht dann, den Mann aus dem Weg zu schieben. Es entwickelt sich ein Handgemenge. Die beiden nähern sich bedrohlich der Brüstung der über einen Teil des Bahnsteigs gebauten Galerie, gut sechs Meter geht es von dort hinunter. Der Sandler, der dem Geschehen aus nächster Nähe beiwohnt, spricht aufgeregt, nachdem er seine kurz zuvor erworbenen Schätze wieder hervorgekramt und begutachtet hat, den nächstbesten Passanten an. Dieser ist leidlich fein gekleidet.

Sandler: Sechs Schüling und an Anzelfoarschein auf'n Schwarzkappler.

Passant: (der den Ereignissen ebenfalls seine hingebungsvolle Aufmerksamkeit schenkt) Einverstanden. (Sie schlagen ein. Beide wischen ihre Hände an den Hosenbeinen ab und starren weiter auf die Rauferei.)

In diesem Augenblick gelingt Werner ein schwerer linker Haken, der den Kontrollor über die Brüstung befördert. Dumpfer Aufprall, aufgeregte Schreie. Werner beugt sich über das Geländer; aus dieser Perspektive sieht man den Uniformierten in einer Blutlache regungslos liegen. Ein Schwenk bringt zwei Polizisten ins Bild, die, von den Schreien angetrieben, die letzten Meter im Laufschritt bewältigen. Einige Passanten zeigen auf Werner, der immer noch fassungs- und regungslos über die Brüstung gebeugt dasteht. Rufe wie „Der war's!“, „Mörder!“, Schnappt's ihn euch!“ machen den beiden Polizisten die Entscheidungsfindung sehr einfach. Von links und rechts ergreifen sie gleichzeitig den verhinderten Selbstmörder, ein prüfender Blick nach unten überzeugt sie von der Richtigkeit ihres Tuns. Werner, schon wieder von einer neuen Situation überfordert, will sich heftig losreißen, woraufhin beide Polizisten in einem synchronen Bewegungsablauf die Gummiknüppel ergreifen, Schwung holen und punktgenau, einer von links, einer von rechts, einen Schlag auf Werners Kopf landen. Ohne einen weiteren Laut bricht Werner zusammen. Jetzt kommen wieder die beiden Wetter ins Bild.

Sandler: A Unentschieden; baade san k.o.

Passant: Der Kontrollor ist wohl eher tot. Außerdem war der Zweikampf eindeutig entscheiden; das Eingreifen der Polizei hatte mit unserer Wette nichts zu tun. Sie schulden mir sechs Schilling und einen Einzelfahrschein. (Hält die Hand auf)

Sandler: (gibt ihm widerstrebend das Gewünschte) Heast, Oida, host a poar Schüling?(27)

Passant: (im Wegdrehen) Ja. (entfernt sich mit raschen Schritten)

****************

Ein Gerichtssaal. Geschworene, volle Ränge.

Richter: (mit Blick auf die Geschworenenbank) Sind Sie zu einem einstimmigen Urteil gekommen?

Sprecher der Geschworenen: Das sind wir, euer Ehren. Wir befinden den Angeklagten für schuldig.

Richter: Angeklagter, erheben Sie sich. (Werner, sehr bleich im Gesicht, befolgt die Aufforderung) Das Hohe Gericht verurteilt den Angeklagten zu lebenslänglicher Haft. Nehmen Sie das Urteil an?

Werner: Nein, ich will die Todesstrafe.

Richter: Hamma ned. Lebenslänglich also. (Der Richterhammer knallt aufs Pult.) Die Sitzung ist geschlossen.

© 1992


Satirisches

Von 2003 bis 2014 habe ich für das Magazin „Wege“ die Kolumne „verWEGEn“ verfasst. Sechs meiner verWEGEnen Lieblingstexte bilden das Rückgrat des satirischen Teils. Ganz am Anfang steht aber „Das Wahrheiten des No-bert Hxfer“, entstanden angesichts der bedrohlichen Aussicht auf einen extrem rechtspopulistischen Bundespräsidenten kurz vor der Bundespräsidentenstichwahlwiederholung 2016. Der Kelch ist an uns vorübergegangen ... fürs Erste.


Das Wahrheiten des No-bert H.

No-bert H×fer war am Ziel: Obwohl er von den bekannt radikalen Linkskatholiken in die Arme einer kleinen religiösen Protestgruppe getrieben worden war, obwohl sich mit Ausnahme einer Orangenpartei (einmal pressen und der gesamte Saft ist draußen) und natürlich seinen eigenen Einbläulingen praktisch die gesam­te medial präsente Öffentlichkeit ge­gen ihn ausgesprochen hatte, hatte sich eine Mehrheit für ihn gefunden. No-bert war Bundesprassident.

Sofort versammelte er seine Getreuen um sich und bläute ihnen ein, dass die Zeit der Zurückhaltung nun­mehr über­standen sei. Gekommen sei die Zeit des Wunderns über das, was möglich ist. „Immer lächeln“ wurde zum Staatsmotto erhoben, die Korn- zur Nationalblume erklärt und die internationalen Beziehungen auf ein vernünftiges Maß einge­schränkt: auf alle, die den Satz „der vom Thron des Familienoberhaupts ge­stoßene Mann sehnt sich unverändert nach einer Partnerin, deren Brutpflegetrieb auferlegte Selbstverwirkli­chungsambitionen überragt“ verstehen und inhaltlich gutheißen.

BÖS, der Bairisch-Österreichische Staatenbund, brachte endlich zusammen, was zusammengehört. Südtirol erhielt eine ständige Vertretung, Vorarlberg wurde vor die Wahl gestellt: Annahme des Bösterreichischen als Amtssprache oder Abschiebung in die Schweiz.

Im sofort in Angriff genommenen neuen amtlichen Regelwerk des Bösterreichischen wurden etliche linguisti­sche Fehler der Vergangenheit behoben. „lügen“ wurde etwa mit den Vermerken „veraltet, nur noch in der Zusammensetzung ,Lü­genpresse‘“ versehen sowie dem Verweis auf den neuen korrekten Begriff „wahrhei­ten“ („Bei der Vorwahl-Behaup­tung, nicht für den Östritt zu sein, wahrheitete No-bert H×fer im Sinne seines Gemeinwesens.“). Fremdländisches wurde ausgemerzt (siehe Östritt statt Öxit, Gemeinhüter statt Polizei, Taktonung statt Musik) oder zumindest rechtsschreibend angepasst (Händi, kuhl, Proweida).

Siegestrunkene Massen zogen über die Ringstraße freiheitlicher Studenten, die neuen rot-weiß-roten Fah­nen mit ein­gefügter Kornblume schwenkend und im Takt der neuen Ordnung skandierend: „Ein Volk, ein BÖS, ein H×fer“.

Abweichler bekamen den ungezügelten Zorn der Einbläulinge zu spüren: Der Begriff „Gründüngung“ eta­blierte sich für eine besonders ekelhafte Form der Bestrafung durch den aufgebrachten Pöbel, bei der Kli­mawandel-Gläubige oder sonstwie des politischen (bzw. Bösterreichisch gemeinverwahrenden) Grün-Seins Verdächtige als Aborte missbraucht wurden. Eine besonders tatkräftige Gemeinheit (Bösterreichisch für eine gemeinverwahrende Ordnungsgruppe) am rechten Gesinnungsrand der Einbläulinge ging Gerüchten zufolge sogar so weit, die grüngedüngten Opfer nach Mög­lichkeit an Ort und Stelle zu verscharren, um ihre frucht­bringende Wirkung zur Gänze zu nutzen.

Dieselbe Gemeinheit stand auch im dringenden Verdacht, für das wiederholte Vorkommnis des „Aderlasses“ verant­wortlich zu sein; damit wurde die häufig tödliche Praxis bezeichnet, „das Rot aus den Roten abzulas­sen“. Als Rote gal­ten alle links von den Einbläulingen, bei denen das Grün nicht überwog; in Zweifelsfällen wurden einfach beide Bestra­fungsmaßnahmen angewendet.

Das offizielle Bösterreich hatte mit derlei Übergriffen selbstver­ständlich nichts zu tun. Obwohl Prassident H×fer sich sofort nach seinem Wahltriumph mittels einiger Änderungen der Verfas­sung mit nahezu uneingeschränkten Machtbefugnissen ausgestattet, seine Amts- auf Lebenszeit verlängert und sich symbolträchtig zur Ein-Prozent-Gesellschaft bekannt hatte, indem er 1 Prozent des BNP als sein Jahressalär als Prassident festlegte – mit einer festgesetzten Untergrenze von 3 Milliarden Euro –, obwohl er es also wirklich nicht mehr nötig hatte, anderen etwas vorzuspielen, distanzierte er sich in einer prassidialen Stellungnahme von den barbarischen Praktiken mit den Worten: „Gerechter Zorn gegen unser Gemeinwesen gefährdendes Abweichlertum ist das eine, doch Gründüngungen und Ader­lässe schädigen unter Umständen, insofern es sich um einheimische Bösterreicher handelt, den gesunden Volkskörper in einer dem großen Ziel der Reinigung un­seres Gemeinwesens abträglichen Weise. Entspre­chenden Gerüchten, dass tatsächlich echtgebürtige, wenn auch ge­sinnungsmäßig abweichende Bösterrei­cher letztgültig zu Schaden kommen, ist auf das Genaueste nachzugehen. Soll­ten die angeblichen Ausüben­den dieser Gewalttaten, für die selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt, tatsächlich die Verantwor­tung übernehmen, werden unverzüglich Umschulungsmaßnahmen in die Wege geleitet werden, mit de­nen die fragliche Gemeinheit wieder zum starken Stamm unseres geliebten Gemeinwesens zurückgebracht wird. So­lange es fremdländische, leicht verzichtbare bzw. unerwünschte Abweichler gibt, gibt es keinen Grund, den Nährboden unserer Volksgemeinschaft zu schwächen. Denn auch wenn der Pfad für Abweichler für im­mer verloren sein mag, be­steht doch immer Hoffnung für ihre Abkömmlinge, durch rechtes Streben, einge­bettet im sicheren Schoß gesinnungs­fester Kreise, zum wahren Bösterreichertum zurückzufinden. Dies sa­gen wir im unerschütterlichen Glauben an die Kraft des reinen Blutes unseres gesunden Volkskörpers. H×fer heilt!“

„H×fer heilt!“, verkündete denn auch die Echopresse und lobte einmal mehr die staatstragende Souveränität ihres Prassidenten. Die dieser auch parteiintern bereits unter Beweis gestellt hatte, indem er innerer Zerris­senheit der Ein­bläulinge von Anfang an einen Riegel vorschob: Er schuf einen neuen Wallfahrtsort, St. Ra­che, und würdigte damit die Bedeutung des zweiten Mannes im Staat, Bundesabkanzler Hetz-Christian Ra­che. Der war zwar durch den prassidialen Machtzuwachs zu einer gemeinverwahrenden Symbolfigur, vulgo Prassionette, geworden, durfte sich dafür aber als graue Eminenz hinter dem Aufstieg des No-bert H×fer im nach ihm benannten Wallfahrtsort jederzeit in den Huldigungen der Pilgerscharen sonnen.

Die kat-hohle Kirche hatte sich schon Jahrzehnte zuvor, in der wirklich guten alten Zeit, nicht erkennbar ge­gen die Ver­einnahmung durch die damaligen Machthaber zur Wehr gesetzt. Mittlerweile war ihr allgemeiner Einfluss geschrumpft; der offene Bruch des Prassidenten mit der zahlenmäßig noch immer größten religi­ösen Gruppe Bösterreichs machte aus dem leckenden Schiff eine Titanic, aus dem Mitgliederschwund einen Sturzbach der Ent-kat-hohlisierung. Kurz ge­sagt: Die einst so mächtige Kirche war in keiner Position, den Einbläulingen ernsthaft etwas entgegensetzen zu kön­nen, selbst wenn sie das gewollt hätte. So wurde Ra­che in nie dagewesenem Eiltempo heiliggesprochen – noch dazu zu Lebzeiten.

Trotz dieses ungeheuerlichen Bruchs mit den Traditionen erfuhr der Rache-Kult einen Aufschwung sonder­gleichen. „Auf Rache schwören“ gehörte bald zum festen Stammtischvokabular in den Gauen Bösterreichs, und parallel zum Staatsgruß „H×fer heilt!“ wurde auch „Rache heilt!“ zum geflügelten Wort. „Unser Bundesno-bert“, wie der Prassident gerne liebevoll genannt wurde, musste sich deshalb aber keine Sorgen machen, sein Bundesabkanzler würde ihm wo­möglich wieder den Rang ablaufen. Der gewiefte Taktierer und Stratege wurde von den Entwicklungen keinesfalls überrascht: Alles verlief entsprechend seinem Plan.

Rache selbst war aus dem Machtspiel genommen, genoss zugleich aber buchstäblich die Verehrung eines Heiligen, was seinem Ego, ganz wie H×fer es vorausgesehen hatte, noch mehr schmeichelte, ja gewaltig zu Kopf stieg – sein Heiligenbildnis zeigt ihn mit blitzsprühenden Augen, nacktem, muskulösem Oberkörper und schmerzhaft weißen Zäh­nen; die Hände ruhen auf den Schädeln von einem Mann und einer Frau, die links und rechts von ihm demütig seine Einbläuungen entgegennehmen, sein mächtiges Haupthaar wird von einem Kokablattkranz gekrönt. Auch wegen derlei Götzenhaftigkeit rieb die kat-hohle Kirche sich weiter auf – Traditionalisten konnten ihr Entsetzen über die Heiligspre­chung eines lebenden Menschen nicht überwin­den, schrieben die Kirchensatzungen doch eindeutig vor, dass Heilige verehrt werden müssen. Was nun dar­auf hinauslief, dass neben der Dreifaltigkeit eine Art lebender Halbgott entstand, dessen direkter Draht zu Gott kirchenseits hochoffiziell bestätigt worden war; theologisch gesehen eine Kontinentalver­schiebung, mit der insbesondere die bisherige Kirchenelite weder mitwollte noch mitkonnte. Eine weitere Spaltung der ganz und gar nicht mehr „universalen“ Religionsgemeinheit schien bald nur noch eine Frage der Zeit. Viele jener Anhän­ger, denen derlei kirchenphilosophische Gedankengänge am Allerwertesten vorbeigingen, strömten derweil dem Ra­che-Kult zu und verwandelten in genauer Befolgung der kat-hohlen Heiligenverehrungsvor­schriften ihre Kirche in eine guruhörige Sekte zurück. Die große Masse tat, was sie schon die Jahrzehnte zu­vor getan hatte, wenn auch nunmehr lawinenartig: Sie trat aus.

Aus H×fers Sicht ein Erfolg auf allen Linien: Rache „zu Tode befördert“, wie er es gerne für sich allein aus­drückte, die Kat-hohlen auf den kürzesten Weg zu ihrer eigenen Vernichtung gebracht und dabei selbst als Teil der Religions-Pro­testgruppe frei von jeder Verantwortung. Die Einbläulingen-Partei war zu einem Kult geworden, H×fer zu dessen Hohe­priester. Endlich konnten die bisher von den politischen, rassischen, ideo­logischen, völkischen, fremdsprachlichen, aus­ländischen, inländischen, intellektuellen, religiösen und sonsti­gen Feinden als Behauptungen, Propaganda oder gar glatte Lügen verunglimpften eingebläuten Wahrheiten im unverfälschten Glanz unbedingter Wahrhaftigkeit erstrahlen. Egal was Rache von sich gab, ob er der De­mokratie an sich die Daseinsberechtigung absprach, nach einem starken Führer schrie, die Schuld an allen Missständen je nach Stimmungslage den Asylanten, Islamisten, Flüchtlingen, Musli­men, Burka-Trägerinnen, Linkslinken, Migranten, Sozialschmarotzern oder Vaterlandsverrätern zuschob, den baldigen Bürgerkrieg her­aufbeschwor, den Untergang des Abendlandes prophezeite – alles wurde von den Eingebläuten aufge­sogen, als gelte es die Milch des Herrn zu trinken. Noch wichtiger: Es wurde nicht hinterfragt, nach Fakten geprüft oder zur Diskussion gestellt, es wurde geglaubt. H×fer stellte hinter den Kulissen sicher, dass Rache sich dabei – Ehre! Treue! – an seinen Plan hielt und nichts verkündete, das diesem zuwiderlief, also seine, H×fers, Stellung untergrub. Das funktionierte weitestgehend reibungslos, da der Bundesabkanzler seine symbolische Position in vollen Zügen ge­noss: Sie entband ihn der Mühen des gemeinverwahrenden Tagesgeschäfts und verhalf ihm zu gottähnlicher Vereh­rung. Welches Interesse sollte er daran haben, zu den Grabenkämpfen der Gewöhnlichen zurückzukehren? Und in den seltenen Fällen, in denen doch einmal der alte Hetz-Christian zum Vorschein kam, andere niedermachend zur eigenen Erhebung anstatt zum Wohle der großen Gemeinheit der Einbläulinge, mit Sätzen um sich schlagend im unablässigen Kampf um die Spitze, setzte H×fer sein huldvollstes Lächeln auf und erklärte den andächtig Lauschenden, wie im ers­ten Moment befremdlich Wirkendes tatsächlich zu verstehen waren. Als Hohepriester der großen Gemeinheit hatte er die Deutungshoheit, sein Wort war nicht bloß Gesetz; es aufzunehmen, anzunehmen, zu verinnerlichen war gelebter Glaube.

Ja, No-bert H×fer war am Ziel. Und lächelte.

© 2016