Kitabı oku: «Der Bürg mit dem Hundehalsband», sayfa 3

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Schöne neue Gesundheitswelt

„Guten Morgen, Bürg(21) Santler! Sie sind heute um 7:32 aufgestanden (übernorm). Ihre momentanen Werte: Blutdruck 135 zu 80 (norm), BMI 29 (übernorm), Puls vor Beginn des Normtrainings 60, Höchstwert 160, Regenerationswert 98 (norm). Blutzucker unauffällig. Empfohlene Frühstücks-Kalorienmenge: 120.“

Ich gab die Zahl in die Kücheneinheits-Konsole ein, die wenig später eine Tasse Tee (lactosefreie Leichtmilch, Zuckerersatz), zwei Scheiben Normknäck und einen exakt bemessenen Strang ProMorning® produzierte. Die kackbraune Masse, ein ernährungswissenschaftlich optimierter Cocktail aus Eiweiß, Mineralstoffen, Spurenelementen, Vitaminen und ein paar Füllstoffen – „Alles, was Bürg braucht. Garantiert normiert.“ – erinnerte mich an eine schleimige Nacktschnecke, wie sie da aus dem Extruder quoll. Manche behaupteten, das Protein darin stamme tatsächlich von Nacktschnecken. Auch ohne diese Information konnte ich das Zeug kein bisschen leiden. Ich trank den Tee, klatschte das ProMorning® aufs Normknäck und spülte beides anschließend im Klo hinunter. Die Menge wurde natürlich registriert, aber die chemische Analyse schafften nur die moderneren Toiletteneinheiten in den Horm®-Häusern der Innenstadt. Außerdem unterschied sich das Normfrühstück analytisch ohnehin nicht von Scheiße … ja, okay, es unterschied sich meiner Meinung nach nicht von Scheiße.

Am Abend davor war ich nach der vorgeschriebenen Trainingseinheit nicht gleich nach Hause gegangen. („Gesund aus eigenem Antrieb“ war am Programm gestanden; man erzeugt mit eigener Pedalkraft den Strom zum Betrieb eines MultiVisors® für die Dauer von 45 Minuten. So lange dauerte eine Ausgabe des wichtigsten Health-Magazins „Fit in“, das jed Bürg nachweislich mindestens einmal pro Woche gesehen haben musste.) Nachdem ich mein Gesundheitsziel des Monats eingespeist hatte (Senkung des BMI um 0,4 Punkte) und unter den abschätzigen Blicken der topgestylten 3-Dees mit ihren normvollendeten Körpern (ich hatte mich natürlich mit der kraftsparenden 2-D-Version der Sendung begnügt) im Duschraum verschwunden war, ging mir wieder einmal die Galle über. Ich entwickelte den unwiderstehlichen Drang auf ungefilterten Genuss, verschwand in der Unterstadt und bestellte mir, kaum dass ich in die aromatischen Dünste des Hedon eingetaucht war, eine Portion Curryhuhn und Reis. Wie viele Gesetze ich damit gleichzeitig brach (Essen nach 17.00 Uhr, Fleisch ohne nachweisbare Mangelerscheinung, mindestens ein Dutzend nicht zugelassener Gewürze, frei gewachsenes Gemüse [und damit nicht von VegFood® genmanipuliert, patentiert und kontrolliert], ...) war mir unbekannt und herzlich egal. Mindestens zwei Minuten lang saß ich in stiller Andacht vor dem Curry und berauschte mich an den aufsteigenden Düften. Dann schob ich eine Gabel Reis in mich hinein und kaute darauf herum, bis der Brei in meinem Mund süßlich geworden war. Den Trick hatte mir eine Chinesin beigebracht: Es bereitete die Geschmacksknospen ideal für die nun folgende Aromaexplosion vor.

Schließlich konnte ich mich nicht länger zurückhalten und spießte eines der Hühnerstücke in der dunkelgelben, cremigen Soße auf. Oh Es im Himmel! Dieser Biss! Diese Konsistenz! Dieses Feeling! Und über allem: diese Soße! Im Hedon machten sie sie mit Butterschmalz, Kokosmilch und etwas Erdnusspaste, allesamt seit den Cholesterin-Aufständen streng verbotene Substanzen. (Nicht ganz korrekt: VegFood®-Kokosmilch wurde kontingentiert abgegeben, aber irgendwie schafften es die Fuzzis des Multi, auch ihrer Kokosmilch jeglichen Charakter auszutreiben.)

Eine Stunde lang schwebte ich auf Wolke sieben. Sollte ich noch eins draufsetzen? Ein Stückchen von der legendären Baklava des Hedon, die sie stolz als „100 % illegal“ anpriesen? Ein Blick in die Brieftasche nahm mir die Entscheidung ab: konnte ich mir nicht leisten. Von einer Zigarette als Abschluss eines Mahls träumte ich schon gar nicht mehr. Selbst hier, im schönsten und größten Tempel der Indie-Bewegung, gönnte sich so gut wie niemand mehr dieses Vergnügen. Nach dem Erlass des globalen, allumfassenden, jederzeitigen und permanenten Rauchverbots, mit dem die Gesundheitsfaschistoas(22) sich endgültig als führende Weltmacht etablierten, war der totale Krieg gegen die unerwünschten Drogen ausgerufen worden. Ein Gramm Tabak kostete mittlerweile mehr als ein fürstliches Abendessen, wie ich es gerade zu mir genommen hatte. Seufzend wandte ich den Blick wieder von der exklusiven Raucher-Lounge direkt unter der Decke des Hedon ab, wo sich ein Paar einen der Glimmstängel teilte, und versuchte stattdessen mit einigem Erfolg, den Currygeschmack noch einmal wachzurufen.

Zu den Vorzügen des Hedon gehörte auch, dass es hier noch wildes Wasser zu trinken gab. Sogar kostenlos, wenn man etwas konsumierte. Ich füllte mir beim Hinausgehen eine Flasche davon ab, denn aus den Leitungen der Haushalte floss ausschließlich ©Wate® – garantiert normiert. In diesem Fall bedeutete das geklärt, gereinigt, keimfrei gemacht, destilliert, mit Spurenelementen angereichert, chloriert, jodiert und fluoriert. Wir tranken immer dasselbe Wasser, unendlich oft wiederaufbereitet. Den Aufwand ließ man sich teuer bezahlen. Zuerst hatte man die Wasserrechte privatisiert, aber weil den Betreibern die Gewinnmargen immer noch viel zu gering waren, ersann man eine – selbstverständlich patentrechtlich geschützte – Methode der Wasseraufbereitung. An sich ging es nur ums Geld, aber politisch wurde die Sache mit dem aufkommenden Slogan „garantiert normiert“ an Mensch gebracht. Oder vielmehr an die Gesundheitsfaschistoas, die sich begeistert auf die „Beseitigung des letzten Risikofaktors“ stürzten. Es dauerte schon ein paar Jahre, aber schlussendlich hatte man eine Mehrheit da, wo man sie haben wollte: in Angst vor dem Wasserhahn. Das „wilde Wasser“ geriet zunehmend in Verruf, Monat für Monat wurde es für ein neues Gesundheitsproblem „nachweislich“ verantwortlich gemacht. Mundschutz beim Duschen wurde obligat, ©Wate® kam, erst noch in Flaschen, auf den Markt. Dann wurde die gesamte Wasserversorgung auf das neue Produkt umgestellt und das große Abcashen konnte beginnen. Es war der Traum jed Drogendealings: Alle waren zum ausschließlichen Konsum seinihres Produktes gezwungen – per Verordnung. Natürlich waren die Capoas der Gesundheitsfaschistoas im Geheimen an den ©Wate®-Gewinnen beteiligt, die mit der Einführung der Stimmungs-Wässer in verschiedenfarbigen Flaschen noch einmal explodierten, aber was nützte einem dieses Wissen schon? Die Entwicklung hatte gegen Ende des 20. Jahrhunderts angefangen: Zug um Zug war alles reguliert worden. Für mehr Sicherheit und Gesundheit nahm die von den Marionetten-Medien in Angst gehaltene Bevölkerung in Kauf, dass ihre individuellen Entscheidungsspielräume immer kleiner wurden. Das eigentliche Ziel, die totale Kontrolle aller Lebensbereiche im Interesse der Wirtschaft, wurde erst offenbar, als längst eine Mehrheit die tausenden Gesundheits- und Verhaltensvorschriften unhinterfragt verinnerlicht hatte.

„Bürg Santler!“, meldete sich da meine Kom-Einheit. „Es ist 8.30 Uhr. Zeit für Tätigkeit. Außerordentlicher Tagesordnungspunkt: Erklärung für das gestrige Eintreffen nach der Norm-Heimkehrzeit 22.00 Uhr.“

Ich setzte meinen Helm auf, legte die Prallschutzkleidung an und schnallte die Reflektoren um; das Radfahren zur Arbeit gehörte zu den wenigen Vorschriften, die ich gerne befolgte, auch wenn ich auf das Sicherheits-Brimborium gut hätte verzichten können. Auf dem Weg würde mir schon eine Ausrede einfallen, auch wenn ich alle Credits für nächtliche Aktivitäten in diesem Monat schon verbraucht hatte. Für alle Fälle nahm ich mein wildes Wasser mit, das ich in eine der blauen ©Wate®-Activity-Flaschen umgefüllt hatte. Zum Bestechen des IT-Typen, der an den Personalprotokollen saß, war das weit besser als Geld.

(21) Die radikal geschlechtsneutrale Anrede verdankten wir dem Höhepunkt der Political-Correctness-Ära in den 20er-Jahren. Immerhin musste sich seither niemand mehr mit dem nervigen Binnen-I herumärgern.

(22) Über die Frage, ob zuerst das männliche „O“ oder das weibliche „A“ in den geschlechtsneutralen Endungen zu stehen habe, wurde per Volksabstimmung entschieden.

Erschienen in der Zeitschrift „Wege“, Frühjahr 2012

Das größte Abenteuer überhaupt

Kürzlich wurde in Spanien der Nudismus gesetzlich erlaubt. Was ein Mann in Pamplona zum Anlass nahm, um sein Recht zu kämpfen, nackt durch die Stadt laufen zu dürfen. Er meinte, er sei zuhause unbekleidet und nütze die textilfreien Stunden im Freibad der Stadt, deshalb sehe er nicht ein, wozu er sich für die paar hundert Meter zwischen seinem Domizil und dem örtlichen Pool etwas überziehen müsse. Das Gericht stimmte ihm zu, weshalb der Mittvierziger seit einiger Zeit zweimal wöchentlich durch Pamplona schwingt, ausgerüstet mit dem von Reinhard Fendrich bekannt gemachten Dreiteiler (zwei Schlapfen und eine Sonnenbrille) und dem Gerichtsbescheid.

Das nackte Überleben ...

… ist in unserer Überflussgesellschaft zum Spiel geworden. Sich das Recht zu erstreiten, sich völlig hüllenlos den Elementen (und der eher konservativen Bevölkerung Pamplonas) präsentieren zu dürfen, ist zwar witzig, aber auch nur aus der Sicht einer Gesellschaft, der es an rein gar nichts wirklich mangelt. Was aber ist mit jenen, die ihr anscheinend doch nicht so kostbares Leben absichtlich in größte Gefahr bringen? Menschen erklimmen Felswände, die noch nie jemand bezwungen hat, und falls doch auf einer noch schwierigeren, gefährlicheren Route. Ist das auch erledigt, lässt man Seile und Haken weg. Oder man wartet auf den Winter oder ersteigt gleich zugefrorene Wasserfälle. Trotz allem gehen den Extrembergsteigern schön langsam die Optionen aus. Hier einige Vorschläge für die Ärmsten, denen nichts mehr einfällt, wie sie irgendetwas als Allererste machen könnten: Erstbesteigung des Großglockner in Flip-Flops oder, noch besser, High-Heels; Nacktmarathon, -triathlon oder -ultramehrkampf; rückwärts den Berg raufgehen oder auf allen Vieren die Sahara durchkriechen.

Willkommen – Bienvenue – Welcome – im Kabarett

Das Überleben – eine Frage der sensationellsten Inszenierung. Ich gestehe, dass ich auch zu jenen gehöre, die angesichts von Saltos mit Motorrad, Sprüngen über 23 Autobusse oder Mountainbike-Abfahrten mit 162 Stundenkilometern erst einmal interessiert hinsehen und sich der staunenden Bewunderung nicht entziehen können. Panem et circenses, Brot und Spiele, hat schon in der römischen Antike bestens funktioniert, nur war man damals ehrlicher als heute: Die Gladiatoren wurden zum möglichst publikumswirksamen Sterben ausgebildet, ohne Wenn und Aber. Wenn sich heute ein Skifahrer ins Koma stürzt oder gleich das Genick bricht, geht ein wohlig-gruseliger Schauer des Mitgefühls durch die Medien, es wird über Sicherheitsmaßnahmen diskutiert und die Fahrervertreter dürfen auch mal wieder zu Wort kommen. Dann wird, im Bewusstsein alles ethisch und politisch korrekt abgehandelt zu haben, zur Tagesordnung übergegangen. In Spanien ist man da schon weiter: dort laufen im Fernsehen als Lückenfüller Aufnahmen von Skiunfällen und sich überschlagenden Stieren bzw. Toreros in Serie, mit Dick-und-Doof-Sound auf lustig getrimmt. Fünf Knochenbrüche, drei Sehnenrisse und eine ausgekugelte Schulter pro Minute: zynisch und geschmacklos. Aber immerhin ehrlich: Andere riskieren ihr Leben und ihre Gesundheit, damit die Masse auf der anderen Seite ihre Hetz hat.

Im Fernsehsessel des Lebens

Auf dieser anderen Seite, gewissermaßen im Fernsehsessel des Lebens, wird indes ängstlich den neuen Götzen gehuldigt: Sicherheit und Gesundheit (was im Prinzip auch mit körperlicher Sicherheit umschrieben werden könnte und also im Grunde das gleiche ist). Je unglaublicher die Aktionen der neuen Gladiatoren (und möglichst sexy auftretenden Gladiatorinnen) vor den Kameras werden, desto mehr wird das Leben der breiten Masse normiert, geregelt, in gesetzliche Watte gepackt. Ich habe mir einst das Mofafahren abgewöhnt, weil gerade, als ich im richtigen Alter dafür war, die Helmpflicht eingeführt wurde. Zweifellos vernünftig und sicher und „gesund“, aber ich kann den Hohlraumschutz (wie mein Vater Helme zu nennen pflegte) einfach nicht ausstehen. Seither fahre ich Rad, das ist ohnehin viel besser. Nur wurde jetzt die Helmpflicht beim Radfahren eingeführt, immerhin zunächst nur für Unter-12-Jährige. Wann folgen die Erwachsenen? Und wann muss auch die Risikogruppe Nr. 1 im Stadtverkehr Helme aufsetzen – die Fußgänger(innen)? Muss es denn für alles eine Vorschrift geben? Warum maßt sich der Staat an, für mich zu entscheiden, was ich konsumieren soll, darf, oder wovon ich gefälligst die Finger zu lassen habe? Und wenn schon – warum stehen dann nicht auf jeder Limoflasche Warnhinweise wie auf den Zigarettenschachteln: Der Konsum stark zuckerhaltiger Getränke kann zu Fettleibigkeit führen, erhöht das Diabetesrisiko und fördert Bluthochdruck. Und Alkohol: „Kann zu Adipositas beitragen, schädigt Gehirnzellen und Organe und führt zu körperlicher Abhängigkeit.“ (Ganz im Gegensatz zu Hanf, nebenbei bemerkt.)

Wahnsinn Fensterputzen

Höchst fragwürdig ist bei der ganzen Sache die heuchlerische Irrationalität, die paradoxerweise alle diese so supervernünftig wirkenden Erlässe und Vorschriften und Regeln bestimmt. Ginge es nach einer realistischen Risikoeinschätzung, müssten natürlich die allergefährlichsten Umstände zuerst an die gesetzliche Kandare genommen werden: Autofahren, Sport und Haushalt. „Autofahren kann Sie und Ihre Angehörigen entnerven, verstümmeln oder töten.“ „Sport ist Mord.“ „Fensterputzen kann zu unkontrollierter vertikaler Abwärtsbewegung führen.“ „Sorgen Sie vor dem Besteigen einer Leiter für einen nach ÖNORM 123 vorschriftsmäßig gesicherten Sturzraum.“

Höhepunkt der paradoxen Irrationalität sind die sogenannten „iatrogenen Infektionen“: Die Krankenhausmedizin, Tempel der staatlich geregelten Gesundheitsvorsorge, ist fünfmal lebensgefährlicher als Autofahren. 5.000 Menschen, wird geschätzt, sterben jährlich in Österreich an ihrer Behandlung im Krankenhaus...

Das Leben lässt sich nicht regulieren; das Leben folgt seinen eigenen Gesetzen, die seit Milliarden von Jahren Bestand haben, Menschheit hin oder her. Technisierung und Zivilisierung haben uns von der Natur=dem Leben zunehmend entfremdet, und dieser Prozess wird heute in nie dagewesener Beschleunigung vorangetrieben. Zuerst gingen wir unserer Instinkte verlustig, dann des Vertrauens in unser eigenes Urteilsvermögen: Was nützt Intelligenz, wenn sie buchstäblich haltlos, entwurzelt, ist? Vielleicht sollten wir anfangen, wieder ans Überleben im wörtlichen Sinn zu denken: an die Grundlagen, an das, was wirklich von existenzieller Bedeutung ist. Anstatt uns weiterhin die Bürokraten-Version der Existenz aufs Aug' drücken zu lassen – oder uns in immer krassere Extremsituationen zu begeben, um überhaupt noch irgendetwas zu spüren oder die Masse von dem abzulenken, was wirklich zählt. Das könnte uns wieder die Augen für das ganz alltägliche Wunder des Daseins auf diesem Planeten öffnen, das wahrzunehmen das größte Abenteuer überhaupt ist.

Erschienen in der Zeitschrift „Wege“, Herbst 2011

Praktische Aufklärung

„Guten Morgen, allerseits. Ich darf mich vorstellen: Dr. sex. Roberta Kitzler.“ (grinst wissend und überspielt routiniert den obligaten Lacher bei dieser Eröffnung). „Mein Assistent wird heute Dominik sein; ich glaube er ist ein bisschen nervös, also begrüßt ihn doch mal mit einem freundlichen Applaus.“

Die Klasse, 17 Mädchen und 10 Burschen einer Sechsten, folgt der Aufforderung mit tobender Begeisterung; aus ihrer jahrelangen Erfahrung weiß die Sexdoktorin, dass nichts für das Gelingen der praktischen Aufklärungsstunden wichtiger ist, als die übermäßige Spannung zu beseitigen, die die Teenager trotz aller zur Schau getragenen Coolness unweigerlich befällt. Der Trick mit dem angeblich nervösen Assistenten klappte jedes Mal.

Roberta, eine Enddreißigerin gesegnet mit wohlproportionierter Üppigkeit, ist im Sinne der allgegenwärtigen, zu glatten Kunstwesen retuschierten Modelfiguren der Medien keineswegs als wirklich schön zu bezeichnen; dennoch strahlt sie eine beinahe unerklärliche sexuelle Anziehungskraft aus, der sie sich vollkommen bewusst ist.

Sie lässt ihren Blick über die jungen Gesichter gleiten, in denen kindlicher Eifer und jugendliche Skepsis um die Vorherrschaft ringen; Schule – megaöd. Aber die praktische Aufklärung, da soll es richtig zur Sache gehen, haben sie alle gehört. Mit der Auswahl der Personen sind jedenfalls die meisten voll zufrieden: die Sexdoktorin gefällt den Burschen; Dominik, Anfang 30, dunkelblond, sonnengebräunt und sichtlich auf seine Fitness bedacht, ist zwar eigentlich steinalt, aber er wirkt sympathisch und sieht jung und einfach gut aus. Er fängt sich den einen oder anderen schmachtenden Mädchenblick ein, den er mit einem freundlichen, aber gänzlich unverbindlichen Lächeln quittiert.

When it comes to love …

„Learning by doing“, ergreift nun Dr. Kitzler wieder das Wort, „ist unsere Devise, und deshalb genug der Vorrede. Dominik, wenn ich bitten darf?!“

Der Assistent tritt hinzu, die beiden umarmen einander innig, aber nicht verschlingend. Minutenlang stehen sie so, die Blicke verschränkt; manchmal wandert eine Hand Dominiks sanft den Rücken Robertas auf und ab, einmal packt Roberta herzhaft eine Hinterbacke Dominiks. Weiter geschieht nichts.

Gerade als sich Unruhe in der Klasse zu verbreiten droht, wendet sich die Doktorin an die Jugendlichen: „Was, werdet ihr euch fragen, soll das hier mit Sex zu tun haben? Ich werde es euch sagen: einfach alles. Denn Sex zwischen Partnern wird nur dann zum Erlebnis, wenn beide Teile sich aufeinander einlassen. Das braucht Zeit – nehmt euch stets so viel Zeit für Sex wie irgend möglich. Das braucht Ruhe und Entspannung – Stress ist der schlimmste Liebestöter überhaupt. Und es braucht die Verbindung der Seele – seht einander in die Augen, nehmt einander wahr, fühlt, spürt. Das sieht von außen nicht spektakulär aus, aber was könnte unwichtiger sein? Es passiert sehr viel: Ihr atmet den Duft ein, ihr tauscht eure Herzens- und Körperwärme, ihr berührt einander. Glaubt mir, das allein kann schon ziemlich erregend sein. Nicht wahr, Dominik?“

Grinsend löst sich der Assistent von ihr und dreht sich halb zur Seite, sodass die Beule in seiner Hose deutlich zu sehen ist.

... I want a slow hand

Plötzlich umfasst Roberta seinen Kopf, zieht ihn zu sich, die beiden küssen sich leidenschaftlich. Die Köpfe in der Klasse röten sich ein wenig. Es ging also doch richtig zur Sache.

„Küssen“, erklärt nun Roberta, während Dominik ihre Hinterbacken streichelt und immer wieder die Innenseiten der Oberschenkel berührt, „ist einfach wunderbar. Wichtig ist dabei, wie überhaupt bei allen Stufen der körperlichen Liebe, die Balance zu wahren; die Burschen sollen die Mädchen nicht verschlucken oder mit der Zunge penetrieren ohne Rücksicht auf Verluste. Die Mädchen dürfen ruhig forscher und fordernder zu Werke gehen, als sie vielleicht glauben. Das ist eine der wichtigsten Grundregeln: Beim Sex geht es darum, was dem anderen gefällt; meist gehen aber alle so vor, wie es ihnen selbst gefällt. Wenn ihr euch nicht sicher seid – redet darüber. Keine falsche Scham. Burschen möchten eher kräftig berührt werden, nicht auragestreichelt; Mädchen wünschen sich meist ‘slow hand’ und ‘easy touch’. Das kann im Einzelfall aber auch alles ganz anders sein. Und was es im Detail bedeutet, das müsst ihr schon selber wissen und auch mitteilen.“

I want a lover who spends some time ...

Während ihrer Ausführungen hat Dominik ihr die Bluse aufgeknöpft und ihre prächtigen Brüste auch vom BH befreit; Roberta hat mit geschickten Fingern seine Hose geöffnet und sein steifes Glied mit energischem Griff hervorgeholt. Die Klasse hält hörbar den Atem an.

„Frauen lieben Umwege“, fährt die Sexdoktorin fort, während Dominik ihre Brüste mit seiner Hand umschmeichelt und rund um die Nippel mit Küssen bedeckt. „Achtet darauf, wie Dominik alles liebkost, außer meinen Nippeln.“

Jetzt meldet sich auch Dominik einmal zu Wort: „Männer haben es lieber, wenn es beim Sex zur Sache geht – wo hast du gelernt, einen Penis so erregend anzufassen, Roberta?“

„Danke für die Frage, Dominik. Ich habe Männern beim Masturbieren zugesehen und es dann unzählige Male selbst probiert – verbunden mit der Bitte, mich ehrlich und streng zu benoten. Wahrscheinlich ist es kein Nachteil, dass ich Penisse mag.“

Damit geht sie in die Hocke und nimmt Dominiks Eichel mit sichtlichem Vergnügen in den Mund. Sie demonstriert einige grundlegende Oraltechniken, deren Wirksamkeit sich an Dominiks Stöhnen erkennen lässt. „Wenn es beiden Spaß macht, ist es immer in Ordnung; aber, noch einmal: die Balance ist entscheidend. Wärst du so freundlich, Dominik?“

„Aber mit dem allergrößten Vergnügen“, bemüht sich der Assistent etwas keuchend um Korrektheit. Roberta hebt ihren Rock, unter dem sie – ein berufliches Erfordernis – nichts trägt. „Ich liebe Cunnilingus“, versichert Dominik, „ganz besonders wenn die Frau glatt rasiert ist. Das intensiviert das Erlebnis ungemein – für beide –, und man bekommt keine Haare zwischen die Zähne.“

... Not come and go in a heated rush

Roberta setzt sich auf den Katheder und Dominik taucht tief in ihren Schoß. „Ooh ...“ genießt die Frau geräuschvoll, und erläutert dann: „Lasst euch auch hier wieder Zeit; spielt mit den Schamlippen, der Klitoris, und seid besonders anfangs sachte. Eine versteifte Zunge kann eine unvorbereitete Knospe allzu heftig malträtieren. Nimmt die Lust ... aah ... dann zu, darf es auch leidenschaftlicher werden. Und, Mädchen, lasst ruhig was hören – Männern gefällt lustvolles Stöhnen, außerdem könnt ihr ihnen so am besten signalisieren, was euch gerade besonders oder nicht so gut gefällt.“

Die Schulglocke ertönt und reißt die Klasse aus ihrer tranceartigen Aufmerksamkeit, in die sie zuletzt verfallen war. Und ich wache auf und frage mich wieder einmal, warum etwas so Kostbares und Unvergleichliches wie Sex unter Liebenden so ganz und gar dem Zufall der eigenen Erfahrung überlassen wird, mit überwiegend frustrierenden Folgen. Wo wir doch angeblich so aufgeklärt sind …

Helmuth Santler, 2010

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