Kitabı oku: «Abendstunden», sayfa 12
Die böse Hand
In der That, Nachbar, es geschehen oft Dinge, bei denen unser Verstand zu kurz kommt, wenn er sie begreifen will – Dinge, die aller Wissenschaft spotten, und die uns selbst gegen unsern Willen träumen lassen von unsichtbaren Geistern, von geheimen unbekannten Mächten. So will ich euch etwas erzählen, wovon ich selbst Augenzeuge war, und das auf mich einen unauslöschlichen Eindruck gemacht hat:
In dem Jahre 1834 wohnte zu Borgerhout eine Waise von etwa achtzehn Jahren, Namens Therese. Sie war eines sanften und ruhigen Wesens, gewann ihr täglich Brod mit Kleidermachen, und wohnte allein auf einem gemietheten Kämmerlein. Ihr fein Gesichtchen trug alle Zeichen von Gesundheit und Lebenslust; ihre Sittigkeit und Bescheidenheit und ihr stets froher Sinn machten sie bei Allen beliebt, und da sie sehr arbeitsam war und sich einen schönen Stüber verdiente, so hielt sie sich für das glücklichste Mädchen der Welt.
Ein unglaublicher Vorfall warf sie plötzlich aus all ihren Himmeln heraus, und machte sie eben so unglücklich und elend, wie sie einst glücklich gewesen war. Wie das gekommen, erzählte sie ungefähr also: sie war eines Tages nach Berchem gegangen, um Frauenkleider und andere Nähtereien im Taglohn zu machen. Gegen Abend, so zwischen Licht und Dunkel, war sie wieder auf dem Rückwege zu ihrer Wohnung. Sie eilte sehr, denn der Himmel umzog sich mit schwarzen Wolken und die Nacht nahte mit immer schnelleren Schritten. Während des ganzen Tages war eine fast erdrückende Hitze gewesen und alle Anzeichen deuteten auf ein schweres Ungewitter, das sich bereits durch einzelne Blitze in der Ferne ankündete.
Therese war just keine der kühnsten; die Grabesstille, welche auf den Feldern lag, diese bange Schwüle, die gleich einem Erstummen der ganzen Natur, dem nahenden Unwetter vorhergeht, dieß Alles ließ ihr Herz ängstlicher und schneller schlagen und sie ihre Schritte verdoppeln.
Plötzlich schoß ein Blitz über ihr durch die schwarzen Wolken und ein fürchterlicher Donnerschlag schien die Erde in ihren Grundfesten erschüttern zu wollen. Therese blieb wie festgenagelt vor Schrecken stehen und bedeckte sich die Augen mit beiden Händen. Sie erschrak noch mehr, als sie gleich nachher dicht neben sich eine sonderbare Stimme hörte, welche sie frug, wie viel Uhr es sei. Das ängstliche Mädchen ließ die Hände sinken und – ein häßlich alt Weib stand vor ihr und frug lachend:
»Nun, Jungfer, wie viel Uhr ist es jetzt?«
Ohne nachzudenken und ganz verwirrt entgegnete Therese:
»Acht Uhr.«
Ein Ausdruck von Zorn überflog das runzlige Gesicht des alten Weibes, und sie rief, wie in bösem spotte:
»Hoho, ihr seid auch eine von denen, welche alte, greise Leute zum Narren halten? Es ist nicht klug von euch, Jungfer, noch nach neun Uhr des einsamen Weges zu gehen. Ihr wißt nicht, was euch überkommen kann.«
Indem sie so sprach, klopfte die Alte dreimal auf Theresen’s rechte Schulter – und ging ihres Weges. Die Berührung des Weibes hatte eine eisige Kälte durch den ganzen Körper des armen Mädchens gegossen; ein ihr unerklärlicher Schauer überlief sie, und beklemmte ihr das Herz, wie mit eisernen Banden.
Zitternd und bewegungslos stand sie einige Augenblicke wie verstummt da, bevor es ihr einfiel, das alte Weib auf den Kopf zu schlagen, um die böse Hand, vor der sie sich ängstigte, zu brechen, oder ihren Einfluß zu vernichten, doch jetzt war die Alte schon so weit auf dem dunkeln Wege voraus, daß Therese nicht mehr wagte, ihr zu folgen, um so mehr, da ein neuer Donnerschlag die Wolken durchrollte und der Regen in strömen niederstürzte.
Ganz durchnäßt und halbtodt vor Angst langte Therese endlich an ihrer Wohnung an, entkleidete sich, betete ihr Abendgebet und legte sich zur Ruhe.
Am folgenden Tage gegen Mittag trat einer der Hausbewohner in ihr Kämmerchen, um sie zum Essen zu rufen, doch kaum hatte er einen Fuß hineingesetzt, als er mit einem Schreckensschrei zurückfuhr, die Treppen hinunter stürzte und den unten um den Tisch versammelten Hausleuten zuschrie:
»Ach Gott, Therese ist todt.«
Schnell sprangen nun zwei Männer und drei bis vier Frauen vom Tische auf und eilten in des Mädchens Zimmer. Im ersten Augenblicke glaubten auch sie eine Leiche zu sehen, doch näher tretend überzeugten sie sich, daß Therese noch lebe. Sie lag wohl bewegungslos da, die eine Hand hing matt und schlaff am Bette herunter, auch war ihr Gesicht wie verglast und ganz gelb, doch ihre Augen standen offen und waren, obwohl schauerlich anzusehen, doch lebendig und nicht gebrochen. Einer der Männer wollte den niederhängenden Arm auf das Bett legen, doch er erschrak nicht wenig, als er ihn so steif und unbeugsam wie Eisen fand. Alle kamen nun auch bald darin überein, daß Therese noch lebe; ein Lebenszeichen aber konnten sie nicht finden; sie war selbst allem Rufen taub, und blieb gefühllos gegen alles schütteln und Rütteln.
Man rief mehrere Aerzte hinzu, doch auch diese vermochten nichts auszurichten, und Therese blieb in ihrem Zustande während zwei Tagen und zwei Nächten. Mit dem Schlage der achtundvierzigsten Stunde richtete sie sich endlich von selbst auf und rieb sich die Augen, wie Jemand, der lange und fest schlief, betrachtete aufmerksam das Zimmerchen und die Umstehenden, und brach dann in ein so jämmerliches Weinen aus, daß alle, welche es sahen, mitleidig mit ihr weinten.
Jeder sprach ihr Trost zu, so gut er konnte, und frug sie, wie sie zu dem Uebel gekommen sei, doch da weinte sie noch bitterer und antwortete Anfangs nicht. Erst als der Arzt stärker in sie drang, rief sie zuletzt unter einem tiefen Seufzer mit schneidender Stimme:
»Ach betet für mich! Ich bin bezaubert!«
Wenige wollten das glauben. Ich selbst meinte, es sei nur ein Irrereden von ihr, doch als sie den Umstehenden von ihrer Begegnung des alten Weibes erzählte, da hielten sich alle, der Doktor und ich ausgenommen, für fest überzeugt, daß sie in der That bezaubert sei.
Dem mag nun sein, wie ihm wolle, die Folge schien ihre Meinung zu begründen. Während fünf ganzer Jahre blieben ihre Augen ebenso schauerlichen Aussehens, ihre Wangen gleich gelb und gleich verglast. Anders sah man keine Veränderung an ihr, nur magerte sie mehr und mehr ab, und jetzt bemerkte Jedermann, daß der Tod die arme Bezauberte mit einem rothen Kreuze gezeichnet hatte und bald sein Schlachtopfer holen werde. Jedes Jahr, an dem Tage und zu der Stunde, wo die Alte ihr begegnet war, überfiel sie plötzlich ein krankhafter Schlaf, der gleich jenem ersten, acht und vierzig Stunden dauerte. Während der Zeit mußte sie schreckliche Dinge hören, sehn und leiden; das ging zur Genüge aus einigen halb abgebrochenen Klagen und einzelnen Worten hervor, welche sie von Zeit zu Zeit ausstieß; doch weder Drohungen noch Versprechen konnten sie bewegen, zu bekennen, was sie fühlte und sah. Eine geheimnißvolle und für sie schreckliche Gewalt zwang sie zum Schweigen über diesen Punkt. Doch sagte sie jedem, der es hören wollte, daß sie in jeder Nacht mit dem Schlage zwölf höre, wie ihre Thüre sich öffne, und wie sie dann die alte Hexe hereinkommen sehe; wie ferner das böse Weib auf ihr Bett zukomme, ihr auf den Leib klettere und ihr mit den Knieen dermaßen auf die Brust drücke, daß Leben und Gefühl vor Schmerz sie verließen, ohne daß sie doch Schreien oder aufstehen, oder sich gegen die Alte wehren könne.
Einmal hatten zwei Frauen, welche nicht daran glauben wollten, die Kühnheit, während des Schlafes bei ihr zu wachen. Diese sahen die Hexe nicht, doch gegen zwölf Uhr öffnete die schlafende ihre glänzenden Augen und begann, in Schweiß gebadet, und unter schrecklichem Geröchel sich so heftig gegen ein unsichtbares Wesen, welches wohl auf ihrer Brust liegen mußte, zu wehren, so zu ringen und zu kämpfen, daß die beiden Frauen nach einem Blicke auf sie die Flucht nahmen, und nicht mehr die Kammer zu betreten wagten.
Dieß fortwährende und unaussprechliche Leiden hinderte Therese nicht, ihre gewöhnliche Arbeit fortzusetzen. Sie betrachtete es als eine unabwendbare Fügung Gottes und blieb gleichgültig gegen alle Mittel, welche die Nachbarn ihr auf Anrathen der Aerzte brachten. Man kann wohl denken, daß außer den Aerzten auch alle Quacksalber und Besitzer von untrüglichen Mitteln gegen die Zauberei zu Rathe gezogen wurden. Schon hatte man hunderttausend Worte in allen Sprachen der Welt über sie gesprochen; sie war, eine Kröte in der Hand, zu Bette gegangen; sie hatte zwei Todtenknochen übers Kreuz an das Fußende des Bettes gelegt; unterm Kissen hatte eine Glückshaube ein halb Jahr lang gesteckt, jetzt trug sie ein Stück Galgenseil auf der Brust, an dem ein Dieb gehangen hatte, doch das half alles nichts, die Hexe kam nach wie vor und marterte und quälte die arme Therese.
Gegen das Ende des Jahres 1839 endlich war sie so mager und matt geworden, daß sie sich nur mit Mühe noch aufrecht erhalten konnte, und daß jeder neue Tag ihr letzter schien. Sie sah völlig einem Gerippe gleich, ihre Wangen waren hohl, ihre glänzenden Augen tief eingesunken, ihre Finger dürr und beinig.
Ungefähr um die Zeit hörten die Nachbarn von einer Bäuerin, daß zwischen Zoersel und Schilde, mitten auf der Haide, ein stockalt Männchen wohne, welches Macht habe über die Zauberei und von bösen Händen und Verwünschungen erlösen könne. Sie erzählte unter andern, wie er ihre Kühe entzaubert habe, wie er die böse Hand von dem Kinde ihres Bruders genommen, und mehrere andere wunderbare Dinge, welche die Nachbarn den Beschluß fassen ließen, einmal den Versuch zu machen, ob der Alte nicht auch der kranken Therese helfen könne.
Alsbald wurde Jemand nach Schilde gesandt, um den Greis zu holen; nachdem derselbe sich einige Zeit hatte bitten lassen, folgte er dem Boten nach Borgerhout. Wie die meisten Siebziger hatte der Alte einen krummen Rücken, schneeweißes Haar, eingefallene Wangen und tiefliegende Augen. Doch Strahlte etwas Edles aus seinen Zügen, gepaart mit einem Ausdrucke von Verschlagenheit, der ihm jedoch gar gut kleidete. Sein Gang war langsam, seine Schritte gemessen und sein Blick fortwährend auf den Boden geheftet.
Als er in die Kammer der armen Therese trat, befanden sich außer mir noch einige alte Frauen daselbst. Die Kranke betrachtete ihn fast gleichgültig und ungläubig. Ohne auf sie zu achten, ging er zuerst in alle Ecken des Zimmers und murmelte da einige Worte her, von denen ich nicht eins verstand, nahm zwei brennende Holzscheite aus dem Heerde, legte sie kreuzweise vor die Thüre und trat zuletzt auch auf Therese zu. Nachdem er sie eine Weile betrachtet, begann er mit sonderbarer Stimme sie das Folgende zu fragen:
»Jungfer, es ist wohl eine böse Hand auf euch?«
»Das weiß ich wohl, Mann.«
»Habt ihr nichts auf eurem Gewissen?«
»Ach nein, ich gehe alle Monate zur Beichte.«
»Habt ihr euch selbst nie verwünscht oder verflucht?«
»Noch viel weniger.«
»Wißt ihr nicht, ob euer Vater oder eure Mutter euch verwünscht oder verflucht haben?«
»Ich wüßte nicht; mein Vater und meine Mutter hatten mich sehr lieb und sind früh gestorben.«
»Habt ihr nie eine schwarze Katze gestreichelt?«
»Nein.«
»Habt ihr nie gegen Mitternacht auf einem Kreuzwege gestanden?«
»Nie.«
»Dann habt ihr wahrscheinlich Recht, wenn ihr glaubt, daß das alte Weib euch bezaubert hat.«
»O davon bin ich fest überzeugt.«
»Wollt ihr erlöst sein?«
»Könnt ihr das fragen?«
»Antwortet mir!«
»Ja, ich will erlöst sein.«
Alsdann ging der Greis stillschweigend zum Feuer, wo er sich niederhockte und starren Blickes in die tanzenden Flammen schaute, während er mit einem unsichtbaren Geiste zu sprechen schien.
Es wäre mir unmöglich, euch die Angst und Beklemmung der anwesenden Frauen zu schildern; alle waren bleich, zitterten und sahen einander an mit stummem Erstaunen. Die Furchtsamsten unter ihnen hätten gern das Zimmer verlassen, doch keine wagte es, über die brennenden Kreuzhölzer zu schreiten, über welchen eine Hexe jedenfalls den Hals bricht. Inzwischen war die Kammer voll geworden von Rauch und Qualm; die armen Weiber erstickten fast; der Schweiß brach ihnen an allen Poren heraus von der Gewalt, mit welcher sie den stets mehr zwingenden Husten zurückhielten.
Endlich nach Verlauf einer Viertelstunde erhob der Alte sich wieder, trat auf das Bett zu und sprach:
»Jungfer, nun kenne ich euer Uebel und auch sie, welche die böse Hand auf euch gelegt hat.«
»Ist es die alte Hexe oder nicht?«
»Es ist die Alte.«
»Das wußte ich wohl.«
»Ich kann euch befreien, aber nur durch einen Kampf auf Leben und Tod. Sagt mir, wenn ich mir nun alle Mühe gebe, die böse Hand von euch zu nehmen, und ihr stürbet dabei, würdet ihr mir das am jüngsten Tage vorwerfen? Würdet ihr das auf meine Seele legen?«
»Ach nein, ich muß ja doch sterben, wenn ihr mich nicht befreit.«
»Ist das euch ganz so und nicht anders gemeint?«
»Ja.«
Nun wandte sich der Greis zu den umstehenden Frauen und frug:
»Wünscht ihr alle, daß diese Jungfer erlöst werde? Wohl an, ich kann dies, doch dazu habe ich etwas nöthig, was ich nur auf einem Kirchhof im Waeslande finden kann, jenseits der Schelde. Ich wollte gern die Reisekosten aus meiner Tasche bestreiten, doch das darf ich nicht; das Geld dazu muß eigens dafür gegeben werden.«
»Aber,« frug ein stockalt Weib, die vielleicht auch das eine oder andere von der schwarzen Kunst kannte.
»Dürfen wir aber nicht wissen, was das ist, was ihr haben müßt? Wir könnten es euch vielleicht besorgen.«
»Unmöglich,« fiel der Greis ein. »Ich muß Moos haben, welches auf einem hundertjährigen Todtenkopfe gewachsen ist. Wo wolltet ihr das holen? Ich weiß ein Dorf im Waeslande, wo ein altes Beinhaus steht und hundertjährige Todtenköpfe in die Mauer der Kirche eingemauert sind. Da muß ich Nachts um zwölf Uhr das Moos mit einem neuen Messer abschaben und gewisse Worte dazu sprechen. Wollet ihr also ein gut Werk thun, dann gebt mir zwei bis drei Gulden, um meine Reise zu bezahlen.«
Das geforderte Geld wurde von den Frauen zusammengelegt, und dem alten Manne gegeben. Er fuhr fort:
»Meine lieben Kinder, ich kann nicht auf Reise gehn, ohne vorher versichert zu sein, daß drei kühne und unverzagte Männer diese Nacht hier in der Kammer wachen. Denn wenn die Hexe nicht daran verhindert wird, dann martert und peinigt und quält sie aus Rache das arme Mädchen so, daß unsere Bemühungen vielleicht für allzeit unnütz sein könnten. Versprecht mir also auf eure Ehre, daß ihr drei Männer suchen wollt. Nun will ich euch auch sagen, was die zu thun haben. Einer von ihnen muß eine Hand voll Erbsen haben, und sobald die Thüre sich öffnet, diese Erbsen nach allen Seiten hin werfen. Trifft eine die Hexe, dann wird sie sichtbar werden, und schreiend durch das Fenster wegfliegen, welches zu dem Ende auch geöffnet sein muß. Zu fürchten ist nichts, denn sie hat über keinen der Wächter Gewalt.«
Man versprach dem nachzukommen, und der Alte nahm seinen Stock und sprach zu der Kranken:
»Nun seid nur ruhig und tröstet euch, Jungfer. Uebermorgen ist die böse Hand gehoben, und dann seid ihr genesen und werdet wieder gesund. Dann nahm er die Kreuzhölzer auf, warf sie auf den Heerd und verließ die Kammer.
Nicht ohne viele Mühe fand man drei Männer, welche das kühne Wagniß bestehen wollten; doch zog einer von ihnen sich wieder zurück, und die beiden andern blieben auch nur standhaft, nachdem sie hörten, daß ich selbst der dritte sein wolle. Ich hatte nämlich in der Nachbarschaft den Namen, daß ich sehr kühn sei, obwohl ich in der That kein großer Liebhaber von Zauberei und Geistern bin. Hier sah ich mich gezwungen, die ganze Last dieses guten Namens auf mich zu nehmen, und ich that es.
Gegen elf Uhr Abends stiegen wir mit klopfendem Herzen und in nicht geringer Angst die Treppe hinauf und traten leise und vorsichtig in die Kammer, wo wir uns, ohne zu sprechen, an den Tisch setzten. Langsam kehrte unser Muth jedoch zurück, und wir flüsterten uns dieß und jenes zu, entkorkten dann eine Flasche Branntwein und zündeten unsere Pfeifen an. Therese lag vor uns zu Bette; sie schlief, und nichts Außergewöhnliches war an ihr zu finden, als ihre skelettartige Magerkeit. Unser Gemüth stand auf eine sonderbare Art unter dem Einflusse der Zeit. Von elf Uhr bis halb zwölf stieg unsere Klarheit und Geistesfreiheit, wurde unsere Stimme lauter und fröhlicher; doch von halb zwölf bis Mitternacht sank der Muth wieder, die Sprechlust verging uns, und als endlich die verhängnißvolle Stunde da war, da durchschauerte uns alle die grenzenloseste Angst. Keine Pfeife dampfte mehr, kein Wort war mehr zu hören, unsere Augen dagegen waren um so lebhafter und wandten sich in schnellem bangen Fluge von Theresen zu der Thür und von der Thür zu Theresen. Die einzige Lampe, welche die Kammer erleuchtete, schien auch die Ankunft der Hexe zu fühlen, denn sie fing an unregelmäßig und eigenthümlich zu flackern; nun leuchtete sie hell auf, dann erlosch sie fast, dann entsprangen knisternde Funken der Mitte der Flamme . . .
Als wir bleich und zitternd darüber, einander betrachteten, traf plötzlich ein heller Glockenschlag unser Ohr: wir sprangen auf vor Schrecken, die Erbsen entfielen der Hand deß, der sie werfen sollte, und steigerten unsere Angst noch durch das Geräusch, welches ihr Fallen und Rollen verursachte. Glücklicherweise hatten wir deren noch genug in Vorrath neben uns stehen. Mit weit offenen Augen schauten wir auf die Thür, fest überzeugt, die Hexe werde dieselbe jetzt öffnen. Doch da zog Therese unsere Aufmerksamkeit von der Thüre ab und auf sich hin; sie lag da mit gräßlich verzogenem Gesichte und starrenden Augen, und wand sich schrecklich, wie wenn sie sich von einer sie schwer drückenden Last hätte befreien wollen, und ihrem Munde entstieg es wie Geröchel. Da mußten wir werfen, denn wir waren überzeugt, daß die Hexe das Mädchen eben nun martere und quäle. Noch mehr versicherten wir uns deß, als die Arme zwar mit schwacher, doch erschütternder Stimme also zu ihrer unsichtbaren Feindin sprach:
»Ach laßt mich doch athmen! O Gnade, Gnade! – Nein, ach zerreißt mir doch nicht das Herz mit euren Nägeln; gebt mir lieber den Gnadenschlag – damit ich sterbe.«
Dann schwieg sie eine Weile und fuhr fort, wie wenn Jemand zu ihr gesprochen hätte:
»Ihr irret; ich habe ja den Mann nicht gerufen. – Ach, laßt mich los und zieht doch die brennende Nadel aus meiner Brust! Ich will sagen, ich wolle nicht – ich will ihn ja wegjagen! . . . «
Ihr könnt euch vorstellen, welchen Schrecken uns die Worte einjagten; wir waren, wie von Sinnen. Doch hatte einer von uns Geistesgegenwart genug, sich zu erinnern, was wir zu thun hatten: er faßte eine Hand voll Erbsen und warf sie aus aller Macht auf das Bett hin . . . Und es war, wie wenn ein Seufzer, einem Winde gleich, an unsern Gesichtern vorbeigefahren wäre. – Zugleich schloß Therese ihre Augen, ihre Züge wurden wieder so ruhig, wie zuvor – sie schlief.
Dieser Sieg gab uns unsern Muth zurück, wir glaubten, nun sei unsere Pflicht erfüllt und waren herzlich froh, daß wir die Kammer verlassen konnten, ohne uns schämen zu müssen. Doch da ließ eine neue Erscheinung uns das Blut fast in den Adern gerinnen. Als wir uns umwandten, sahen wir auf der Fensterbank eine schwarze Katze sitzen, die uns mit glühenden Augen betrachtete und uns zu drohen schien wegen dessen, was wir gethan hatten. Wir sahen das Thier mit stets wachsender Angst an, doch da ließ es sich gar von der Fensterbank in die Kammer fallen und kam langsam auf uns zu.
Einer von uns riß die Zimmerthür auf und ließ sich die Treppe hinabfallen, um nur desto eher auf der Straße zu sein; und ich muß es nur bekennen, wir andern waren bald hinter ihm drein. Draußen gestanden wir uns, daß keiner von uns Schlafen zu gehn wage; darum klopften wir den Wirth der nächsten Schenke aus dem Bette und blieben wachend in seinem Hause sitzen bis gegen Morgen.
Da hörten wir in dem Hause, wo Therese wohnte, daß es gar schlecht um sie stehe und daß sie kaum Kraft genug habe, Haupt und Hände zu bewegen.
Gegen Mittag kam der Alte zurück und sagte uns, daß er diese Nacht um zwölf Uhr die Hexe greifen und Therese erlösen werde, doch müsse man ihm dazu noch mehre Dinge verschaffen, als das ungekochte Herz eines Schaafes, einen lebendigen Hund, eine große neue Stricknadel und einen kupfernen Kessel, in welchem noch nie Roggen oder Waizen gekocht worden sei.
Das Schaafsherz war bald gefunden, da die Fleischer just an dem Tage geschlachtet hatten; die Stricknadel kaufte man in einem nahen Laden, den Kessel lieh ein Nachbar, doch mit dem Herbeischaffen des Hundes hatte man mehr Mühe. Es wollte nämlich Niemand seinen Hund dazu hergeben, weil man wußte, daß die böse Hand von Theresen auf das Thier übergehen werde, und wer möchte denn gerne einen behexten Hund im Hause haben? Endlich hörte man, daß ein Bauer in Deurne Willens sei, seinen Hund zu ersäufen; man schickte also einen Boten zu ihm, und Nachmittags kam dieser mit einem schwarzen Spitz zurück, der vor Alter fast nicht mehr weiter konnte.
Gegen elf Uhr Abends befand sich eine Menge von Männern und alten Mütterchen in dem Hause eines Schusters, nicht weit von Theresen’s Wohnung. Da die Entzauberung nämlich nicht unter dem Dache der Bezauberten vorgenommen werden konnte, so hatte der Schuster sein Haus dazu hergegeben. Ihr könnt auch wohl denken, daß auch ich da nicht auf mich warten ließ.
Das Zimmerchen bot einen sonderbaren Anblick dar. Eine neue blecherne Lampe brannte auf einem kleinen Tischchen neben dem Feuer; neben der Lampe lagen ein blutiges Herz und eine dicke Stricknadel. In dem Kamine hing über einem großen Feuer ein kupferner Kessel mit kochendem Wasser; neben demselben in einer Ecke des Heerdes saß der Alte niedergehockt und die Flammen besprechend; nicht weit von ihm lag der schwarze Spitz an ein Seil gebunden auf einem Bündel Stroh und schlief.
Die Nachbarn und andere Neugierige saßen an der andern Seite der Kammer, halb im Dunkel mit klopfen— dem Herzen und bebenden Gliedern.
Sobald die Uhr, welche in der Kammer hing, halb zwölf schlug, erhob sich der Greis aus der Asche und nahte dem Tischchen. Da zog er ein ledernes Beutelchen aus der Tasche, öffnete es und schüttete eine Art grünen Staubes heraus und auf ein Stück Papier, zweifelsohne das Moos, welches er von dem hundertjährigen Todtenkopf abgekratzt hatte. Ein wenig davon warf er unter gewissen Worten in die Flamme der Lampe, welche nun in matter geisterhafter Beleuchtung die Kammer erhellte; den Rest schmiß er in den Kessel mit siedendem Wasser.
Dann wandte er sich zu den Nachbarn und sprach:
»Was ihr nun auch hören und sehen möget, ängstigt euch nicht. Das Herz, welches ihr da sehet, ist das Herz der Hexe geworden. Mit dem Schlage von zwölf Uhr werde ich es mit der Stricknadel durchstechen. Dann werdet ihr eine alte Frau heulend und schreiend erscheinen sehen, die wird mich flehen und beschwören, die Nadel aus ihrem Herzen zu ziehen, doch ich thue das nicht, bevor sie die böse Hand von Theresen weggenommen und sie auf diesen Hund gelegt hat. Ich wiederhole euch also, ängstigt euch nicht, was ihr auch hören und sehen möget.«
Diese Anrede des Greises hatte aber gerade die entgegengesetzte Wirkung; jetzt fingen alle Anwesenden erst recht an zu zittern und zu beben und so leise als möglich enger zusammen zu rücken. Eine alte Frau fiel in Ohnmacht und bot so vier bis fünf der Furchtsamsten Gelegenheit dar, unter dem Vorwande, sie wegzutragen, die Zauberkammer mit Ehren zu verlassen. Aller Augen ruhten inzwischen in ängstlicher Erwartung auf dem Zeiger der Uhr.
Noch fünf Minuten!
In einem geschlossenen Grabkeller kann es nicht stiller, nicht schauriger sein. Da begann plötzlich der Hund zu zittern und brach mit erhobener Schnauze in ein jämmerliches Heulen aus, wie wenn Jemand in der Nähe am Tode gelegen hätte. Die Schreckenstöne trieben die Angst der Frauen auf’s Höchste; mehre Stühle krachten und eben so viele Frauen sanken zu Boden, dann wurde es wieder so still, wie vorher; nur der Hund setzte sein Geheul fort.
Noch zwei Minuten!
Der Greis erhob sich und nahm das blutige Herz in die eine, die Stricknadel in die andere Hand. Das Auge auf dem Zeiger der Uhr, stand er bereit, das Herz zu durchbohren . . .
Plötzlich hörte man Geräusch an der Hausthür und schwere Tritte, wie von Jemand, der mit einem Stocke geht.
»Da ist sie! Da ist sie!« schrieen die bangen Frauen, während sie sich aneinander festklammerten und endlich alle zusammen in eine Ecke hinrollten.
Die Thüre öffnete sich – aber zum größten Erstaunen der Frauen, wie auch des Alten, erschien keine Hexe, wohl aber . . . der Polizei-Kommissär begleitet von zwei Gensdarmen.
Mit der größten Behendigkeit faßten die Letztern den Greis am Kragen, rissen ihn von dem Tischchen weg und nahmen ihm die Stricknadel aus der Hand.
Noch eine Minute!
»Ihr müßt uns folgen!« sprach der Kommissär.
»Was habe ich denn Uebles gethan?« frug der Greis zitternd.
»Das kümmert mich nicht; ihr habt die Arzneikunde ungesetzlich geübt und das ist verboten,« war die Antwort.
Der Alte warf einen Blick auf die Uhr und – sogleich mußte es Zwölfe schlagen.
»O,« rief er in äußerster Verzweiflung, »nur noch einen einzigen Augenblick! Einen kurzen Augenblick nur! Ach, ich bitt euch, nur eine halbe Minute noch! Thut es, oder ihr tödtet Jemand mit eignen Händen.«
»Nein, nichts weiter,« fiel einer der Gensdarmen ein. »Entweder folgt ihr uns alsbald, oder wir legen euch die Daumeneisen an. Ihr seid alt und es würde euch gar wehe thun. Also kommt!«
Da entbrannte der Greis in gräßlicher Wuth; er stieß kräftig die Gensdarmen zurück und wollte auf das Tischchen zustürzen, doch da sank das Gewicht der Wanduhr, der erste schlag von zwölf klang! . . .
Wie wenn ein Donnerschlag den Alten getroffen hätte, so sank er kraftlos und ohnmächtig in die Arme der Gensdarmen, während er mit herzzerreißendem Tone rief:
»Wehe! Wehe! sie ist todt!«
Bald darauf stürzte Jemand in die Kammer und schrie:
»Ach, gebt euch keine Mühe mehr! Therese ist jetzt eben gestorben und dießmal wahrlich gestorben. Sie ist kalt, wie Eis!«
Die Gensdarmen achteten auf nichts und führten den Greis mit sich. Er wurde der ungesetzlichen Ausübung der Arzneikunst angeklagt und später zu einigen Monaten Gefängniß verurtheilt.
Und nun, Nachbar, was sagt ihr zu der Geschichte? Daß es pure Einbildung von Theresen war, daß sie die Krankheit hatte, die das Volk gemeinlich die Hypo nennt? Das will ich nun auch wohl glauben, wie wollt ihr aber das genaue Eintreffen von all ihren Vorgefühlen auslegen? Wie den Todesruf des Alten, der so unmittelbar durch die wirkliche Todesnachricht bewahrheitet wurde? Was mich angeht, so seh ich wenig Erklärliches darin und will auch nicht mehr daran denken, denn es macht mich ängstlich im Finstern und macht mir böse Träume.