Kitabı oku: «Baas Gansendonck», sayfa 3
– »Ich dachte es doch« – rief der Baas spöttisch – »daß er wieder Stöcke in die Räder stecken würde! Mit seinem ewigen Vlämisch! Nun werdet Ihr wieder nichts Anderes hören als von Hunden, Kühen, Pferden und Kartoffeln. Lassen Sie ihn nur schwatzen, Herr von Bruinkasteel, und sprechen Sie nur französisch mit unserer Lisa fort. Ich höre es gar zu gern, ich kann nicht sagen, wie gern!«
Karl lachte, daß es schütterte, und sah Victor frei und stolz in die Augen. Dieser Letztere schien seiner leichten Wohlredenheit beraubt zu sein und zeigte sich im Ganzen nicht geneigt, das schmeichelnde Gespräch mit Lisa in Karls Gegenwart fortzusetzen. Ein Augenblick der lästigsten Stille trat ein. Mit einer Art von Verzweiflung sah der Baas, daß Herr von Bruinkasteel anfing verdrießlich zu werden. Er warf daher einen tadelnden Blick auf Karl und sagte:
– »Herr Victor, achten Sie nicht auf ihn; es ist unser Brauer und ein Bekannter des Hauses; aber er hat hier doch Nichts zu sagen, wenn er auch glaubt Nummer Eins gezogen zu haben. Fahren Sie nur fort, Herr von Bruinkasteel! Ich will, daß meine Tochter freundlich mit Ihnen sei und lache, wenn Sie mit ihr reden. Will der Brauer ein schiefes Gesicht ziehen, so kann er hinausgehen und es auf der Straße thun.«
Durch diese Worte ermuthigt, und vielleicht in der Absicht, den jungen Brauer zu ärgern, neigte sich Victor zu Lisa und betrachtete sie während des Redens mit jenem zärtlichen Blinzeln, das man sich in der vornehmen Gesellschaft erlaubt, wenn man eben nicht die beste Meinung hat von der Ehrbarkeit einer Frau.
Karl wurde blaß, zitterte und biß die Zähne krampfhaft zusammen; doch bezwang er diese Aeußerung des Schmerzes und Zornes ebenso rasch; trotzdem bemerkten Alle dieselbe. Victor war davon erschrocken. Zwar fürchtete er sich nicht, aber sie machte doch einen solchen Eindruck auf sein Gemüth, daß ihm alle Lust zu Scherz und Fröhlichkeit verging. Den Baas dagegen hatte es noch heftiger erzürnt, und er stampfte murrend mit dem Fuße. Lisa, welche glaubte, daß ihres Vaters harte Worte allein den Jüngling verletzt hatten, schlug die Augen nieder und war nahe daran, in Thränen auszubrechen. Karl saß ruhig auf seinem Stuhl, zwar noch etwas bleich und zitternd, aber doch dem Anscheine nach ganz gelassen.
Plötzlich fand Victor auf, nahm sein Gewehr und sprach zu seinen Begleitern:
– »Kommt, wir wollen noch etwas jagen. Fräulein Lisa wird es mir verzeihen, wenn ich unwissend. Etwas gesagt habe, das ihr unangenehm war.«
– »Was! was!« – rief der Baas – »Alles, was Sie gesagt haben, war schön und unverbesserlich und ich hoffe, sie hat Sie nicht zum letzten Male gesehen und gehört.«
– »Fräulein Lisa denkt vielleicht anders, obwohl meine Absicht gewesen ist, ihr alle Ehre und Freundlichkeit zu erweisen.«
Als er sah, daß seine Tochter nicht antwortete, fuhr der Baas sie verdrießlich an:
– »Na! was soll das hier werden mit dem dummen Bauernspiel! Lisa, was sitzest Du da, wie ein Trinchen rühr' mich nicht! Gieb doch rasch eine Antwort!«
Lisa stand auf und sagte auf Vlämisch mit kaltem, höflichem Tone:
– »Herr von Bruinkasteel, werden Sie nicht böse, wenn vielleicht etwas Anderes mich zerstreut macht. Was Sie die Güte gehabt haben mir zu sagen, ist mir sehr angenehm gewesen, und wenn Sie uns wieder die Ehre erzeigen, unser Haus zu besuchen, so werden Sie uns stets willkommen sein.«
– »Das ist recht! das ist recht!« – rief der Baas in die Hände schlagend. – »Ach! Herr von Bruinkasteel es ist eine Perle von einem Mädchen! Sie kennen sie noch nicht. Sie kann fingen wie eine Nachtigall . . . Wollen Sie sich nicht wieder hinsetzen? Ich werde eine neue Flasche heraufholen.«
– »Nein, wir müssen fort; der Tag verstreicht uns ganz und gar! Haben Sie Dank für Ihre freundliche Aufnahme.«
– »Ich gehe noch ein Stückchen mit, wenn die Herren es erlauben«, – sagte der Baas. – »Ich habe da am Fahrwege ein Hölzchen liegen, in dem ich mich einmal umsehen will. Des Herrn Auge macht die Pferde fett, sagt das Sprichwort.«
Die jungen Herren erklärten sämtlich, daß ihnen die Gesellschaft des Herrn von Gansendonck großes Vergnügen mache. Unter höflichen Reden verließen sie mit ihm das Haus. Der Knecht folgte seinem Herrn.
Sobald die jungen Leute allein waren, sagte Lisa mit freundlichem Tone:
– »Karl, Ihr müßt Euch nicht betrüben, wenn mein Vater rauh mit Euch redet; Ihr wißt ja, er meint es nicht so.«
Der Jüngling schüttelte den Kopf und antwortete:
– »Das ist es nicht, Lisa, was mich schmerzt.«
– »Was denn?« – fragte das Mädchen verwundert.
– »Das ist mir zu schwer Euch klar zu machen, Lisa! Euer reines und sauberes Gemüth würde es nicht begreifen. Wir wollen lieber davon schweigen.«
– »Nein, Ihr müßt mir es sagen.«
– »Nun denn: ich sehe es nicht gern, daß die jungen Stutzer aus der Stadt hier ihre flauen Complimente vor Euch auskramen. Es kommt so leicht etwas unziemliches hinein, und in jedem Falle beweisen die schönen französischen Manieren und das zärtliche Augenblinzeln, daß sie sich Euch nicht mit der Erfurcht nahen, wie einer Frau geziemt.«
Ungeduld und Betrübniß zeigten sich auf dem Antlitz der Jungfrau.
»Ihr seid im Unrecht, Karl,« – antwortete sie – »die Herren haben mir nichts Unziemliches gesagt. Im Gegentheil, wenn ich ihnen zuhöre, lerne ich wie man sprechen und sich benehmen muß, um nicht für eine Bäuerin zu gelten.«
Karl senkte stumm den Kopf; ein schmerzlicher Seufzer rang sich aus einer Brust los.
»Ja, ich weiß es« – fuhr Lisa fort, – Ihr haßt die Stadtmenschen und die Stadtmanieren; aber was Ihr auch darüber denken möget, mir ist es nicht gegeben unfreundlich zu sein. Ihr habt doch sehr Unrecht, Karl, daß Ihr mich zwingen wollt, Menschen zu hassen, welche mehr als Andere verdienen geachtet zu werden.«
Das junge Mädchen hatte diese Worte mit einer gewissen Empfindlichkeit gesprochen. Karl saß schweigend vor ihr und schaute ihr gar eigen in die Augen. Lisa fühlte, daß er tiefe Schmerzen leide, obwohl sie nicht begreifen konnte, wie es käme, daß ihre Rede ihn so sehr betrübte. Sie faßte theilnehmend eine Hand und fuhr fort:
»Aber Karl, ich begreife Euch nicht, – Was soll ich denn thun? Wenn Ihr an meiner Stelle wäret, wie würdet Ihr Euch benehmen, sobald fremde Herren kommen und Euch anreden?«
»Darüber kann nur das Gefühl entscheiden, Lisa!« – antwortete er, den Kopf schüttelnd, – ich weiß selbst nicht, was ich Euch rathen soll; aber, wenn es zum Beispiel, solche Complimentenmacher wären, so würde ich ihnen zwar freundlich antworten, doch nicht dulden, daß sie sich zu Dreien um mich herumsetzten und mir leere Redensarten in die Ohren bliesen.«
»Und mein Vater, der mich dazu zwingt,« – rief Lisa bestürzt. – »Man findet hundert Gründe aufzustehen, wenn man nicht sitzen bleiben will.« —
– »Also habe ich in Euren Augen nicht recht gehandelt,« – schluchzte die Jungfrau, während ihr plötzlich Thränen in die Augen drangen. – »Ich habe ich nicht gut betragen.«
Der Jüngling schob seinen Stuhl näher an Lisa und erwiederte mit bittendem Ton:
– »Lisa! Verzeiht es mir. Ihr müßt auch etwas nachsichtig gegen mich sein; es ist meine Schuld nicht, daß ich Euch so sehr liebe. – Mein Herz beherrscht ich, ich kann es nicht bezwingen. Ihr seid schön und rein wie eine Lilie; ich zittere bei dem Gedanken daß ein zweideutiges Wort, ein unsauberer Hauch Euch berühren könne; ich liebe Euch mit ängstlicher Ehrfurcht. Ist es also ein Wunder daß die zudringlichen Blicke dieser Junker mich beben machen? O Lisa, Ihr glaubt, daß mein Gefühl tadelnswerth sei! Vielleicht ist es das auch wir ich, aber beste Freundin, könntet Ihr wissen, welche Pein mir die Seele durchwühlt, welchen Gram mir das bereitet, Ihr würdet Mitleid haben mit meine allzugroßen Liebe. Ihr würdet mir diese Gedanken verzeihen und mich in meiner Betrübniß trösten.«
Diese Worte, die er mit leisem Tone sprach, rührten die Jungfrau sehr. Freundlich erwiderte sie, mit Thränen in den Augen:
– »Ach Karl, ich weiß nicht was Ihr Euch für Gedanken macht; aber sei es auch was es wolle. Da es Euch verdrießt, soll es nicht wieder geschehen. Wenn künftig Herren kommen, werde ich aufstehen und in ein anderes Zimmer gehen.«
– »Nein, nein, Lisa, so mein ich es nicht,« – seufzte Karl halb beschämt über den Erfolg seiner Aeußerung. – »Sei artig und freundlich mit Jedermann, wie es sich geziemt, auch mit den Herren, die eben hier waren. Ihr habt mich nicht echt verstanden, Beste. – Benehmt Euch wie zuvor, aber bedenkt daß gewisse Dinge mich schmerzen; vergeßt in solchen Fällen nicht daß Euer Vater sich weilen täuscht, und legt den Maaßstab Eueres eignen Werthes an, um Euch z sagen, was Ihr thun müßt. – Ich kenne Euer reines Herz. Lisa, mir ist es gleich wer hierher kommt, aber ich verlange daß man Euch respectvoll behandle: das geringste Vergessen, schon der Schein von Geringschätzung gegen Euch, beleidigt mich auf das Tiefste.«
– »Aber Karl, Ihr habt gehört, daß Herr Adolph und seine Freunde noch oft herkommen werden. Ich muß ihnen doch Rede stehen, wenn ich im Zimmer bleibe. Wird Euch denn das jedes Mal böse und verdrießlich machen?«
Karl wurde roth und machte sich innerlich Vorwürfe über die Bemerkungen die er sich erlaubt hatte, indem er zugleich die natürliche Herzensgüte der Geliebten bewunderte. Ihre Hand ergreifend antwortete er mit freundlichem Lächeln:«
– »Lisa, ich bin ein Thor. Wollt Ihr mir einen Gefallen thun?«
– »Gewiß, Karl!«
– »Ja, aber im Ernst, ganz aufrichtig. Verzeiht meine Grille. Wahrlich es würde mich jetzt betrüben, wenn ich sähe, daß Ihr Euer Betragen ändertet. Warum sollte ich es auch verlangen da Euer Vater der Herr ist, und Euch zwingen würde, nach einem Willen zu handeln.«
– »Nun seid Ihr brav, Karl!« – erwiederte das Mädchen – »ich muß doch freundlich sein, nicht wahr? Mein Vater ist hier Herr. – Auch auf der anderen Seite habt Ihr Unrecht. Herr von Bruinkasteel hat zwar lange mit mir gesprochen, aber Alles was er sagte war sehr schicklich und ich bekenne gern, daß ich ihm mit großem Vergnügen zuhörte.«
Karl empfand von Neuem daß ihm etwas das Herz beklemmt machte; aber er unterdrückte das aufwallende Gefühl und versetzte bittend:
»Beste, laßt uns vergessen, was geschehen ist. Ich bringe eine gute Nachricht. Meine Mutter hat endlich eingewilligt, unser Haus beträchtlich zu vergrößern; die Arbeiten sollen schon nächsten Montag beginnen. Ihr sollt ein schönes Zimmer für Euch allein haben, recht zierlich ausgeschmückt. Wir bekommen eine Wohnung mit eigenem Eingang und eine Remise wo eine Chaise für Euch stehen soll. So Lisa braucht Ihr nicht durch die Brauerei zu gehen und am allgemeinen Kamin zu sitzen; Ihr sollt ein stilles und ruhiges Leben führen und Alles bekommen, was Euer Herz wünscht. Freut Euch das nicht, Beste?«
– »Ihr seid zu gut Karl,« – antwortete sie – und ich bin Euch herzlich dankbar für soviel Liebe und Freundschaft, aber ich glaube Vater wird mit Euch von etwas noch Besserem sprechen, das Euch wahrscheinlich auch gefällt. Er würde es gern sehen, daß wir den Hof pachteten, der hinter dem Schlosse leer steht. Mir scheint der Gedanke nicht so übel. Dann lebten wir doch nicht mehr unter den Bauern und könnten allmälig mit ordentlichen Leuten Bekanntschaft machen.«
– »Aber Lisa,« – fiel ihr der junge Mann ungeduldig in die Rede – »wie ist es möglich, daß Ihr daran denkt? Ich meine Mutter verlassen! Sie ist Wittwe und hat Niemanden auf der Welt, als mich allein . . . Und wäre das auch nicht der Fall, ich thäte es doch nicht; ich habe von Kindheit aufgearbeitet, ich muß ich ferner arbeiten, für mein eigenes Vergnügen und meine Gesundheit, für meiner Mutter Wohlergehn – für Euch Lisa, um Euch das Leben heiter und froh zu machen, um zu wissen, daß die Früchte meiner Arbeit zu Eurem Glücke beitragen.«
– »O, das ist doch nicht nöthig,« – seufzte Lisa – »unsere Eltern besitzen ja schon genug Geld und Gut.«
– »Und dann, Lisa, bedenkt, daß wir jetzt zu den Ersten in unserem Stande gehören. Euer Vater ist einer der vornehmsten Eigenthümer in der Gemeinde; unsere Brauerei steht keiner andern nach. Soll ich nun einwilligen ein neuer Reicher zu werden, hochmüthigen Leuten ihre Freundschaft abzubetteln und sich von meinen vorigen Genossen verhöhnen zu lassen, als Einer, der aus Hochmuth den gnädigen Herrn spielen will? Nein Lisa, das mag Manchem in seiner Eigenliebe schmeicheln, mich würde es erniedrigen und elend machen. Lieber von Bauern geachtet und geliebt, als von Edelleuten scheel angesehen und erspottet.«
Lisa wollte Karl etwas auf eine eifrige Rede erwiedern, aber der Knecht öffnete mit sichtbarer Eile die Thür, trat zu dem Jüngling und sagte sehr schnell:
– »Karl habt Ihr Lust Euch ein Paar Stunden mit unserem Baas zu zanken? Nicht? Nun dann macht daß Ihr fortkommt, denn er ist wüthend auf Euch. Ihr müßt ihn häßlich auf den Fuß getreten haben. Wenn Ihr nicht geht, kehrt er im Hause das Oberste zu unterst.«
– »Ach, Karl« – bat Lisa, ihm die Hand drückend – »geht nur, bis meines Vaters Zorn vorüber ist. Heute Nachmittag denkt er nicht mehr daran.«
Der junge Brauer schüttelte den Kopf, nahm mit einem trüben Blicke von seiner Verlobten Abschied, und eilte durch die Hinterthür aus dem Hause.
Der Knecht folgte ihm und sagte im Vorübergehn:
– »Fürchtet Nichts, Karl, ich werde schon die Augen aufs Segel halten und Euch einen Wink geben, wenn der Wagen zu sehr aus der Spur geht. Bei unserem Baas ist eine Schraube los. Beruhigt Euch aber nur, die Grille geht schon vorüber. Der Wetterhahn auf dem Thurme dreht sich auch wie ein Narr und doch zeigt er mitunter gar schönes Wetter an.«
V.
Ehrbarkeit, der Frauen Ruhm.
Schöne aber zarte Blum‘!
Zwei Monate waren verstrichen.
Eines Morgens früh fanden drei oder vier junge Bauern in der Schmiede und schwatzten dort über allerlei Dinge. Sus hielt mit der einen Hand ein Eisen im Feuer und zog mit der andern an dem Blasebalg, indem er sich langsam ein Stückchen pfiff.
– »Nun, wer hat die Neuigkeit schon gehört?« – rief einer von den jungen Männern – »Lisa Gansendonck heirathet einen Baron.«
– »Oho« – lachte der Schmied – »nächstes Jahr fällt Ostern auf einen Freitag! Geh', verkaufe Deine Neuigkeit auf einem andern Markt.«
– »Ja, ja, sie heirathet den Junker, der seit sechs oder sieben Wochen beständig im heiligen Sebastian liegt.«
– »Wenn es glückt, kalbt der Ochse!« – rief Sus.
– »Ihr glaubt es nicht? Der Blaeskaeck hat es selbst dem Notar gesagt.«
– »Dann glaub ichs noch viel weniger.«
– »Wißt Ihr, was ich denke? Baas Gansendonck braut sich da selbst ein gar bitteres Bier. Ueber Jungfer Lisa gehn schon gar wunderliche Gerüchte um. Die Leute reden von ihr wie die Juden vom Speck.«
– »Der Blaeskaek bekommt nur was er verdient, und die leichtsinnige Modepuppe auch. Wer mit der Katz' spielt, den kratzt sie, sagt das Sprichwort.«
– »Und der unglückliche Karl, der dumm genug ist, sich das verdrießen zu lassen. Ich ließe sie zum Guckguck fahren mit samt ihrem Herrn Baron!«
– »Da kommt Karl« – sagte einer von den Bauern, der an der Thür stand. – »Schon von Weitem kann man ihm ansehen, daß er traurig ist, er hängt den Kopf auf die Brust wie Jemand der Stecknadeln sucht. Er sieht aus als hätte er schon seinen Sarg bestellt.«
Alle steckten die Köpfe, hinaus und sahen nach Karl, der langsam mit zu Boden gerichteten Blicken und achtlos träumend über den Weg schritt.
Sus warf seinen Hammer mit Gewalt auf den Amboß und murrte in sich hinein als hätte ein plötzlicher Aerger ihm die Stimme gelähmt.
– »Was fällt Euch denn an?« – fragt er die Anderen.
– »Wenn ich Karl sehe, kocht mir das Blut« – rief Sus – »ich würde mich verbindlich machen ein ganzes Jahr kein Bier zu sehen, wenn ich dem Blaeskaek Eins auf dem Rücken schmieden könnte. – Der hochmüthige Lump! Er wird durch seine dummen Grillen eine Tochter in Schande bringen; das versteht er; aber der Leichtfuß von Mädchen verdient es auch nicht besser! Daß er mir aber meinem Freund Karl vor Verdruß die Auszehrung an den Hals bringt, und ihn in die Grube jagt, . . . einen Jungen wie ein Baum, reich, geschickt, herzensgut, der mehr werth ist als hundert solche Prahlhänse und Modepuppen – das ist zum Tollwerden. Seht, ich wünsche Niemandem Uebles, aber wenn Gansendonck zufällig den Hals bräche, so würde ich meinen das ist eine Strafe Gottes.«
– »Beruhigt Euch, Sus; Hochmuth kommt vor dem Fall. Wenn die Ameise Flügel bekommt, stirbt sie bald.«
– »Droht nicht zuviel, Sus, der Blaeskaek hat gesagt, er ließe Euch noch ins Loch stecken.«
– »Pah, ich kümmere mich soviel um den Prahler als ob er an die Mauer gemalt wäre.«
– »Aber könnt Ihr Karl nicht begreiflich machen, daß er die laufen läßt, wofür sie gut ist?«
– »Da hilft keine Salbe; je mehr sie ihn im heiligen Sebastian zum Narren halten, desto ärger wird es; sie machen ihm da weiß, daß die Katz' Eier legt; er ist ganz von Sinnen. Muth steckt auch nicht mehr in ihm; spricht man viel davon, so kommen ihm die Thränen in die Augen, er kehrt sich um und guten Tag bis Morgen!«
»Kann denn Kobe seinem Baas nicht begreiflich machen, daß wenn eine Krähe mit Schwanenfedern fliegen will, sie gar bald niedertaumelt, und im See ertrinkt?«
– »Baas und Knecht sind über denselben Kamm geschoren: zwei nasse Säcke trocknen einander nicht.«
– »Schweigt, Sus, da ist er; ich glaube, er kommt nach der Schmiede.«
Wirklich trat Karl ein und grüßte die Anwesenden mit erzwungenem Lächeln. Sprachlos ging er an die Werkbank und drehte träumerisch am Schraubstock, oder nahm achtlos irgend ein Werkzeug in die Hand, während die jungen Bauern ihn neugierig und mitleidig betrachteten.
Ein unaufhörliches Leid mußte in der That an ihm nagen, so hatte er sich in der kurzen Zeit verändert. Sein Gesicht war blaß und aschfahl, seine Augen irrten glanzlos umher oder starrten eigensinnig auf gleichgültige Gegenstände; eine Wangen waren eingesunken und abgemagert. In seiner ganzen Erscheinung lag etwas, das von Versäumniß und Unachtsamkeit zeugte; seine Kleider schienen nicht so sauber wie zuvor. Sein Haar fiel verwirrt auf seinen Hals.
– »Nun Karl,« – rief Sus – »Du trittst hier schon wieder ein wie der liebe Sonnenschein, ohne zu reden. Komm, komm, wirf die häßlichen Gedanken über den Zaun und denke daß Du besser seiest, als die so Dich ärgern. Mach' ein Kreuz darüber und trink ein gut Maaß Bier darauf; mit all der Betrübniß schaffst Du dem Blaeskaek doch keinen Verstand. – Und aus einer leckeren Tochter machst Du auch nichts Anderes als eine . . . «
Karls Zittern und dessen wilder Blick machten daß ihm das Wort im Munde stecken blieb.
– »Ja« – fuhr er fort – »ich weiß wohl daß ich das Fäßchen nicht aufdecken darf; Du schlachtet die schlechten Kranken und schüttet die Medicin in den Graben; aber das giebt's nicht her, die tollen Grillen dauern zu lange. Weißt Du was der Blaeskaek sagt? Mammasell Lisa verheirathet sich mit Herrn von Bruinkasteel, vor Notar und Priester.«
»Ich gönne sie ihm lieber als mir« – sagte ein Anderer – »er wird was Schönes an ihr haben, der verlaufenen Bäuerin, die mit ihrer Tugend keinen Weg mehr weiß.«
Karl hatte die Faust krampfhaft um den Schraubstock gedrückt und blickte die Redenden zornig an.
– »Lisa« – seufzte er mit dumpfem Ton – »Lisa ist unschuldig und rein. Ihr redet böse und unrechtlich.«
Nach diesen wenigen Worten wandte er sich um und verließ die Schmiede mit langsamem Schritt, ohne auf das zu achten was sein Freund Sus ihm noch zurief.
Er ging queer über den Weg und schlug einen Fußsteig ein, der nach den Feldern führte. Unterwegs redete er mit unter laut zu sich allein, blieb stehen und stampfte mit dem Fuße, ging dann wieder rasch weiter und so träumerisch hinschlendernd entfernte er sich immer mehr vom Dorfe, bis er plötzlich an der Ecke eines Tannenhölzchens seinen Namen rufen hörte.
Dort sah er den Knecht des Baas Gansendonck auf dem Ranft sitzen, mit einer Flasche in der einen und einem Stück Fleisch in der anderen Hand; ein Jagdgewehr lag neben ihm.
– »Ha, Kobe« – rief der Jüngling freudig – »was thut Ihr hier?«
– »Eine neue Grille von unserem Baas« – antwortete der Knecht. – »So oft er mich nur entbehren kann, muß ich hier den Holzvoigt spielen. Ich sitze da und passe auf, daß die Bäume nicht wegfliegen.«
»Geht ein Bisschen mit mir!« – bat Karl.
»Ich bin gerade mit dem Essen fertig,« sagte der Knecht aufstehend. »Seht Karl, das ist ein schönes Jagdgewehr; der Hahn ist so eingerostet daß man ihn nicht spannen kann und wenn man ein Pferd davor spannte, und der Lauf ist nun bereits seit zwanzig Jahren und drei Monaten geladen; wie der Meister so die Waffe.«
»Kommt Kobe,« antwortete der Brauer, als der Knecht zu ihm trat, »sagt mir etwas, das mich trösten kann. Wie steht es zu Hause?«
– »Ich weiß nicht, Karl, auf welcher Seite ich den verfaulten Apfel anpacken soll. Drüben gehts schief; der Baas weiß ich nicht vor Freuden zu lassen; er träumt laut von Baronen und Schlössern; wohl drei Mal täglich läuft er zum Notar.«
– »Weswegen? Was bedeutet das?« – fragte Karl erschreckt.
– »Er sagt, Lisa werde sich binnen Kurzem mit Herrn von Bruinkasteel verheirathen.«
Der Brauer erblaßte und sah den Knecht traurig und bestürzt an.
– »Ja,« fuhr Kobe fort – »der junge Baron weiß Nichts davon und denkt nicht daran.«
– »Und Lisa?«
– »Lisa auch nicht.«
– »Ach!« – seufzte Karl als fiele ihm ein Stein vom Herzen. – »Ihr habt mir weh gethan!«
– »Wäre ich Ihr« – hub Kobe wieder an – »ich müßte hell sehen in der Sache läßt man das Unkraut zu lange wuchern, frißt es das schönste Korn auf; Ihr kommt nie nach dem heiligen Sebastian als wenn Herr von Bruinkasteel weggegangen ist; Ihr sitzt dort halbe Tage bei Lisa und grämt Euch, daß es einen Stein erbarmen müßte. Fragt Lisa Euch nach der Ursache Eurer Betrübniß, so macht Ihr ihr weiß, daß Ihr krank seid und sie glaubt es Euch.«
– »Aber Kobe, was kann ich thun? So wie ich das kleinste Wort davon anhebe, so brechen ihr die Thränen aus den Augen! Sie begreift mich nicht.«
– »Weiberthränen sind wohlfeil, Karl; daraus würde ich mir nicht viel machen; wenn das Kalb ertrunken ist, hilft es Nichts mehr den Brunnen zu leeren. Bei einer Wurst bleibt ein Hund nicht lange.«
– »Was wollt Ihr damit sagen?« – murmelte Karl erschreckt – »habt Ihr Lisa im Verdacht? Fürchtet Ihr, daß sie . . . ?«
– »Wenn ich wüßte daß ein Haar auf meinem Kopfe Böses von Lisa dächte, ich risse es aus. Nein, nein, Lisa ist unschuldig. Die Aermste bildet sich ein dies Scherwenzeln und Französisch parlieren wären feine Manieren. Und wenn die auch, aus Liebe zu Euch, den Baron kühl abfertigt, so kommt der Baas und zwingt sie zur Freundlichkeit. Herr von Bruinkasteel muß sehr gut sein. Der Baas wirft ihm Lisa zehn Mal jede Woche in die Arme.«
– »Wie? In die Arme!« – rief Karl heftig.
– »Das ist nur eine Redensart «– fuhr der Knecht fort – »versteht Ihr mich nicht, desto besser!«
– »Was soll ich thun?« – rief Karl verzweiflungsvoll den Boden stampfend.
– »Unter dem Sande liegt es nicht verborgen, Karl.
– Wäre es meine Sache, ich schlüge gerade durch; besser eine Scheibe zerbrochen, als das Haus verloren.«
– »Was wollt Ihr sagen, um Gottes willen, redet deutlicher!«
– »Nun fangt Streit an mit Herrn Victor; wenn es auch einen Kampf giebt, so bringt es doch eine Veränderung zuwege und das Schlechte wird durch Veränderung gewöhnlich besser.«
– »Wenn er mir nur eine Ursache gäbe« – rief Karl – »aber Alles was er sagt und thut ist so schlau berechnet, daß man keine Rache nehmen kann und sollte an bersten.«
– »Kommt, kommt; wer finden will, der braucht nicht lange zu suchen. Tretet ihm vorsichtig auf den Fuß; Ihr wißt schon, fein bäurisch, mit Sammetschuhen. Da wird das Spiel schon losgehn.«
– »Ach, Kobe, was würde Lisa dazu sagen? Soll ich ihrem Ruf schaden durch eine Handlung aus der man abnehmen kann, daß ich gleichfalls Böses argwöhne?«
– »Ihr, liebe Unschuld; glaubt Ihr, Lisa sei nicht schon in der Leute Mäuler? Täglich wird ihr das Aergste nachgesagt? Die ganze Sache hängt am Glockenseil und Jeder hängt noch etwas hinzu.«
– »Gott, Gott! sie ist unschuldig und man klagt sie schlechter Handlungen an!«
– »Karl, Karl! Ihr habt kein Blut mehr im Herzen. Ihr seht das Böse täglich wachsen und senkt den Kopf dazu, wie ein ohnmächtiges Kind. Ihr seht, daß Alles sich verbindet Eure unschuldige Braut in das Verderben zu stürzen; Victors verlockende Reden, der verrückte Hochmuth ihres Vaters, und ihre eigene Sucht nach allem Städtischen. – Niemand kann etwas thun um sie zu retten, als Ihr . . . und Ihr seid wie ein Schutzengel der einschläft, wenn der Teufel sich daran macht, das Seelchen zu übertölpeln. – Durch Euere behutsame Nachgiebigkeit jetzt Ihr Lisa hilflos der drohenden Gefahr aus. Wenn sie unglücklicher Weise strauchelt, wer hat Schuld. Hilf dir selber, so hilft dir Gott; habt Muth, haut zu, seid ein Mann! – Sagt nicht das Sprichwort: Weil die sich irren, so wissen den Weg, frißt der Wolf das Schäflein weg.«
Karl antwortete erst nach einer Pause.
– »Ach, ach,« seufzte er – »Alles erschreckt mich! Was kann ich thun? Sowie mich Lisa ansieht, sinkt mir der Muth. Kobe, mir ist das Herz krank, ich muß ein bitteres Loos ertragen.«
– »So vertheidigt sie wenigstens gegen den schmählichen Hohn des Barons selbst.«
– »Hohn! Hat er sie verhöhnt?«
– »Wißt Ihr, was Herr von Bruinkasteel vorgestern spottend zu seinen Kameraden sagte? Adolphs Jäger war dabei.«
Er näherte sich dem Brauer und flüsterte ihm einige Worte in das Ohr.
»Ihr lügt, Ihr lügt!« – rief Karl, den Knecht von sich stoßend. – »Das hat er nicht gesagt!« —
– »Wie Ihr wollt, Karl« – brummte Kobe; – »mir kann's auch recht sein; ich lüge und der Jäger lügt; es ist nicht wahr, es kann nicht sein, Herr von Bruinkasteel hat Lisa viel zu lieb um so etwas zu sagen.«
Karl hatte den Stamm einer Tanne gepackt und hielt sich daran fest; seine Brust keuchte heftig, er athmete röchelnd und seine Augen funkelten von seltsamer Gluth unter den zusammengezogenen Brauen. Was der Knecht ihm in das Ohr geraunt hatte, mußte ihm eine tiefe Wunde versetzt haben, denn er stand da, zitternd wie ein Schilfrohr und zornig wie ein Löwe.
Plötzlich ballte er dem Knecht die Faust entgegen und rief ganz außer sich:
– »Ha, es ist also ein Mord, den Du mir anräthst, Teufel?«
Kobe wich erschreckt einige Schritte zurück und stammelte:
– »Karl, ist das Spaß oder Ernst, daß Ihr ein Gesicht zieht wie eine Hungersnoth? Ich habe Euch nichts Böses gethan. Wollt Ihr mich lieber von hinten sehn, so braucht Ihr es nur zu sagen; mit einem guten Tag ist Alles gethan und Jeder geht seines Weges.«
– »Bleibt hier!« schrie der Brauer.
– »So macht die Hände auf,« – antwortete Kobe – »ich sehe nicht gern geballte Fäuste.«
Karl schlug von Neuem die Augen zu Boden und blieb lange unbeweglich stehen, ohne sich nach dem Knecht umzuschauen. Endlich hob er den Kopf empor und fragte mit bebender Stimme.
– »Kobe, ist Victor von Bruinkasteel um diese Zeit im heiligen Sebastian?«
– »Ja – aber —« rief der Knecht ängstlich – »Ihr geht nicht dorthin, Karl; ich lasse Euch nicht hin und müßte ich mit Euch ringen, bis kein Glied an meinem Leibe mehr lebendig ist. Ich begreife Euch nicht, Ihr seid, wie das Sprichwort sagt: Bald zu weise, bald zu dumm, aber immer queer und krumm. Ihr würdet schöne Dinge anstiften im heiligen Sebastian. – Ihr seid ja wie ein wildgewordener Stier.«
Ohne auf seine Reden zu achten, wendete sich Karl um und schlug hastig die Richtung nach Baas Gansendoncks Wohnung ein. Der Knecht ließ ein Gewehr fallen, sprang dem Brauer vor und hielt ihn mit Gewalt zurück.
»Laßt mich gehen« – sagte Karl, indem er Kobe bitter lachend ansah – »Ihr werdet mich doch nicht hindern. Warum wollt Ihr mich zwingen Euch ein Leid anzuthun?«
Die Kälte, mit der er diese Worte sprach, setzte den Knecht in Erstaunen, er ließ ihn jedoch nicht los, sondern fragte ihn:
»Wollt Ihr mir geloben, daß es bei Warten bleibt, und daß Ihr die Fäuste im Sacke behaltet?«
– »Ich will niemandem etwas thun« – entgegnete der junge Brauer.
– »Was wollt Ihr denn eigentlich?«
– »Euern Rath befolgen, Kobe; Rechenschaft fordern von Allen und gerade heraus sagen, was mir auf dem Herzen liegt. Fürchtet Nichts, Kobe, ich vergesse nicht, daß ich eine Mutter habe.«
– »Aha, Euer Verstand ist wiedergekommen? Ihr könnt dem Wetterhahn auf dem Thurm eine Lektion geben! Ihr heuchelt nicht, nicht wahr? Nun dann ehe ich mit. Bleibt kalt und standhaft, Karl; kühn gesprochen ist halb gefochten. Macht ein Bisschen Lärm, zeigt die Zähne und lest dem Baas einmal ein Evangelium; vor Muth bekommt er das Fieber nicht. Gott weiß, wenn Ihr ihm ordentlich auf den Leib rückt, ob er nicht selbst den Baron sucht, an seiner Thür vorüber zu gehen und dann: auf Leid folgt Freud! Mir däucht, ich sehe den Spielmann schon auf dem Dache sitzen.«
Sie gingen Beide mit gemäßigten Schritten den Weg entlang; der Knecht eröffnete dem Jüngling eine trostreiche Aussicht und ermuthigte ihn sanft, aber besonnen zu sein, indem er ihm rieth dieses Mal nicht eher auf Lisas Thränen zu achten, als bis er sein vorgestecktes Ziel gänzlich erreicht habe.
In der Nähe des heiligen Sebastian verließ Kobe seinen schwermüthigen Begleiter, mit der Bemerkung, es sei für ihn noch zu früh, nach Hause zu kehren, er müsse noch eine ganze Stunde den Holzvogt spielen.
Karl drückte ihm dankbar die Hand und versprach seinen Rath zu befolgen. Sobald der Jüngling sich allein befand, kam es ihm vor, als sei ihm eine Binde von den Augen genommen und er durchschaue jetzt erst klar, was sich zutrage und was er thun müsse. Er nahm sich vor vom Baas Gansendonck Rechenschaft über dessen Benehmen zu fordern und ihn zu überzeugen – mochte er böse werden oder nicht – daß seine Thorheit nicht allein Lisa um ihren guten Ruf bringe, sondern selbst ihrer Ehrbarkeit gefährlich werde. Während er sich der Wohnung näherte, zeigte des Jünglings Gesicht Entschlossenheit.
Als er jedoch vor der Hinterthür des heiligen Sebastian anlangte, änderte sich aber plötzlich diese Gemüthsstimmung.
Drinnen erklang die verführerische Stimme des Barons. Dieser fang eine französische Romanze, deren Ton und Weise Liebe und Zärtlichkeit athmeten.
Als Karl den Gesang hörte, blieb er bebend stehen und lauschte mit fieberhafter Aufmerksamkeit.