Kitabı oku: «Baas Gansendonck», sayfa 4
Krampfhaft zuckten die Hände des Brauers; ein furchtbarer Sturm begann in einer gefolterten Seele zu toben.
»Ayez moins de rigueur;
Si mon amour vous touche,
Qu'un mot de votre bouche,
Couronne mon ardeur!«
Furchtsam vermischte sich Lisas Stimme mit dem Gesange; sie sang gleichfalls die zärtlichen Worte.
Ungestüm brauste das Blut durch die Adern des Jünglings; seine Augen funkelten, knirschend biß er die Zähne zusammen, und als die letzten Verse der Romanze aus Lisas und des Barons Munde zugleich ihm wie verzehrende Feuerfunken auf das Herz fielen, sträubte sich ein Haar auf seinem Kopfe empor:
»Pitié mon trouble est extrême.
Ah, dites je vous aime!
Je vous aime!
»Bravo, Bravo!« – rief der Baas in die Hände klatschend; – »ach, wie schön!«
Ein dumpfes Röcheln drang aus der Kehle des Jünglings, während er in das Haus trat.
Bei einem Erscheinen im Zimmer, sprangen Alle vor Schreck oder Ueberraschung in die Höhe; Lisa stieß einen gellenden Angstschrei aus und streckte bittend die Arme gegen Karl aus; der Baron sah ihn stolz und fragend an, der Baas stampfte ungeduldig mit den Füßen und murmelte höhnisch etwas in sich hinein.
Eine Weile blieb Karl wie sinnlos, die Hand auf einen Stuhl gelegt, stehen; er zitterte so heftig, daß seine Beine fast unter der Last seines Körpers zusammenknickten; sein Gesicht war todtenbleich, krampfhafte Zuckungen liefen ihm über Stirn und Wangen; ein ganzes Wesen mußte etwas Schreckliches haben, denn der Baron, wie muthig er sonst auch war, erbleichte gleichfalls und trat einige Schritte zurück, um aus dem Bereich des wüthenden Brauers zu kommen. Baas Gansendonck allein schien Karls zu spotten und betrachtete ihn mit verächtlichem Lachen.
Plötzlich schleuderte der junge Mann einen feurigen Blick voll Haß und Rachsucht dem Baron in die Augen, der sich dadurch beleidigt fühlte und trotzig ausrief:
»Nun, was soll das Kinderspiel hier? Wißt Ihr wen Ihr vor Euch habt? Ich verbitte mir ein solch impertinentes Anglotzen!«
Wüthend packte der Brauer den Stuhl und wollte ihn emporheben, um den Baron damit zu Boden zu schlagen, aber ehe er dies thun konnte, hing Lisa schreiend und bitterlich weinend an seinem Halse. Sie blickte ihm so flehend, so liebreich in die Augen, sie nannte ihn mit so süßen Namen, daß er gleich darauf kraftlos den Stuhl fallen ließ, während er mit einem tiefen Seufzer zu ihr sagte:
»O, Dank, Dank, Lisa; Ihr habt mich gerettet; ohne Euch wäre es geschehen.«
Das Mädchen hielt seine beiden Hände fest und fuhr fort ihn durch Worte der Liebe zu beruhigen und zu trösten; sie merkte wohl an einem ganzen Wesen, daß der Zorn noch heftig in einem Innern loderte und bemühte sich die Ursache seiner Heftigkeit aus dem Wege zu räumen.
Mittlerweile näherte sich der Baron der Thür und wollte das Haus verlassen; aber Baas Gansendonck rief demselben zu:
»Nun, Herr Baron, fürchten Sie sich denn vor einem verrückten Bauer. Bleiben Sie doch, ich lasse ihn durch meine Knechte hinauswerfen.«
– ›Ich fürchte mich vor keinem verrückten Bauer auf der ganzen Welt,‹ – antwortete der Baron – aber es paßt sich nicht für mich mit einem verrückten Bauer in Streit zu gerathen.«
Bei diesen beleidigenden Worten sprang Karl empor, riß sich aus den Armen seiner Geliebten los und eilte nach der Thür, um dem Baron auf die Straße zu folgen; Baas Gansendonck hielt ihn jedoch fest und rief im höchsten Zorn:
– »Halt, Kerl, wir Beide jetzt! Es dauerte schon zu lange! Was, Ihr wollt die Leute aus meinem Hause jagen und hier den Baas spielen! Den Herr Baron von Bruinkasteel mit Stühlen schlagen! Was hindert mich, daß ich nicht die Gensdarmen holen lasse? Kommt nun, ich will Euch Dinge sagen, die meine Tochter nicht zu hören braucht, – so soll es mit einem Male abgemacht werden, oder ich will Euch zeigen, wer hier der Herr ist.«
Ein bitteres Lächeln umspielte Karls Lippen; er folgte dem Baas in ein anderes Zimmer. Dieser verriegelte die Thür und stellte sich dann stumm, aber mit drohenden Blicken vor den Brauer, der sich augenscheinlich Gewalt anthat, um seinen Zorn zu bezwingen und so ruhig zu sein; wie es ihm in diesem erwünschten Zwiegespräche nothwendig war, um seinen Zweck zu erreichen.
– »Zieht nun so viel Fratzen wie Ihr wollt,« – sprach der Baas – »ich lache über Eure dummen Grillen. Nun sagt mir aber rasch, wer Euch das Recht giebt, in mein Haus zu kommen und ungezogen gegen Jedermann zu sein? der meint Ihr etwa, Ihr hättet meine Tochter gekauft?«
– »Reizt mich nicht, um Gottes Willen« – bat Karl – »steht mir nur Rede, ich will verständig mit Euch sprechen und wollt Ihr mich nicht begreifen, so gehe ich und komme nie wieder über Eure Schwelle.«
– »Nun, da bin ich doch neugierig; ich weiß zwar, was für ein Liedchen. Ihr fingen werdet, aber es soll Euch doch nicht glücken; Ihr klopft an eines tauben Mannes Thür.«
– »Mein Vater hat Euch beigestanden, Euch vom Untergang gerettet. Ihr habt ihm auf seinem Todtenbette gelobt, daß Lisa meine Frau werden sollte; Ihr habt unsere Liebe ermuthigt . . . «
»Die Zeiten ändern sich und die Menschen auch!«
»Jetzt, da Ihr Koth geerbt habt, Koth, den man Geld nennt, wollt Ihr nicht allein als ein Undankbarer Euer heiliges Wort brechen, sondern Ihr befleckt auch den guten Ruf meiner Verlobten. Für die Hoffnung einer unmöglichen Standeserhöhung, verkauft Ihr ihre Keuschheit, schleift ihre Ehre durch den Gassenschmutz . . . «
– »Oho, was ist das für ein Ton und mit wem meint Ihr zu reden?«
– »Und mich tödtet Ihr durch Aerger und Verzweiflung. Nicht, weil Ihr mir Lisa rauben wollt! Nein, das könnt Ihr nicht, denn sie liebt mich. Aber kann es eine größere Marterqual geben, als seine Geliebte, seine Braut vor seinen eigenen Augen verderben zu sehn, sie beflecken zu sehn durch Alles, was die Stadt Leichtfertiges und Sittenloses ausbrütet? Sie vor dem Altar erwarten zu müssen in das zerrissene Gewand gemordeter Seelenreinheit gehüllt?«
– »Wo habt Ihr das Wischiwaschi gelernt? Das versteh' der Guckguck! Ich bin der Herr und was ich thue ist wohlgethan, oder glaubt Ihr, daß Ihr mehr erstand habt, als Baas Gansendonck?«
»O, Ihr Blinder, Ihr zwingt Euere Tochter die vergifteten Worte des Barons anzuhören; jede seiner Schmeicheleien ist ein Schmutzfleck auf ihre reine Seele. Ihr stoßt sie ins Verderben und fällt sie, ach, so hat der Vater selbst die Grube gegraben, in der die Ehre seines Kindes zugrunde gehen muß. Was hofft Ihr denn? Daß sie sich mit Herrn von Bruinkasteel verheirathe? O, das ist unmöglich. Wären auch sein Vater und seine Verwandten nicht da, um es zu hindern, so würde er selbst eine Frau verstoßen, die durch Eure unanständige Anlockung und durch eine niedrigen Absichten bereits in seinen eigenen Augen entehrt ist.«
– »Fahrt nur fort,« – spottete Baas Gansendonck, – ich wußte nicht, daß Ihr so viele Noten für Euer Lied hattet? Sie sollte sich mit dem Baron nicht verheirathen? Das wollen wir doch sehn. Wenn Ihr Euch gut betragen wollt, könnt Ihr zur Hochzeit kommen. Schlagt Euch die Liebe aus dem Sinn, Karl, das i das Beste, was Ihr thun könnt; Ihr möchtet sonst noch daran ersticken! Bleibt lieber im Guten aus unserem Hause fort – denn Ihr seht doch wohl ein, daß der Bar nun fast den ganzen Tag hier sein wird und Ihr ihm nur zwischen die Beine lauf er ist nicht der Mann, um viel mit Bauern umzugehen.«
– »Also, mein tödtlicher Schmerz vermag Nichts über Euch? Er soll also vor wie nach kommen, ihr schmeicheln, die mit schändlichen Worten betrügen, von Lust und Leidenschaft fingen und meiner Lisa Herz mit dem Gifte füllen, das alle Sittsamkeit zerstört?«
– »Gift? Was das für Redensarten sind! Weil Ihr es ihm nicht nachmachen könnt. So reden die Bauern immer von den Stadtleuten; sie bersten vor Neid, wenn sie Jemanden sehen, der gute Manieren hat und artig ist. Aber macht Eurem Herzen Luft, Freund, fahrt nur fort, es hilft Euch doch Nichts. Der Baron soll vor wie ich kommen und Lisa soll gnädige Frau werden! Und wenn Ihr Euch den Kopf e zwei liest, es sollte Euch doch nicht mehr helfen als eine Fliege in Eurem Braukessel. Ich habe das Recht, mit meinem Hause und meiner Tochter zu thun was ich will und Niemand hat seine Nase hinein zu stecken, Ihr so wenig wie ein Anderer.«
– »Das Recht!« – rief Karl bitter lachend – »das Recht, die Ehre Eueres Kindes zu morden! Sie, rein und unschuldig wie sie ist, der Lästerung aller Menschen preis zu geben? Sie als die leichtfertige Liebste eines liederlichen Junkers dem Allgemeinen Spott und der allgemeinen Verachtung zur Beute zu machen? Nein, so Recht habt Ihr nicht! Mir gehört Lisa! Will Ihr Vater sie in den Schlamm der Schande hinabdrücken, so werde ich sie siegreich herausreißen. Meine Pflicht habe ich vergessen; aber jetzt ist's geschehen. Euer Baron soll fort bleiben. Lisa soll wider Euren Willen gerettet werden. Nein, ich respectire Eure unglückliche Ehrsucht nicht mehr.«
– »Ist das nun Alles, was Ihr zu sagen habt?« – fragte Baas Gansendonck mit der größten Gleichgültigkeit. – »Dann will ich Euch nur sagen, daß ich Euch mein Haus verbiete, und wenn Ihr es wagt, wieder hierher zu kommen, so lasse ich Euch durch den Feldwächter und meine Knechte aus der Thüre werfen!«
– »Eine Herberge steht Jedermann offen.«
– »Es sind Zimmer genug in meinem Hause, wo der Baron mit meiner Tochter sprechen kann.«
Ermattet und muthlos sank der Jüngling in einen Stuhl, ließ den Kopf sinken und blieb sprachlos, die Augen zu Boden geheftet, sitzen.
– »Nun, nun!« – sagte der Baas – »schlagt Eure Augen nur auf! Der blaue Schein wird bald geheilt sein. Geht nach Hause und bleibt fortan aus dem heiligen Sebastian weg, ohne Euch weiter um Lisa zu bemühen. Unter dieser Bedingung wollen wir künftig auch gute Freunde bleiben; ich werde Euren Hochmuth und Eure seltsamen Grillen vergessen. Späte Vernunft ist auch Weisheit! Na, geht Ihr nun?«
Karl fand auf. Sein Gesicht hatte eine vollkommene Umwandlung erfahren. Die Spannung, in der er sich befunden, hatte aufgehört, der fieberhafte Anlauf zur That ihn erschöpft; die Fruchtlosigkeit seiner Worte ihn alles Muthes beraubt. Flehend und die Hände faltend trat er vor den Baas und bat mit thränenden Augen:
– »O Gansendonck, habt Mitleiden mit mir und mit Lisa! Seid überzeugt, ich muß sterben . . . Bei dem Andenken meines Vaters beschwöre ich Euch, öffnet die Augen, gebt mir Eure Tochter zur Frau, ehe ihr Name ganz entehrt ist. Ich will sie glücklich machen, sie lieben, wie ein Sklave für sie sorgen und arbeiten. Ich werde Euch ehren, gehorchen, Euch lieben wie ein Sohn, und Euch dienen wie ein Knecht.«
Als er sah, daß Karl sich so vor ihm erniedrigte, fühlte der Baas einiges Mitleiden mit ihm und antwortete:
– »Karl, ich will nicht sagen, daß Ihr nicht ein guter Junge seid, und daß meine Lisa nicht einen guten Mann an Euch haben würde.«
– »O Baas, um Gotteswillen!« – bat der Jüngling, ihm voll Hoffnung in die Augen blickend – »erbarmt Euch meiner, gebt mir Lisa zur Frau; ich will mit kindlicher Unterwürfigkeit Eure leisesten Wünsche erfüllen, die Brauerei verkaufen, auf einem Herrenhofe wohnen, dem Bauernstande entsagen, meine Lebensweise ändern.«
– »Es kann nicht mehr sein, lieber Karl; es ist zu spät.«
– »Und wenn Ihr nun gewiß wißt, daß es mein Tod sein wird?«
– »Das sollte mir wahrlich leid thun; aber ich kann Euch nicht zwingen am Leben zu bleiben.«
– »O Gansendonck!« – rief der Jüngling, niederknieend und die Arme ausstreckend – »gebt mir Hoffnung, mordet mich nicht!«
Der Baas hob ihn auf und sagte:
– »Aber habt Ihr denn den Verstand verloren, Karl? Ich kann ja Nichts mehr thun. Bedenkt doch, wie die Sachen stehn. Morgen speisen wir auf dem Jagdhof bei dem Baron. Er giebt Lisa zu Ehren ein Fest.«
– »Sie? sie? meine Lisa? auf dem Jagdhofe bei dem Baron? O, Ihr zerstört ihre Ehre auf immer, unrettbar. Es ist ja nicht eine einzige Dame auf dem Jagdhof.«
– »Sie soll das Jagdschlößchen ihres künftigen Mannes kennen lernen.«
– »Also keine Hoffnung mehr! Für sie die Schande, für mich das Grab!« – schrie der Brauer verzweifelnd, während er beide Hände vor die Augen schlug und eine Thränenfluth ihm von den Wangen rollte.
– »Ich beklage Euch, Karl!« – sprach der Baas gleichgültig – »Lisa soll gnädige Frau werden! Es stand droben geschrieben, und es soll geschehn!«
Er faßte den betrübten Karl sanft bei der Schulter und schob ihn nach der Thür, indem er sagte:
– »Kommt! es hat nun lange genug gedauert, und es hilft doch Nichts! Geht nur nach Hause . . . und redet nicht mehr mit Lisa, hört Ihr?«
Karl ließ sich kraftlos und stumm fortschieben. Er senkte den Kopf vornüber, und die Thränen aus seinen Augen fielen auf die Erde. In das Zimmer tretend, in dem Lisa sich befand, warf er, wie ein ewiges Lebewohl, noch einen sterbenden Blick auf sie . . .
Die Jungfrau, welche schon lange mit tiefer Angst auf die undeutlichen Stimmen gelauscht hatte, welche in der Kammer ein Gespräch miteinander führten, wartete zitternd, bis die Thür sich öffnete.
Jetzt erschien ihr Geliebter vor ihr, weinend und stumm, wie ein geduldiges Schlachtopfer, das zum Tode geführt wird. Ein lauter Schrei entwand sich ihrer Brust. Sie sprang auf den Jüngling zu und schlug ihm die Arme um den Hals, ihn mit ängstlicher Gewalt von der Thüre fortreißend. Karl blickte sie geduldig an und lächelte so trübe, daß der Ausdruck eines Gesichts ihr einen neuen Angstruf erpreßte.
Mit drohenden Worten löste Baas Gansendonck die Arme seiner Tochter von Karl's Halse, schob den jungen Mann zum Hause hinaus und warf die Thür hinter ihm zu.
VI.
Wer aufgeblasen ist und dumm,
Der macht sich selbst zum Spott ringsum
Baas Gansendonck lief wie ein Narr in seinem Zimmer auf und ab, zog den Spiegel nach Vorn, um seine Beine sehen zu können und ging mit lauter Selbstbewunderung bald vorwärts bald rückwärts. Er war in Hemdärmeln und hatte ein nagelneues Beinkleid mit Strippen an. Auf einem Stuhle an der Wand lagen ein Paar gelbe Handschuhe, eine weiße Weste und ein Vorhemdchen mit einem Jabot von Spitzen.
Der Knecht stand"mitten im Zimmer und hatte ein zusammengelegtes weißes Tuch auf dem Arme. Er sah den Baas ruhig an; nur von Zeit zu Zeit spielte um seinen Mund ein fast unerklärbares Lächeln des Mitleids und der Unzufriedenheit.
– »Nun, Kobe!« – sagte der Baas freudig – »was meinst Du dazu: sitzen sie nicht gut?«
– »Das verstehe ich nicht, Baas!« – antwortete Kobe wie verdrießlich.
– »Du kannst doch wohl sehen, ob es mir gut oder schlecht steht?«
– »Ich sehe Euch lieber ohne Riemen unter der Hose, Baas, als mit Beinen, so steif wie Besenstiele!«
Verwundert hörte Gansendonck diese kecke Bemerkung; er warf einen wüthenden Blick auf den Knecht, und rief:
– »Was soll das bedeuten? Fängst Du auch schon an die Hörner herauszustrecken? Oder meinst Du, daß ich Dich bezahle und Dir zu essen gebe, um mir Dinge zu sagen, die mir nicht anstehen? Komm, laß hören! Sitzt sie mir gut oder nicht?«
– »Ja, Baas!«
– »Was? Ja, Baas!« – schrie Gansendonck, und stampfte mit dem Fuße. – »Ob sie mir gut sitzt oder nicht, frage ich Dich.«
– »Sie kann Euch nicht besser sitzen, Baas!«
– »Du bist dickköpfig! Willst Du gern Deine Rechnung gemacht haben und Dir einen andern Dienst suchen müssen? Oder hast Du es hier nicht gut genug, Schlingel? Du wünschest Dir vielleicht noch besseres Brod, als Hausbackenbrod? So kommt man vom Klee ins Unkraut; aber das Sprichwort hat Recht, wenn es sagt: Gebt einem Esel Hafer und er läuft nach den Disteln.«
Kobe sagte bittend, mit erheuchelter oder mit wahrer Angst:
– »Ach, Baas! ich habe solches Bauchgrimmen, daß ich nicht weiß, was ich sage. Ihr müßt es mir verzeihen. Eure Hose steht so schön, als ob sie Euch an die Beine gemalt wäre.«
– »So, Du hast Bauchgrimmen?« – sagte der Baas theilnehmend. – »Oeffne dort das Schränkchen und schenke Dir einen Wermuthsschnaps ein. Bitter im Mund macht das Herz gesund.«
– »O, Baas! Ihr seid sehr gut, Baas!« antwortete Kobe, und ging nach dem Schränkchen.
– »Gieb mir mein Halstuch« – entgegnete der Baas – aber vorsichtig, daß Du mir es nicht zerknüllst.«
Während er fortfuhr sich zu kleiden und zu putzen, sagte er halb träumend:
– »Na, Kobe! wie werden die Bauern gaffen, wenn sie mich vorbeigehen sehen mit einer weißen Weste, einem Jabot von Spitzen und gelben Handschuhen! Gott weiß! das haben sie in ihrem Leben noch nicht gesehen! Sehr schlau hatte ich Herrn von Bruinkasteel gefragt, wie die feinen Herren sich anziehen, wenn sie zu Tische gebeten sind, und in vier Tagen haben sie mir das in der Stadt zusammengenäht. Mit Geld kann man noch mehr als zaubern; mit Geld kann man Wunder thun. Und Lisa wird den Leuten nicht wenig in die Augen stechen mit d sechs Kragen unten an ihrem seidenen Kleide!«
– »Sechs Volants, Baas? Die gnädige Frau vom Schloß trägt ihrer nur fünf, und das auch nur am Sonntag«
– »Wenn Lisa meinen Willen thun wollte, so trüge sie ihrer zehn. Wer lang hat, läßt lang hängen, und wer bezahlen kann, mag auch kaufen! Du sollst sie nur einmal recht, wie es sich für eine gnädige Frau geziemt, vor den Bauern erscheinen sehen, Kobe! Mit einem Atlashut, auf dem Blumen hängen, wie sie im Winter auf dem Schlosse blühen!«
– »Camelias, Baas!«
– »Ja, Camelia's! Denke Dir nur, Kobe, da hatten sie mir in der Stadt nachgemachte Kornähren und Buchwaizenblumen auf Lisas Hut gesteckt! Aber das Bauernzeug habe ich einmal flink herunterreißen lassen! Gieb mir meine Weste, aber komme ihr nicht mit den Händen zu nahe!«
– »Das ist eine Kunst, die ich nicht gelernt habe, Baas!«
– »Lump! ich meine, Du sollst sie mit dem Handtuche anfassen!«
– »Ja, Baas!«
– »Sage einmal, Kobe, siehst Du mich dort auf dem Jagdhof, am Tische sitzen? Lisa zwischen mir und dem Baron! Hörst Du, wie wir uns dort Complimente machen und schöne Dinge sagen? Alle fremden Sorten Weine trinken, und Wildpret essen, das mit Saucen angerichtet ist, deren Namen der Teufel nicht behalten kann? In vergoldeten Schüsseln, mit silbernen Löffeln!«
– »Ach, Baas, schweigt still, wenn Ihr so gut sein wollt! Ich bekomme Heißhunger davon.«
– »Da hast Du auch Ursache, Kobe! Aber ich will nicht allein glücklich sein. Es ist noch ein halber Hase von Gestern da; den kannst Du aufpappeln, und ein Paar Kannen Gerstenbier kannst Du auch dazu trinken.«
– »Ihr seid sehr gütig, Baas!«
– »Und am Nachmittage kommst Du nach dem Jagdhof, um zu sehen, ob ich Nichts zu befehlen habe.«
– »Ja, Baas!«
– »Sage einmal, Kobe, ob Lisa wohl schon angezogen ist.«
– »Ich weiß es nicht, Baas. Eben als ich frisches Regenwasser holte, saß sie noch am Tische.«
– »Was hatte sie denn für ein Kleid an?«
– »Ihr gewöhnliches Sonntagskleid, glaube ich, Baas.«
– »Hat sie Dir nicht erzählt, daß ich gestern dem Brauer die Thüre gewiesen habe?«
– »Ich habe gesehen, daß sie sehr niedergeschlagen ist, Baas. Aber ich frage nicht nach Dingen, die mich nicht angehen. Der ist ein Thor, der sich die Finger an eines Anderen Kessel verbrennt.«
– »Du hast Recht, Kobe! Aber ich bin doch der Herr, mit Dir davon zu sprechen, wenn mir es gefällt. Glaubt Du wohl, daß sie den verrückten Karl noch so sehr liebt, um sich zu weigern, auf dem Jagdhofe zu speisen, weil sie den Musje hat weinen sehen, als er fortging. Den ganzen Abend habe ich mit ihr zanken müssen, um ihren Starrsinn zu brechen.«
– »Hat sie denn endlich gesagt, daß sie mitgehen will, Baas?«
– »Was? Da hat die Nichts zu sagen; ich bin der Herr!«
– »Das ist gewiß, Baas!«
– »Hat sie nicht selbst die Kühnheit gehabt, mir zu sagen, sie wolle sich nicht mit dem Baron verheirathen?«
– »So?«
– »Ja, und daß sie ihr Leben lang eine alte Jungfer bleiben will, wenn sie den lumpigen Karl nicht zum Manne bekommt. Sie würde schön da sitzen in der schmutzigen Brauerei, mit einem Spinnrad, beim Kochkessel – und wenn sie dann einmal nach der Stadt fahren wollte, da könnte sie auf den Bierwagen steigen, nicht wahr, Kobe?«
– »Ja, Baas!«
– »Komm, gib mir nun meine Handschuhe; ich bin fertig. Jetzt aber nach Lisa umgesehen! Vielleicht hat sie noch Grillen zu verkaufen. Gestern Abend wenigstens wollte sie gar keine Bekanntschaft machen mit den sechs Kragen, die ihrem neuen Kleide hängen. Lieb oder Leid, sie soll sich kleiden, wie ich meine, daß es sich für sie schickt!«
Lisa saß im Vorzimmer am Fenster; tiefe Trauer lag auf ihrem Gesichte; sie hielt eine Nadel in der einen und eine Stickerei in der andern Hand; aber ihre Gedanken waren weit davon entfernt; denn sie blieb unbeweglich, und arbeitete nicht.
– »Was ist das?« – rief Baas Gansendonck ärgerlich. – »Ich bin von Kopf zu Füßen angezogen, und Du sitzest da, als ob gar Nichts vor sich ginge.«
– »Ich bin bereit, Vater!« – antwortete Lisa mit freundlicher Gelassenheit.
– »Vater! Vater! Du willst, daß ich aus der Haut fahren soll?«
– »Ich bin bereit, Papa!« – wiederholte das Mädchen.
– »Stehe einmal auf!« – entgegnete Baas Gansendonck, mit strengem Gesicht. – »Was hast Du da für ein Kleid an?«
– »Mein Sonntagskleid, Papa!«
– »Schnell ziehst Du mir Dein neues Kleid an und setzest den Hut mit Blumen auf!«
Lisa senkte den Kopf und antwortete nicht.
– »Na, wie lange dauert es?« – schrie Gansendonck. – »Wirst Du reden oder nicht?«
– »Ach, Papa!« – bat Lisa – »zwinge mich nicht! Das Kleid und der Hut ziemen sich nicht für unsern Stand; ich wage nicht damit durch das Dorf zu gehen. Du willst, daß ich Dir nach dem Jagdhofe folge, obgleich ich Dich auf den Knieen beten habe, mich zu Hause zu lassen. Nun denn, das will ich thun; aber um Gotteswillen, laß mich in meinen Sonntagskleidern gehen!«
– »Mit einer Haube? und nur mit einem einzigen Kragen unten am Kleide?« – spottete Baas Gansendonck. »Du wirst schön aussehen an einer Tafel mit vergoldeten Schüsseln und silbernen Löffeln. Komm', komm'; mache nicht so viele Worte! Dein neues Kleid an und den Hut auf! ich will es haben!«
– »Du magst thun, was Dir gut dünkt, Papa!« – seufzte Lisa, betrübt den Kopf sinken lassend; – »Du kannst mich bestrafen, mich auszanken; ich ziehe das neue leid nicht an, ich trage den Hut nicht . . . «
Aus dem Winkel am Feuer nickte Kobe mit dem Kopf, um die Jungfrau zu ermuthigen.
Der Baas wandte sich zu dem Knechte, und fragte wüthend:
– »Na, was sagst Du zu einer Tochter, die so mit ihrem Vater zu sprechen wagt?«
– »Es ist möglich, daß die Recht hat, Baas!«
– »Was sagst Du? Du auch? Habt Ihr Euch mit einander verabredet, um mich vor Aerger bersten zu machen? Ich will es Dir lehren, Du undankbarer Lump! Morgen ziehst Du ab.«
– »Aber lieber Baas, Ihr versteht mich nicht!« – antwortete Kobe mit erheuchelter Furcht. – »Ich meine, Lisa könnte Recht haben, wenn sie nicht Unrecht hat.«
– »Na, da sprich ein anderes Mal deutlicher!«
– »Ja, Baas!«
– »Und Du, Lisa, spute Dich! Mag es Dir lieb oder leid sein, Du sollst mir gehorchen, und müßte ich Dir das Kleid mit Gewalt anziehen!«
Das Mädchen brach in Thränen aus. Ihr Vater wurde noch ärgerlicher dadurch; denn er murmelte heftig mit sich selbst und schob die Stühle durcheinander.
– »Noch besser!« – schrie er. – »Heule nur eine oder zwei Stunden, Lisa! Dann wirst Du erst recht schön aussehen, mit einem Paar rother Augen, wie ein weißes Kaninchen! Ich will nicht haben, daß Du Thränen vergießest; das ist bloß ein Pfiff zu Hause bleiben zu können.«
Das Mädchen blieb stumm und fuhr fort zu weinen.
– »Komm' nur!« – sagte der Baas mit peinlicher Ungeduld. – »Wenn es nicht anders sein kann, so kleide Dich, wie Du willst; aber höre auf zu weinen. Um Gotteswillen, Lisa, mach zu!«
Die Jungfrau fand vom Stuhle auf, ging, ohne zu sprechen, die Treppe hinauf, um sich für den Besuch auf dem Jagdhofe anzuziehen.
Sie war kaum aus dem Zimmer, als Herr von Bruinkasteel eintrat und zu dem Baas sagte:
– »Wo bleibt Ihr so lange, Herr von Gansendonck? Ich war schon besorgt, daß Euch Etwas widerfahren sein möchte. Wir warten bereits länger als eine Stunde auf Euch.«
– »Es ist Lisas Schuld,« – antwortete der Baas, – »Ich hatte ihr ein schönes neues Kleid und einen Atlashut machen lassen; aber ich weiß nicht, was ihr im Kopf steckt; sie will keine neuen Kleider anziehen.«
– »Sie hat Recht, mein Herr von Gansendonck! Sie ist auch so hübsch genug.«
– »Schöne Kleider machen sie nicht häßlicher, mein Herr Victor!«
Lisa kam wieder und grüßte den Baron mit stiller Freundlichkeit. Man las ihre Betrübniß in ihren Augen und konnte leicht sehen, daß sie geweint hatte. Sie trug ihr gewöhnliches seidenes Kleid mit dem einfachen Besatz, und hatte ein sauberes feines Spitzenhäubchen dazu auf, gesetzt. Absichtlich nahm sie ihres Vaters Arm und wollte ihn zur Thür hinausführen; der Baas ließ sie aber los und entfernte sich von ihr, als wolle er den Baron nöthigen, ihr seinen Arm anzubieten.
Herr Victor schien es nicht zu merken. Vielleicht hielt er es weder für Lisa noch für sich selbst passend, Arm in Arm durch das Dorf zu gehen.
Nach einigen Complimenten, wer zuerst aus der Thür gehen solle, verließen sie das Haus. Der Baas machte aus der Noth eine Tugend und führte die Tochter. Unterwegs sagte er spitzig:
– »Siehst Du nun wohl, Du eigensinniges Mädchen, hättest Du Dein schönes Kleid angezogen und Deinen Hut mit Blumen aufgesetzt, so würde Dir der Baron den Arm gegeben haben. Nun will er nicht; Du bist zu gemein gekleidet; das kommt davon.«
Sie mußten an der Brauerei vorübergehen. Dort hinter der Mauer des Stalles, sah das Mädchen den armen Karl stehen. Mit übergeschlagenen Armen und gesenktem Kopfe sah er sie leidend an, ohne weder Aerger noch Verwunderung zu zeigen. Ermattung, Mutlosigkeit und stille Verzweiflung waren allein in seinen Blicken zu lesen.
Lisa stieß einen Schrei der Ueberraschung aus, riß sich von ihres Vaters Arm los, und lief auf Karl zu, dessen Hände sie zitternd ergriff, unter verwirrten Ausrufungen des Trostes und süßer Zuneigung.
Baas Gansendonck näherte sich den beiden Liebenden, sah wüthend den Brauer an, und riß seine Tochter von ihm fort.
Stumm und voll bitterer Gedanken ging Lisa nun nach dem Jagdhofe des Herrn von Bruinkasteel.