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Kitabı oku: «Ein Opfer der Mutterliebe», sayfa 6

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Allmählich verlor ihre Aufregung sich gänzlich; wohl hielt sie noch immer das Kind fest an ihr Herz geschlossen, doch sprach sie in voller Ruhe mit uns und selbst mit dem Direktor. Auf ihre wiederholten Fragen, wie und wo wir Paulinchen gefunden, erzählten wir ihr eine vorbereitete Geschichte, bei deren Einzelheiten sie das Kind immer von Neuem mit Zärtlichkeiten überhäufte.

Was indessen meine arme Frau redete, war nicht geeignet mich glücklich zu machen, aus jedem ihrer Worte erkannte man deutlich, daß sie irrsinnig war, wie zuvor. Der einzige Wechsel, der mit ihr vorgegangen, bestand in der verhältnißmäßigen Ruhe, welche die Hoffnung bei uns erweckte, daß die Anfälle von Tobsucht fortan aufhören würden. War ja doch die Ursache derselben jetzt gehoben, wenigstens in ihrer Einbildung.

Ich hätte jubeln und Gott danken sollen für diese glückliche Wendung, ach, und doch konnte ich nur mühsam meine Thränen zurückhalten. Meine Frau sollte also verrückt bleiben, welch trost- und hoffnungsloser Gedanke!

Wie traurig ich auch sein mochte, empfand ich doch mit dankbarem Herzen, daß die Ruhe bei der Kranken immer mehr zunahm; ging sie doch jetzt plaudernd mit Paulinen im Zimmer auf und ab. Auch ihr Bewußtsein schien sich einigermaaßen aufzuklären, sie erinnerte uns an einzelne kleine Vorfälle aus den Tagen, die der Krankheit vorhergingen, sprach von unserm Landgut, von den Mägden und von meinem Vater. Aber sie brachte Alles mit einer so kindischen Manier und so vielen Abschweifungen des Geistes vor, daß meine schmerzliche Ueberzeugung nur dadurch verstärkt wurde.

Als wir, nach Verlauf einiger Stunden, endlich daran denken mußten, die Anstalt zu verlassen, geriethen wir in große Verlegenheit. Daß meine Frau um keinen Preis zu bewegen sein würde, sich gutwillig von dem Kinde zu trennen, lag außer aller Frage, und an ein gewaltthätiges Einschreiten war nicht zu denken, wenn man die alten Zustände nicht in erneuter Heftigkeit zurückrufen, ja selbst ihr Leben in Gefahr bringen wollte.

Mein Freund, der Doktor und ich, traten mit dem Direktor in ein anstoßendes Zimmer, um uns zu berathschlagen, und was auch der Direktor dagegen einwenden mochte, wir beschlossen endlich, Maria mit nach Haus zu nehmen. Es konnte gefährlich sein, besonders während der Nacht, doch ließen sich ja ausreichende Vorsichtsmaßregeln treffen. Der Direktor sollte uns einen seiner gewandtesten und tüchtigsten Wärter zum Landgute senden, um die Nacht dort zuzubringen und ich würde zwei Dienstmädchen und einen Bedienten in Nebenzimmern schlafen lassen, um sie im Augenblick der Noth gleich bei der Hand zu haben . . . und wenn es sich dann nöthig und unvermeidlich erweisen sollte, so müßten wir in Gottes Namen die Kranke nach der Anstalt zurückbringen.

Nachdem wir diesen Beschluß gefaßt hatten, kehrten wir in den Saal zurück, und ich sagte im fröhlichem Ton:

»Maria, wir gehen nach Haus. Du sollst in unserm schönen Garten mit Paulinchen umherspazieren, Alles soll sein wie zuvor.

Sie stieß einen Freudenschrei ans und legte ihren Arm um meinen Hals.

»O David!« rief sie aus, »Du willst mich erlösen? Ich darf mit dem Kinde nach Hause zurückkehren? Ja, nun bin ich genesen. Ich wagte es nicht zu hoffen, aber nicht wahr, David, du hast mich immer noch lieb? Ach wie glücklich werden wir sein! Komm, Paulinchen, komm; in meinem Schrank liegt ein Kleidchen von himmelblauem Atlas für Dich, das du noch nicht gesehn hast. Ich will es Dir anziehn und dir einen Kranz von goldenen Blumen aufsetzen; und Flügel von Spitzen will ich dir machen, Du sollst schön und bezaubernd sein, und fliegen können wie ein Engelchen im Himmel!«

So jubelnd folgte sie uns an das Thor, wo man eben beschäftigt war, unsern Wagen anzuspannen.

Dem Direktor drückte sie freundlich die Hand, grüßte auch ihre Wärter, gab jedoch sorgsam Acht, daß Pauline zuerst in den Wagen stieg; offenbar fürchtete sie noch immer, von dem Kinde getrennt zu werden.

Unterwegs zeigte sie sich sehr heiter und erfreut, das Landbaus wiederzusehn, auch beschäftigte sie sich fortwährend mit dem Kinde, ordnete seinen Anzug, wand seine Locken um ihre Finger und streichelte es unaufhörlich. Die kleine Pauline war in der That ein verständiges, geduldiges Geschöpfchen, denn sie ließ alle die fieberhaften Liebkosungen ruhig über sich ergehn. und wenn meine Frau Etwas sagte oder fragte, das unser Geheimniß in Gefahr bringen konnte, schwieg Paulinchen oder fing von etwas Anderem zu plaudern an. Das gute Kind hatte seine Aufgabe wohl begriffen, und spielte mit Behendigkeit und Geschick die ihm zugewiesene Rolle.

Wir brachten meine Frau und Paulinchen nach oben und ließen sie in dem großen Zimmer nach Herzenslust spielen und sich herumtreiben; waren es doch beide Kinder, und das kleinste wahrlich nicht das unverständigste.

Alle Spielsachen, alle Kleiderchen, Korallen- und Perlenschnüre des verstorbenen Kindes wurden hervorgeholt, Paulinchen wurde geschmückt, geputzt und auf alle mögliche Weise frisiert. Meine arme Frau jauchzte, sang und tanzte mit so kindischer Ausgelassenheit, daß der Anblick ihrer Freude mir das Herz beklemmte.

Ich zog mich in ein anderes Zimmer zurück, und vergaß, dort in der Einsamkeit einen Strom bitterer Thränen. Der Doktor folgte mir, und es gelang ihm, mir einigen Muth zurückzugeben. Er suchte die Hoffnung in mir zu wecken, daß der Verstand meiner Frau nach und nach zurückkehren werde. Vorläufig, meinte er, würde sie schwachsinnig bleiben, aber nach und nach würde das Bewußtsein so klar werden, daß jede Furcht vor heftigen Anfällen schwinden müsse. Und war es nicht in der That eine große Hauptsache, daß sie glücklich und befriedigt ein stilles Leben führen würde? . . . Er hatte Recht, mein guter Freund, aber, o Himmel, eine schwachsinnige Frau für immer! Welche Aussicht in die Zukunft!

Der Arzt verließ uns jetzt, um nach seinen andern Kranken zu sehn.

Während ich nun die Mägde mit meinen Anordnungen nach oben sandte, versammelte ich noch einmal die übrige Dienerschaft, um Allen nicht allein Wachsamkeit und Sorgfalt für die kommende Nacht, sondern mehr noch Vorsicht für die Zukunft überhaupt anzuempfehlen. Wer in Gegenwart meiner Frau ein unüberlegtes Wort sprechen, oder sich nicht so verhalten würde, als wenn die kleine Pauline wirklich unser wiedergefundenes Kind sei, der müßte denselben Augenblick sofort das Hans verlassen.

Im Laufe des Tages und Abends hielt ich mich meistens in der Nähe des Zimmers auf, in dem meine Frau sich mit dem Kinde befand. Wiederholt umarmte sie mich mit Worten des Dankes, während ich versuchte, eine Unterhaltung mit ihr anzuknüpfen; ach nur zu oft verlor sich der kranke Geist in kindischen Abschweifungen, die vielleicht einen unbefangenen Zuhörer zum Lachen gebracht hätten, mich aber in Angst und Verzweiflung erzittern ließen.

Als es schon ziemlich spät geworden und das vom Spielen müde Kind auf dem Teppich eingeschlummert war, legte Maria es in sein Bettchen. Ich suchte unter irgend einem Verwand, sie zu veranlassen, sich in ein anderes Zimmer schlafen zu legen, allein daran war nicht zu denken. Dicht neben der Kleinen ging sie zur Ruhe und war bald darauf fest eingeschlafen.

Die Nacht verging ohne Unfall; zweimal stand Maria auf, um nach dem Kinde zu sehn, doch kehrte sie alsbald leise wieder in ihr Bette zurück.

Des Morgens in aller Frühe fand ich die Beiden wieder fröhlich spielen.

So vergingen viele Tage, selbst Wochen, ohne daß in dem Geisteszustand ein anderer Wechsel bemerkbar gewesen wäre als die immer zunehmende Ruhe. Ich war fest überzeugt, daß ihr Glück und Leben von der Fortdauer der Täuschung abhingen, ja es erschien mir nicht zweifelhaft, daß die Wuthanfälle sofort zurückkehren würden, wenn sie jemals von dem Betruge Kenntniß erhielt, den man in Anwendung gebracht.

In diesem Bewußtsein sparte ich keine Mühe, sie gegen die geringste Unvorsichtigkeit zu schützen. Keinen Augenblick wagte ich das Haus zu verlassen und bewachte die Dienstboten mit einer Aufmerksamkeit, die mich endlich übermäßig abspannte und aufregte.

Viele Bekannte kamen täglich, aus Brüssel und der Umgegend des Gutes, um meine Frau zu besuchen. Sie hatten natürlich den Tod unseres Kindes erfahren und wußten auch ohne Zweifel von unserm doppelten Unglück mehr als sie zeigten. Es war mir nicht allein peinlich, so oft mit der Neugierde dieser Leute zu thun zu haben und immer dieselben Redensarten anzuhören und zu wiederholen, sondern ich erschrak noch mehr vor dem Gedanken, daß es mir nicht möglich sein würde, so unausgesetzt über meine Frau zu wachen.

Noch hatte ich mich keinen Schritt von dem Gute entfernt; mein kranker Vater flehte mich an, ihn zu besuchen, meine geschäftlichen Angelegenheiten erheischten dringend meine Anwesenheit in Brüssel. Und dennoch durfte ich Maria keinen Augenblick verlassen.

Dieser Nothstand brachte mich endlich zu einem entscheidenden Entschluß; ich ließ meinen Notar kommen und theilte ihm mit, daß ich irgendwo, weiter von Brüssel entfernt, etwa in Westflandern, ein Gut anzukaufen wünsche.

Alle unsere Leute, mit Ausnahme der alten Magd, wollte ich fortschicken und Niemanden in Dienst nehmen oder überhaupt zulassen, dem unsere früheren Verhältnisse nicht völlig fremd seien. Also von der ganzen Welt getrennt, wollte ich mein ganzes Leben daran setzen, über der Ruhe und dem Glück meiner Frau zu wachen, alle feindlichen Störungen abzuwenden und meine eigne Befriedigung nur in meiner aufopfernden Liebe zu suchen.

Dem Notar gelang es bald, eine passende Besitzung ausfindig zu machen; am 17. August 1836 siedelten wir über nach Westflandern.

22. Mai 1850.

Nachschrift beigefügt für Herrn Sommer:

Vierzehn Jahre sind verflossen, seit ich die Aufzeichnung meiner Prüfungen niederschrieb; es erging meiner armen Frau diese Zeit hindurch, wie mein Freund Vloebergs varhergesagt. Ihr Geist ist mehr und mehr zur Ruhe gekommen und die kleinen Vorfälle des täglichen Stilllebens übersieht sie mit verhältnißmäßiger Klarheit. Ich durfte selbst wagen, sie in die Gesellschaft rücksichtsvoller Freunde zu bringen, die, wie Herr Sommer, zwar wohl ihr geistiges Unvermögen bemerkten, aber zartfühlend genug waren, darüber zu schweigen.

Gleich das erste Mal, da Herr Sommer seinen Sohn bei uns einführte, bekümmerte mich der Gedanke, daß zwischen Friedrich und Paulinen eine tiefere Neigung entstehen möchte. Ach, warum habe ich damals die aufkeimende Liebe nicht sogleich erstickt! Mein Freund Sommer würde mich vielleicht verstanden und mir geholfen haben.

Aus Mitleiden jedoch mit Pauline, die ein gar so einsames Leben führt, und in der Hoffnung, daß es sich nur um ein gegenseitiges freundschaftliches Begegnen handle, gab ich nach und empfing den jungen Herrn Sommer gern in meinem Hause.

Als ich meinen Irrthum erkannte, war es zu spät; ich konnte Friedrich nicht mehr abweisen, ohne, wenigstens scheinbar, seinen Vater zu beleidigen und beider Freundschaft zu verlieren.

Was war nun die unabwendbare Folge meiner Schwäche? Ein Heirathsantrag, nicht wahr? Der Gedanke hat mich Monatelang geängstigt und mir manche Nacht den Schlaf verscheucht. Auch meine Frau scheint seit einiger Zeit unruhiger zu werden, Gott verhüte, daß ihr Zustand sich verschlimmere. Die Hochzeit Paulinens würde die öffentliche Abkündigung in der Kirche nothwendig machen, Jedermann würde den Namen Therese Bloempap erfahren und so wissen, daß Pauline unser Kind nicht ist.

Vielleicht ließe sich ein Mittel finden, meiner Frau die Kenntniß dieser Abkündigung zu entziehen, aber sie muß ja auch den Ehecontrakt unterzeichnen. Wird ihr der Name Therese Bloempap da nicht als eine schreckliche Enthüllung in die Augen springen und die Täuschung verschwinden machen, auf der seit mehr als 14 Jahren ihr Lebensglück basiert? Welch’ tödtlicher Schlag wäre das für sie und für mich! Ich kann nur zitternd diese quälende Erwägung niederschreiben. Möge mein Freund Sommer den Schmerz und die Verzweiflung seines Sohnes einem Manne verzeihen, der so vieles gelitten hat und auch jetzt noch der Sclave eines unerbittlichen Schicksals ist.

—–

Herr Sommer hatte das Lesen der Handschrift beendet. Den Blick darauf geheftet, blieb er noch lange in tiefe Gedanken versunken.

Nach einer Weile richtete er sich auf, rieb sich die Augen und sah verwundert auf seine feuchte Hand.

»Wahrhaftig, ich habe geweint,« brummte er.

Trauriges Schicksal in der That! Unglücklicher Hochfeld, welches Leben! Ewig auf Wache stehn bei einer Verrückten! Beide sind Opfer der Liebe, er sowohl wie die arme Frau! Wie und ich sollte nicht das Möglichste versuchen, um zu verhindern, daß diese mächtige, diese unbesiegbare Herrscherin neue Opfer fordere? Die Ehepakten? Der Bürgermeister ist mein alter Freund, er wird in Alles willigen und uns nach Kräften beistehn, um Unglück zu verhüten. Da wird Frau von Hochfeld nichts ahnen . . . Ja, ja; aber der schlechtklingende Name? Theresia Bloempap! Wie kann man nur in aller Welt so heißen! Und doch, wenn ihr Name das einzige Hinderniß wäre! Aber da ist noch manch festerer Knoten durchzuhauen!«

Er sprang auf, riß heftig an der Schelle und rief dem eintretenden Bedienten entgegen:

»Baptist, bring mir Hut und Ueberrock, ich muß augenblicklich ausgehn!«

Gleich darauf lief er eiligst aus dem Hause die Handschrift unter dem Arm.

VII

Als Herr Sommer nach Verlauf von zwei Stunden das Landhaus seines Freundes Hochfeld verließ und sich heimwärts wendete, sah er plötzlich bei einer Biegung des Weges einen jungen Mann gesenkten Hauptes und wankenden Schrittes in der Ferne auf sich zukommen.

»Potz Velten!« rief er aus« »das ist mein Sohn! Und ich glaubte ihn in Gent. Was das nur heißen soll? Wie niedergeschlagen er aus sieht, der arme Junge! Soll mich wundern, wie er die neuesten Nachrichten aufnimmt; Vorsicht ist immer gut. Jetzt macht die Liebe ihn blind, aber wird er nicht später seinen übereilten Schritt bereuen? Ich bin sein Vater und muß klar sehen für ihn mit!«

So zu sich selbst sprechend, näherte er sich seinem Sohne und weckte ihn aus seinen Träumen durch die Frage:

»Nun« nun, Friedrich, wo kommst du denn her und was hast du hier verloren?«

»Ach, Vater,« seufzte der junge Mann in schmerzlichem Ton; »ich war schon ziemlich weit auf dem Wege nach Gent, aber der Gedanke, daß ich mich von Paulinen entferne, quälte mich zu sehr. Ich sah sie im Geiste vor mir, wie sie mich um Trost und Hilfe anrief, sie trauerte, sie weinte, sie wurde krank. Das war stärker als mein Wille, lange habe ich gekämpft, aber ich bin zu Boden geworfen. Hier, wo sie leidet, muß ich leben, überall sonst erstickt mich die Luft . . . Ach Vater, gib mir einigen Muth, einige Hoffnung! Ich bin so unglücklich, daß ich den Verstand darüber verlieren könnte!«

»Nun, nun, mein Sohn,« sagte Herr Sommer, »nimm Dich doch zusammen. Die Sache steht nicht mehr so schlecht als Du meinst. Ich komme eben vom Herrn van Hochfeld.«

»Du hast ihn gesehen und gesprochen?«

»Jawohl, und ich habe neue Nachrichten.«

»O Gott sei Dank, Du hast gute Nachrichten,« jubelte Friedrich, seinem Vater um den Hals fliegend.

Dieser aber entzog sich der lebhaften Dankesbezeugung, faßte die Hand seines Sohnes und sagte sehr ernst:

»Friedrich, ich kann dir die gute oder vielleicht auch üble Neuigkeit nicht mittheilen, wenn du mir nicht vorher versprichst, sie in aller Ruhe erwägen zu wollen. Wir wollen langsam nach Hause zurückkehren, höre nur ruhig und verständig auf dasjenige, was ich Dir sagen werde.«

»Ich höre, Vater,« rief der junge Mann, kaum länger im Stande, seine Ungeduld zu bemeistern.

Nachdem Sie einige Schritte weiter gegangen, begann Herr Sommer:

»Die Heirath, mein Sohn, ist ein Band für das ganze Leben. Eine Verbindung, die man unter dem Einfluß einer jungen, unwiderstehlichen Liebe eingeht, kann man auch dann nicht aufheben, wenn diese Liebe verweht und die Binde von den Augen fällt.«

»Das weiß ich, Vater,« versicherte der Sohn.

»Und die Quelle solcher späten Reue und eines lebenslänglichen Verdrusses ist nur zu häufig die Verbindung von Menschen, deren gesellschaftliche Stellung zu ungleich ist. Du liebst Pauline und wünschest ihre Hand; aber wirst Du nicht anstehn eine Heirath zu schließen mit der Tochter eines . . . eines Steinhauers?«

Der junge Mann sah seinen Vater verwundert an, als begriffe er nicht, was dieser damit sagen wolle.

»Es ist so und nicht anders,« bestätigte Sommer, »sie ist nicht das Kind des Herrn van Hochfeld, sie ist geboren zu Beersel, als Tochter eines armen Steinhauers.«

»Sprichst du wirklich von Fräulein Pauline?«

»Ja, ja, von der schönen, geistvollen und gebildeten jungen Dame. Das scheint Dich zu überraschen und zu betrüben?«

»Es überrascht mich allerdings, aber betrübt mich nicht! Nein, Gott sei Dank, jubelte Friedrich, »nun fürchte ich den Baron von Lortebach nicht mehr, der ist ein hochmüthiger Mensch, und liebte Pauline nur ihres Geldes wegen. Ich frage nichts nach ihrem Vermögen, im Gegentheil, jetzt kann ich ihr beweisen, daß meine Liebe rein und uneigennützig ist. Ihr Beschützer sein in der Welt, sie glücklich machen ohne andern Lohn als ihre Liebe, – welch beneidenswerthes Leben! Und wenn ich hart für sie arbeiten wüßte, wie würde ich meine Arbeit segnen!«

»Arbeiten, mein Sohn, wer spricht denn von arbeiten,« brummte der alte Herr. »Der Geldpunkt kümmert mich weiter nicht, aber der schlechtklingende Name; sie heißt Theresia Bloempap! Was sagst Du dazu?«

»Theresia Bloempap!« wiederholte Friedrich, sichtbar erschreckt im ersten Augenblick.

Dann aber schüttelte er den Kopf, wie um sich von einem lästigen Gedanken frei zu machen und antwortete:

»Was thut der Name zum Menschen, Vater? Kennen wir nicht einen hochangesehenen Banquier, welcher Kiekepot-de-Krabbeler zeichnet?«

»Der Name macht es allerdings nicht,« murmelte Herr Sommer; »aber wenn unsere Verwandten und Freunde dich später darüber . . . «

»O Vater wie kannst du nur so etwas sagen?« rief Friedrich. »Wenn Pauline, – oder Theresia Bloempap, das gilt mir gleich, – wirklich meine Frau wird, glaubst du nicht, daß sie deinen Namen mit Ehren und Würde tragen wird? Welche Frau kann sie übertreffen an Verstand, Milde und Liebenswürdigkeit? Athmet nicht Alles an ihr die Reinheit des Herzens und den Reichthum des Geistes? Wenn du im ganzen Lande umhersuchtest, könntest Du eine bessere Gattin für Deinen Sohn finden? Du hast mir das selbst so oft gesagt, Vater!«

»Das ist allerdings richtig,« gestand Herr Sommer, halb besiegt.

»Und nun,« fuhr der junge Mann fort« »da wir hören, daß sie arm ist, sollen wir sie da verstoßen und einem trübseligen Leben preisgegeben? Ist unser Herz denn falsch? War deine Freundschaft, meine Liebe nur Betrug?«

Herr Sommer ergriff gerührt die Hand seines Sohnes und sagte:

»Friedrich, mein guter Junge, Du willst also wirklich, daß Pauline, oder vielmehr Theresia, Deine Frau werde? Ich meinestheils erkläre mich ganz damit einverstanden, wünsche es sogar von Herzen; aber Du, hast Du Alles wohl erwogen?«

»Ja, ja, Vater, meine Liebe zu ihr ist unvergänglich; und seit ich weiß, daß sie arm ist, würde ich mich selbst verachten, wenn es anders wäre.«

»Dann will ich Dir etwas sagen, das sicher nicht geeignet ist, deinen Entschluß zu ändern. – Theresia ist nicht arm, im Gegentheil, sie bekommt einen ansehnlichen Brautschatz und wird die einzige Erbin van Hochfelds. Das ist doch eine gute Nachricht, nicht wahr?«

»Ich weiß es nicht Vater; vielleicht! Jedenfalls raubt sie mir einen schönen Traum . . . Aber ist denn jetzt Herr van Hochfeld mit der Heirath einverstanden?«

»Er stimmt zu, und wird es Dir selbst bestätigen. Er erwartet uns, wir werden morgen zu ihm gehen, also . . . «

»Morgen? erst morgen? Weiß denn Pauline, daß das Glück uns so glänzend zulächelt?«

»Sie weiß es nicht, mein Sohn, ich mußte doch vorher Deinen Entschluß kennen.«

»Ach, noch die lange, schreckliche Nacht für sie! Wenn sie nun inzwischen vor Kummer erkrankte?«

»Leider ist sie schon krank, mein Sohn.«

»Sie ist krank, Vater, und wir sollten sie bis morgen leiden, ungetröstet verzagen lassen, während ein einziges Wort von uns sie gesund und glücklich machen kann? Welcher Gedanke! Komm komm, Vater, laß uns eilends zu Herrn van Hochfeld gehen, jede Minute ist eine Ewigkeit von Schmerz für meine arme Braut.«

Und ungeachtet des Widerstandes seines Vaters zog er ihn fort auf den Weg, bestürmte und drängte ihn so lange, bis Herr Sommer endlich seinen feurigen Wünschen nachgab.

So verschwanden sie beide in der schattenreichen Lindenallee, die zu dem Hochfeldschen Gute führte.

—–

Einige Wochen später wurde eine stille, doch fröhliche Hochzeit gefeiert.

Und am Abend desselben Tages kniete eine schwachsinnige Mutter in einem lichten Augenblicke vor dem Bilde des Erlösers und pries Gott, der ihr geliebtes Kind so glücklich gemacht.

– Ende -