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Kitabı oku: «Eine verworrene Geschichte», sayfa 6

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VI

Einige Tage später war Cilia früh Morgens beschäftigt, ihre beiden jüngsten Schwesterchen anzukleiden, und ging so rasch dabei zu Werke, daß ihre Mutter, die nicht weit davon in ihrem Lehnstuhl saß, tadelnd sagte:

»Aber Cilia, wie kannst Du die Kinder nur so rauh anfassen! Hast Du denn nicht Zeit genug, sie zu behandeln wie es sich gehört? Vor Tagesanbruch stehst Du auf und läufst zur Base Coutermann, und kaum bist Du zurück, so brennt Dir der Boden unter den Füßen und Du mußt wieder fort!«

»Ja Mutter, das ist wahr,« versetzte sie in ihrer Arbeit fortfahrend. »Die arme Baase Coutermann sitzt aber auch ganz allein mit ihrer Magd, soll ich sie da nicht trösten in ihrem Unglück und ihr, so viel als möglich bei der Arbeit helfen? Denke Dir einmal, Mutter, Du wärest in derselben Lage.«

»Man muß nichts übertreiben, Kind, und hier will die Arbeit auch versehen sein . . . Wie geht es ihr denn jetzt?«

»Besser, viel besser, Mutter. Anfangs weinte sie beständig, doch jetzt ist es dem Küster, seinem Karl und mir gelungen, ihr einigen Muth einzureden Sie ist wohl noch sehr schwach, aber doch für Trost nicht mehr unempfänglich.«

»So hofft sie, daß Coutermanns frei gesprochen werden?«

»Wir hoffen es Alle, Mutter, und Du doch auch, nicht wahr?«

Frau Roosen zuckte die Achseln.

»Das heißt, ich wünsche es natürlich, Cilia, aber hoffen? . . . Sie haben doch ihre Messer gezogen und Einer von ihnen hat den Markus erstochen. Ihre Lage ist eine bedenkliche, denn der Amtmann wird keine Mühe scheuen, ein Urtheil gegen sie zu erwirken und Du weißt es selbst er hat eine scharfe Zunge.«

»Ja Mutter, aber der Advokat, der von Brüssel verschrieben ist, steht in gutem Ruf seiner Beredsamkeit wegen und er wird seine Clienten schon vor den falschen Anschuldigungen des Amtmanns zu schützen wissen.«

»Ei, ei, Frau Coutermann hat sich also wirklich entschlossen, einen Advokaten aus Brüssel kommen zu lassen? Das wird ihr ein schönes Sümmchen kosten, sie kann ganz daran zu Grunde gehn.«

»Nein, Mutter, er ist ganz vernünftig in seiner Forderung; Karl hat selbst mit ihm gesprochen. Morgen kommt er nach Dworg, um sich genau über Alles zu unterrichten und mit uns sich zu besprechen . . . So Kinder, Ihr seid fertig; nun lauft in den Obstgarten und spielt.«

Cilia nahm einen Besen und begann die Stube auszufegen.

»Der Karl ist ein braver Junge,« bemerkte Frau Roosen, »er läuft aus einem Haus in das andere, um für seine Freunde zu sprechen. Noch gestern sagte mir der Schöffe Bertens, daß er über eine Stunde bei ihm gewesen sei, einzig um ihm die Unschuld der Coutermanns begreiflich zu machen.«

»Gott lohne dem wackeren Karl seine aufopfernde Freundschaft,« sagte Cilia bewegt. »Er muß übrigens sein Wort gut machen können, denn er hat uns, dem Amtmann zum Trotz, vom Drosten die Erlaubniß erwirkt, den Gefangenen das Essen zu schicken.«

»So darf die Baase Coutermann ihren Mann und ihren Sohn jetzt sehn?«

»Nein, Mutter, das nicht.«

»Aber die Magd, welche die Speisen zum Kerker bringt?«

»Auch das nicht, das ist strenge verboten, der Schließer nimmt Alles in Empfang und von ihm konnte die Magd gestern nur erfahren, daß Beide gesund sind und uns bitten lassen, muthig und voll Gottvertrauen den Ausgang zu erwarten. An Versuchen hat es nicht gefehlt, der armen Frau Coutermann Zulaß zu den Gefangenen zu verschaffen, Karl und selbst zwei Schöffen haben den Drosten mit Bitten bestürmt, und er würde auch wohl nachgegeben haben, denn er ist ein gutmüthiger Mann, aber der Amtmann . . . «

»Der Amtmann ist erbittert, weil die Beiden sich hartnäckig selbst anklagen, während doch nur Einer von ihnen der Thäter sein kann.«

»Freilich Mutter.«

»Und Du glaubst wirklich Cilia, daß der Baas Coutermann dieser Eine ist? Viele theilen ja doch die Meinung des Amtmanns.«

»O, der Amtmann will sich an Urban rächen und schiebt ihm daher alle Schuld zu, wenn überhaupt eine Schuld vorliegt. Aber es wird ihm nicht glücken, Mutter, verlaß Dich darauf. Das Verschwinden des Blasius, den die Angreifer ermordet haben beweist deutlich genug, daß die beiden Coutermanns in verbrecherischer Weise überfallen und zuerst angegriffen wurden, und darum wird man sie frei sprechen.«

»Der Amtmann behauptet, Coutermanns hätten dem Knechte zur Flucht verholfen und den Schein hat er jedenfalls für sich, denn die Leiche ist nirgendwo gefunden worden, obgleich man alle Wälder, Teiche und Pfützen der Umgegend durchsucht hat und noch täglich durchsucht.«

»Gott weiß, wo die schändlichen Mörder sie verborgen haben; nun, mit der Zeit wird sie schon an den Tag kommen.«

»Wenn Urban sich schuldig erklärt, um seinen Vater vor einem Strafurtheil zu bewahren, so könnte er sich arg täuschen. Du magst sagen was Du willst, Cilia, am Ende bleibt nichts übrig als Beide zu bestrafen, wenn Beide durchaus die That begangen haben wollen.«

»Weißt Du, was Karl meint, Mutter? Urban suche durch dieses doppelte Schuldbekenntniß die Untersuchung zu erschweren und die Sache in die Länge zu ziehn bis zur Rückkehr des Herrn Barons. Man erwartet ihn täglich, und wenn er nur erst wieder im Schlosse ist, dann brauchen wir die Bosheit des Amtmanns nicht mehr zu fürchten. Ich gehe dann selbst zu ihm und sage offen und aufrichtig wie Alles gekommen ist.«

»Du wolltest Dich in’s Schloß wagen und für Urban sprechen?« fragte Frau Roosen ungläubig.

»Warum nicht Mutter? Der Baron kennt mich seit meiner frühesten Kindheit! Ich beweise ihm, daß der Amtmann einzig und allein seinen Rachedurst zu stillen sucht.«

»Beide schwiegen eine Zeitlang; Cilia fuhr in ihrer Arbeit fort, während ihre Mutter nachdenklich den Kopf schüttelte.

»Mein Kind,« sagte sie dann mit Nachdruck, »glaube mir, Du handelst nicht vorsichtig. Edelmüthig sein ist ja recht gut und schön, aber man darf doch nicht vergessen, daß das Leben lang ist, man darf die Zukunft nicht aus den Augen verlieren. Du hoffst, Urban würde freigesprochen werden, es gibt viele Leute die das bezweifeln.«

»Das sind nur die Anhänger des Amtmanns, Mutter!«

»Mag sein, aber nichts ist unmöglich. Nun nimm zu einmal an, Urban würde verurtheilt, dann kannst Du ihn doch nicht mehr heirathen, denn . . . «

»O Mutter,« fiel das Mädchen ihr in’s Wort, »wie kannst Du mich so betrüben? Ich war so voll Zuversicht, und nun willst Du mir die Hoffnung rauben?«

»Ich kann Dir nicht helfen,« fuhr die Baase Rosen unbeirrt fort, »Du mußt doch die Wahrheit hören . . . «

Hier wurde sie durch Karl unterbrochen, welcher eilig in’s Zimmer trat.

»Eint- gute Nachricht!« rief er froh, »gestern Abend ist der Baron heimgekehrt!«

»Gott sei Dank; o, dann haben wir kein Unrecht mehr zu befürchten!« jubelte Cilia, »heute noch werden wir die Gefangenen sehn und trösten dürfen.«

»Vergangene Nacht ist er angekommen? Bist Du Deiner Sache auch ganz gewiß?« fragte Frau Roosen ungläubig.

»Es mochte zehn Uhr oder noch später sein, im Dorfe lag bereits Alles in tiefem Schlaf, aber heut Morgen Verkündete mir der Jäger die frohe Botschaft.«

»O wie glücklich wird Frau Coutermann sein! Komm Karl, laß uns sogleich zu ihr gehn, rief Cilia.

»Sie weiß es schon, ich war zuerst bei ihr,« antwortete er; »die hellen Freudenthränen traten ihr in die Augen, und dann trug sie mir auf, Dich zu rufen. Die Magd geht gerade mit dem Frühstück für die Gefangenen zum Thurm.«

»Ich gehe mit Dir, Karl . . . aber warte noch einen Augenblick daß ich schnell mein Sonntagskleid anziehe.«

»Was soll das denn nun wieder bedeuten, Cilia?« murmelte die Baase Roosen.

»Es bedeutet, daß ich zum Herrn Baron gehn will. Ja, Mutter, wenn Du es auch unvorsichtig findest, mein Gewissen treibt mich dazu an, vielleicht hängt das Glück meines Lebens von diesem Schritte ab. Und da sollte ich zögern? Nein, keinen Augenblick!«

Gleichzeitig öffnete sie eine Thür und verschwand in der anstoßenden Kammer, kam aber wenig Minuten später schon zurück.

»Endlich hin ich fertig,« tief sie eintretend, »es ging längst nicht so rasch als ich wünschte, aber wenn es sich darum handelt, vor dem Herrn Baron zu erscheinen! . . . Das hübsche Kleid schadet keinesfalls . . . Bis gleich denn, Mutter; ich bringe hoffentlich eine gute Nachricht heim. Und nun komm Karl, ich kann die Zeit nicht erwarten, mich mit der Mutter Coutermann über die Rückkehr des Barons zu freuen!«

Von Karl gefolgt eilte sie schnell dem Nachbarhofe zu.

Sobald Frau Coutermann Cilias Stimme hörte stand sie auf und ging ihr bis an die Hausthür entgegen. Beide waren so voll freudiger Hoffnung, und sahen in der rechtzeitigen Heimkehr des Barons eine Fügung des göttlichen Willens, durch die sie vor dem Haß und der Bosheit des Amtmanns gesichert werden sollten.

Die Pächterin war noch sehr blaß ihre Züge trugen die Spuren tiefen Kummers, doch jetzt hatte die frohe Nachricht sie so beglückt, daß Freude und Zuversicht aus ihren Augen strahlten.

»Ermüdet Euch nicht zu sehr Base,« sagte Karl der nun gleichfalls eingetreten war, bedenkt, daß Ihr noch mit Cilia zum Schlosse wollt und ruht so lange in Eurem Armstuhl.

»Wie, Du gehst mit mir Mutter?« fragte das Mädchen.

»Gewiß, gewiß; die Freude macht mich so stark, daß ich selbst darüber staune.«

»Um so besser; wer könnte einer Mutter die für ihren Sohn bittet, ein geneigtes Ohr versagen? Und der Herr Baron kennt Dich ja auch! . . . Doch wir vergessen unsere armen Gefangenen, laß einmal sehn Therese, was hast Du da in Deinem Korbe: Brod, Butter, Käse und vier harte Eier! Wenn sie sich nur nicht den Magen verderben.«

»Threse, frag’ einmal die Knechte, ob der Herr Baron schon aufgestanden ist,« sagte Karl.

»Wenn ich nur Peter, den Jäger, treffe, so will ich es schon erfahren,« antwortete die Magd.

»Aber was hast Du denn da in den Korb gelegt, Cilia?« fragte Frau Coutermann besorgt. »Du weißt doch, daß er immer sorgfältig untersucht wird und wenn man Etwas darin findet außer dem Essen, so dürfen wir vielleicht gar nicht mehr hinschicken.«

»Was ich in den Korb gelegt habe, Mutter, Einen Brief an Urban.«

»Einen Brief! O Gott!«

»Welche Unvorsichtigkeit,« rief Karl, »was steht denn darin?«

»Es steht darin: Lieber Urban, verzage nicht! Cilia denkt an Dich; o, daß sie Dein Loos erleichtern könnte! Weiter nichts.«

»Aber wenn nun der Schließer den Brief entdeckt?« seufzte die alte Frau.

»So kann er ihn doch nicht lesen: er ist einer Sprache geschrieben, die Niemand versteht als Urban allein.«

»Cilia, Cilia, ich hatte Dich für vernünftiger gehalten,« tadelte Karl. »Du hast einen leichtsinnigen Streich gespielt, ich will nur schnell dem Mädchen nachlaufen.«

»Ha, ha,« lachte Cilia, »da hab ich Euch beide angeführt. Ihr wißt in unserm Obstgarten wachsen große, saftige Birnen, wie Niemand sonst in Dworg sie hat, davon legte ich einige in den Korb. Urban kennt sie, er weiß, wer sie ihm schickt und er wird ohne Schrift darin lesen was mein Herz ihm sagen will.«

»Das lasse ich mir gefallen,« sagte Karl beruhigt.

»Aber wie kannst Du in unserer Lage scherzen,« murmelte Frau Coutermann.

»Verzeih, mir Mutter,« bat Cilia, »wir haben so lange geseufzt, daß ich heute, nach der ersten guten Nachricht, fast singen und tanzen möchte.«

»Du siehst Mutter, ich bin in meinem Sonntagsstaat; wenn Du mit zum Schlosse gehst, so mach’ Dich auch etwas schön, damit wir zu einander passen.«

»Ich brauche nur eine reine Mütze aufzusetzen Kind, und ein feines Halstuch umzuhängen.«

»Noch ist es zu früh,« bemerkte Karl, »der Baron wird von der Reise ermüdet sein und länger als gewöhnlich schlafen, kommt man ihm zu ungelegener Zeit, so ist er schlechter Laune. Laßt uns warten, bis Therese wiederkommt, sie wird uns sagen können, ob der Baron aufgestanden ist. Seite Dich Cilia, und theile uns einmal mit, was Du denn zu sagen gedenkst. Du wirst ja doch das Wort führen müssen.«

»Das ist ganz einfach,« antwortete dass Mädchen, »ich will erzählen, wie das Unglück geschehen ist, will von dem Haß des Amtmanns sprechen und von der Ursache dieses Hasses . . . «

»Meiner Ansicht nach ist das nicht das Rechte,« widersprach Karl. Unser erster Gedanke war, von dem Baron, wenn er zurückkehre, für die Base Coutermann die Erlaubniß zu erflehn, in deiner Begleitung die Gefangenen besuchen zu dürfen. Mir scheint es wäre das Beste vorläufig hierbei in bleiben. Wenn Du tu Urban kommst gelingt es Dir hoffentlich ihn zu überreden, daß er von seiner Behauptung, den Messerstich versetzt zu haben, abläßt.«

»Ach mein armer Mann müßte dann allein im Kerker bleiben?« seufzte die alte Frau.

»Besser Einer als Zwei, Base Ihr könnt mirs glauben, diese doppelte Selbstanklage wird den Herrn Baron sehr verdrießen, denn der Amtmann versichert – und hierin hat er Recht – die Gefangenen hätten dies Mittel ersonnen, um die Untersuchung zu erschweren, oder wie er sich so ausdrückt, das Gericht an der Nase herumzuführen. In diesem Punkte versteht der Baron aber keinen Spaß, er will die von ihm eingesetzte Behörde von der größten Ehrfurcht umgeben sehn. Es steht also zu befürchten, daß dieser seltsame Umstand ihn unvortheilhaft stimmen wird, wie er ja gewissermaßen auch den Drosten zwingt, dem Amtmann zu Willen tu sein.«

»Ist denn auch der Droste gegen uns?« seufzte Frau Coutermann, er, der sonst ein so gerechter Mann ist?«

»Das ist er freilich aber auch schwach, wie alle gutmüthigen Menschen. Der Amtmann redet ihm ein, daß Urbans und seines Vaters Verhalten ein grober Verstoß gegen das Gericht ist, der, ganz abgesehen von aller Schuld an Markus Tode, strenge bestraft zu werden verdient. Dieser Stein des Anstoßes muß nun, da der Baron zurück ist, aus dem Wege geräumt werden, also handelt es sich zunächst darum, daß Ihr die Erlaubniß erlangt, die Gefangenen zu besuchen und daß Ihr ihnen dann die Nothwendigkeit eines wahrheitsgetreuen Berichtes begreiflich macht. Wisst Ihr mit Bestimmtheit, wer den unglücklichen Stoß geführt hat, so setzt sogleich den Herrn Baron davon in Kenntniß, er und der Droste werden es Euch danke, sie aus einer quälenden Verlegenheit befreit zuhaben.«

»Der Advokat aus Brüssel sprach auch die Ansicht aus, daß es unendlich leichter wäre, wenn er nur einen Angeklagten zu vertheidigen hätte,« fuhr Karl nach einer Pause fort. Das Gericht kennt weder Edelmuth noch Kindesliebe, es sucht nach Wahrheit und straft alle Diejenigen, welche die Wahrheit vor ihm verbergen wollen, gleichviel aus welchem Grund, das sind die eignen Worte des Advokaten.

Bisher habe ich die Absichten Urbans und seines Vaters wohl begriffen, aber nun . . . «

Da unterbrach ihn plötzlich die Magd, welche mit allen Anzeichen der tiefsten Verzweiflung hereingestürzt kam.

»Ach Gott, ach Gott!« rief sie, »ich vergehe vor Leid! Sucht nicht, mich zu trösten, laßt mich weinen, es ist gar zu schrecklich!«

»Was ist geschehen? O sprich Therese,« bat Cilia erbleichend, Urban . . . «

»Nein Urban ist es nicht,« schluchzte das Mädchen.

»Herr steh uns bei, mein armer Mann,« rief Frau Coutermann.

»Nein, unser Pächter auch nicht!«

»Aber wer denn? und was denn?«

»Ach, der gute Blasius! Wer hatte wohl je gedacht, daß solch entsetzliche Dinge passiren könnten!«

»Nun, und was ist denn mit ihm? Was weißt Du?«

»Er ist todt!«

»Todt?!«

»Die schändlichen Buben haben ihn ermordet! Ach ein so grausames Ende hatte er doch nicht verdient, der brave Junge.«

»Ist denn seine Leiche aufgefunden worden?« fragte Karl.

»Nein, seine Leiche nicht, aber es steht nun doch fest, daß er ermordet ist, der sanfte, unschuldige Mensch, den ich wie einen Bruder liebte. Ach Gott, ach Gott!«

Frau Coutermann und Cilia, tief ergriffen von dieser betäubenden Nachricht, blickten einander schweigend an.

»Aber Therese, so sprich doch deutlich; was hast Du denn eigentlich von dem Blasius gehört?« fragte Karl.

»Man hat seine Mütze gefunden, seine Filzmütze ganz getränkt mit Blut,« stammelte das Mädchen laut schluchzend.

»Wo denn?«

»Hinten im Bagynenbusch, unter dem Gestrüpp.«

»Weißt Du das ganz gewiß? Wer hat es Dir gesagt?«

»Ich habe die Mütze selbst gesehn, Karl; ach, ich zittere noch, wenn ich daran denke, sie war braunroth gefärbt und steif!«

»Im Schlosse sahst Du die Mütze?«

Nein in der Hand des Schützen Dierks, der sie zum Drosten tragen wollte, ein Holzhacker aus Kesterbeck hatte sie heut Morgen in aller Früh in >Bagynenbusch gefunden und nach Dworg gebracht. Doch jetzt wißt Ihr ja Alles, laßt mich nun weinen um den guten Jungen.«

Trotz ihres eigenen Kummers suchten Frau Coutermann und Cilia die Trauernde zu trösten, bis endlich Karl zu ihnen sagte:

»Gott habe ihn selig, den armen Blasius. An seinem Tode haben wir ja seit jenem Unglückstage nicht gezweifelt, so wollen wir den jetzt dem Himmel danken, daß er uns den Beweis des von Markus verübten Verbrechens in die Hand gibt. Alle Zeugen versichern einmüthig, daß keiner von ihnen von seinem Stock Gebrauch gemacht hat, mithin war es Markus, der den Knecht tödlich verwundete. Dieser Umstand allein reicht hin zu beweisen, daß auch Urban und sein Vater in Lebensgefahr und darum berechtigt waren, sich nach besten Kräften zu vertheidigen . . . Doch über allen Klagen und Erwägungen vergessen wie unsere Gefangenen; wie ist es Therese, hast Du denn in Erfahrung bringen können, oh der Herr Baron aufgestanden ist?«

»O, der Jäger sagte mir, er sei schon seit einer Stunde unten, Ihr wißt doch, der Jäger Peter, der zuweilen hier kommt, um ein wenig mit mir zu Plaudern. Er ist auch ein ganz kreuzgrader Bursche, und da Blasius nun doch einmal todt ist . . . Er läßt Euch übrigens rathen, so bald als möglich zu kommen, weil sein Herr später am Tage viel Besuch haben, und es dann schwer sein wird, Euch Zulaß zu verschaffen. Mir zu Gefallen will Peter mit dem Kammerdiener sprechen und sorgen, daß Ihr nicht so lange zu warten braucht.«

»O dann nur schnell, Mutter,« rief Cilia, »laß uns eilen.«

Sie ging in die Nebenkammer, und kehrte sogleich zurück.

»Sieh, hier ist Deine neue Mütze und Dein Halstuch, nun will ich Dir helfen . . . So da bist Du fertig, jetzt nur guten Muth! Komm!«

Sie verließen den Pachthof und gingen, so rasch die Kräfte der alten Frau dies gestatteten, das Thal entlang, schritten über eine kleine Brücke und stiegen an der anderen Seite des Baches den Hügel hinan.

Einige Worte noch wechselten sie über das Schicksal des armen Blasius, doch hinderte die Eile an vielem Sprechen. So gelangten sie auf die große Dorfstraße und endlich an den mit schattigen Buchen bepflanzten Weg, an dessen Ende die Thürme von Dworg sich erhoben.

Aengstlich klopfte ihnen das Herz, als sie den linken Thurm erblickten und bedachten, daß dort unter dem Boden, die ihnen so theuren Wesen auf feuchtem Stroh lagen; doch sagten sie nichts.

Peter der Jäger stand draußen vor dem Thor, offenbar ihrer harrend.

»Therese hat mir mitgetheilt, daß Ihr kommen würdet,« sagte er, »und da habe ich mit dem Kammerdiener gesprochen. Geht nur mit mir . . . «

Sie folgten ihm über den innern Hofraum bis zu dem Eingang des Herrenhauses; ein Diener in Livree öffnete dann die Thür eines Zimmers für sie.

»Tretet hier ein und geduldet Euch noch ein Wenig,« sagte er, augenblicklich ist der Amtmann beim Baron.«

Sobald die Thür sich hinter ihnen geschlossen hatte, blickten die beiden Frauen sich einander ängstlich an.

»Der Amtmann beim Herrn Baron!« seufzte Cilia, »ach warum haben wir so lange gewartet! Mein Herz sagte mir, daß wir vor unserm Feinde hier sein müßten!«

»Was er dem Herrn Baron wohl sagen wird?« murmelte die Pächterin, »gewiß wird er meinen Mann und mein Kind anschwärzen und den gnädigen Herrn gegen sie aufzubringen suchen.«

»Freilich! Ach ich bin ganz entmuthigt, Mutter!«

»Alles wendet sich gegen uns,« klagte Frau Coutermann; »was sollen wir anfangen, wenn der Herr Baron uns unwirsch empfängt?«

Sie legte die Hand vor die Augen, um ihre hervorquellenden Thränen zu verbergen.

»Komm Mutter, halte Dich standhaft,« ermunterte Cilia nun wieder, »wir müssen sehn, daß und wie wir durchkommen. Vielleicht täuschen wir uns auch, der Amtmann wird zu dem gnädigen Herrn nicht zu reden wagen, wie er zu andern Leuten redet, die Ehrfurcht wird ihn zur Vorsicht zwingen, und außerdem hat ja der Baron Verstand genug, dass Wahre vom Falschen zu unterscheiden.«

Noch eine Weile fuhr das Mädchen fort, durch tröstende Erwägungen den eignen Muth und den der Base neu zu beleben: dann wurde die Thür wieder geöffnet und der Diener forderte die beiden Frauen auf, ihm zu folgen.

Im Flur begegnete ihnen der Amtmann, der mit triumphierenden, spöttischen Blicken auf sie niedersah, während sie klopfenden Herzens und unterwürfig grüßend an ihm vorübergingen.

Am Ende des Ganges gewahrten sie eine weit geöffnete Flügelthür, welche ihnen aus der Ferne schon einen großem prächtigen Saal zeigte.

»Mutter, nimm Dich zusammen, da ist der Herr Baron,« flüsterte Cilia.

Der edle Herr von Dworg stand an einem der hohen Fenster, mit der Hand auf einen Schreibtisch gestützt; er war von hoher Gestalt, hatte scharf gezeichnete Züge und dunkle, durchdringende Augen. Wie er jetzt so dastand in seiner reichen golddurchwirkten Kleidung, den Degen an der Seite und den Kopf hoch aufgerichtet, mußte er in Jedem, der Ihn ansah ein Gefühl tiefer Ehrfurcht erwecken.

Die Pächterin und Cilia zitterten an allen Gliedern und wagten nur zögernd näher zu gehn, denn es war klar, daß der gnädige Herr sehr verdrossen ausschaute; der kalte, strenge Ausdruck seines Gesichtes benahm ihnen alle Hoffnung auf einen günstigen Empfang.

»Setzt Euch,« sagte er setzt, auf zwei Stuhle in der Nähe des Schreibtisches deutend, »Ihr kommt wohl zu mir als Fürsprecherinnen derjenigen, welche den Boden dieses meines Gebietes durch einen Mord besudelt und entweiht haben. Ich bedaure aufrichtig, daß auch Unschuldige darunter zu leiden haben, aber die Pflicht ist unerbittlich: es muß ein warnendes Beispiel aufgestellt werden, um Andere in Zukunft von solchen Schändlichkeiten abzuschrecken.«

»O Herr Baron, man hat Euch hintergangen,« antwortete Cilia seufzend, »der Amtmann ist seit langer Zeit schon der beiden Coutermann erbitterter Feind, er beschuldigt sie des Mordes, während sie doch nichts gethan haben, als ihr bedrohtes Leben vertheidigen.«

»Ja ja, das ist die alte Geschichte,« sagte der Edelmann lächelnd, »erhitzt durch den Haß, die Eifersucht, den Trunk sucht man Streit miteinander, man ficht mit Fäusten und Stöcken, bis endlich Einer in blinder Wuth sein Messer zieht und die anfangs harmlos scheinende Prügelei in ein Blutbad verwandelt. Gar zu viele Ausbrüche wilden und barbarischen Zornes haben während der letzten Jahre stattgefunden, dem muß ein Ende gemacht werden! Frau Coutermann, ich verstehe Euren Schmerz, er flößt mir wahre Theilnahme ein, aber ich kann dennoch nicht anders als meine Gerichtsbeamten anweisen, fest und streng in der Ausübung ihrer Pflicht zu sein.«

»Ach Mutter nur nicht alle Hoffnung verloren, suche Deine Thränen zurückzuhalten, flüsterte Cilia der Pächterin ins Ohr.

»Geht nach Haus,« fuhr der Baron fort, »und erwartet den Ausspruch des Schöffengerichtes, doch gebt Euch nicht trügerischen Vorstellungen hin; die Sache der Gefangenen steht schlecht, sehr schlecht.«

Cilia erhob die Hände zum Himmel und sagte flehend:

»O Herr Baron, schickt uns nicht fort, ohne uns gehört zu haben, – rühmt und segnet man Euch doch um Eurer Gerechtigkeit willen! Ihr seid falsch berichtet gestattet, daß ich Euch den unseligen Vorgang erzähle und wenn ein einziges Wort, das ich sage, sich als unwahr herausstellt, so jagt mich mit Schanden fort, ich habe es dann nicht anders verdient.«

»Nun so sprich, ich höre,« sagte der Edelmann, durch die Bitte des Mädchens gerührt.

Cilia begann nun von ihrer Verlobung, ferner von der Eifersucht des Markus und schilderte dann in beredten Worten was auf dem Schützenfest vorgefallen war.

Sie sah, daß der Baron ihr aufmerksam zuhörte und; glaubte eine mildere Auffassung in seinen Zügen zu lesen. Das ermuthigte sie zu neuem Streben, sie wußte mit so lebhaften Farben die Gefahr auszumalen, von der der Pächter und sein Sohn bedroht gewesen war und von welcher der Schlag den Blasius erhalten hatte, das klarste Zeugniß gab, daß der Edelmann zweifelnd den Kopf schüttelte. Aus der ganzen Darlegung zog sie dann den Schluß, daß Coutermanns unschuldig seien, weil sie nur von dem, jedem freien Manne zustehenden Rechte der Nothwehr Gebrauch gemacht, und endigte mit der dringenden Bitte um deren sofortige Freilassung, an die bekannte Gerechtigkeitsliebe und väterliche Güte des Barons appellierend.

Der Edelmann schwieg eine Weile, in tiefes Nachdenken versunken; er schien mit sich selbst zu kämpfen gegen den Eindruck, den die gefühlvollen Worte des Mädchens auf ihn hervorbrachten. Dann sagte er:

»Ich weiß es längst Cilia, daß Du ein verständiges Mädchen, und nicht auf den Mund gefallen bist. Wenn der Amtmann in seinem Haß die Schuld seiner Gegner bei mir übertrieben hat, so bewirkt natürlich bei Dir die Liebe das Gegentheil. Die Gefangenen frei zu geben würde unmöglich sein, selbst wenn ich von ihrer Unschuld überzeugt wäre.«

»Ach Herr Baron, erbarmt Euch um Gotteswillen,« rief nun auch die Pächterin mit flehend erhobenen Händen, »bis zu unserm letzten Athemzuge wollen wir Euren Namen segnen.«

»Aber gute Frau, ich kann doch dem gesetzlichen Verlauf der Sache keinen Einhalt thun! Das Schöffengericht wird entscheiden. Allerdings sucht Jeder meine Ansicht über diese traurige Sache zu erfahren und wenn es irgend Angeht, werde ich ein gutes Wort für die Gefangenen einlegen, damit man nicht zu strenge gegen sie verfährt. Leider erschweren sie selbst mir diese wohlwollende Absicht. Es ist nur eine Wunde an der Leiche des Getödteten und beide Coutermanns klagen sich an. Was wird nun die Folge der thörichten List sein? Das Gericht geräth in eine geradezu lächerliche Verlegenheit, es muß entweder einen Schuldigen freisprechen oder einen Unschuldigen bestrafen. Ohne Zweifel wird das Letztere der Fall sein, denn die Schöffen sind ja doch auch Menschen, es muß sie natürlich erbittern, sich in eine so unangenehme Lage versetzt zu sehn und ihr Urtheil wird möglichst hart ausfallen. Kann man sie deshalb tadeln? Und ist es nicht an und für sich schon strafbar, Spott mit dem Gericht zu treiben? . . . Meine Worte betrüben Euch, wie ich recht wohl begreife; wollt Ihr nun den Gefangenen einen wesentlichen Dienst erweisen und mich zu ihren Gunsten um stimmen, so sagt mir aufrichtig, wer von ihnen mit dem Messer gestochen hat. Ihr werdet es wissen also heraus mit der Sprache; Einer der Beiden kommt dann jedenfalls frei.«

»Wir wissen es nicht, gnädiger Herr,« antwortete Cilia.

Ein Ausdruck des Mißmuths verdüsterte die Züge des Edelmanns.

»Gestattet mir noch ein Wort hinzuzufügen, Herr Baron,« bat Cilia. »Als wir vor Euch erschienen, hatten wir keinen andern Zweck, als den, Eure Erlaubniß zu einem Besuche der Gefangenen einzuholen; wir wollten dann versuchen, sie zu einer wahrheitsgetreuen Erklärung zu bewegen, denn auch wir sind der Ansicht, daß sie mindestens sehr unvorsichtig handeln.«

»Also wenn man Euch Einlaß in den Thurm gewährte würdet Ihr mir sagen, wer von Beiden der Thäter ist?«

»Ja gnädiger Herr, denn wir zweifeln nicht an dem Erfolg unseres Versuches. Ach habt Mitleiden gewährt uns, was wir von Eurer Güte erflehn.«

»Wohlan denn, so geht nach Haus. Eigenmächtig kann ich keinen Beschluß fassen, will aber mit dein Herrn Drosten darüber reden und Euch dann durch einen Boten wissen lassen, ob Euer Wunsch erfüllt werden soll.«

»Laßt nichts unversucht, zur Erkenntniß der Wahrheit zu gelangen,« fügte der Baron noch hinzu nachdem die Frauen unter vielen Dankesbezeugungen aufgestanden waren. »Bedenkt, daß das Schicksal der Angeklagten vorwiegend davon abhängt, denn wenn sie fortfahren, des Gerichtes zu spotten, so werden die Schöffen kein Erbarmen kennen.«

»Wir wollen alles thun, was in unsern Kräften steht,« versicherte Cilia.

Im Begriff den Saal zu verlassen sahn sie einen Diener eintreten, der dem Baron meldete, daß der Droste ihn zu sprechen wünsche.

»Der kommt gerade recht! . . . Nikolaus führe diese guten Leute in das Sprechzimmer, sie sollen dort warten, bis ich sie rufen lasse.«

Als die beiden Frauen allein waren, sank die Pächterin auf einen Stuhl und ließ ihren Thränen freien Lauf. Die ernsten Worte des Barons hatten sie erschreckt, sie sah im Geiste nur Galgen und Rad; es stand jetzt fest bei ihr, daß man Urban und seinen Vater zu einer schweren Strafe verurtheilen würde, denn selbst Cilia’s mit so vieler Ueberzeugung und Begeisterung ausgesprochenen Worte waren nicht im Stande gewesen, den Baron von ihrer Unschuld zu überzeugen. Was konnte man da noch Gutes erwarten?

Ihre Begleiterin hingegen war voll Hoffnung und Zuversicht, glaubte sie doch bemerkt zu haben, daß der Baron nicht abgeneigt schien, an die Schuldlosigkeit des Pächters und seines Sohnes zu glauben; was ihn zurückhielt sich gnädig zu erweisen war nur das doppelte Bekenntniß. Erhielten sie nun die Erlaubniß, die Gefangenen zu besuchen, dann würde diese Ursache der Unzufriedenheit alsbald verschwinden die Schöffen ließen sich dann gleichfalls erweichen und sprachen ein mildes Urtheil, trotz aller Verläumdungen und Umtriebe des Amtmanns, das unterlag keinem Zweifel.

Durch solch tröstliche Versicherungen suchte Cilia auch MS den Muth der alten Frau einigermaßen aufzurichten, und noch war sie damit beschäftigt als einer der Schützen die Thür öffnete.

»Base Coutermann und Cilia Roosen,« sagte er, »ich habe Befehl vom Herrn Drosten, Euch in den Thurm zu führen; Ihr dürft die Gefangenen sehn und eine halbe Stunde bei ihnen bleiben, länger nicht! Nun kommt.«

Sie folgten ihm über den Hof bis zu dem Eingang des Thurmes. Auf den Ruf des Schützen wurde die schwere Thür geöffnet und der Schließer erschien mit seinem Schlüsselbund.

Die beiden Männer wechselten einige leise Worte miteinander.

»Gut,« sagte dann der Schließer laut genug, um auch diese von der Pächterin und Cilia verstanden zu werden, »bleibt Ihr nur hier unten, ich werde oben schon allein Wache halten; es ist nichts zu befürchten, sie sind sanft wie die Lämmer. In den Verhörsaal sagtet Ihr?«

»Ja, für eine halbe Stunde.«

»Ganz recht! . . . Nun steigt hinter mir die Treppe herauf, Base Coutermann; soll ich Euch die Hand geben? Die Stufen sind steil und ausgetreten Cilia hat junge Füße, sie kann der Hilfe des alten Gerhard entbehren.«

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10 aralık 2019
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