Kitabı oku: «König Oriand», sayfa 3
»Heil, Heil! Geht nach Hause, ihr armen Leute, Ihr seid frei! Preiset für eure Erlösung den barmherzigen Gott und euren großmüthigen König!«
Ohne auf die rührenden Dankbezeugungen zu achten, kehrte sie in den Gerichtssaal zurück und flog ihrem Gemahl an den Hals.
»Oriand, sagte sie, »o Dank, Dank! diese That christlicher Sanftmuth wird in dir belohnt werden durch selige Selbstzufriedenheit und inniges Herzensglück . . . «
»Ich fühle es bereits, du hast Recht, du guter Engel,« flüsterte der König mit einem stillen Lächeln um den Mund.
»Komm nun, Oriand, fliehen wir diesen verhängnisvollen Ort, und suchen wir in unserer Liebe, in der Ueberzeugung, daß wir Barmherzigkeit übten, die Ruhe, die Fee aus deinem Gemüth gewichen ist.«
Der Fürst, zufrieden, aber noch aufgeregt und nachsinnend, gab Befehl, alle weitere Untersuchung aufhören zu lassen, und ließ sich von seiner Gemahlin nach dem Palast führen.
Von da an, nagte jedoch etwas an seiner Seele; und wie sehr er sich auch bemühte, seine Gemüthsbewegungen zu unterdrücken, er verfiel doch sehr oft in düsteres Nachdenken, woraus er, unter den ermuthigenden Worten seiner Gattin, wie aus einem schmerzlichen Traume auffuhr. War es der Aerger, in seiner vollständigen Racheübung zurückgehalten worden zu sein? . . . oder schlich das Mißtrauen wie eine giftige Natter unvermerkt und auf unbekannten Wegen ihm in den Busen?
Allmählich jedoch schwand dieser unselige Eindruck beinahe ganz unter dem Einfluß der bezaubernden Anmuth der Königin Beatrix. Die Hoffnung, die Ueberzeugung, daß der Himmel ihn bald mit dem süßen Vaternamen beschenken würde, umringte in seinen Augen die zukünftige Mutter seiner Kinder mit einem Heiligenschein, der sie gegen allen Zweifel und allen Verdacht vertheidigte.
Mattabruna war sichtbar traurig und kleinmüthig. Wohl suchte sie glauben zu machen, daß die schimpfliche Verläumdung gegen die Königin die Quelle ihres Kummers wäre; aber was sie so bestürzt machte, war nichts anderes, als das Mißlingen ihrer boshaften List gegen Beatrix. So wie der König jetzt gestimmt war, wagte weder sie noch Markus die Verläumdung anzuschüren oder wieder aufzuwecken; denn bei einem neuen Ausbruch würde Oriand Rache und Tod rings um sich her verbreiten, und wer konnte dafür stehen, daß er seine Schlachtopfer nicht auf den Stufen des Thrones suchen würde?
Unerwartet erschienen damals zu Harlebeka kaiserliche Boten, die dem Könige meldeten, daß die Burgunder und Lombarden mit den Ungarn eine geheime Bundesgenossenschaft eingegangen wären, um das Reich gemeinschaftlich von zwei Seiten anzufallen. Der Kaiser rief Oriand zu Hilfe mit seinem gesamten Heer von Rittern und Waffenknechten. Die Sache erforderte große Eile und man mußte sofort die Vorbereitungen beginnen zu einem Feldzug, der wahrscheinlich viel Blut kosten würde und sehr lange dauern konnte.
Der König, früher so durstig nach Gefahr und Kampf, schien nun gedrückt und niedergebeugt. Als er eines Abends in einem Zimmer des Palastes mit Beatrix von seinem bevorstehenden Abzug zum Lager plauderte, schimmerte ihm dann und wann eine Thräne in den Augen und aus seinen Worten konnte seine Gemahlin merken, daß eine geheime Angst ihn erschütterte, etwas wie das Vorgefühl eines schrecklichen Unglücks.
Beatrix, obschon fast erliegend vor Kummer und Furcht vor den Gefahren des Krieges, suchte ihn zu trösten und ihm Kraft einzuflößen zur Erfüllung seiner Mann- und Ritterpflicht. Sie würde Gott unaufhörlich bitten, und hätte die innige Ueberzeugung, daß der Himmel ihren vielgeliebten Oriand beschirmen würde. Er solle nur der unverzagte Held von frühern Tagen bleiben, und Muth schöpfen aus dem seligen Gedanken daß bei seiner Rückkehr ein lächelndes Kindchen die Händchen ihm entgegenstrecken würde!
Durch das bezaubernde Wort seiner Beatrix ließ Oriand sich so weit ermuthigen und aufrichten, daß er den strengen Schicksalsschluß geduldig annahm und beinahe mit heiterem Geist die Zurüstungen zu seinem langen Zuge beschleunigte.
Mattabruna heuchelte eine tiefe Traurigkeit über die Abreise ihres Sohnes und überlud Beatrix mit Freundschaftsbezeugungen, wie um sie zu trösten; doch jedesmal, wenn sie unbemerkt die Königin von der Seite ansehen konnte, schimmerte in ihren Augen die Flamme des triumphierenden Neides. Hat nun würde der König sich für lange Zeit entfernen! Beatrix würde hilflos ihrer Rache ausgesetzt bleiben! Was konnte der boshaften, herrschsüchtigen Frau noch hinderlich sein in dem höllischen Plan, den sie mit Markus geschmiedet hatte?
Oriand wollte, daß die Königin während seiner Abwesenheit, an seiner Stelle herrschen sollte; aber Beatrix, deren Gesundheitszustand seit einiger Zeit wankend geworden war, weigerte sich dieses Auftrags und bat ihn, seine Mutter Mattabruna um Uebernahme der Last der Landesregierung zu ersuchen.
Diese erlangte von ihrem Sohne, daß Markus ihm nicht nach Deutschland folgen sollte. Die Hilfe eines treuen und anhänglichen Ritters, behauptete sie, könnte ihr zu Hause von höchstem Nutzen sein und ihre schwere Aufgabe merklich erleichtern.
Am Tage des Abzuges des Heeres empfahl Oriand seine Gattin noch einmal der liebreichen Sorgfalt seiner Mutter und drückte Beide mit Zärtlichkeit an sein Herz. Mit erstickter Stimme sprach er das traurige Lebewohl, sprang dann aufs Pferd, ließ die Trompeten blasen und zog an der Spitze seines Heeres ab.
Beatrix schaute mit klopfendem Busen dem theuren Helden nach, so lange ihre Augen noch den rothen Federbusch auf seinem goldenen Helme unterscheiden konnten. Dann erst brach sie in Thränen aus, und schien so tief erschüttert, daß sie auf ihren Füßen wankte und ohnmächtig zu werden schien.
Mattabruna stützte die niedergeschlagene Gattin und führte sie unter Worten der Theilnahme und des Trostes nach dem Palaste. Als des Königs Mutter, einige Zeit darnach, Beatrix verlassen hatte, und durch einen einsamen Gang schreitend, ihrem Vertrauten Markus begegnete, zog sie ihn zur Seite und flüsterte triumphierend an sein Ohr:
»Ihr Schicksal ist entschieden! Nichts kann sie noch retten! Durch seine Hand soll sie sterben, überladen mit Schande und Fluch!«
»So sei es!« antwortete Markus, sich die Hände freudig reibend.
V
Ohne Zweifel hatten geheime Feinde die Abreise des Königs abgewartet, um das Feuer der Verläumdung gegen die Königin heimlich anzublasen. Kaum war er seit ein paar Wochen nach Deutschland gezogen, so begannen allerlei sonderbare Gerüchte unter dem Volke herumzulaufen, über nächtliche Erscheinungen und Spukgestalten, die nach der Aussage vieler Leute rings um den Palast sich zeigen sollten.
Zuerst sprach man davon mit großer Furcht und Vorsicht; aber als einige Hofbeamte diese Gerüchte an Mattabruna mittheilten, zuckte diese ohne die geringste Entrüstung mit den Schultern und brachte auf die Vermuthung, daß sie selbst an die Möglichkeit solcher schrecklichen Dinge glaubte.
Dies ermuthigte die Ritter und dann auch die Bürger so weit, daß sie endlich auf Märkten und Straßen über die geheimnißvollen und furchterregenden Erscheinungen zu plaudern wagten.
Der eine erzählte von Irrlichtern und grünen Flammen, die rings um die Thürme des Palastes tanzten, ein zweiter wußte, daß man einen schwarzen Drachen mit feurigen Augen in die Kammer der Königin hätte fliegen sehen; ein dritter hatte die Schatten von Teufeln hinter den Gardinen der Kammer der Königin hin und her gehen sehen.
Und so sprach man von hundert verschiedenen Spukbildern, meistens albern, unmöglich und einander widersprechend; aber, was unter all diesen Behauptungen von Vielen für wahr gehalten und geglaubt wurde, war, daß fast alle Nächte ein schöner, junger Ritter, in einen rothen Mantel gehüllt, aus der Kammer der Königin kam, den Palast verließ und in der Mitte des Schloßgartens verschwand. Dies konnte Niemand anderes sein als der Teufel selbst, meinte man; denn Mauern und geschlossene Thüren wären für ihn kein Hinderniß; und wo er verschwanden wäre, stänke es den andern Tag noch nach Schwefel und Pech; ja, eine Schildwache hatte bemerkt, daß er Pferdefüße hätte.
Während man so gegen die unschuldige Beatrix Wolken zusammenballte, um das Unwetter zu bereiten, das sie verschlingen sollte, saß sie in einem abgelegenen Zimmer des Palastes, kränklich und leidend, und den feierlichen Augenblick abwartend, wo Gott ihr ein Kind und dem Throne einen Erben schenken würde. Ihr größter Trost war die zärtliche Zuneigung der Mattabruna, die sie durch allerlei gute Worte ermuthigte, vorzüglich durch die wiederholte Schilderung der unermeßlichen Freude, welche das Herz Oriands beim Empfang der erwünschten Nachricht erfüllen würde! ., .
Der große Tag war endlich gekommen.
Im Thronsaal des Palastes waren viele Leute versammelt: Ritter, Edelfrauen und vornehme Bürger, die schweigend, aber durch Neugier aufgeregt, dem wichtigere Ereigniß entgegensahen. Sie lauschten mit klopfendem Herzen auf das geringste Geräusch; aber Alles todtenstill . . .
Unterdessen saß Savary mit einem weiten Mantel auf den Schultern, in einem Kämmerchen des Palastes in der Nähe der geheimen Treppe, die einen Ausgang gewährte auf den Hintergarten.
Markus ging mit langsamen und vorsichtigen Tritten in dem Gang auf und ab, in der Nähe der Kammer der Königin. Auch er horchte mit gespannter Aufmerksamkeit; aber nicht das mindeste Geräusch hatte sich seit geraumer Zeit vernehmen lassen. Was bedeutete doch diese völlige Stille?
Plötzlich wurde die Thür geöffnet und Mattabruna kam aus der Kammer. Sie legte Markus etwas auf den Arm, das in ein weißes Tuch gewickelt war und flüsterte:
»Schnell, schnellt Macht kein Geräusch!«
Markus ging auf den Zehen bis in das Kämmerchen, worin Savary sich befand und sagte ihm:
»Schweige kein Wort! Schnell in den Garten; ein Pferd steht bereit. Reite blind drauf los, weit, weit weg . . . Dein Glück ist gesichert oder dein Leben verloren! – Er sah Savary die Treppe hinabsteigen . . . und lief dann mit triumphierendem Lächeln nach dem stets Thronsaal, wo er durch seine Gebärden Ritter und Bürger zur Stille ermahnte, aber ihnen zu verstehen gab, daß Alles vollbracht wäre und sie alsbald die erwartete Nachricht vernehmen würden.«
Wirklich, da hörten sie oberhalb der großen Treppe die Stimme von Mattabruna, welche schmerzliche Klagen ausstieß. Jedermann bebte. War da ein Unglück geschehen? Mattabruna erschien im Saal, etwas auf dem Arme tragend, das in ein Tuch gewickelt war. Sie war bleich, Thränen standen in ihren Augen und Alles an ihr zeugte von einem endlosen Kummer und von tiefer Verzweiflung.
Sie schritt bis in die Mitte des Saals und rief aus:
»O, weh, weht Beklagt meinen Sohn, Euren armen König, dessen Ehre auf ewig geschändet ist! Wäre sie nie geboren, diejenige, welche den Fluch des Herrn über ihn und über Euer Land herabgezogen hat! Seht, seht, solch ein Kind giebt sie eurem König, solch einen Erben dem Throne eures Fürsten! O Scheusal, Scheusal, ich fühle, wie ich vor Scham sterbe!«
Und unter dem Aussprechen dieser schrecklichen Beschuldigung legte sie ihr Pack auf einen Sessel und öffnete das Tuch.
Alle Umstehenden sprangen zurück vor Entsetzen und Entrüstung.
Ein Hund, ein Hund! flüsterte man. Ein Kind der Hölle! Verflucht sei die Königin die Hexe, die Teufelin! Rächen wir unsern König und unser Land; sie muß sterben, sterben auf der Stelle!
Und die abergläubischen Leute, durch die Verläumdung seit langem zu Haß und Rachsucht erhitzt, zogen ihre Schwerter oder ihre Messer, und gedachten augenblicklich nach Oben zu stürmen, um nach ihrer Meinung die Schande ihres Königs im Blute der Hexe abzuwaschen; aber solch ein Ende lag nicht in Mattabruna’s Plan.
Markus hatte in Eile eine Bande Waffenknechte gerufen und alle Zugänge zur Kammer der Königin mit Gewalt abgesperrt.
Jetzt wo ihrem Schlachtopfer der moralische Todesstoß gegeben war, vertheidigte sie das Leben der Königin gegen die Gewalt des wüthenden Volkes, indem sie vorgab, daß Niemand sie verurtheilen oder strafen dürfte als der König allein.
Auf ihren wiederholten Befehl räumte die Menge den Palast.
Eine halbe Stunde später erschallte die ganze Stadt von Verwünschungen gegen die schnöde Zauberin, die des Königs Hans mit ewiger Schande besudelt hätte.
Man vernahm noch am selben Tage mit erneutem Entsetzen, daß die Frau, die der Königin in ihrer Krankheit beigestanden, vor Schreck gestorben war!
Unterdessen war Mattabruna mit dem jungen Hund im Tuch noch oben gegangen, um Beatrix, wenn sie aus der Ohnmacht erwachen würde, ihr Unglück zu erkennen zu geben.
Lange wartete sie, das funkelnde Auge auf die bewußtlose Königin gerichtet, und bei sich triumphierend bei dem Gedanken an den unaussprechlichen Schmerz, der Beatrix treffen würde . . . denn die Unglückliche hatte kein Bewußtsein von dem, was geschehen war, und würde an ihre Schande glauben müssen.
Die Königin erholte sich endlich von ihrer Ohnmacht; und kaum hatte sie das Bewußtsein wieder erhalten, so streckte sie die Hände aus und rief mit einem Lächeln voll froher Liebe:
»Mein Kind, o, gebt mir mein Kind, daß ich ihm den ersten Mutterkuß auf die Lippen drücke!«
Mattabruna blieb stumm und that so, als wische sie mit einem Tuche die Thränen aus ihren Augen.
»Mein Kind, mein Kindl wiederholte Beatrix. Hier muß es ruhen, an meiner Brust!«
»Still, still, um Gotteswillen, schweige,« flüsterte Mattabruna.
»Mein Kind, o, lege es mir in die Arme! flehte die Königin. Es ist ein Sohn, nicht wahr? Mein Herz, das vor Freude und Stolz klopft, sagt es mir!«
»Ach, ach, welch Unglück!« seufzte Mattabruna.
»Ein Unglück? O Himmels Sollte der Tod . . . ?«
»Aber nein, nein, da in der Wiege, unter diesem Tuche, ich sehe, wie es sich rührt; es hat vielleicht Durst . . . Gib es mir, ich bitte dich, ich schmachte vor Verlangen. Laß eine Mutter nicht so grausam leiden!«
Mattabruna stand auf und ging nach der Wiege. Hier blieb sie stehen, und während Thränen ihr wirklich über die Wangen flossen, sagte sie:
»Arme Beatrix, es wäre ein Segen für dich, wenn nimmer deine Augen das Kind anzuschauen brauchten, das du dem König geschenkt hast . . . Aber du willst es, nicht wahr? Ich darf es nicht verschwinden lassen?«
»Verschwinden lassen? Mein Kind?« stammelte Beatrix, halb todt vor Angst. »Her, her, gieb es mir!«
Und Mattabruna, das Tuch von der Wiege ziehend, zeigte einen jungen, schwarzen Hund.
»Unglückliche Beatrix, sagte sie weinend, stirb nicht vor Schmerz: das ist dein Kind . . .
Ein kläglicher Angstschrei, als wäre ein Herz gebrochen, schallte durch die Kammer. Beatrix fiel zurück mit dem Kopf auf das Kissen, Todesblässe breitete sich über ihr Gesicht; sie schloß die Augen und schien durch den gräßlichen Schlag das Leben verloren zu haben.
Mattabruna erschrak zuerst bei diesem Gedanken, weil ihr Plan ihrer Feindin ein längeres und noch größeres Leiden vorbehalten hatte; aber sie erwog bald, daß, wie die Königin auch ins Grab gelangte, ihr Tod gleichwohl zur Folge haben müßte, den Platz auf dem Throne neben dem König leer zu machen; und daß sie, Mattabruna, dann vielleicht für immer das Scepter in die Hände bekommen würde.
Beatrix mochte aus dieser Ohnmacht erwachen oder nicht, es war ihr beinahe gleichgültig.
Sie warf den Hund wieder in die Wiege und setzte sich schweigend bei dem Bett nieder.
VI
An jenem Morgen trabte ein Mann, in einen weiten Mantel gehüllt, auf heimlichen Wegen nach dem Walde-ohne-Gnade.
In der ersten Stunde vorzüglich, bewirkte die Furcht, Vorübergehenden zu begegnen, daß er oft die Sporen in die Weichen seines Rosses bohrte; aber endlich gelangte er in eine einsame buschartige Gegend, wo er meinte, daß sich selten ein Mensch sich zeigte.
Dann ließ er sein Pferd im Schritt gehen und ritt sinnend und träumend weiter. Manchmal lächelte er in sich hinein, wenn er berechnete, welche ansehnliche Belohnung ihm zu erwarten stand. Nicht allein sein Gebieter Markus, sondern sogar des Königs Mutter hatten ihm Schätze und Würden versprochen. Er würde zuerst unter die Jäger des Fürsten aufgenommen und dann zum Hauptmann in der Leihwache ernannt werden. Ihm würde eine Burg geschenkt werden, und weil er nun ein Vertrauter – ein Mitschuldiger – der Königin Mutter geworden wäre, würde er mit der Zeit bis auf die Stufen des Thrones gelangen; denn wäre es wohl möglich, etwas einem Manne abzuschlagen, der mit einem einzigen Worte über Mattabruna’s und des Markus Leben verfügen konnte? Aber er schüttelte auch dann und wann bekümmert den Kopf. Wenn der König etwas von dem schnöden Verrath erfahre? Ach, dann würde der arme Savary durch vier Pferde in Stücke zerrissen und seine Ueberbleibsel würden, zu Asche verwandelt, in den Wind zerstreut werden!
Während er so diese dunkle Kehrseite seines möglichen Looses erwog, wurde seine Aufmerksamkeit unerwartet aufgeweckt durch eine schwarze Rauchsäule und sich kräuselnde Flammen, welche er in der Ferne bei einem Kirchlein aufsteigen sah. Er meinte, es stände dort ein Dorf in vollem Brande, und hielt eine kurze Weile sein Pferd zurück, um zuzuschauen.
Ein alter Mann mit einem Beil auf der Schulter kam aus einem Busch hervor auf seinen Weg.
»He, Freund, was geschieht da in der Ferne? Ich höre so viele verworrene Stimmen. Brennt die Kirche?« fragte ihn Savary.
»Nein, Herr, antwortete der Mann, es ist eine Frau, die zum Feuer verurtheilt ist und auf den Scheiterhaufen liegt. Die Stimmen, welche Ihr bis hierher schallen hört, sind die Verwünschungen des Volkes gegen die Schuldige.«
»Welche Missethat hat sie denn verübt, daß man sie haßt und ihr bis in den Tod flucht?
»Sie hat ein kleines Kind ermordet, Herr.
Savary fragte nach keiner ferneren Erklärung. Ein eiskaltes Zittern war ihm durch die Adern gefahren, und er hatte mit einem erstickten Angstschrei seinem Pferde die Sporen in die Seite gedrückt.
Wohl eine ganze Stunde lang ritt er im wilden Galopp vorwärts, ehe er wieder, um auszuruhen, den Zaum anzog und sein Pferd in Schritt setzte.
Jetzt war er schon weit in den Schooß des Waldes-ohne Gnade hinein; allerdings noch nicht weit genug, nach den Befehlen seines Gebieters; aber hier lief er gleichwohl keine andere Gefahr mehr als vielleicht wilden Thieren zu begegnen.
Schon hatte er so lange und so oft an die furchtbare Strafe der Kindsmörderin gedacht, daß dieser Eindruck viel schwächer geworden war, und er wieder durch die Betrachtung der versprochenen Wohlthaten zu dem Entschluß gekommen, blind drauf los und ohne Mitleid den übernommenen Auftrag zu vollbringen.
Er öffnete ein wenig den Mantel und das Tuch.
»Man möchte sagen, murmelte er, daß das Schicksal mich begünstigen will. Das Kind schläft, als nähme es den Trab meines Pferdes für das Schaukeln einer Wiege!
Den Kopf bückend, sah er tiefer unter seinen Mantel.
»Ein schönes Kind, in der That! sagte er und über die Maaßen groß! Es gleicht wirklich unserm König, oder wenigstens es würde ihm gleichen, davon bin ich gewiß. Armes Wichtchen, wärest du in einer Hütte geboren, du würdest jetzt unter den Küssen einer liebevollen Mutter erwachen; . . . dein Haupt sollte eine Krone tragen, darum mußt du sterben, am ersten Tage deines unseligen Lebens! Bleib schlafen, so wird dein Tod ein süßer Schlummer ohne Erwachen sein.
Mit diesen Worten schloß er wieder seinen Mantel.
»Und ich, ich, Savary, habe es auf mich genommen, das unschuldige Kind, den Sohn meines Königs zu tödten und seine kleine Leiche den wilden Thieren zur Beute zu geben! seufzte er. »Wenn man die unerhörte Missethat entdeckt, welche Marter wird meiner Bosheit entsprechen? O, könnte ich von meinem Versprechen zurückkommen! . . . Aber wie? Mattabruna ist allmächtig; wollte ich sie verrathen, sie würde mich ebenso schrecklich sterben lassen . . . Und doch, tödte ich das arme Kind nicht, so ist es gleichwohl verloren; nichts auf Erden kann es retten. Uebernehmen wir mit Geduld und Entschlossenheit das uns auferlegte Schicksal. Kein Ueberlegen mehre von der einen Seite Vermögen und Ehrenstellen, von der anderen, Gift, Galgen, Scheiterhaufen. Vorwärts, vorwärts!
Und wieder zwang er sein Pferd mit aller möglichen Schnelligkeit längs den Ufern eines Baches durch den Wald zu traben, bis er sich für fern genug achtete.
Dann wandte er sich seitwärts, drang einige Zeit mit Mühe zwischen verwildertem Baumwerk durch und gelangte endlich auf einen Platz, der nach allen Seiten von dichtem Gesträuch umschlossen war.
Hier stieg er von seinem Pferde und sich dem Fuße einer riesengroßen Eiche nähernd, legte er sein Päckchen nieder, öffnete das Tuch und beschaute eine Weile in der Stille das noch immer schlafende Kind.
Er zog langsam sein Schwerdt und hob es in die Höhe; aber er zögerte noch und schien zu zittern.
»Komm, komm, keine Schwachheit, murrte er in sich hinein. Ein Königskind hat keine zwei Seelen, ein einziger Schlag genügt, ebenso wie für ein Bettlerkind . . . Aber was widerfährt mir? Ich kann, dünkt mich, nicht schlagen! Wer hält meinen Arm zurück?
Und er sah besorgt hinter sich.
»Es ist seltsam,« sagte er, »eine geheime Angst lähmt mich . . . Ich habe dort hinten einen tiefen Sumpf gesehen. Wenn ich es da hinein würfe, dann würde ich wenigstens sein Blut nicht vergießen und es würde unter meinen Augen nicht sterben.«
Aber da erwachte das Kind. Mit den Händchen herumfahrend, als suchte es seine Mutter, stieß es einen Schrei aus, stark genug, um in einer gewissen Entfernung gehört zu werden.
»Schnell, schnell!« murmelte Savary. »Das gefährliche Spiel man ein Ende nehmen, oder ich werde noch verrathen!«
Er lief herzu, kniete bei dem Kinde nieder, schloß ihm den Mund mit der linken Hand und hob das Schwerdt in die Höhe, um das Köpfchen seines armen Schlachtopfers zu zerschmettern . . .
Plötzlich sprang ihm ein brummendes Thier so gewaltig auf die Schultern, daß er mit dem Gesicht zu Boden fiel; er stand gleichwohl auf und wich einige Schritte zurück, um sich gegen das Ungeheuer zu Vertheidigen, das ein großer Wolf zu sein schien.
Das Thier ließ ihm nicht die Zeit zum Athemholen; denn eben hatte er eine Bewegung gemacht um sein Schwerdt wieder aufzuheben, so, fühlte er lange und grausame Zähne in seinen Arm dringen, und ihm den Puls zermalmen.
Savary, sinnlos vor Angst, ließ seine Waffe fallen, und gedachte aufs Pferd zu springen, um so durch die Flucht seinem gräßlichem Schicksale zu entgehen; aber das Pferd, ebenso erschrocken wie er, trabte bereits in der Ferne durch Busch und Gesträuch.
Das Unthier sprang ihm nun nach dem Hals, warf ihn zu Boden und faßte ihn an der Kehle. Das Blut, das ihm den Mund füllte, hinderte ihn um Hilfe zu schreien.
Da erschien unerwartet zur Stelle ein alter Mann mit grauen Haaren, der in ein langes Gewand von grobem und abgenutztem Tuch gehüllt war und um den Gürtel einen Strick und ein hölzernes Kreuzchen trug. Er war wahrscheinlich ein Klausner.
Dieser stieß einen Angstschrei aus und herzulaufend, rief er dem Thiere zu:
»Bold, Bold, was thust du? Zurück! Still!«
Und der Hund – denn es war ein gezähmter Wolfshund – kroch geschmeidig bis auf einige Schritte von seinem Herrn weg, setzte sich auf die Hinterpfoten und begann zu heulen, wie um zu bezeugen, daß man mit Unrecht gegen ihn erzürnt wäre.
Der Klausner kniete bei dem ohnmächtigen Savary, hob ihm den Kopf auf, wusch seine Wunde mit Wasser, das er in einer steinernen Flasche an seinem Gürtel trug, gab ihm zu trinken und suchte ihn wieder ins Leben zurückzurufen.
Das gelang ihm nach einer Weile. Savary öffnete die Augen und schaute bestürzt und matt den Greis an, der tröstende Worte ihm zusprach.
»Habt Dank, wer Ihr auch seid, flüsterte er, aber alle Hoffnung auf Leben ist für mich verloren. Ich fühle es wohl, daß der Tod mir ins Herz sinkt.«
»Unglücklicher Freund, sagte der Klausner, Ihr habt ohne Zweifel meinen Hund angefallen, denn Bold ist unfähig, einem unschädlichen Menschen . . . «
»Hört mich, ich bitte Euch! flehte Savary. Ich bin im Begriff zu sterben und ich verdiene mein Loos. Euer Hund ist ein Werkzeug der Rache des Himmels. Möchte es noch Barmherzigkeit für mich geben! Ich fühle Reue; laßt mich Euch meine Beichte sprechen und schenkt mir armen Sünder Vergebung im Namen Gottes. Vielleicht . . . wer weiß? Ach, neigt Euren Kopf mir zu und horcht . . . oder es ist zu spät!«
Der Klausner, von dieser feierlichen Bitte ergriffen, legte ohne zu sprechen sein Ohr an den Mund des Sterbenden.
Mit Unterbrechungen, zwischen schmerzlichen Seufzern und bittern Thränen, erzählte Savary ihm, die Geschichte von Beatrix und Mattabruna, und sagte, wie sein Gebieter Markus – Mitschuldiger von des Königs Mutter – ihn beauftragt hätte, mit dem Kinde in den Wald-ohne-Gnade zu gehen und es zu tödten, und wie dieser Wolfshund, wie durch die Vorsehung geschickt, das Kind gerettet hätte, indem er ihn, den Mörder, anfiel, gerade in dem Augenblick, wo er das Schwerdt aufgehoben hatte, um dem armen Schlachtopfer den Kopf zu spalten . . . Nun bäte er den Klausner um Segen und Gebete; daß er ungeachtet seiner tiefen Reue,verdiente auf ewig im Feuer der Hölle zu brennen, das erkenne er; aber nun er seine Beichte gesprochen hätte, würde er doch nicht sterben ohne einige Hoffnung auf Gottes Güte.
Erschöpft durch dieses lange Sprechen, ließ er das Haupt hintenüber sinken und röchelte wie bewußtlos. Noch suchte der Klausner sein Blut zu stillen und tröstete ihn unterdessen durch die Aussicht, daß seine Wunde nicht tödtlich sein würde. Auf alle Fälle, sagte er, würde er das Unrecht, das der reuevolle Savary gethan, wieder gut machen, indem er das Kind sofort nach Harlebeka tragen und es seiner Mutter zurückgeben würde.
Diese letzten Worte schienen den Sterbenden zu erschrecken. Ein krampfhaftes Zittern durchlief seine Glieder, und indem er die Augen wieder öffnete, murmelte er mit schwachen Stimme:
»Nach Harlebeka? Nein, o nein; Ihr tödtet das Kind! Mattabruna ist allmächtig. Müßte sie es hundertmal sterben lassen, . . . und Euch . . . und Alle die . . . von ihrem Verrath wissen . . . Mein Herz erstarrt . . . Ach- rettet das Kind . . . Haltet es verborgen . . . Lebt wohl . . . ich sterbe . . . «
Und der Klausner faltete die Hände, beugte seufzend das Haupt und flüsterte ein Gebet für die arme-Seele, die ihre Reise nach der Ewigkeit begonnen hatte . . .
»Bold!« rief er aufstehend, »komm her, mein treuer Kamerad; ich war ungerecht gegen dich!«
Der Hund sprang an seiner Seite empor und leckte ihm mit dem Schweife wedelnd die Hände, wie erfreut über den Beifall seines Herrn.
Einen Augenblick noch sah der Greis auf die Leiche des Savary hin.
Die wilden Thiere suchen ihre Beute nicht am Mittag, murmelte er in Gedanken. Gehen wir zuerst zu dem Kinde, es liegt dort an dem Fuße der großen Eiche.
Der Hund lief voraus und schien ihm den Weg weisen zu wollen. Uebrigens war das unnöthig, weil er bereits von Ferne das Kind kreischen hörte.
Alsbald sah er es die Händchen ausstrecken, schritt hastig nach ihm hin und knieete neben ihm nieder.
Das Kind war durch gewaltiges Schreien ein wenig blau im Gesicht geworden. Dies erschreckte den Klausner und brachte ihn auf den Gedanken, daß der arme Wicht keine Taufe empfangen hätte. Er nahm die steinerne Flasche von seinem Gürtel und goß Wasser in seine hohle Hand, bereit, das Kind durch Abwaschung zum Christen zu machen; aber ein Hinderniß hielt ihn zurück. Welchen Namen sollte er dem königlichen Sproß geben?
»Eine Eingebung von Oben!« sagte er, gen Himmel blickend. »Es liegt unter der strahlenden Sonne; dieses glanzreiche Werk Gottes ist Zeuge dessen, was hier geschieht. Nennen wir das Kind Helias . . . «
Und indem er das Köpfchen des Kindes mit Wasser besprengte, sprach er die feierlichen Worte:
»Helias, ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.«
Da nahen er das Kind auf die Arme, küßte es zärtlich und trug es quer durch das Gesträuch, bis er an eine lichtere Stelle gelangte, wo ein kleiner Bach zwischen grünen Ufern floß.
Am Ende dieser schmalen Fläche stand eine Art Häuschen, aus rohen Baumstämmen und aus Lehm gebaut, über dessen Giebel ein Kreuz sich erhob.
Dies war ohne Zweifel die einsame Wohnung des Klausners; denn als er eine Ziege blöcken hörte, rief er:
»Ha, ha, Grisella, du willst heraus? Andere Sorgen sind mir jetzt aufgebürdet. Schweig nur; bald sollst du auf die Weide; jetzt noch nicht!«
Unter diesen letzten Worten trat er in die Klause, setzte sich nieder auf eine hölzerne Bank, und ergriff ein irdenes Gefäß, das mit Milch gefüllt war.
Er schwebte in großer Verlegenheit und wußte nicht, wie er das Kindchen erquicken sollte; selbst als er seine kleinen Lippen mit dem Finger befeuchtete, schloß es den Mund oder schrie laut.
Der Hund saß auf seinen Hinterpfoten und beobachtete neugierig, was sein Herr that. Plötzlich begann das Thier zu bellen.
»Du hast Mitleid mit mir, nicht wahr, Bold?« fragte es der Klausner. »Ja, du hast wohl Recht. Sieh, wie der Schweiß mir auf der Stirn steht. Soll denn dieses unglückliche Kind vor Hunger und Durst auf meinem Schooße sterben müssen? O Gott, gib mir doch Rath! Ha, vielleicht! Wer weiß?«
Er legte das Kind auf ein Fuchsfell, öffnete ein kleines Thürchen und rief Grisella, »Grisella, komm!«
Eine weiße Ziege mit grauen Flecken kam hüpfend aus dem Ställchen gelaufen.
Der Klausner streichelte sie und legte sie auf das Fuchsfell neben das Kind, das einen Augenblick darnach seinen Durst mit mächtigen Zügen stillte, ohne daß die Ziege einigen Widerstand leistete; im Gegentheil, sie schien Vergnügen zu finden an dieser mehr natürlichen Weise ihrer Milch entledigt zu werden.
Mit frohem Lächeln und wie im Triumph sich die Hände reibend, betrachtete der Klausner dieses Schauspiel.
»Eine sonderbare Mutter für ein Königskind!« murmelte er. »Dank sei dem gütigen Gott, der mir dieses Mittel eingab; sonst, mein armer Helias, würdest du bald erlegen sein. Jetzt wirst du leben bleiben!«
Er nahm ein Werkzeug, wie einen abgenutzten Spaten, auf die Schulter, und sagte zu dem Hund, während er aus der Klause schritt:
»Bold, aufgepaßt! Die Wache gehalten bei Kind und Ziege, bis ich wieder komme!«
Ein kurzes Gebell des Thieres bezeugte, daß er den Befehl verstanden hatte.
Als der Greis zur Stelle kam, wo Savary’s Leiche noch auf dem Rücken ausgestreckt lag, begann er in aller Eile eine Gruft zu graben.