Kitabı oku: «Trollingermord», sayfa 3

Yazı tipi:

Sie nahmen auf dem großen Ecksofa Platz, während Greta Bäuerle mit einem Tablett, drei Tassen und einer Kaffeekanne den Raum betrat.

»Ich nehme an, Sie trinken um diese Zeit auch noch einen Kaffee«, sagte sie, in einem etwas freundlicheren Ton.

»Kaffee geht immer«, seufzte Frank, der hoffte, dadurch die unangenehme Nachricht aufzuschieben.

Greta Bäuerle setze sich auf den Diwan, nahm einen Schluck aus der Tasse.

»Also, um was geht es? Kripo, sagten Sie? Dann ist es bestimmt wegen des Einbruchs im Büro der Genossenschaft letzte Woche. Aber mein Mann ist leider unterwegs. Er musste heute Morgen in den Weinberg, die Reben beschneiden. Das kann dauern. Er ist erst gegen Mittag zum Essen wieder da.«

Frank stellte die Tasse auf den Glastisch, lehnte sich nach vorn, stützte seine Ellenbogen auf die Knie.

»Wir kommen nicht wegen des Einbruchs«, erwiderte er, »aber darauf werden wir im Laufe unserer Ermittlungen bestimmt noch einmal zu sprechen kommen.«

Er schaute ins angespannte Gesicht von Greta Bäuerle.

»Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass wir Ihren Mann heute Morgen tot aufgefunden haben.«

Nun war es endlich raus. Der Satz, der bei Angehörigen des Opfers für immer alles veränderte. Dieser eine Moment, wo eine bisher oft heile Welt zusammenbrach. Er schaute sie, die erste Reaktion erwartend, an.

Sie sagte nichts. Die Mimik ihres Gesichts ließ keine Rückschlüsse darauf zu, was in ihrem Inneren vor sich ging. Vom Weinkrampf über einen Ohnmachtsanfall bis hin zur Gleichgültigkeit schien in dieser Sekunde alles möglich.

Greta Bäuerle stand auf, die Tasse fest in der linken Hand haltend, und ging dann zur Terrassentür. Frank sah Richard fragend an.

»Wie ist es passiert?«

Die Frage überraschte Frank. Mit so einer Reaktion hatten beide nicht gerechnet.

»Was meinen Sie?«, erkundigte er sich irritiert. Es kam ihm vor, als würde sie diese Nachricht nicht aus heiterem Himmel treffen.

Sie sah aus dem Fenster. Frank konnte nur ihre Silhouette von hinten, nicht aber die Mimik in ihrem Gesicht erkennen. Stellte sie sich mit Absicht so hin, um ihre Reaktion auf die Nachricht vom Tod ihres Gatten zu verbergen?

»Wie ist er gestorben? Ich meine, Sie kommen ja nicht hierher, wenn er nicht getötet worden wäre.«

Sie drehte sich um, kam wieder zu ihnen und setzte sich an ihren Platz.

»Wir ermitteln immer bei einem Tötungsdelikt. Ob Selbstmord oder Mord ist für uns erst mal nicht relevant«, fuhr Richard fort.

»Dann hat ihn also jemand ermordet. Gerd hatte keinen Grund, sich umzubringen«, stellte sie emotionslos fest.

Frank musterte sie unauffällig. Bis jetzt konnte er sich kein für ihn zufriedenstellendes Bild von dieser Frau machen. Einzig, wie sie trotz der niederschmetternden Nachricht in der Lage schien, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, nötigte ihm Respekt ab.

»Ihr Mann wurde in der Tat ermordet«, erwiderte er. »Haben Sie eine Ahnung, wer so etwas getan haben könnte?«

Sie zuckte mit den Schultern.

»Gerd hatte keine Feinde. Schon gar niemanden, der ihm so etwas antun würde. Klar gab es hier die eine oder andere Meinungsverschiedenheit. Aber in einer Genossenschaft wie der unseren ist so was doch normal.«

»Sie erwähnten vorhin einen Einbruch. Wurde etwas gestohlen?«, erkundigte sich Richard. Unter Umständen bestand ein Zusammenhang zwischen den beiden Straftaten, auch wenn es sich dabei wahrscheinlich eher um eine Wunschvorstellung handelte. »Soweit ich weiß, wurde nichts gestohlen. Gerd hat sich nur aufgeregt, weil die Versicherung den Schaden mit der Glasscheibe nicht übernehmen wollte. Haben Sie sonst noch Fragen? Ich möchte jetzt gern allein sein.«

Für die Kommissare bestand vorerst keine Notwendigkeit für Nachfragen. Sie verabschiedeten sich und begaben sich wieder hinaus in die eisige Januarkälte.

»Die hat was zu verbergen«, sagte Richard.

»Wie kommst du da drauf?«

»Na überleg doch mal, wie sie reagiert hat. Richtig nüchtern. Als wenn sie froh ist, ihn endlich los zu sein. Der ist tot, sie kriegt sein Geld. Wenn ich so nachdenke, dann ist das bestimmt nicht wenig. Damit hätte sie jedenfalls ein prima Motiv.«

Frank wollte ihn erst mit dem Hinweis, jeder Mensch würde auf solche Nachrichten anders reagieren, unterbrechen. Ebendiese Begründung, die Richard aber nachschob, klang logisch. Letztlich wurden weit über 80 Prozent der Morde von engen Angehörigen begangen. Nicht, wie im Fernsehen immer suggeriert wurde, von dem großen Unbekannten.

»Vielleicht hast du recht. So was müssten wir prüfen. Schlecht sieht sie ja nicht aus«, stellte Frank fest.

»Nana. Du hast die Lisa. Wenn, dann ist sie eher was für mich«, grätschte Richard verbal dazwischen.

»Ich denke, du bist dafür schon wieder zu alt«, meinte Frank trocken.

»Älter vielleicht. Aber dafür mit Erfahrung«, grinste Richard.

3. Kapitel

Im Präsidium wuselte, als sie eine halbe Stunde später an ihrem Arbeitsplatz ankamen, ein sichtbar aufgewühlter Müller-Gruber herum. Manfred sah dem Treiben von seinem Platz aus argwöhnisch zu.

»Was ist denn mit dem los?«, erkundigte sich Richard.

»Der hat sein neues Smartphone verlegt«, seufzte er, »jetzt findet er es nicht mehr.«

»Dann soll er es doch klingeln lassen. Die Dinger vibrieren auch«, meinte Frank.

»Hab ich ihm schon gesagt. Aber er hat es auf lautlos gestellt, damit er nicht immer gestört wird. Jetzt sucht er wie blöde und macht dabei alle hier ganz nervös. Fehlt noch, dass er beim SEK anruft.«

Manfred ließ sich mit seinem breiten Kreuz zurück an die Lehne des Stuhles fallen, worauf Frank Angst bekam, dieser würde der Belastung des durch Boxtraining gestählten Körpers nicht allzu lange standhalten.

»Gibt’s was Neues bei eurer Leiche?«

»Außer einer bezaubernden Dame, der Frau des Toten, nichts weiter«, antwortete Richard, der wieder an seinem Schreibtisch Platz genommen hatte.

»Ist die verdächtig?«, hakte Manfred nach.

»Noch nicht«, meinte Frank, der dabei zu seinem Kollegen sah, »aber so was kann sich ja bald ändern. Richard hat sie jedenfalls schon auf dem Schirm.«

Der grinste nur.

Müller-Gruber kam erneut ins Büro gestürmt.

»Ne, ne, ne. Wo ist bloß dieses blöde Ding? Ich hab’s doch heute dabeigehabt. Ich könnt durchdrehen. Wozu gibt es die Dinger überhaupt.«

Er lief wie ein Spürhund durch ihr Büro und schaute überall nach.

»Also bei uns werden Sie Ihr Handy bestimmt nicht finden. Vielleicht ist es noch in Ihrer Jackentasche«, versuchte Richard zu helfen. Nicht ohne Hintergedanken, denn er wollte diesen Unruhestifter so schnell wie möglich wieder aus dem Büro haben. Es galt, einen Mord aufzuklären. Da waren die ersten Stunden entscheidend, somit durfte man keine Zeit mit unnötigen Kleinigkeiten vergeuden. Dieses verlegte, beziehungsweise nicht auffindbare Smartphone ihres Chefs gehörte dazu.

»Wird wohl langsam Zeit, den Staatsanwalt zu informieren«, meinte Frank, der sich eine frische Tasse Kaffee holte, um dann wieder an seinem Schreibtisch Platz zu nehmen, von welchem er einen guten Blick auf die Hauptstätter Straße hatte.

Richard seufzte. Bei jedem Todesfall musste die Staatsanwaltschaft hinzugezogen werden, die letztlich darüber entschied, ob eine Ermittlung in die Wege geleitet wurde oder nicht.

Ihr zuständiger Staatsanwalt hieß Peter Henssler, ein hochgewachsener Mann, schwarze Haare, Anfang 50. Er war unabhängig, penibel und überparteilich, was in diesem Beruf eine Seltenheit zu sein schien. Die meisten Staatsanwälte besaßen ein Parteibuch, welches ihr Vorwärtskommen ermöglichte. Henssler hingegen hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, denn er gehörte keiner der großen Parteien an und galt als hart, aber fair in der Sache. Dies machte ihn zu einer angesehenen und respektierten Person bei den Ermittlungen. Zudem verfügte er über ein umfassendes fachliches Wissen, da er einer der wenigen war, die ihr Studium mit »summa cum laude« beendet hatten.

Richard erwischte Henssler während einer Verhandlungspause am Oberlandesgericht in der Olgastraße. Er schilderte ihm kurz den Sachverhalt, woraufhin der Staatsanwalt ihn aufgrund der geschilderten Umstände damit beauftragte, ein Ermittlungsverfahren in die Wege zu leiten.

Er selbst wollte nach der aktuellen Verhandlung im Polizeipräsidium vorbeikommen, um sich dann auf den neuesten Stand der Ermittlungen bringen zu lassen. Richard wusste, es war ratsam, dem Staatsanwalt nicht mit leeren Händen gegenüberzutreten.

»Der kommt nachher vorbei«, dann lehnte er sich zurück und atmete tief durch.

»Bleibt zu hoffen, dass sich seine Verhandlung noch länger hinzieht, um uns hier etwas Luft zu verschaffen«, erwiderte Frank. Ihm schwante, was Henssler von Richard sowie seinem Team erwartete.

»Wenn er kommt, präsentieren wir ihm gleich den Mörder samt unterschriebenem Geständnis«, grummelte Manfred. »Diese Bürokraten denken auch, wir können zaubern. Wir haben noch nicht mal einen Verdächtigen.«

»Warten wir mal den Obduktionsbericht ab. Vielleicht kann der uns fürs Erste weiterhelfen«, beruhigte Richard seine Kollegen.

»Ich hab’s gefunden!«, hörten sie Müller-Huber schreien.

»Gott sei Dank, jetzt ist dieses Problem wenigstens vom Tisch«, murmelte Richard, der sich daraufhin einen kräftigen Schluck aus seiner Kaffeetasse gönnte.

Schon stand der über sein ganzes Gesicht strahlende Kriminaldirektor, ihr disziplinarischer Vorgesetzter Horst Müller-Gruber, in der Tür.

Der Mittfünfziger mit seinem schmalen Oberlippenbart sowie den grauen Haaren strahlte wie nach einem Lottogewinn.

»Wo ist es denn gewesen?«, heuchelte Frank Interesse.

»Ich hab’ doch eine Handytasche in meiner Jacke auf der rechten Innenseite. Weil Sie mich vorhin aufgefordert haben, in den Taschen nachzuschauen, hab ich es dort auch gefunden.«

Er schaute ihn mit einem breiten Grinsen im Gesicht an.

»Dann zahlen Sie also heute unser Mittagessen? Zur Feier des Tages? Weil ich Ihnen den entscheidenden Tipp gegeben habe?«, hakte Frank nach.

»Ha noi, no mal langsam mit denne junge Pferde«, verfiel Müller-Gruber ins Schwäbische, »so han mir ned gewettet. Des kann ich mir ned leischte, euch elle zum Esse einzuladen, dann bin i ja pleite.«

»Ein Versuch war’s wert«, murmelte Frank, griff zum Hörer, um sich bei dem Rechtsmediziner nach dem Obduktionsbericht zu erkundigen.

»Riegelgraf?«, ertönte es vom anderen Ende der Leitung. »Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich die Kommissare am Telefon, die wahrscheinlich wissen wollen, was die offizielle Todesursache ist, oder ob es neue Erkenntnisse gibt.«

»Du bist ja echt auf Zack«, lachte Frank. »Ich schalte mal auf Lautsprecher, sonst muss ich nachher alles wiederholen.«

»Ja, damit ich für den senilen Oberkommissar nicht alles noch mal erzählen muss.«

»Das mit dem senilen Oberkommissar hab ich gehört«, merkte Richard leicht angesäuert an. »Du kriegst gleich eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung an den Hals.«

»Ist ja keine Beleidigung in dem Sinne, sondern lediglich eine medizinische Feststellung, die ich, wenn du demnächst auf meinem Tisch liegst, beweisen werde.«

»Da wirst du noch eine Weile ausharren müssen«, gab Richard zurück. »Aber jetzt mal Spaß beiseite, was hast du für uns, Walter?«

»Na ja, nicht viel Neues. Der Schlag wurde mit großer Wucht ausgeführt. Von vorne. Heißt, der Tote muss dem Täter vor der Ausführung ins Gesicht geschaut haben.«

»Gibt es irgendwelche Anzeichen eines Kampfes? DNA-Spuren oder so was?«, erkundigte sich Frank.

»Nein, nichts«, antwortete Riegelgraf. »Keine verwertbaren Spuren. Tut mir leid. Aber vielleicht hat der Herzog was für euch.«

»Das glaub ich nicht«, sagte Richard, der daraufhin auf die Uhr sah. Er wusste, Herzog arbeitete langsam, dafür gründlich. Zudem ließ er sich durch nichts aus der Ruhe bringen. »Aber einen Versuch ist es wert.«

»Wir sehen uns dann heute Mittag in der Kantine«, verabschiedete sich Riegelgraf.

»Geht Walter wieder regelmäßig essen?« Manfred vermochte es nicht so recht glauben. »Ich dachte, der ist auf seinem Salattrip.«

Frank zuckte mit den Schultern. »Vielleicht lag es ja am Salat, warum er so dick geworden ist.«

Richard hatte mittlerweile Adelbert Herzog von der Spurensicherung in der Leitung.

»Kannst du uns schon etwas sagen?«, fragte er vorsichtig, wohl wissend, wie unwirsch Herzog auf solche Fragen meist reagierte. Die Reaktion seines Gegenübers aber erstaunte ihn.

»Ich dachte schon, ihr ruft gar nicht mehr an«, sagte er. »In der Tat gibt es da etwas sehr Merkwürdiges.«

Richard, völlig von der Antwort überrumpelt, schaltete sein Telefon auf Lautsprecher und gab seinen beiden Kollegen ein Zeichen zuzuhören.

»Schieß mal los, was gibt’s denn Interessantes«, wollte Richard wissen.

»Na ja, wie soll ich’s am besten erklären, damit es Laien wie ihr überhaupt versteht«, fing er an.

»Versuch es doch einfach«, drängte Frank. »Wenn wir zu blöd sind, fragen wir nach.«

»Es geht um die Flasche, mit der Gerd Bäuerle erschlagen wurde. Genauer gesagt, um den Inhalt.«

»Da war Wein drin. So was ist uns nicht neu«, meinte Richard, der wegen der Geheimniskrämerei von Herzog langsam, aber sicher etwas genervt schien.

»Richtig, bis hierher hast du recht. Nur der Inhalt passt nicht ganz mit dem Etikett zusammen.«

»Hä? Jetzt muss ich doch mal blöd nachfragen. In einer Weinflasche ist Wein«, schaltete sich Frank in den Dialog ein. »Was passt da nicht zusammen?«

»Da wird es etwas kompliziert. Der Wein in der Flasche stammt nicht aus der Gegend. Zumindest wird diese Rebe nicht in unseren Weinbergen angepflanzt. Der hier stammt aus südlicheren Gefilden.«

»Hab ich richtig verstanden?«, hakte Manfred nach. »Der Bäuerle wurde mit einer Weinflasche erschlagen, die zwar ein Etikett des Weinkonvents Uhlbach trug, sie enthielt aber Wein, der woanders herkam.«

»Ja«, war die knappe Antwort von Adelbert Herzog.

»Was ist mit sonstigen Spuren?«, fragte Frank.

»Der Täter hat wahrscheinlich Handschuhe getragen. Also DNA Fehlanzeige.«

»Gut, danke fürs Erste. Falls du noch was finden solltest, dann melde dich bitte bei uns. Wir brauchen was für den Staatsanwalt«, seufzte Richard, als er sich verabschiedete.

Frank lehnte sich zurück, wobei er die Hände vor seinem Gesicht zusammenfaltete.

»Was ist mit dem Einbruch ins Büro des Weinkonvents Uhlbach?«

»Glaubst du, da gibt es einen Zusammenhang?«, erkundigte sich Richard.

»Wäre ein Ansatz, sonst haben wir ja im Moment nichts weiter«, erwiderte Frank.

»Falscher Wein in der richtigen Flasche, oder richtiger Wein in der falschen Flasche«, sinnierte Manfred, »das ist hier die Frage.«

»Wie heißt es doch so schön: In vino veritas«, sagte Frank und griff zum Telefon, um sich bei den Kollegen nach der Akte über den Einbruch in das Gebäude des Weinkonvents Uhlbach zu informieren. Wenig später hatte er diese per E-Mail auf seinem Computer.

Schnell breitete sich Ernüchterung aus.

»Nichts gestohlen, gab zumindest Andre Kalter, der Vorsitzende des Weinkonvents, bei den Kollegen zu Protokoll. Es wurde nur alles durchsucht, genauer gesagt verwüstet. Man vermutet, es handelte sich dabei um einen dummen Jungenstreich«, gab Frank den Inhalt wieder.

»Vielleicht sollten wir mal mit dem Herrn Kalter reden. Immerhin wurde einer seiner Winzerkollegen ermordet. Vielleicht kann er uns Hinweise auf ein Motiv oder einen anderen Anhaltspunkt geben«, meinte Richard.

»Willst du mitkommen?«, fragte Frank, an Manfred gewandt. Doch der winkte ab.

»Ich muss noch den Schreibkram von letzter Woche erledigen. Außerdem will ich pünktlich Feierabend machen. Meine Frau wartet in der Stadt. Wenn ich da nicht pünktlich komme …«

»Verstehe, so was ist natürlich ein Argument«, grinste er. »Wir wollen ja nicht dafür verantwortlich sein, wenn bei dir der Haussegen schief hängt.«

»Danke, ihr seid so gut zu mir«, frotzelte ein erkennbar erleichterter Manfred. Als Einziger in ihrer Ermittlungsgruppe war er verheiratet und hatte zwei fast erwachsene Kinder.

Richard war seit Jahren »glücklich geschieden«, so vermittelte er es zumindest jedem verbal, der es hören wollte oder nicht. Frank war genau genommen eingefleischter Junggeselle, aber momentan bahnte sich etwas mit Lisa Danninger an. Diese hielt sich aktuell auf einer Weiterbildung in Villingen-Schwenningen auf.

»Gut, bleiben nur wir zwei«, sagte Richard, der daraufhin aufstand, um sich seine Jacke anzuziehen. »Dann wollen wir mal den Herrn Kalter besuchen.«

4. Kapitel

Andre Kalter betrieb eine Gaststätte unweit der Alten Kelter, einem Weinbaumuseum im Kern des Örtchens Uhlbach, welches mit seinen Exponaten den Besucher in die Welt der über 2000-jährigen Weinbaukultur entführte.

Die Mittagszeit nahte, denn Frank überkam ein Hungergefühl, dem er schwerlich widerstehen konnte. Infolgedessen entschieden die beiden Kommissare, Angenehmes mit Nützlichem zu verbinden. Ein Duft von gegrilltem Fleisch kroch ihnen in die Nase. Sie erinnerten sich, dass man hier erst unlängst in geselliger Runde gegessen hatte, nämlich anlässlich der Ernennung Walter Riegelgrafs zum Ehrendoktor der Universität Tübingen.

»Hätte ich nicht gedacht, wieder so schnell hier zu landen«, stellte Frank fest.

»Das haben wir deinem Magen zu verdanken«, grummelte Richard.

»Du musst zugeben, es gibt schlimmere Orte für eine Befragung. Außerdem war unser Essen meines Wissens letztes Mal sehr gut.«

Sie schoben einen dicken Vorhang beiseite, der als Windfang diente, und betraten die Gaststube.

In einer Ecke saßen ein paar ältere Männer, darunter Hans Kupernick, der ihnen aber den Rücken zugewandt hatte, sodass er die beiden nicht bemerkte.

Sie nahmen am Fenster Platz, wo sie darauf warteten, bedient zu werden.

»Ob der Kalter uns wiedererkennt?«, wollte Frank wissen.

»Glaub ich kaum. Ist damals ziemlich voll gewesen. Ich erinnere mich aber noch an das Rambazamba in der Küche«, erwiderte Richard süffisant. »Hatte einen gewissen Unterhaltungswert.«

Frank schmunzelte.

Der Kellner, äußerlich betrachtet südländischer Herkunft, kam, nachdem er sie endlich bemerkt hatte, schwingenden Schrittes an den Tisch. Irgendetwas irritierte sie an seinem Blick. Seine Augen zuckten unentwegt, und sein Lächeln, welches er ihnen schenkte, kam Frank komisch vor.

»Herzlich willkommen, die Herren. Was darf ich zum Trinken bringen?«, säuselte er gekünstelt.

»Für mich eine Apfelschorle«, sagte Richard.

»Für mich eine große Cola.« Der Kellner sah Frank in die Augen.

»Gern. Ich heiße übrigens Antonidis, aber alle nennen mich Toni.«

Er drehte sich um und ließ die beiden Kriminalisten verdutzt zurück.

»Was ist denn mit dem los?«

»Vielleicht mag er dich«, grinste Richard.

»Der hat doch einen an der Zitrone«, murmelte sein Gegenüber.

Kurze Zeit später kam der Kellner schon mit den Getränken und stellte sie vor den beiden auf den Tisch, um sich dann nach den Essenswünschen seiner Gäste zu erkundigen.

»Für mich einen Zwiebelrostbraten mit Bratkartoffeln«, sagte Frank.

»Ich nehme die Maultaschen mit Kartoffelsalat«, fügte Richard hinzu.

»Ich würde zum Zwiebelrostbraten eher Spätzle oder Pommes empfehlen. Unser Koch kann das mit den Bratkartoffeln nicht so richtig. Der kommt aus Italien, wissen Sie.«

Frank seufzte. »Letztes Mal war’s zwar ganz gut, aber dann nehme ich mit Pommes. Geht auch.«

»Sehr gute Wahl, der Herr«, bedankte sich der Kellner. Bevor er sich umdrehte, fragte Richard: »Ist Ihr Chef eigentlich da?«

»Weshalb, gibt’s eine Beschwerde?«

»Nein, wir würden uns nur gern kurz mit ihm unterhalten«, erwiderte Richard.

»Ich werde ihn fragen.« Sprach’s, um dann hinter der Tür zur Küche zu verschwinden.

»Ich glaube, der Kellner kann den Koch nicht so richtig leiden«, stellte Frank lapidar fest. »Wieso macht der sonst die Bratkartoffeln madig?«

»Betrachte es doch einfach als Dienst am Kunden. Wenn’s nicht schmeckt, bist du immer der Erste, der meckert.«

»Ach.« Frank winkte mit der Hand ab.

»Die Herren wollten mich sprechen.« Andre Kalter, ein Mann Ende 40, kurze dunkelblonde Haare, auffallend buschige Augenbrauen, mit einer Schürze um den Bauch, stand am Tisch der beiden.

Richard zog seinen Dienstausweis hervor, legte ihn gut sichtbar auf den Tisch.

»Sind Sie von der Lebensmittelkontrolle? Ihr wart doch erst letzten Monat da«, grummelte er. »Da gab’s nichts zu meckern.«

»Wir sind nicht von der Lebensmittelkontrolle, sondern von der Mordkommission«, erwiderte Frank.

»Ach, dann geht’s um den Bäuerle.«

Andre Kalter schien nicht überrascht über die zwei Kommissare, die bei ihm auftauchten, um Fragen zu stellen.

»Sie wissen also schon Bescheid?«, hakte Richard nach.

»Hören Sie, in Uhlbach bräuchten wir eigentlich kein Internet, so schnell verbreiten sich die Neuigkeiten hier. Sehen Sie den alten Mann da drüben?« Er deutete auf Hans Kupernick. »Der sitzt seit zwei Stunden am Stammtisch, um die Geschichte jedem zu erzählen, der sie hören will oder auch nicht. Mittlerweile müsste es der ganze Ort wissen.«

Andre Kalter hatte sich einen Stuhl vom Nachbartisch hergeholt und setzte sich zu den Kommissaren.

»Was wollen Sie von mir wissen?«

»Sie sind doch der Vorsitzende des Weinkonvents Uhlbach. Wir hätten ein paar Fragen zu dem Einbruch letzte Woche. Können Sie uns da weiterhelfen?«

»Hat das was mit dem Tod vom Bäuerle zu tun?«, fragte er.

»Wissen wir nicht. Noch nicht. Momentan ermitteln wir in alle Richtungen«, entgegnete Frank. Ihm stieg längst der Duft von gegrilltem Fleisch in die Nase, was sein Bauch mit einem zufriedenen Knurren quittierte.

»Bei dem Einbruch wurde nichts gestohlen. Wahrscheinlich nur ein dummer Jungenstreich. Ihre Kollegen wissen darüber aber Bescheid«, beeilte sich Andre Kalter zu sagen. Etwas zu schnell für Franks Geschmack.

In diesem Moment kam ihr Essen, was sich schon durch den heranwehenden Duft angekündigt hatte.

»Haben Sie sonst noch Fragen?«

»Wo waren Sie heute Morgen zwischen 5 Uhr und 7 Uhr?«, fragte Richard, dessen Essen ebenfalls gerade serviert wurde.

»Zu Hause im Bett. Neben meiner Frau. Ich bin gegen 6.30 Uhr aufgestanden, dann zum Bäcker gelaufen, um Brötchen zu holen.«

»Danke für die Auskunft«, sagte Richard.

Andre Kalter stand auf und stellte den Stuhl wieder an seinen Platz, dann wünschte er den beiden Kommissaren einen guten Appetit.

»Glaubst du ihm alles, was er erzählt hat?« Frank schob sich ein großes Stück des Zwiebelrostbratens in den Mund.

»Weiß nicht«, erwiderte Richard. »Die Antworten klangen alle etwas vorgefertigt. Ich bin mir nicht sicher, aber die Sache mit dem Einbruch sollten wir auf dem Schirm behalten.«

Er kaute genüsslich seine Maultasche. »Schmeckt lecker«, stellte er fest.

»Alles recht bei den Herren?« Der Kellner stand unvermittelt mit auf dem Rücken verschränkten Armen vor ihnen am Tisch. Er wandte sich Frank zu.

»Sehen Sie, eine gute Wahl, die Pommes anstatt der Bratkartoffeln zu nehmen.«

»Die Bratkartoffeln nehme ich dann nächstes Mal wieder«, stellte der diplomatisch fest.

»Lieber nicht«, flüsterte der griechische Kellner in einem verschwörerischen Ton. »Unser Koch kann keine Bratkartoffeln machen. Unter uns, ich glaube, der ist gar kein richtiger Koch.«

»Aber mein Essen hat er sehr gut hinbekommen. Der Rostbraten ist auf den Punkt geworden.«

»Pah, Zufall.«

»He, du alte Schwatzbacke. Hier gibt’s noch Essen zu servieren.«

Jemand aus der Küche schien nach dem Kellner zu verlangen. Unwillig mit sich selbst redend, drehte dieser sich um und verschwand erneut hinter der Schwingtür. Kurz darauf wurde es etwas lauter in der Küche. Obschon Richard Frank verdutzt ansah, schien keiner der anderen Gäste davon groß Notiz zu nehmen.

»Lass uns bei dem Weinkonvent vorbeifahren. Ich will mir einen Überblick verschaffen«, meinte Richard, nachdem sie Kalters Restaurant verlassen hatten.

Sie fuhren die Straße zwischen den Weinbergen hinauf zum Rotenberg, wo sie den Ort mit der berühmten Grabkapelle durchquerten. Auf der anderen Seite des Bergkammes, an dem sich jenes kleine Örtchen am abfallenden Hang festzukrallen schien, fuhren sie die schmale Straße wieder ins Tal Richtung Untertürkheim. Nach einer lang gezogenen Linkskurve bog Richard ab, worauf sie gleich vor dem gesuchten Gebäude mit einem markanten Dach aus roten Ziegeln standen. Neben dem mittig gelegenen Eingang prangte auf der rechten Seite über den verglasten Doppelfenstern in großen grauen Lettern Weinkonvent Uhlbach.

Richard parkte sein Auto auf dem Platz davor. Frank sah sich um. Außer ihrem stand kein weiteres Fahrzeug auf dem Gelände.

»Scheint niemand da zu sein«, stellte er fest. Die Außentemperatur tendierte gegen null Grad. Nicht unbedingt sein Geschmack. Er hasste diese kalten, feuchten Temperaturen. Wenn es nach ihm ginge, so könnte der Winter als Jahreszeit ruhig ausfallen.

»Heute ist doch Dienstag.« Richard sah sich die Tafel mit den Öffnungszeiten an. »Also, wenn ich auf die Uhr schaue, müssten sie eigentlich aufhaben.«

Er drückte die schwere Eisenklinke herunter, worauf sich die Tür öffnete. Sie traten beide ein und befanden sich in einer großen Halle, in der unzählige Kisten mit Wein standen.

»Hier scheint der Eingang zum Lager zu sein«, stellte Richard fest, während er sich umblickte.

»Ist jemand da?«, rief Frank. Er wartete eine Weile, aber es kam keine Antwort.

»Wir schauen nach hinten. Dort scheint ein Verkaufsraum zu sein.«

Richard war auf dem Weg durch die Halle, da fragte ihn jemand: »Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«

Die Stimme gehörte einer Frau. Er schätzte sie auf Anfang 40, mit langen braunen Haaren. Sie trug zu ihrem dunklen Rollkragenpullover enge Jeans, die ihre wohlgeformte Figur sehr gut zur Geltung brachten.

Frank konnte sich ebenfalls kaum von diesem Anblick losreißen, fand aber kurz darauf die Sprache wieder. »Frank Jonas, Kripo Stuttgart. Das ist mein Kollege, Oberkommissar Richard Bauer. Wir hätten gern mit einem Verantwortlichen hier gesprochen.«

»Kripo?« Sie sah die beiden erstaunt an. »Geht es wieder um den Einbruch letzte Woche? Da ist doch nichts gestohlen worden. War bestimmt ein dummer Jungenstreich.«

»Ich habe Ihren Namen vorher nicht verstanden«, sagte Richard, wohl wissend, dass sich die Frau bis jetzt nicht namentlich vorgestellt hatte. Er wollte ihr damit eine Brücke bauen.

»Oh, entschuldigen Sie, wie unhöflich von mir.« Sie lächelte die beiden an. »Ich bin heute etwas durcheinander. Mein Name ist Nadine Kalter. Wir bekommen nachher eine Reisegruppe, aber es ist hier noch gar nichts vorbereitet. Eigentlich sollte der Hans Kupernick mit den Getränken längst da sein. Wer weiß, wo der wieder bleibt.« Sie wischte sich die Hände an einem Handtuch ab.

»Macht nichts«, erwiderte Richard. Er hatte den Namen vernommen, doch entschied er sich, nicht darauf zu reagieren. »Wir kommen auch nicht wegen des Einbruchs letzte Woche, sondern aufgrund eines Mordes.«

»Mord? Was für ein Mord?«, fragte sie erstaunt. Frank sah sie an. Sie schien, soweit er dies einschätzen konnte, ehrlich betroffen ob der Nachricht, die Richard überbrachte.

»Wissen Sie noch nicht Bescheid?«, erkundigte er sich.

»Nein, ich bin seit heute Morgen um kurz vor 7 Uhr hier mit Holger Bühler beschäftigt, eine Weinverkostung auf die Beine zu stellen, die gleich beginnen soll. Zu zweit geht’s leider nicht so schnell. Außerdem fehlen noch Gläser. Der Holger ist grad runtergefahren, um sich darum zu kümmern.«

Ihre Stimme klang ein wenig genervt. Frank zückte derweil sein Notizbuch und schrieb fleißig mit. Für dieses schwarze Buch, welches ihm gute Dienste erwies, wurde er von den meisten, wenn nicht allen Kollegen im Präsidium belächelt. Doch so etwas war ihm egal. In dieser Beziehung hielt er es wie Inspektor Columbo. Immer lächeln.

»War dieser Holger Bühler den ganzen Morgen bei Ihnen?«

»Klar. Wer ist denn tot?«, fragte sie.

»Gerd Bäuerle«, antwortete Richard.

Nadine Kalter schlug die Hände vors Gesicht. »Oh nein. Nicht der Gerd. Der wollte auch helfen. Kein Wunder, ist er noch nicht da. Der ist … der war doch so ein netter Kerl. Wer tut denn so was?«

»Das versuchen wir herauszufinden«, hakte Frank ein. »Deswegen würden wir uns gern dieses Büro, wo eingebrochen wurde, noch einmal anschauen.«

Sie führte, erkennbar erschüttert von der schrecklichen Nachricht, die beiden Kommissare wortlos durch die Halle, vorbei am Verkaufsraum, wo sich ein Büro im hinteren Teil des Gebäudes befand.

»Schauen Sie sich ruhig um. Ich muss wieder nach vorn, alles vorbereiten, sonst werde ich nie fertig. Hoffentlich bringt der Hans die Sachen rechtzeitig vorbei«, murmelte sie beim Weggehen.

»Der säuft sich gerade die Hucke voll. Kann also noch eine Weile dauern«, brummte Frank vor sich hin. Nadine Kalter bekam von alledem nichts mit, sie war wieder mit dem Aufbau beschäftigt.

Richard stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen in der Eingangstür, um sich einen Überblick zu verschaffen.

Vom Fenster des Büros, welches im rückwärtigen Teil der Kelter lag, hatte man einen traumhaften Blick auf den Talkessel sowie das Stadion des in Stuttgart ansässigen Fußballklubs. Bekränzt wurde die idyllische Kulisse im Vordergrund von unzähligen Weinreben, die sich vor ihren Augen erstreckten.

»Was für eine Aussicht«, stellte Frank erfreut fest. »Ich bin dafür, unser Büro hierher zu verlegen.«

»Das sehe ich auch so«, pflichtete Richard ihm bei.

»Was meinst du? War’s wirklich nur ein dummer Jungenstreich, oder steckt mehr dahinter?«

Frank fasste sich an sein Kinn, betrat den Raum, um sich umzusehen. »Ich weiß nicht, aber die Bezeichnung ›dummer Jungenstreich‹ wird mir hier etwas zu oft verwendet. Gut möglich, dass mehr dahintersteckt. Wir werden Manfred nachher fragen, was er bei den Kollegen in Erfahrung bringen konnte. Aber hier ist etwas faul. Ich fürchte, auch wenn wir bis jetzt noch keine Beweise haben, der Mord an Gerd Bäuerle steht mit dem Einbruch irgendwie in einem Zusammenhang. Dafür liegen die beiden Ereignisse zeitlich zu nahe beieinander.«

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