Kitabı oku: «Trollingermord», sayfa 4

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»Ich denke, du hast recht. Aber momentan fehlt uns der Ansatzpunkt, wo wir einhaken könnten. So was gefällt mir nicht. Es wirkt alles geplant, abgekartet«, konstatierte Richard.

»Du denkst, die Weingärtner hier spielen uns was vor?«

»Würde mich, ehrlich gesagt, nicht groß wundern.«

Sie schauten sich prüfend im Verkaufsraum um. Eine freundliche ältere Frau kam auf sie zu, um nach ihren Wünschen zu fragen.

Frank, der dem roten Rebensaft nicht abgeneigt war, ergriff die Gelegenheit.

»Können Sie uns denn einen guten Tropfen empfehlen? Etwas Vollmundiges, Fruchtiges?«

»Da wäre ein Lemberger vom Uhlbacher Götzenberg zu empfehlen.«

»Götzenberg klingt gut«, antwortete Frank. »Das ist doch der Berg gegenüber der Grabkapelle auf der anderen Seite des Bergkammes.«

»Richtig. Da reift er am besten, weil dort von morgens bis abends die Sonne hin scheint. Dadurch entwickelt er sein fruchtiges Aroma. Wie viele Flaschen möchten Sie?«

»Geben Sie mir mal einen Karton mit.«

Nachdem Frank bezahlt hatte, verließen sie den Verkaufsraum und hinterließen eine glücklich dreinschauende Verkäuferin.

»Ich will mir noch mal alles von draußen anschauen«, meinte Richard. »Vielleicht fällt uns was auf.«

Frank stellte seine Kiste auf den Treppen ab, um ihm zu folgen. Im hinteren Teil schloss sich eine kleine Terrasse an, der Wanderer sowie Spaziergänger zum Verweilen einlud. Im Sommer bot sich hier wegen der rankenden Weinreben ein schattiges Plätzchen, um ein oder zwei Viertele zu trinken.

»Siehst du hier?« Richard zeigte auf die Fensterreihe, hinter der sich das Büro befand.

»Alle Fenster bis auf eines sind vergittert. Da muss der Einbrecher reingelangt sein.«

Richard nickte stumm und betrachtete das Fenster mit einem prüfenden Blick.

»So viel zum Thema ›dummer Jungenstreich‹. Wenn man ein Fenster aufkriegt, ohne Spuren zu hinterlassen, dann sind der oder die schon mal keine dummen Jungen«, erwiderte Frank lakonisch.

»Hier finden wir nichts weiter, lass uns zum Auto gehen.«

»Gute Idee, mir wird nämlich langsam kalt«, brummte Frank, schoss aber vorher ein paar Fotos. Er nahm seinen Karton mit den Weinflaschen, um ihn hinter dem Beifahrersitz zu verstauen.

»Vorsichtig fahren, wir haben wertvolle Fracht an Bord«, mahnte er Richard.

»Eine Flasche werden wir heute Abend probieren«, antwortete dieser mit einem Grinsen im Gesicht.

5. Kapitel

Manfred erreichte den Beamten vom Einbruchsdezernat nach einigen erfolglosen Versuchen. Erfreut stellte er fest, dass es sich bei ihm um einen früheren Sparringpartner aus seinem Boxstudio, wo er trainierte, handelte. Nach einem kleinen Erfahrungsaustausch von circa zehn Minuten entschloss sich Manfred, ihn im Nachbargebäude persönlich aufzusuchen. Seine Kollegen schienen sowohl mit Mittagessen als auch den ersten Ermittlungsansätzen im Mordfall Bäuerle beschäftigt zu sein.

Dies konnte sich bei Franks Appetit und Richards Hang zum Detail ziehen. Erreichbar war er ja, falls es länger dauerte.

Er zog seine Jacke an, dann machte er sich auf den Weg. Draußen lag die Temperatur knapp unterhalb des Gefrierpunktes. Hinzu kam ein kalter Nordwestwind, der die gefühlte Temperatur auf Werte weit unter null drückte. Manfred war froh, als er kurz darauf die Tür zum benachbarten Gebäude erreichte. Viel erhoffte er sich nicht, aber der Staatsanwalt verlangte nach Ergebnissen, da klammerte man sich an jeden Strohhalm.

Der Kollege saß am Ende eines langen Flurs auf der linken Seite im zweiten Stock. Er war so alt wie Manfred, eine leicht – typisch bei Boxern – deformierte Nase zierte sein Gesicht. Wie fast alle Sportler dieser Sportart trug er wenig bis keine Haare, was teils dem Alter geschuldet schien.

Als er Manfred sah, strahlte er, stand von seinem Schreibtisch auf und umarmte ihn freundschaftlich.

»Alter Junge, wann haben wir uns das letzte Mal gesehen?«

»Ist bestimmt schon ein paar Jahre her, so alt, wie du aussiehst«, grinste der.

»Nimm Platz. Was kann ich für dich tun?« Er zeigte mit der Hand auf den gegenüberliegenden Schreibtisch. Der Kommissar, der diesen sonst in Beschlag nahm, war nicht da, also konnte es sich Manfred auf dessen Stuhl bequem machen.

»Langer Rede kurzer Sinn«, sagte er, »es geht um den Einbruch in den Weinkonvent Uhlbach vor einiger Zeit. Meine beiden Kollegen vermuten da einen Zusammenhang mit dem Mord heute Morgen.«

»Ein Mord?« Harald schaute etwas argwöhnisch drein. »Wo soll da ein Zusammenhang zwischen dem Einbruch bestehen?«

»Das wollen wir ja rausfinden.« Manfred brachte ihn kurz auf den Stand der Ermittlungen.

»Denkst du nicht, ihr verrennt euch in was? Ich meine, wir helfen euch gerne, aber sei mir nicht böse, ich denke, die Spur führt in eine Sackgasse.«

Manfred zuckte mit den Schultern. »Die zwei haben diesbezüglich meistens ein Gespür. Außerdem ist es momentan der einzige Anhaltspunkt in unseren Ermittlungen. Überdies kommt heute Nachmittag der Staatsanwalt. Irgendetwas müssen wir vorweisen, sonst macht der uns die Hölle heiß. Du weißt ja selber, wie es läuft.«

Sein Gegenüber seufzte. Er wusste wie Manfred, heutzutage wurden von den Staatsanwälten schnelle Ermittlungsergebnisse erwartet. Diese wiederum bekamen von Seiten der Politik Druck. Leidtragende waren die ermittelnden Beamten, die so manchen Täter eher dingfest machen könnten, würde man sie in Ruhe arbeiten lassen.

»Ich kann dir die Akte gern zuschicken. Dann habt ihr was zum Lesen und steht nicht mit leeren Händen da«, schmunzelte Harald.

Manfred beugte sich vor, dann sah er seinen Kollegen mit einem verschmitzten Lächeln an. »Wie lange bist du jetzt schon bei diesem Verein?«

»30 Jahre, wenn man die Ausbildung mitrechnet.«

»Dann solltest du wissen, dass mir die persönliche Einschätzung eines Kollegen wichtiger ist als irgendwelche nichtssagenden Akten. Aber schicken kannst du sie mir trotzdem«, grinste er.

»Wir beide gehören zu den Dinosauriern hier. Die Jungen hängen nur noch am Smartphone oder Computer, denken, die Fälle werden über Google oder Facebook gelöst.« Er griff sich an den Kopf. »Aber den da oben schalten sie nicht ein.«

Er erhob sich und ging zum Aktenschrank, in dem die für jede Polizeidienststelle überlebenswichtige Kaffeemaschine stand, um zwei Tassen des dunklen, duftenden Gebräus einzugießen.

»Schwarz ohne alles, richtig?«

Manfred nickte.

»Was ist deine Einschätzung bei diesem Einbruch gewesen?«, fragte er, als er den ersten Schluck aus der Tasse trank.

»Da war dieses komische Gefühl«, begann Harald. »Nach so vielen Dienstjahren merkt man irgendwie, wenn etwas nicht ganz koscher ist.«

Er lehnte sich zurück und schaute zu ihm rüber.

»Was kam dir merkwürdig vor?«, nahm Manfred den Faden auf.

»Die Art, wie eingebrochen wurde. Normalerweise dauert so ein Einbruch maximal zehn Minuten, nicht länger. Hier haben sich der oder die Einbrecher anscheinend viel Zeit gelassen. Aber die Geldscheine haben sie nicht mitgenommen.«

»Bargeld?«

»Ja, auf dem Schreibtisch lag Bargeld, nicht viel. Vielleicht 2.000 Euro. Aber wenn ich ein Einbrecher bin, dann nehme ich dieses Geschenk doch dankend an. Es wurde aber nur der Aktenschrank durchwühlt.«

»Merkwürdig. Meinst du, die haben was Bestimmtes gesucht?«, fragte Manfred.

»Da bin ich mir ziemlich sicher. Aber was soll ich denn in meinen Bericht reinschreiben? Kann ja schlecht erwähnen, dass 2.000 Euro auf dem Schreibtisch nicht gestohlen wurden. Wir haben am nächsten Tag den Chef von dem Laden gefragt, ob was fehlt. Aber der schaute sich nur oberflächlich um und meinte dann, ihm würde nichts auffallen.«

»Wie heißt der Chef denn?« Manfred zog sein Notizbuch heraus, nahm einen Kugelschreiber vom Schreibtisch des abwesenden Kollegen.

»Andre Kalter.«

*

»Ich kann nur hoffen, Manfred hat wenigstens was in der Hand. Sonst stehen wir nachher vorm Henssler da wie Schuljungen und müssen uns erklären lassen, wie wir unseren Job zu machen haben«, seufzte Richard auf der Fahrt zurück ins Präsidium.

»Der wird uns schon nicht im Stich lassen«, meinte Frank. »Zaubern können wir schließlich auch nicht. Aber ich bin mir immer sicherer, es gibt eine Verbindung zu unserem Fall. Was hier passiert, ist alles schon etwas merkwürdig«, sinnierte Frank vor sich hin.

»Was hältst du von der Nadine Kalter?«, wollte er von Richard wissen.

»Sieht scharf aus«, kam als Antwort, die Frank so nicht erwartet hatte. Er verdrehte die Augen. Es schien mit ihm immer dasselbe zu sein. Sobald Frauen im Spiel waren, schaltete sich sein Jagdinstinkt ein. Den zu unterdrücken, war, laut Walter Riegelgraf, nur unter Einsatz von Operationsbesteck möglich.

»So weit bin ich auch schon«, konstatierte Frank und versuchte, jenes Gespräch wieder auf die ermittlungstechnische Ebene zu heben. »Ich meinte aber eher, inwieweit du der Meinung bist, sie könnte etwas mit dem Fall zu tun haben.«

Richard grinste. »Im Moment glaube ich das nicht, aber hoffentlich ändert es sich bald.«

Frank drehte den Kopf zum Fenster und schaute entnervt hinaus.

Im Büro herrschte, entgegen sonstiger Gewohnheit, entspannte Ruhe. Manfred schien unterwegs zu sein, und Müller-Huber hockte in Gedanken versunken höchst konzentriert vor seinem Computer. Mit dem neuen Fall hatte es nichts zu tun, das konnten beide ausschließen.

Es gab nur zwei Dinge, die ihren Chef interessierten: Das waren erstens die Leidenschaft fürs Fliegen und zweitens der Umbau seines Hauses. Ob diese Baustelle eines fernen Tages einmal fertig werden würde, daran hegte Richard erhebliche Zweifel. Denn schien die eine Sache abgeschlossen, wurde an anderer Stelle schon wieder, zum Leidwesen seiner Frau, ein neuer Umbau oder Anbau geplant. Nun, die Baumärkte in der Umgebung freute es.

Frank klopfte an den Türrahmen.

»Ah, sind Sie beide wieder da«, zeigte sich Müller-Huber erfreut. »Hauptkommissar Gühring kommt gleich. Er hat anscheinend etwas Neues zum Fall beizutragen.«

Diese Nachricht hörte sich vielversprechend an. Manfred war nicht scharf auf Ermittlungen außerhalb seines Büros, doch er wusste immer, welche Stellen er anzapfen musste. So schien seine Arbeit auch dieses Mal von Erfolg gekrönt.

»Wann kommt der Staatsanwalt?«, wollte Frank wissen.

»Ach, der? Hat vorhin angerufen. Müsste vor circa einer Stunde gewesen sein. Er sollte also demnächst kommen«, antwortete Müller-Huber. Daraufhin konzentrierte er sich wieder auf seinen Bildschirm.

»Was gibt’s denn da so Interessantes zu sehen?«, erkundigte sich Frank.

»Ich baue gerade eine Terrasse in meinem neuen Garten. Nun bin ich auf der Suche nach einem Bagger. Demnächst ist doch die Bauma in München. Da wollte ich mich mal umschauen.«

»Bauma? Was soll das sein?« Richard schaute verdutzt.

»Eine der größten Messe der Welt für Baumaschinen. Über 600.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Die haben vom Bagger bis zum Tieflader alles, was man braucht.«

»Ah«, meinte Richard. Das erklärte den Grund für die erhöhte Aufmerksamkeit ihres Vorgesetzten.

»Wann kommen eigentlich Walter und Adelbert?« Frank hatte sich einen Kaffee geholt, den er, neben seinem Kollegen im Türrahmen stehend, trank.

»Ich bin schon da.« Die Stimme gehörte Walter Riegelgraf, seines Zeichens geschätzter Rechtsmediziner am Katharinenhospital Stuttgart.

»Bist du zu Fuß gegangen?«, erkundigte sich Richard. Der wusste, die Frage zielte auf seinen, meist aussichtslosen, Kampf gegen die Pfunde.

»Selbstverständlich. Zu Mittag habe ich auch nichts gegessen, um den Kollegen meine Ergebnisse präsentieren zu können.«

»Na dann glauben wir’s mal«, frotzelte Richard. »Wahrscheinlich holst du das heute Abend nach.«

»Möglich«, grinste Riegelgraf.

»Gehen wir rüber. So viel ich zwischen Baumaschinen und Essen mitbekommen habe, kommt demnächst der Henssler. Wahrscheinlich wird er uns grillen«, sagte Frank lapidar.

Zu ihrer Überraschung befand sich der Staatsanwalt bereits im Besprechungszimmer, wo er seinen Aktenkoffer auspackte. Er sah den Kommissar mit seiner Kaffeetasse an.

»Den könnte ich jetzt auch brauchen«, lachte er.

»Ich hole Ihnen einen. Der müsste noch heiß sein.« Frank ging den Gang entlang. Mit Thermoskanne sowie einer Tasse in der Hand schaute er auf dem Rückweg bei Müller-Huber ins Büro. Jener bequemte sich nicht mitzukommen. Die Baumaschinen beschäftigten ihn anscheinend immer noch schwer.

»Der Staatsanwalt ist da«, sagte Frank im Vorbeigehen.

»Ich komme gleich. Muss nur noch die Eintrittskarten bestellen.«

Frank verzichtete auf einen Kommentar, obwohl ihm der auf der Zunge lag.

»Ah, vielen Dank, Herr Jonas.« Henssler nahm die Tasse, goss sich Kaffee ein. Der Duft verteilte sich im ganzen Raum.

»Wer kommt noch?«, wollte er wissen, während er einen Schluck zu sich nahm.

»Wir, der Chef, wenn er fertig ist, außerdem noch Adelbert Herzog von der Spusi«, erklärte Frank.

»Mir wäre es lieb, wir könnten gleich anfangen. Ich habe nachher noch einen Termin beim Oberstaatsanwalt, da möchte ich nicht zu spät kommen. Also fangen wir an.«

Er klatschte in die Hände und setzte sich. Richard sah zu Frank. Mittlerweile waren Manfred mit einer Akte sowie der geschätzte Kollege Adelbert Herzog von der Spurensicherung gekommen. Mit seinen grauen Schläfen, die, wie er sagte, von der vielen Arbeit kämen, strahlte er eine gewisse Würde aus. Er trug wie immer ein Hemd, passend zur Hose.

Frank schätzte, jene Auswahl würde mit Sicherheit ein ganzes Zimmer füllen. Selten hatte Herzog ein Hemd zweimal an.

»Dann fehlt ja bloß noch der Müller-Huber. Das können wir verkraften«, stellte der Staatsanwalt trocken fest. »Also, was haben wir.«

»Eine Leiche, erschlagen in einem Weinberg am Rand von Stuttgart. Genauer gesagt am Uhlbacher Götzenberg«, begann Frank.

»Dann scheidet Selbstmord schon mal aus.« Henssler notierte etwas auf seinem Schreibblock. »Einen Täter haben Sie noch nicht, nehme ich an. Verdächtige?«

»Also ganz so schnell geht’s dann doch nicht«, antwortete Richard pikiert. »Wir haben die Leiche ja erst heute Morgen um 8 Uhr gefunden.«

Henssler blickte auf die Uhr. »Nun, das ist jetzt schon neun Stunden her.«

»Da ist noch ein Einbruch in das Büro des Weinkonvents Uhlbach. Eventuell gibt es da einen Zusammenhang«, schob Frank nach.

»Ich denke, wir haben eine Spur.« Manfred schlug die Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag, auf.

»Lassen Sie hören.« Der Staatsanwalt legte seinen Stift beiseite, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Auch die anderen Blicke waren allesamt auf Manfred gerichtet.

»Frank hat recht. Eine erste Spur könnten wir haben. Ich bin vorhin bei einem Kollegen vom Einbruchsdezernat gewesen. Der hat mir die Akte vom Einbruch gegeben. Er selbst fand die Vorgehensweise der oder des Täters etwas merkwürdig.«

»Wieso?«, erkundigte sich Frank.

»Weil der Einbrecher anscheinend etwas suchte. Aber es war kein Geld.«

»Was macht Sie da so sicher?«, wollte Henssler wissen.

»Weil er 2.000 Euro, die auf einem Schreibtisch lagen, nicht mitgenommen hat. Außerdem schien der Chef des Weinkonvents nicht sonderlich an Ermittlungen interessiert zu sein. Er tat den Einbruch als ›dummen Jungenstreich‹ ab.«

Wie oft wurde diese Bezeichnung heute schon verwendet. Frank verdrehte die Augen.

»Wie heißt denn der Chef?«, fragte er.

»Andre Kalter«, erwiderte Manfred, während er die weiteren Erkenntnisse an die Kollegen weitergab.

Der Name tauchte Franks Meinung nach etwas zu oft in beiden Fällen auf. Gut, es mochte Zufall sein. Dies herauszufinden, war ihre Aufgabe. Er zückte sein Notizbuch, schrieb sich den Namen mit einem dicken Ausrufezeichen dahinter auf.

»Fingerabdrücke gibt’s auch. Leider konnte man die noch nicht zuordnen. In der hiesigen Datenbank sind sie jedenfalls nicht registriert.« Manfred legte die Akte wieder auf den Tisch und lehnte sich zurück.

»Spricht ja dann eher für die Theorie des ›dummen Jungenstreiches‹«, meinte Henssler. »Ich brauche aber Fakten zum Mord an diesem Gerd Bäuerle. Gibt’s denn da was?« Er wandte sich Walter Riegelgraf und Adelbert Herzog zu.

»Ich habe ihn bereits untersucht«, begann der Rechtsmediziner. »Der erste Schlag auf den Kopf war nicht tödlich, hat nur eine starke Platzwunde verursacht. Der zweite Schlag muss heftiger ausgeführt worden sein. Traf ihn genau an der Schläfe, wo die Nerven entlanglaufen. Zufall? Weiß ich nicht. Kann sein. Auf jeden Fall ist dieser Schlag tödlich gewesen.«

»Sonst noch was Wichtiges?« Henssler schaute auf die Uhr. »Wenn nicht, würde ich mich an dieser Stelle ausklinken. Ich muss noch zum Oberstaatsanwalt. Sehen Sie zu, dass wir möglichst bald fundierte Ermittlungsergebnisse vorzuweisen haben.«

Er packte seinen Koffer zusammen. Er wollte gerade aufbrechen, da kam Müller-Huber zur Tür rein.

»Sorry, es ging nicht früher. Hab ich was verpasst?«

»Lassen Sie sich durch Ihre Mitarbeiter auf den neuesten Stand bringen«, antwortete der Staatsanwalt kurz angebunden. Dann blickte er Müller-Huber an. »Eigentlich wollte ich den Fall in Ihre kompetenten Hände legen, aber ich habe mich entschlossen, ›kompetent‹ zu streichen.«

Frank musste ob des sarkastischen, trockenen Humors von Staatsanwalt Henssler grinsen. Müller-Huber hatte den Hintergrund der Aussage nicht verstanden, denn er reagierte gelassen und stand, zugegeben etwas verloren, in der Mitte des Raumes.

»Legen wir los«, sagte er.

»Wir sind schon mittendrin«, antwortete Richard genervt und erhob sich. Seine Kollegen folgten ihm ins Büro. Walter Riegelgraf stand noch mit Adelbert Herzog zusammen. Augenscheinlich hatten beiden etwas zu besprechen.

»Den Kalter sollten wir vorladen«, meinte Frank. »Der scheint mehr zu wissen, als er zugibt. Außerdem höre ich seinen Namen etwas zu oft.«

»Für morgen Vormittag?«, ergänzte Richard.

»10 Uhr dürfte eine gute Zeit sein.« Frank griff zum Hörer, um Kalter davon zu unterrichten, dass er offiziell ins Polizeipräsidium vorgeladen wurde. Die Freude Kalters hielt sich in erträglichen Grenzen, doch alles Murren und Schimpfen half nichts. Der Einladung durch die Kommissare musste er wohl oder übel Folge leisten, wollte er nicht riskieren, mit Blaulicht abgeholt zu werden.

In einem beschaulichen, von Weinbergen als natürlichem Schutz vor schädlichen Einflüssen geschützten kleinen Dorf würde dies für ein unangenehmes Maß an Aufmerksamkeit beziehungsweise Gerede sorgen.

»Jetzt machen wir erst mal Feierabend«, meinte Richard. »Morgen sieht die Sache schon etwas besser aus.«

Von den Kollegen kam keine Gegenwehr. Müller-Huber verschwand nach seinem kurzen Auftritt schnell wieder im Büro.

Adelbert Herzog klopfte an den Türrahmen. »Bevor ich es vergesse, liebe Kollegen, ich bin ab Donnerstag für ein paar Tage im Urlaub. Ihr braucht gar nicht versuchen, mich zu erreichen. Ich nehme kein Telefon mit. Klare Ansage meiner Frau.«

»Wo geht’s denn hin?«, erkundigte sich Manfred, der seine Sachen aufräumte.

»Kaltern am See, Südtirol. Wellness machen. Selbstverständlich mit einer Weinverkostung. So etwas darf nicht fehlen.«

»Na dann viel Spaß«, erwiderte Frank. So ein Wellnessurlaub mit Lisa käme ihm auch ganz gelegen. Die passende Location hatte er gerade eben gefunden.

»Wenn ich wiederkomme, ist der Fall geklärt«, lachte Adelbert frech. Es war eines der wenigen Male, da man einen gelösten Kollegen vor sich sah. Die Freude auf die bevorstehende Erholung schien ihm gutzutun. Dass sein Urlaub eine entscheidende Wendung in den Mordfall bringen würde, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen.

6. Kapitel

Mittwoch

Frank genehmigte sich seinen zweiten Kaffee, als er es klopfen hörte. Manfred war aufgrund der Verspätung seiner S-Bahn noch nicht da. Richard musste den zwei Tassen des schwarzen Gebräus von heute Morgen Tribut zollen.

Er drehte sich um. Im Türrahmen stand Andre Kalter. Dieser schaute ihn an, grüßte kurz und meinte dann: »Können wir die Sache jetzt endlich hinter uns bringen? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Wie Sie wissen, muss ich in meine Gaststätte, mein Personal spurt ohne mich nicht.«

»Wie schnell die ganze Angelegenheit geht«, antwortete Frank, »liegt ganz bei Ihnen.« Er schaute auf die Uhr an seinem Computer. Kurz vor 10 Uhr. Pünktlich, nein, sogar überpünktlich, war Kalter erschienen, wie er wohlwollend zur Kenntnis nahm.

»Mein Kollege kommt gleich. Wir können schon mal nach nebenan gehen. Kaffee?«

Kalter nickte. Frank holte eine zweite Tasse aus dem Schrank.

»Nehmen Sie doch bitte Platz«, sagte er und wies ihm den Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches zu. Sie wählten den kleinen Besprechungsraum neben ihrem Büro.

Richard kam wenige Minuten später, sichtbar erleichtert. Er setzte sich neben Frank, nachdem er Andre Kalter begrüßt hatte.

»So, Herr Kalter«, begann er und legte die Akte über den Einbruch im Büro des Weinkonvents Uhlbach vor sich auf den Tisch und blätterte lässig darin herum.

»Geht es darum?«, fragte Kalter vorsichtshalber nach, der die Papiere sah, die der Kommissar durchblätterte. Frank saß mit vor der Brust verschränkten Armen daneben und versuchte, sich derweil ein Bild von seinem Gegenüber zu machen.

»Genau.« Richard hob seinen Kopf, blickte zu Andre Kalter hinüber. »Da gäbe es noch ein paar offene Fragen.«

»Ich habe Ihren Kollegen doch schon alles erzählt.« Seine Antwort klang genervt.

»Was mich interessieren würde, wäre die Tatsache, dass zum einen Bargeld in Höhe von 2.000 Euro auf Ihrem Schreibtisch herumliegt, zum anderen, warum der oder die Einbrecher dieses Geld einfach liegengelassen haben.«

Kalter zuckte mit den Schultern. »Bin ich von der Kripo oder Sie? Vielleicht haben sie es übersehen. Ich denke, da waren ein paar Jugendliche, die zu viel Alkohol getrunken hatten. Dann sind sie wahrscheinlich etwas mutiger geworden. Unser Gebäude liegt abseits des Ortes, es eignet sich daher durchaus für solche dummen Jungenstreiche.«

»Ist so etwas schon öfters vorgekommen?«, fragte Frank.

Andre Kalter überlegte. »Meines Wissens nach nicht. Ist das erste Mal. Es ist ja zum Glück nichts gestohlen worden. Nur einen Saustall haben sie hinterlassen.«

»Wie war eigentlich Ihr Verhältnis zu Gerd Bäuerle?«, erkundigte sich Richard beiläufig.

»Geschäftlich.« Die Antwort kam prompt und fiel knapp aus. So etwas ließ meist darauf schließen, dass die beiden nicht die besten Freunde waren. Zumindest nach Franks Einschätzung.

»Hatte Gerd Bäuerle Schlüssel zum Büro?« Er wählte diese Frage bewusst, denn er wollte die Reaktion seines Gegenübers sehen. Doch dieser blieb gelassen, antwortete mit einem knappen »Ja« darauf.

Richard faltete die Hände über der Akte zusammen. »Fürs Erste sind wir fertig. Halten Sie sich aber zu unserer Verfügung, falls noch Fragen auftauchen.«

Sie standen gleichzeitig auf, um sich von Andre Kalter zu verabschieden. Nachdem er den Raum verlassen hatte, setzte sich Frank wieder auf den Stuhl.

»Der verheimlicht uns was«, sagte er.

Richard, der schon mit der Akte in der Hand im Türrahmen stand, sah ihn an: »Denkst du?«

»Nein, ich weiß es.«

Frank erhob sich ebenfalls, dann gingen sie zurück ins Büro, wo sich Manfred bereits eingefunden hatte.

»Morgen, ihr zwei. War das der Kalter grade eben, der da grußlos zur Tür raus ist?«, fragt er.

Richard nickte, während Frank zum Telefonhörer griff.

»Guten Morgen, Adelbert. Ich schicke dir gleich ein paar Fingerabdrücke vom Einbruch in den Weinkonvent Uhlbach. Kannst du die mal mit denen von Gerd Bäuerle vergleichen und uns dann Bescheid geben, ob sie identisch sind?«

Herzog bejahte, erbat sich gleichwohl ein paar Minuten mit der Begründung, seinen Kaffee trinken zu dürfen, was Frank ihm ohne Weiteres zugestand.

»Was brauchst du die Fingerabdrücke von Gerd Bäuerle?«, fragte Richard.

»Zum Abgleich. In der Akte stand doch etwas von Abdrücken, die man nicht zuordnen kann. Vielleicht stammen sie von ihm?«

Richard schaltete zuerst, worauf Frank hinauswollte.

»Du meinst, wenn wir Fingerabdrücke von Bäuerle im Büro von Kalter finden …?« Er machte eine Pause.

»Möglich wäre es. Zumindest hätten wir dann den Beweis, dass es sich um keinen ›dummen Jungenstreich‹ handelt.«

»Mit ihrem zwischenmenschlichen Verhältnis schien es ja nicht zum Besten zu stehen«, konstatierte Richard. »Aber traust du dem Kalter einen Mord zu?«

»Man sollte es zumindest in Erwägung ziehen.« Er stand auf, um den Namen mit einem weißen Filzstift auf die Plexiglastafel zu schreiben, die seit Neuestem in ihrem Büro stand.

»Nehmen wir mal an, die Fingerabdrücke stammen von Gerd Bäuerle. Was hat er im Büro von Kalter gesucht? Außerdem – wusste Kalter darüber Bescheid? Was hat er, oder besser gesagt, was haben die beiden zu verheimlichen?«

»Leute«, seufzte Manfred, »ihr spekuliert schon wieder. Wartet erst mal ab, ob die Fingerabdrücke überhaupt von Bäuerle stammen. Wenn ja, könnte es dafür eine einfache Erklärung geben.«

Damit lag Manfred nicht falsch, schließlich gab Kalter bei der Befragung zu, dass Bäuerle einen Schlüssel fürs Büro besessen hatte. Somit würden man mit Sicherheit Abdrücke von ihm in dem Raum finden.

Doch kam es darauf an, wo sich diese befanden.

»Bedenkenträger«, brummte Frank, welcher vor der Plexiglaswand stand, um seinen Gedanken freien Lauf zu lassen.

Wieso wurde Gerd Bäuerle umgebracht? Wer im näheren oder weiteren Umfeld hatte ein Interesse am Tod des Mannes? Warum ausgerechnet im Weinberg? Zu der frühen Stunde? Deutete dies nicht eher auf ein geplantes Verbrechen hin?

Franks Gedanken kreisten in seinem Kopf. Aber eine plausible Erklärung stellte sich nicht ein.

Den restlichen Verlauf des Tages verbrachten sie damit, die spärlich gewonnenen Erkenntnisse zu Papier zu bringen. So verschafften sie sich einen Überblick über den momentanen Stand der Ermittlungen.

»Vielleicht ist es besser, wir machen Feierabend. Heute kommen wir sowieso nicht weiter.« Richard hatte seine Jacke angezogen, um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen.

»Meinetwegen.« Frank tat es ihm gleich. Draußen setzte bereits die Dämmerung ein, und es wurde rasch dunkel. Dementsprechend fielen die Temperaturen.

»Bis morgen«, verabschiedete sich Frank von Manfred.

»Fahr noch mal nach Uhlbach«, bat er seinen Kollegen, als sie im Auto saßen.

»Warum denn?« Richard sah ihn fragend an.

»Kann ich dir nicht sagen. Es ist kein rationales Handeln, ich weiß, aber ich muss da heute noch mal hin. Irgendwas lässt mich nicht in Ruhe.«

»Also irrational. Bauchgefühl.« Richard seufzte. Es schien sinnlos, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Wenn der Kollege sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, so konnte man ihn schwer bis gar nicht davon abzubringen. Da Frank aber immer über eine erstklassige Intuition verfügte, war es durchaus hilfreich, seinem Kollegen sowie dessen Gedanken freien Lauf zu lassen, respektive ihnen zu folgen.

Sie erreichten Uhlbach, nachdem es dunkel wurde. Zudem verdeckten Wolken den Mond am Himmel.

Frank blätterte in seinem Notizbuch.

»Fahr zum Haus vom Kalter.«

Richard lenkte sein Wolfsburger Fabrikat durch die engen Gassen, vorbei an Straßen, die nach Orten aus einem österreichischen Bundesland benannt worden waren.

Andre Kalter wohnte laut Franks Informationen in der Tiroler Straße, etwas oberhalb des Ortskerns von Uhlbach, von wo man einen herrlichen Blick auf die von Heinrich Dolmetsch im Jahre 1895 erbaute evangelische Andreaskirche hatte. Hauptsponsor jener schmucken Kirche war ein gewisser Textilunternehmer namens Gottlieb Benger, der mit Luise Benger eine Uhlbacherin ehelichte und nicht weit von der Kirche ein feudales Landhaus besaß.

»Willst du noch was von ihm?«, erkundigte sich sein Kollege.

»Richard, ich weiß selber nicht. An dieser ganzen Geschichte stört mich etwas. Ich weiß bloß nicht, was. Aber es hat mit dem Kalter zu tun.«

Frank wurde langsam fahrig. Er wusste nicht, wonach er suchte. Aber sicher war, er würde es finden. Doch in diesem Moment half ihm der Zufall.

»Kommt da nicht der Kalter aus seinem Haus?«, fragte Richard. Er deutete mit dem Finger auf den Mann, der eine dunkle Jacke trug.

Frank zuckte mit den Schultern. »Kann sein, kann aber auch nicht sein. Was wäre, wenn er es ist?«

Spontan entschied er sich, der Person zu folgen.

»Bleib du hier, ich schau mir die Sache genauer an. Vielleicht bekommt meinem Kopf ja die frische Luft.«

»Hoffen wir’s«, seufzte Richard. Doch da war Frank schon unterwegs.

Er folgte dem Mann, welcher nicht ahnend, dass er verfolgt wurde, die Tiroler Straße hinunterging. Frank hielt Abstand, um ihn immer im Blick zu behalten, aber selbst rechtzeitig zwischen den parkenden Autos verschwinden zu können, falls dieser sich umdrehte. Nach einer Weile bog er rechts in die Kufsteiner Straße ein und steuerte direkt auf Gerd Bäuerles Haus zu. Tatsächlich schien dies das Ziel zu sein. Er klingelte nicht, sondern kramte in der Tasche nach einem Schlüssel und verschwand kurz darauf im Inneren. Komischerweise ging drinnen kein Licht an.

Merkwürdige Sache, dachte Frank. Wenigstens hatte sich die Fahrt hierher schon mal gelohnt. Jetzt wollte er wissen, worauf der spätabendliche Besuch herauslief. Sein investigatives Gen schlug an. Noch immer war kein Licht angegangen. Er entschloss sich, hinters Haus zu schleichen, um sich die Rückseite anzuschauen. Gerade war er dabei, da ging im Nachbarhaus das Licht an. Ein älterer Herr um die 60 trat ins Freie.

»Was treibet Sie hier? Wollet Se einbreche? Des könnet Se vergesse. I ruf jetzt die Polizei.«

Frank seufzte, wohl wissend, durch die Einmischung dieses Mannes war seine Tarnung aufgeflogen, der Überraschungsmoment dahin. Er gab sich mit seiner Dienstmarke als Polizist zu erkennen. Eventuell wusste der Nachbar ja mehr.

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