Kitabı oku: «Für immer und ewig?», sayfa 3

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7. Zur Sexualität als Quelle der Spiritualität

Viele Menschen, innerhalb wie außerhalb der Kirchen, haben zur Sexualität ein gestörtes Verhältnis. Negativ besetzten Vorstellungen von Sexualität ist aber strikt entgegenzuhalten: Die Geschlechtlichkeit des Menschen ist zwar im Höchstmaße anspruchsvoll, sie ist ein hoch sensibler Bereich und sie kann auch zur Falle werden. Das sexuelle Leben ist immer schon gefährdet und anfällig für den Missbrauch. Die sexuelle Intimität kann aber auch bestens gelingen und zum Segen für beide Partner werden. Grundsätzlich ist die Geschlechtlichkeit eine höchst wertvolle Gabe Gottes. Sie ist eine der wichtigsten Energiequellen, sie gehört wesentlich zur Schöpfung und sie gehört essentiell zum Menschen in seinem Mann- oder Frausein.

Auch durch das geistliche Leben, durch die persönliche Gottesbeziehung kann die menschliche Sexualität nicht einfach verdrängt oder ersetzt werden. Im Gegenteil: Das sexuelle Erleben ist, mit Wunibald Müller gesprochen, geradezu eine »Quelle der Spiritualität«.25 Ja das Dasein mit allen Sinnen, also auch den sexuellen Gefühlen, ist der normale, der natürliche Weg zur Gotteserfahrung!

Die Fähigkeit, Gott und die Menschen aus ganzer Seele und mit ganzem Herzen zu lieben, beruht – wie die amerikanische Theologin und Ordensfrau Sandra M. Schneiders unterstreicht – auf der Fähigkeit zur »menschlichen Intimität«. Sr. Sandra Schneiders wagt sogar die Bemerkung: Wer niemals die erotische Liebe erlebt hat, »wer nie mit den echten, wahren, menschlichen, sexuell lebendigen und lebendig machenden Gefühlen einen realen, konkreten, einzigartigen Menschen geliebt hat und von ihm geliebt worden ist, kann zwar endlos über die Schönheit und Freude göttlicher Liebe reden, wird jedoch auf jemanden, der Agonie und Ekstase der Liebe in der Realität erlebt hat, nicht sehr überzeugend wirken«.26

Viele erfahrene Seelsorgerinnen und Seelsorger werden hier zustimmen: Wer sich nie einem anderen Menschen in personaler Liebe geöffnet hat und wer nie ein positives, ein beglückendes, ein unvergessliches sexuelles Erlebnis (oder eine tiefe Erfahrung von seelischer Intimität und zärtlicher Körpernähe) hatte, kann natürlich trotzdem ein sehr guter Mensch sein. Aber als Verkünder der göttlichen Liebe, als ›mystagogischer‹ Wegbegleiter, als Zeuge für die Geheimnisse Gottes wird er den Großteil der Menschen nicht erreichen.

Auch wenn wir das sexuelle Leben verdrängen oder sublimieren, wirklich ausblenden und ›wegstecken‹ lässt sich die Sexualität niemals. Sie würde sich auf Umwegen zurückmelden, vielleicht in problematischen Formen, in unreifer Manier. In schlimmeren Fällen könnte die unterdrückte, die nicht ins Leben integrierte Sexualität auch zu infantilen, zu krankhaften, zu sozial nicht verträglichen Verhaltensweisen mutieren. Was aber andererseits noch lange nicht heißen soll, dass es geglückte Formen der ›sublimierten‹ Sexualität überhaupt nicht geben könne. Zweifellos gibt es kulturelle Hochleistungen, vorbildliches soziales Engagement, echte Hingabe und spirituelle Glaubwürdigkeit in Verbindung mit einem zölibatären Charisma (das nicht zu verwechseln ist mit dem umstrittenen Zölibats-Gesetz in der heutigen katholischen Kirche).27

Immer aber bleibt die Sexualität eine wichtige Kraft von elementarer Bedeutung. Da auch in den folgenden Buchkapiteln das Thema ›Sexualität‹ zumindest indirekt präsent ist, sei schon im vorhinein klargestellt: Ob ich verheiratet bin oder nicht, ob ich in einer Paarbeziehung lebe oder nicht, in jedem Fall erlebe ich mich als sexuelles, nach leiblicher Nähe und intimer Berührung verlangendes Wesen. Und ob ich es mir eingestehe oder nicht, immer ist die Sexualität eine spirituelle Herausforderung, eine machtvolle Wirklichkeit, die verantwortlich gestaltet sein will – nicht bloß im ›Gehorsam‹ gegenüber den kirchlichen Institutionen, sondern in freier Entscheidung aufgrund des personalen Gewissens.

8. Zu den Maßstäben und Werten

Ganz auf der Linie des reformwilligen – von vielen kirchlichen Amtsträgern inzwischen vergessenen oder im restaurativen Sinne ›uminterpretierten‹ – Zweiten Vatikanischen Konzils28 bekräftigt die katholische Theologin Lydia Bendel-Maidl die Mündigkeit der individuellen Person. Aufgrund seines Gewissens nämlich und aufgrund seiner unmittelbaren Beziehung zu Gott hat jeder Einzelne »teil an einer letzten Verbindlichkeit und Würde«, die von der Kirche unbedingt »zu achten ist (…), selbst im Fall des Irrtums«.29

Das eigene Gewissen also ist die höchste Instanz, der Maßstab meines Verhaltens. Allerdings ist das Gewissen nicht bloß ein vages Gefühl. Vielmehr bedarf das Gewissen der ›Schulung‹, der stetigen Justierung mit Herz und Verstand. Anders gesagt: Die subjektive Gewissensbildung muss sich an bestimmten, überprüfbaren, Kriterien orientieren.

Sinnvoll und absolut angebracht ist somit die Frage: Welche Voraussetzungen müssen in einer guten, in einer ethisch verantworteten Partnerbeziehung erfüllt sein? Ein mit mir befreundeter Jesuitentheologe und Priesterseelsorger gab mir vor Jahrzehnten die folgenden Beurteilungshilfen: Eine intime Beziehung ist gut, wenn sie auf wechselseitiger Liebe beruht, wenn sie für beide Partner eine Glücksquelle ist, wenn sie keinem anderen schadet und wenn die Gottesbeziehung darunter nicht leidet, sondern eher gestärkt wird.

Diese vier Kriterien, die stets neu zu überdenken sind, nehme ich als Seelsorger und geistlicher Begleiter sehr ernst. Ich habe sie mir verinnerlicht und um einen weiteren Punkt noch ergänzt: Eine Paarbeziehung – oder auch eine Seelenfreundschaft30 – finde ich besonders gut, wenn die Hoffnung auf das ewige Leben, wenn die Vorfreude auf den Himmel durch die liebevolle Beziehung der Partner noch vergrößert und neu beflügelt wird.

An dieser Stelle scheint mir eine Zwischenbemerkung erforderlich: Sofern die genannten Kriterien für eine gute Partnerbeziehung erfüllt sind, dürfen auch gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht diskriminiert werden. Man kann solche Beziehungen nicht rundherum verurteilen und als ›Todsünde‹ betrachten. Denn die zuständigen Natur- und Humanwissenschaften belegen ja zweifelsfrei: Es gibt unterschiedliche sexuelle Prägungen.

Jeder Mann und jede Frau muss – wie Wunibald Müller betont – seine/ihre Prägung entdecken und zu dieser Prägung auch stehen.31 Besonders die katholische Kirche wird mit gleichgeschlechtlich geprägten Menschen in Zukunft anders umgehen müssen als bisher: vor allem dann, wenn es sich um Paare handelt, die wechselseitig Verantwortung übernehmen und folglich in einer durchaus eheähnlichen Beziehung leben.

Zurück zur Gewissensbildung: Ob jedes der oben genannten Bewertungskriterien in einer (gleich- oder gegengeschlechtlichen) Paarbeziehung erfüllt ist, wird nicht immer leicht zu beurteilen sein. Es kann da auch Irrtümer und Selbsttäuschungen geben. Sensibilität, selbstkritische Feinfühligkeit, gewissenhaftes Nachdenken sind also angesagt. Aber diese Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit sollten nicht umschlagen in übertriebene, in krank machende Ängstlichkeit.

Schließlich dürfen wir nicht vergessen: Zur Realität des Lebens und jeder Partnerbeziehung gehört auch die Möglichkeit des Versagens und des Schuldigwerdens. Aber auch in diesen Fällen wird es – bei gutem Willen aller Beteiligten – gangbare Wege geben, Wege zu einem neuen Beginn. Denn bei Gott ist Barmherzigkeit und reiche Erlösung (vgl. Ps 130,7)! Freilich sollten auch wir barmherzig sein. Paarbeziehungen – und überhaupt Beziehungen jeglicher Art – können nur gelingen, wenn wir bereit sind, einander von Herzen zu vergeben und immer wieder einen neuen Anfang zu wagen.

9. Zur eschatologischen Perspektive

So viel dürfte nun klar sein: Es geht mir in meinen Ausführungen nicht primär um die Kirchenkritik und schon gar nicht um einen ›Ausverkauf der Werte‹. Die Kirche ist ja keine politische Partei, die eine Wahl gewinnen will und deshalb ihre Angebote an aktuellen Umfragewerten orientiert. Vielmehr hat die Kirche von Christus her eine Sendung, einen Auftrag für das Heil der Welt – unabhängig von wechselnden Meinungen und wechselnden Mehrheiten unter den Menschen.

Ich bin ein katholischer und zugleich ein ökumenisch denkender Christ, dem die christlichen Kirchen in der Welt von heute sehr wichtig sind. Dabei geht es mir nicht um eine Anbiederung ans allgemeine Bewusstsein, nicht ums ›Moderne‹ um des Modernen willen, nicht um die wohlfeile Anpassung an den (üblicherweise negativ gewerteten) ›Zeitgeist‹. Nein, es geht um den befreienden Geist der Botschaft Jesu, um die Vertiefung und Verlebendigung des kirchlichen Eheverständnisses bzw. um eine realistischere, d. h. menschlichere Einstellung der kirchlichen Institutionen zur – ehelichen oder nichtehelichen – Partnerliebe.

Es geht mir, gerade im Blick auf ›heikle‹ Themen und ›heiße Eisen‹, ganz und gar nicht um Polemik, sondern um die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Geistesströmungen, um das Anschauen von offenen Fragen, um anthropologische Einsichten und theologische Argumente. Es geht mir vor allem um die Liebe, die größer ist als alles andere und die, wenn sie echt ist und in Gott ihren Ursprung hat, niemals aufhören wird (vgl. 1 Kor 13,1–8).

Und um es nochmals ganz klar zu sagen: Wenn im Folgenden sehr viel, ja deutlich überwiegend von der Liebe zwischen Mann und Frau die Rede ist (einfach auch deshalb, weil die Mehrzahl der Menschen heterosexuell geprägt ist), so ist dies nicht in einem ausgrenzenden Sinne gemeint. Es darf ja angenommen werden: Was ich über die Beziehung von Mann und Frau schreibe, ist zumindest teilweise übertragbar auch auf gleichgeschlechtliche Beziehungen.

Mein Thema, das ich im Folgenden entfalten werde, ist (weitgehend unabhängig von der jeweiligen sexuellen Prägung) die elementare Bedeutung der Geschlechterbeziehung im irdischen Dasein, sei es nun in der Ehe oder in einer anderen Lebensform. Mein Thema ist die tiefe, unendlich facettenreiche Liebe – ohne die das Leben nur schrecklich wäre. Und mein Thema ist zugleich die eschatologische Hoffnung: die Hoffnung, dass die gesamte Lebensgeschichte jedes einzelnen Menschen – einschließlich seiner echten Liebesbeziehungen – auch über den Tod hinaus eine Zukunft in der Ewigkeit Gottes hat.

Wie schon in früheren Büchern32 interessiert mich auch diesmal die Frage: Ist die Partnerbeziehung, die gewachsene und gereifte Liebe zwischen zwei Menschen, etwas nur Irdisches, mit dem Tode Abgeschlossenes und Beendetes? Oder könnte es ein ›Danach‹ geben, eine jenseitige Erfüllung, eine von Gott geschenkte Vollendung auch der intimen Freundschaften und der Partnerbeziehungen?

Nur eines möcht ich nicht: daß du mich fliehst.

Ich will dich hören, selbst wenn du nur klagst.

Denn wenn du taub wärst, braucht ich, was du sagst

Und wenn du stumm wärst, braucht ich, was du siehst

Und wenn du blind wärst, möcht ich dich doch sehn.

Du bist mir beigesellt als meine Wacht:

Der lange Weg ist noch nicht halb verbracht

Bedenk das Dunkel, in dem wir noch stehn!

Bertolt Brecht

Kapitel II
Für immer und ewig

Was ist Liebe? Carlo Martini, der frühere Erzbischof von Mailand, schrieb über das Wesen der Liebe: »Die Liebe ist eine Begegnung, in der der andere für mich Bedeutung gewinnt und in gewissem Sinn für mich bedeutender wird, als ich mir selbst bin. Er wird so bedeutsam, dass ich – im Extremfall – will, dass er lebt, selbst wenn ich dafür mein eigenes Leben hingeben muss.«33

Ich denke, Martini hat in diesen Sätzen einen zentralen Aspekt, ein wesentliches Moment der Liebe angesprochen: Die geliebte Person ist dem Liebenden absolut wichtig. Wenn es um dieses Gefühl der Wichtigkeit speziell nun in der Paarbeziehung geht, denke ich gerne – mit gewissen Zweifeln allerdings – an den altgriechischen Mythos von Orpheus und Eurydike.34 Die schöne Nymphe ist dem Sänger so wichtig, dass er sich um ihretwillen in die Unterwelt, in den ›Abgrund‹ begibt. Aber ist er auch bereit, für sie das eigene Leben zu riskieren?

In der Sicht des griechischen Philosophen Platon war Orpheus ein Schwächling, der sich selbst geschont hat. In Platons ›Symposion‹ jedenfalls wird die Orpheus-Sage mit einer anderen Geschichte verglichen, die über Alkestis, die Gattin des Königs Admetos, erzählt wurde: Alkestis opferte für ihren Mann das eigene Leben. Dieser Liebesbeweis hat den Göttern so gefallen, »dass sie aus freien Stücken die Frau aus dem Hades gehen ließen, aus Freude an der Tat«. Den Orpheus aber schickten sie unverrichteter Dinge zurück. »Er schien ihnen weichlich zu sein wie ein Spielmann und nicht das Herz zu haben, der Liebe wegen zu sterben wie Alkestis, sondern sich lieber ausgedacht zu haben, lebend in die Unterwelt einzugehen.«35

Zwar scheint mir diese Interpretation durch Platon überspitzt und sehr missgünstig. In der späteren Deutung durch den römischen Dichter Ovid wird immerhin geklärt: Im Falle einer Ablehnung seiner Bitte durch die Götter würde Orpheus lieber im Hades verweilen, als ohne Eurydike ins irdische Leben zurückkehren. Andererseits hat Platon wohl richtig erkannt: Des Orpheus Beziehung zu seiner Gattin war eine leidenschaftliche, aber noch unreife Verliebtheit. Zur wirklichen Liebe fehlt da noch Vieles.

Schon als jüngerer Mann – als ich die Oper von Christoph Willibald Gluck zum ersten Mal im Theater erlebte – habe ich mich gefragt: Was wäre aus Orpheus und Eurydike geworden, wenn es dem Künstler gelungen wäre, die attraktive Gattin ins Diesseits zurückzuholen? Was wird aus ›Traumpaaren‹ wie Orpheus und Eurydike, wenn sie in die Jahre kommen, wenn sie gebrechlich werden und der Eros seine Kraft verliert? Werden sie sich dann weiterhin lieben? Werden sie sich auch im Alter noch etwas zu sagen haben? Werden sie sich bis zum Lebensende wechselseitig ergänzen und bereichern?

1. ›Same Same But Different‹

Der junge Orpheus und die bezaubernde Eurydike stehen weniger für die Liebe, umso mehr aber für die Verliebtheit. Der Zustand des Verliebtseins ist an sich freilich nichts Schlechtes. Die Verliebtheit kann zur verwandelnden Kraft werden, zu einer Quelle des Glücks, der Lebenslust und der Kreativität. Sie kann ein großes spirituelles Wachstumspotential enthalten,36 sie kann eine Vorform der Liebe sein, eine Brücke zu jener größeren Liebe, die von Gott kommt und die den Tod überwindet.

Der mögliche Übergang vom bloßen Verliebtsein zur wirklichen Liebe zeigte sich mir besonders schön im Filmdrama ›Same Same But Different‹ von Detlev Buck. Das Drehbuch folgt dem autobiographischen Roman ›Wohin du auch gehst‹ (2007) von Benjamin Prüfer. Der Filmtitel ›Same Same But Different‹ ist eine thai-englische Redewendung für »ganz gleich und doch anders«. Was ist gemeint, worum geht es in dieser Geschichte? Und was will sie uns sagen?

Da es im Film wie im Roman ja nicht nur um fremde Kulturen geht, sondern um das innerste Wesen der Partnerliebe, sei die Story hier, so kurz wie möglich, wiedergegeben: Ben, ein deutscher Abiturient, ist mit einem Freund als Rucksacktourist in Kambodscha unterwegs. Die beiden suchen zuerst nur den Spaß, sie denken an Abenteuer und besonders an Sex. In einer Diskothek lernt der lebenshungrige Ben das Bargirl Sreykeo (»Frau aus Glas«) kennen. Bald wird ihm klar, dass das Mädchen eine Prostituierte ist. Trotzdem verliebt er sich in sie und haust mit ihr in einem halb verfallenen Wohnblock. Wegen ihres chronischen Hustens bringt er sie zum Arzt und schenkt ihr einen Ring.

Zurückgekehrt nach Deutschland, bleibt Ben mit Sreykeo in Kontakt. Er sendet ihr Geld für wichtige Arztbesuche. Eines Tages erhält er einen Anruf von seiner Freundin Sreykeo. Sie teilt ihm mit, dass ihr HIV-Status positiv sei. Ihr Telefonat beendet sie mit den Worten »see you next life«, »auf Wiedersehen im nächsten Leben«. Ben selbst ist nicht infiziert. Um Sreykeo eine Therapie zu finanzieren, fliegt er erneut nach Kambodscha. Trotz der Krankheit des Mädchens macht er sich Gedanken über eine baldige Heirat. In Deutschland aber rät ihm ein Freund zur Trennung von Sreykeo: Sie sei dem Tode geweiht, eine Eheschließung mit ihr wäre verrückt. Ben ist verunsichert. Zuletzt jedoch reist er nach Kuala Lumpur, um die Freundin wiederzusehen. Im Hotel freilich wird Sreykeo als HIV-infizierte Prostituierte des Hauses verwiesen. Ben indessen bekennt sich als ihr Verlobter und will künftig in Kambodscha leben.

Mit einem religiösen Hochzeitsritual endet das Filmgeschehen. Ein buddhistischer Mönch gießt Wasser über das mutige Brautpaar. Und am Ende des Abspanns erfahren die Kinobesucher: Ben und Sreykeo leben heute in Deutschland. Sie haben ein gemeinsames Kind, einen gesunden Jungen.

Wie ist die Story zu bewerten? Von grenzenloser Naivität eines verliebten Paares könnte man reden. Denn nach menschlichem Kalkül wird diese Ehe in die Brüche gehen. Oder sie wird so enden wie die ›Love-Story‹ (1970), das berühmte, von dem Literaturwissenschaftler Erich Segal geschriebene Filmmelodram über die Liebe von Jenny und Oliver: Die beiden heiraten, allen Widerständen zum Trotz. Zuletzt aber stirbt die krebskranke Jenny in den Armen ihres jungen Ehemannes Oliver.

Handeln Paare wie Jenny und Oliver oder Sreykeo und Ben ›vernünftig‹? Hat ihre Liebe eine Zukunft? Die bekannten Verse Erich Frieds37 fallen mir ein:

Es ist Unsinn

sagt die Vernunft

Es ist was es ist

sagt die Liebe

Es ist Unglück

sagt die Berechnung

Es ist nichts als Schmerz

sagt die Angst

Es ist aussichtslos

sagt die Einsicht

Es ist was es ist

sagt die Liebe

Es ist lächerlich

sagt der Stolz

Es ist leichtsinnig

sagt die Vorsicht

Es ist unmöglich

sagt die Erfahrung

Es ist was es ist

sagt die Liebe

Was also ist von der Liebesbeziehung zwischen Sreykeo und Ben zu halten? »Das Herz hat Gründe, die der Verstand nicht kennt«, heißt es in den religiösen Notizen des Philosophen und Mathematikers Blaise Pascal.38 Ben und Sreykeo verhalten sich wie alle Verliebten – »und doch anders«. Allein nur von der Ratio her beurteilt, gehen sie einen problematischen Weg. Aber die Liebe sieht tiefer. Sie ist »ohne Berechnung und ohne Logik«,39 d. h. sie folgt einer anderen, metaphysischen, ›Logik‹.

Was aus meiner Sicht zählt, ist die Echtheit der Liebe. Eines ist den Filmdramen ›Love Story‹ und ›Same Same But Different‹ gemeinsam: Es wird gezeigt, wie sich die Verliebtheit zur Liebe entwickeln kann. Was mir speziell in ›Same Same But Different‹ imponiert: Ben entscheidet sich konsequent für Sreykeo. Sie ist ihm unbedingt wichtig, um ihretwillen ist er bereit, alles Oberflächliche, alles Minderwertige aufzugeben, das sein Leben bisher bestimmte. Das aber ist Liebe – zumindest in anfanghafter Gestalt.

Im übrigen wird der Transzendenzbezug in der Filminszenierung offenkundig: Es geht nicht nur um dieses Leben, es geht zugleich um das künftige, das postmortale Leben. Sreykeos Bemerkung »see you next life« lässt zwar – angesichts des buddhistischen Hintergrunds in Kambodscha – an die Reinkarnationslehre denken, also an die verbreitete Vorstellung einer Kette von immer neuen Geburten. Doch die metaphysische Komponente der Story könnte auch im Sinne des biblischen Glaubens an die Auferstehung der Toten gedeutet werden: Die Ehe von Ben und Sreykeo ist transparent für eine Liebe, die auf Erden schon anfanghaft gelebt wird und die in der Jenseitigkeit Gottes – unwiderruflich – ans Ziel kommt.

2. Das umfassende Ja

Ich bin überzeugt: Die Liebe, auch die Partnerliebe, ist ihrem Wesen nach transzendent. Auch die erotische Liebe weist über sich selbst hinaus, sie verweist letztlich auf Gott.40

»Was bleibt, stiften die Liebenden.« So lautet der Titel eines Buches von Jörg Zink, dem vielgelesenen evangelischen Theologen. Für alle Liebenden, also nicht nur für Braut- oder Ehepaare oder Blutsverwandte, ist dieses Buch geschrieben! Denn relevant für die Ewigkeit, ist – nach der Verkündigung Jesu – nicht die leibliche Verwandtschaft und nicht die Einrichtung Ehe, sondern die verinnerlichte, institutionell nicht eingeengte Liebe zu Gott und den Menschen. Stärker als der Tod ist die personale Liebesbeziehung, nicht aber die Lebensform der Ehe oder das Band der Blutsverwandtschaft (vgl. Mk 3,33–35).41

Zweifellos kann es sein, dass zwei Menschen weder verwandt noch miteinander verheiratet sind und sich dennoch lieben – bis zum Tod und über den Tod hinaus. Was aber ist der Wesenskern der Liebe, der Liebe im Allgemeinen und der Partner- oder Freundesliebe im Besonderen? Im Folgenden sei erläutert, was ich unter Liebe bzw. Seelenfreundschaft verstehe – im Bewusstsein allerdings, dass die vollkommene Liebe oder Freundschaft in der Realität eher selten gelingt.

Meine persönliche Erlebnis- und Wissensgrundlage ist eine Zusatzausbildung in der Psychotherapie (einschließlich Paartherapie), vor allem aber die praktische Erfahrung in der Partner- und Lebensberatung im Rahmen der Pfarr- und der Klinikseelsorge. Ich selbst lebe zwar ehelos – aber nicht beziehungslos und vor allem nicht ›liebelos‹. Es gibt Menschen, die mir vertraut sind, mit denen ich Freude und Leid gerne teile, die ich liebe und von denen ich geliebt werde. Vor dem Hintergrund dieser subjektiven Erfahrungen, in Verbindung auch mit einschlägiger Literatur, sind meine folgenden Ausführungen entstanden.

›Liebe‹ ist ein viel gebrauchtes und zugleich sehr missverständliches Wort. Die deutsche Sprache verwendet es in verschiedenster Bedeutung, zum Beispiel: Vorliebe für bestimmte Künstler oder Autoren, Zuneigung zu einem Haustier, barmherzige Hinwendung zu Kranken und Armen, mütterliche Hingabe für das schutzbedürftige Kind, selbstlose Treue der Gatten und Freunde, erotische Anziehung von Mann und Frau, allgemeine Nächstenliebe, persönliche Bindung des Menschen an Gott.

Dies alles kann mit Liebe gemeint sein. Wie Josef Pieper, einer der bedeutendsten christlichen Philosophen, in seinem Buch ›Über die Liebe‹ (1972) hervorhebt,42 ist diese Mehrdeutigkeit des Begriffs weder zufällig noch kommt hier eine besondere ›Armut‹ der deutschen Sprache zum Ausdruck. Denn bei aller Verschiedenheit in der Bedeutung meint das Wort ›Liebe‹ etwas Gemeinsames, das allen Bedeutungen zukommt: das Gutheißen, die engagierte Zustimmung zum Sein und zum Wert eines Objekts. »Jemanden oder etwas lieben heißt«, so Josef Pieper, »diesen Jemand oder dieses Etwas ›gut‹ nennen und, zu ihm gewendet, sagen: Gut, dass es das gibt; gut, dass du auf der Welt bist!«

Für mich ist Liebe in erster Linie das unbedingte Ja zu einer anderen Person. So umschreibt Carlo Martini die Liebe als Begegnung von Du zu Du:

Liebe ist jene intensive, unvergessliche und unzerstörbare Erfahrung, die nur in der Begegnung mit einer anderen Person erlebt werden kann. (…) Liebe braucht (…) Geschenke, die in ihrer Begrenztheit doch Symbol sind für die volle Hingabe einer Person an die andere.43

Liebe also ist ein personales Geschehen in wechselseitiger Hingabe. Sofern diese Hingabe mit der Schließung einer Ehe verknüpft wird, bringe ich – in Brautgesprächen oder Hochzeitsansprachen – die Grundaussage der Liebe gerne auf die summarische Formel: »Ich meine dich ganz und für immer.«

»Ich meine dich« heißt: Ich liebe nicht irgendwelche Bilder, die ich mir von dir gemacht habe, nicht nur die eigenen Wunschträume, die ich auf dich übertrage, sondern dich selbst, so wie du bist in deiner Einmaligkeit und Besonderheit.

»Ich meine dich ganz« heißt: Ich liebe nicht nur die strahlenden Seiten an dir, sondern dich selbst mit allem, was zu dir gehört, auch mit den Schattenseiten, den Schwächen und Unzulänglichkeiten.

»Ich meine dich ganz und für immer« heißt: Ich liebe dich nicht nur, solange du meinen jetzigen Vorstellungen entsprichst. Ich liebe dich auch dann, wenn du müde und alt wirst, auch dann, wenn ich manches an dir als schwierig empfinde und dein Verhalten mir nicht immer verständlich erscheint.

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