Kitabı oku: «Meine Seele will endlich fliegen», sayfa 8
Nicht gelebte Gefühle und seelischer Schmerz
Geben wir unseren Gefühlen nicht den gebührenden Raum, drücken wir Gefühle wie Traurigkeit, Wut, Zorn, Ärger, Verbitterung und Groll über einen Verlust, Schmerz, eine bestimmte Erfahrung, eine erlittene Verletzung usw. nicht aus und sammeln wir diese unter Umständen über Jahre/Jahrzehnte gar in uns an, bewegen sie sich immer mehr in Richtung Körper und drücken sich dort dann über Erschöpfungszustände, Stress-Symptomatik und diverse Krankheiten aus. Ähnlich körperlichen Verletzungen und den daraus resultierenden Schmerzen können auch seelische Verletzungen sehr schmerzhaft sein. Werden sie nicht wahrgenommen und gefühlt, zeigen sie sich meist in Form chronisch entzündlicher Prozesse. Seelischen Schmerzen liegt oft ein Gefühl von tiefer Kränkung, Demütigung, Erniedrigung oder Misshandlung zugrunde. Sie entstehen vornehmlich dann, wenn unsere Erwartungen nicht erfüllt wurden, bzw. wenn unsere Grenzen von unseren Mitmenschen überschritten bzw. von uns selbst nicht gewahrt wurden. Oft fühlen wir uns dann ohnmächtig und schutzlos. Haben wir unsere Gefühle und unseren seelischen Schmerz viel zu lange unbeachtet gelassen und verdrängt, dann bringen sich diese Empfindungen noch Jahrzehnte später wieder in unser Bewusstsein, weil sie endlich wahrgenommen, empfunden und aufgelöst werden wollen. In aller Regel zeigen sie sich uns Jahre später über körperliche Symptome. Ihre Sprache ist dann meist der Schmerz.
Wir können all die alten Gefühle und den Seelenschmerz nicht abschütteln, bestenfalls in Schach halten, abspalten und verdrängen, so dass wir glauben, sie sind nicht mehr da. Doch ihre nicht gelebte Energie bleibt in unserem Feld. Kommen dann neue belastende Faktoren, angstauslösende Momente oder gar ein Auslöser dazu, der ein ganz bestimmtes altes Gefühl (= Emotion) aktiviert, dann zeigen sich uns diese mit all ihrer bis dahin nicht gelebten Kraft und entwickeln so eine Wucht, dass dies meist auf Kosten unserer Beziehungen geschieht, denn fehlt uns die Beziehung zu uns selbst, können auch im Außen keine wahrhaft glücklichen Beziehungen entstehen. Gibt es in uns selbst bzw. innerhalb unserer Herkunftsfamilie Blockaden, kann sich die Liebe niemals frei ausdrücken und fließen. Auch wenn wir die frühzeitige Auseinandersetzung mit beängstigenden Gefühlen noch so sehr scheuen, kommen wir nicht umhin, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal in unser Leben kommen. Unser Unterbewusstsein hat diesbezüglich alles schön brav und sorgfältig aufbewahrt und archiviert. Es wartet nur auf die entsprechend günstige Zeit, um uns dann mit unserer „Lernaufgabe“ herauszufordern, und erschafft uns so lange Situation um Situation, bis wir unsere „Hausaufgaben“ gemacht haben und uns die ursprüngliche Situation mit all den Gefühlen sowie dem Schmerz, der daran gebunden ist, noch einmal bewusst gemacht haben. Nur so hat dieser die Gelegenheit, dass wir ihn und damit uns selbst aus unserem selbsterschaffenen emotionalen Gefängnis befreien.
Die Geschichte meines größten Seelenschmerzes
Freitag, 29. November 2017 – 03.15 Uhr: Bin schon seit gut einer Stunde wach. Liege im Bett und versuche wieder Schlaf zu finden, doch es soll nicht sein. Wiederholt empfange ich die Botschaft von Erzengel Michael: „Drücke deine authentischen Gefühle auf eine kreative Weise aus, um sie freizugeben und anderen zu helfen, denen es genauso geht.“
Ich beginne zu beten: Immer und immer wieder die gleichen Worte, die uns Jesus gelehrt hat: Vater unser. – Ein Wort reiht sich an das andere. Kaum habe ich ein Vater unser beendet, beginne ich schon mit dem nächsten. Ich suche Ruhe und Geborgenheit im Gebet. Doch beides stellt sich nicht ein. Ich suche Schlaf und finde ihn nicht. Zwischendurch kommen mir immer wieder Michaels Worte in den Sinn. Ich bete weiter. Irgendwann muss ich doch wieder einschlafen. Es ist mitten in der Nacht. – Warum finde ich die Ruhe nicht mehr?
„Authentische Gefühle“ – Was sind denn meine authentischen Gefühle? – Was nehme ich denn gerade wahr, was mich so sehr am Schlafen hindert? – Was will sich mir zeigen? – Was lasse ich nicht zu? – Was versuche ich zu verhindern? – Welche Gefühle, welchen Schmerz?
Noch wehre ich mich dagegen, um diese Tageszeit etwas fühlen zu wollen. Jetzt ist Schlaf angesagt. … Das muss doch klappen, aber es klappt nicht. – Ich werfe mich von einer Seite auf die andere. … Macht alles keinen Sinn … Okay, Michael, du hast gewonnen. Dann sag mir bitte, was ich mir anschauen soll. Führe mich bitte geradewegs dorthin. – Was genau ist es, das bereits seit mehr als einer Stunde derart an meiner Aufmerksamkeit zieht, dass ich im Schlaf keine Ruhe finden kann? – Ich fühle mich unsicher. Bin irritiert. Einerseits beherrscht mich ein Gefühl tiefer Traurigkeit, doch andererseits komme ich nicht so recht hinein in dieses Gefühl. Da sind Tränen, die geweint werden wollen, doch da ich das Gefühl nicht wirklich benennen kann, können die dazu gehörigen Tränen auch nicht fließen. Sie sitzen mir im Hals, lassen mich nur schwer atmen und auf meinem Herzen verspüre ich einen gewaltigen Druck.
Im Grunde genommen ist es wie ein dicker Nebel, der sich mir vor etwas Undefinierbarem zeigt. So gut ich kann versuche ich mich auf dieses schwammig neblige Etwas einzulassen, um die Gefühle dahinter wahrzunehmen. Überrascht stelle ich fest:
Es ist Angst. – „Existenzangst – Lebensangst.“ – Angst hält mich in dieser Umklammerung fest. Tiefe, unbändige Angst, die sich meiner bemächtigt. Die wie ein Blitz durch meinen Körper schießt. Die mich aufschrecken lässt. Die mich verzweifeln lässt. – Wie wird es wohl weitergehen? Stelle ich mich jetzt nachts um diese Zeit dieser Angst? Das ängstlich trotzige Kind in mir sagt „Nein!“. Der erwachsene Anteil in mir sagt „Ja!“. Okay, ich gebe nach. An Schlaf ist ohnedies nicht mehr zu denken. Alle Mühe vergebens. Ich stehe auf und stelle mich dem, was nicht länger zu vermeiden ist. „Dann, lieber Michael, bitte hilf mir diesen Schmerz anzunehmen, ihm nicht länger auszuweichen, vor ihm nicht länger davonzulaufen, sondern ihn mir direkt anzusehen. – Worum genau geht es? – Zeig mir die Ursache von alledem? – Bring mich bitte dahin und lass mich „erleben“, was „gesehen“ werden will.“
Ich bitte Michael, mich ohne Umwege hineinzuführen, direkt hinein in den Kern, in den immer wiederkehrenden Schmerz. Es dauert nicht lange, und ich verstehe, warum ich mich seit fast einer Stunde davor drücke, mir dies anzusehen. Was ich wahrnehme, ist eine Übermacht an Gefühlen, die ich nicht begreifen und schon gar nicht benennen kann. Diese Gefühle, sie springen mich wie aggressive, wütende und verletzte Tiere an. Sie beißen sich an mir fest. Ich versuche mich gegen sie zu wehren, sie abzuschütteln, doch es gelingt mir nicht. Sie fressen sich wie „Würmer“, wie „Maden“ tief hinein in mein ganzes „System“. – Und ich? – Ich verspüre nur Panik. – Und neben all dieser Panik, da existiert dieser tiefe und endlose Schmerz.
Es ist so dunkel. Ich zittere am ganzen Körper. Mir ist kalt. Es schauert mich. So hilflos wie ich bin versuche ich mit Schreien und Weinen auf mich aufmerksam zu machen, doch weit und breit ist keiner da. Keiner, der nach mir schaut. Keiner, der sich für mich interessiert. Keiner, der auf mein Weinen reagiert. Meinem Gefühl nach schreie ich mir die Seele aus dem Leib. Doch ich bleibe ungehört. Bleibe einfach ungehört. … Un-ge-hört!
Was ist los? – Warum bin ich so allein? – Warum ist da keiner, der mich wahrnimmt, der mich hört? – Ich komme mir vor wie irgendwo in einem Zimmer abgestellt. Unerreichbar für Gott und diese Welt. – Fühle mich so unglaublich allein. – Fühle mich von allen verlassen und mutterseelenallein. … Nach und nach bekomme ich zu diesen Gefühlen ein Bild. Ich sehe mich als Baby, als ein noch ganz kleines, unschuldiges Kind. Bin genau genommen erst drei oder vier Tage alt. Doch warum ist keiner da? – Wo bin ich? – Was ist los? – Alles ist auf einmal so anders. – So fremd ist mir diese Welt. – Wo überhaupt ist meine Mama? … Und mein Geschwister? – War das gerade eben nicht noch da?
„Allein, allein, allein! – Mutterseelenallein!“ – Diese „vier Worte“ haben sich mir wie ein „Mantra“ unbewusst als „Begleiter“ für dieses Leben eingeprägt. Sie ziehen sich wie ein „roter Faden“ durch mein Leben. Sind scheinbar tief verankert und verwurzelt in meiner kleinen Welt. Im Grunde genommen geben sie eine Situation wieder, in der ich mich wenige Tage nach meiner Geburt befand. Diese Gefühle, die ich damals bereits als Baby erlebt habe, diese Gefühle tiefer Ohnmacht, des Nicht-Gehört-Werdens, des Nicht-Gesehen-Werdens, des Allein-Seins, diese Gefühle des Ausgesetzt-Seins, Gefühle tiefer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, sie haften wie Kaugummi an mir. Diese Gefühle, diese Wunden – sie haben mich geprägt. Sind sie doch wie „Brandmale“. Wie „Feuermale“ mir tief ins Herz eingeprägt. Wie werde ich sie nur los? Die „Geister“, die ich damals anscheinend schon rief. …
Es gibt Verletzungen und Wunden, die keiner sieht. – Wunden der Seele, die keiner versteht.
Inzwischen bin ich – wenn ich mir mein Alter ansehe – zwar erwachsen. Und im nächsten Moment dann auch wieder nicht. Bin anscheinend irgendwo stecken geblieben und fühle mich seitdem in den entscheidenden Momenten meines bisherigen Lebens im Grunde genommen immer allein. Kennen Sie das Gefühl unter Menschen zu sein und dennoch so allein? Das Gefühl zu haben, keiner versteht sie, keiner hört sie, keiner sieht sie? Sie sind zwar eingebunden in ein soziales Gefüge, in eine Familie, in eine Partnerschaft, in einen Beruf, aber dennoch fühlen Sie sich im Grunde genommen doch immer nur allein. Mit all diesen Ängsten und Gefühlen allein. Doch warum allein? – Weil ich für diese Erinnerung mit all ihren Gefühlen bis gerade eben keine Worte gefunden hatte. Ich konnte sie nie wirklich benennen, mich damit anderen gegenüber auch nicht mitteilen. Sie verstehen lassen, was da an mir klebt. Es ist ein Gefühl wie stigmatisiert zu sein.
Warum habe ich mir dies so ausgesucht? – Wo verbirgt sich da der Sinn? Wie erschließt sich mir der Sinn? – Werde ich auf all dies Antworten finden? – Muss es überhaupt Antworten geben? Wieder einmal Fragen über Fragen. Lässt mich denn dieser „Kopf“ (Geist) so gar nie nicht los? Da ist dieser bohrende Geist, der so übermächtig ist und der wieder einmal mein Leben zu bestimmen versucht: Kopf – Geist – Denken – Haare … – Interessant, diese „Leidenschaft des Grübelns“. Mit ihr kam ich wohl schon in diese Welt. Doch damit ist es nicht getan. Die scheinbar stillen, aber Kraft zehrenden Wunden der Seele zeigen sich mir: Enttäuschung – Verrat – Betrug – mangelnde Wertschätzung – Verlust – eine frostig eisige Kälte – … und was für mich im Augenblick gerade das Schlimmste ist: dass da keiner da ist, der mich wahrnimmt, hört, nach mir sieht, mich tröstet oder gar einfach nur liebt. Im Grunde genommen zeigen sich mir bereits mit meinem Start in mein Leben die Wunden meiner Seele. – Endlich kann ich sie mir ansehen. Wie heißt es so schön? Besser spät als nie.
Symbiosetrauma – Können wir durch Verbundenheit belastet sein?
Ist der Begriff „Symbiose“ in der Biologie positiv besetzt, haftet ihm in der Psychologie durchaus etwas Negatives an, denn hier wird die Symbiose nur dann als positiv angesehen, wenn sie eine Beziehung beschreibt, in der Personen zusammenleben, die miteinander in einer guten, sich gegenseitig ergänzenden und nährenden Beziehung sind. Sind diese jedoch entweder gegenseitig voneinander abhängig oder besteht eine einseitige Abhängigkeit, dann läuft der Einzelne Gefahr, sich zu sehr im anderen zu verlieren. Leben wir als kleine Kinder noch sehr stark in einer Symbiose mit unseren Eltern, baut sich diese mit dem Älterwerden in der Regel immer mehr ab. Tut sie das nicht, spricht man sogar von einer krankhaften Symbiose. Vor allem dann, wenn wir als Erwachsene unser Wohlbefinden allzu sehr von anderen Menschen abhängig machen, bzw. so auf andere fixiert sind, dass wir uns selbst dabei übersehen. Dabei versucht die abhängige Person den anderen an sich zu binden und tut viel um die Beziehung aufrechtzuerhalten. Wenn es sein muss sogar mit Selbstaufopferung.
In der Beziehung zwischen Mutter und Kind entspricht die Symbiose einer ganz normalen und vor allem sehr wichtigen Entwicklungsphase während der Schwangerschaft und frühen Kindheit. Für die ersten neun Monate sind wir – was unsere Entwicklung angeht – über die Nabelschnur bestens versorgt und müssen uns um nichts kümmern. Unsere Bedürfnisse scheinen somit gestillt. Wir sind mit der Mutter zu einer Einheit verschmolzen und alles, was sie erlebt, erleben auch wir. Alle positiven, aber auch alle negativen Gefühle und Erfahrungen der Mutter gehen in dieser pränatalen Zeit über die Nabelschnur ungefiltert auf das Ungeborene über. Somit fühlen wir, was sie fühlt und teilen mit ihr Empfindungen der Freude und des Glücks, aber auch ihre Erwartungen, Ängste und Sorgen oder gar ihren Schmerz. – Was auch immer geschieht, wir teilen alle diese Erfahrungen mit ihr. – Spätestens nach neun Monaten kommt dann der Tag, an dem aus unserer anfänglich so perfekten Symbiose ein erstes Symbiosetrauma entsteht. Jetzt gilt es, den wohltuenden, kuscheligen Raum der Geborgenheit für immer aufzugeben. Wird die Nabelschnur durchtrennt, erleben wir diesbezüglich unseren ersten Schock, denn die Sicherheit und Geborgenheit, die vorher noch da waren, sind plötzlich für immer weg.
Auch wenn wir mit unserer Geburt den ersten entscheidenden Schritt in die Selbstständigkeit unseres Lebens gewagt haben, bleiben wir vor allem in der Zeit nach der Geburt und in den ersten drei Jahren noch sehr stark davon abhängig, dass uns die Mutter auch weiterhin gut und liebevoll umsorgt. Erleben wir in diesen ersten Jahren eine gute symbiotische Phase zwischen Eltern und Kind, entwickelt sich daraus eine gute, gesunde kindliche Autonomie und die Phase einer gesunden Ablösung beginnt. – Doch was geschieht, wenn diese lebensnotwendigen Bedürfnisse nach Verbundenheit und Liebe in der Beziehung zwischen Mutter und Kind aus welchen Gründen auch immer nicht ausreichend gesichert und gewährleistet waren? – Als Säugling und Kleinkind brauchen wir einen Erwachsenen (v. a. unsere Mutter) als Spiegel, der uns unsere Gefühle und ersten Erfahrungen erklärt und reflektiert. Nur so können wir uns selbst als eigenständiges Wesen immer mehr und immer besser erfahren. Uns selbst kennenlernen und einen guten Bezug zu uns selbst, sowie ein gutes Selbstbewusstsein entwickeln. Zudem geben uns die Zuwendung und Liebe der Mutter, sowie ein intensiver Körperkontakt mit ihr vornehmlich die Sicherheit und den Halt, die wir brauchen, um im Sinne einer ganzheitlich gesunden Entwicklung immer mehr auf unsere eigene Entdeckungsreise „Leben“ zu gehen.
Nicht immer ist eine derart gesunde Autonomieentwicklung des Kindes möglich, v. a. dann, wenn es während der Schwangerschaft oder vor bzw. nach der Geburt zu diversen Komplikationen kam. Liegen solch schwierige Startbedingungen vor, die eine sichere Bindung zwischen Mutter und Kind behindern, laufen die Bedürfnisse des Kindes im Hinblick auf Körperkontakt, Zuwendung und Liebe ins Leere, fühlt sich das Kind nicht wertgeschätzt, nicht (ausreichend) geliebt und ist emotional unterernährt. – Kommt dann noch ein Gefühl von Unsicherheit dazu bzw. bleiben im Verlauf der späteren Entwicklung die Bedürfnisse des Kindes weiterhin unerfüllt, so kommt es nicht zur vollständigen Abnabelung von den Eltern und wir entwickeln uns nur unzureichend zu einem autonomen, selbstsicheren und selbsterfüllten Menschen. In uns bleiben unerfüllte Bedürfnisse zurück, die wir scheinbar damit befriedigen, dass wir uns vermehrt um die Bedürfnisse anderer kümmern. So entstehen jedoch Verstrickungen und Abhängigkeiten, die mehr schaden als nützen. Gibt es bei den Eltern selbst auch unerfüllte Abhängigkeiten und Strukturen, weil sie aufgrund ihrer eigenen Biografie an Liebe und Zuwendung durch ihre Eltern ebenfalls zu wenig bzw. gar „nicht satt geworden“ sind, ist es ihnen nicht möglich, das Kind in die Selbstständigkeit zu entlassen. Aus eigener Bedürftigkeit binden sie so ihre Kinder wiederum an sich, um die damit einhergehenden ungelösten Gefühle nicht spüren zu müssen.
Derartig „frühkindliche Verstrickungen“ sowie die frühe Traumatisierung durch eine solch symbiotische Liebe bezeichnet der Psychotraumatologe Professor Dr. Franz Ruppert aus München als „Symbiosetrauma“2. Hat ein Kind derartige Verletzungen oder Traumata erfahren, kann das – je nach Sensitivität des Kindes – unter Umständen gravierende Folgen für die weitere Entwicklung der Persönlichkeit und Psyche haben. Übertragen auf den Bereich der Beziehung kann das zum Beispiel bedeuten: Da wir auf eine bestimmte Art und Weise hinsichtlich eines intensiven Kontakts mit der Mutter unerfüllt und somit auch „hungrig“ geblieben sind, suchen wir selbst noch als Erwachsene ständig nach ihrer Bestätigung, um uns ja endlich sicher und daseinsberechtigt zu fühlen. Bekommen wir diese Rückmeldung jedoch nicht, fühlen wir uns nicht angenommen, nicht gesehen. In diesen Fällen manifestiert sich nur allzu leicht der Glaubenssatz in uns: „Ohne eine Bestätigung von dir bin ich nicht wertvoll genug. Bin nicht gut genug. Kann meinen eigenen Wert weder wahrnehmen, noch fühlen.“ …
In uns bleibt diese unerfüllte Beziehung zurück, die wir dadurch zu kompensieren versuchen, indem wir uns vermehrt um die Bedürfnisse anderer kümmern, um uns selbst auf diese Art eine Daseinsberechtigung zu geben. Doch in uns selbst bleiben wir „unfrei“ und mit der Mutter verstrickt. Sind ewig Suchende nach dieser Liebe. Wer diese sucht, der findet sie nicht. Je mehr er sucht, umso mehr entzieht sie sich ihm, denn sie will nicht im Außen gefunden werden, sondern erst in der Person selbst, die nach ihr sucht. Erst dann stehen wir sozusagen mit beiden Füßen in der Welt und können endlich nach der physischen Geburt – die mitunter schon Jahrzehnte zurück liegt – auch psychisch geboren werden. Erst mit der Liebe zu uns selbst sind wir wirklich beseelt und können ein Leben in wahrem Glück mit viel Leichtigkeit und Freude leben. Ruhen in uns, fühlen uns erfüllt und können wahrhaft gesunde Beziehungen pflegen, weil wir endlich in der Beziehung zu uns selbst angekommen sind. Sie ist der Schlüssel für ein in jeglicher Hinsicht erfülltes Leben.
Gelingt uns dies nicht, suchen wir uns im Außen solange Partner und Freunde, von denen wir uns erwarten, dass sie zumindest zu einem Teil die Leere, die wir in uns fühlen, ausfüllen können. Im Grunde genommen wählen wir unbewusst die Freunde und Partner, die sich genauso verhalten wie unsere Mütter und halten an diesen Beziehungen fest, auch wenn sie uns nicht oder viel zu wenig erfüllen. Unbewusst leben wir mit ihnen all die Programme, die wir uns als Abwehr-, Anpassungs- und Überlebensstrategien bereits in jungen Jahren angeeignet haben, um bloß nicht alleine zu sein, denn sonst müssten wir unsere eigene Leere fühlen und bewusst durch den Seelenschmerz und die damit verbundenen Gefühle tiefer Traurigkeit, die wir bislang verdrängt haben, gehen. Allzu leicht wählen wir nach einer Phase des ersten Verliebt-Seins und der daraus resultierenden Euphorie beseelt von dem Glauben, den richtigen Partner gefunden zu haben, unbewusst Beziehungsarrangements, die uns immer und immer wieder aufs Neue erleben lassen, dass da auch weiterhin ein unerfüllter Hunger nach der wahren Liebe in uns lebt.
Solange es beide Partner vermögen, sich hinsichtlich ihrer Bedürfnisse zu ergänzen bzw. einen für beide guten Mittelweg (Kompromiss) zu gehen, kann eine solche Partnerschaft sehr harmonisch und durchaus auch erfüllend sein. Doch der nach wahrer Liebe Suchende bleibt genauso ein Suchender wie ein Träumer ein Träumer bleibt. Und wenn die Seifenblase der Illusion von einer gesunden Beziehung zerplatzt, dann wird die traurige Wirklichkeit Realität. – Dann erkennen wir, dass sich beide Partner gefunden haben und zusammengeblieben sind, um immer und immer wieder ihr Symbiosetrauma unbewusst zu re-inszenieren, denn jeder von uns hat sein ganz eigenes Thema mit seiner Mutter. Jeder von uns hat ihre Präsenz in seinem Leben auf eine ganz eigene Art erfahren, erlebt und gefühlt. In diesem Prozess des Erlebens ähneln sich nicht einmal die Geschwister. Je nach Persönlichkeit und psychischer Standfestigkeit des Einzelnen wird es sehr unterschiedlich erlebt. Doch indem ich diesen Prozess so beschreibe, will ich keineswegs die Mütter anklagen, enttäuschen, kränken oder gar verbittern. – Ganz im Gegenteil. – Ich will unser aller Bewusstsein vielmehr dahingehend schärfen, wie wichtig die Aufgabe ist, Mutter zu sein, und an dieser Stelle betonen, dass ich fest davon überzeugt bin, dass jede Mutter stets ihr Bestes gegeben hat bzw. gibt, denn auch sie ist wiederum ein Kind ihrer eigenen Mutter, trägt ihre eigene Biografie in sich, sowie auch die Geschichte unserer Ahnen.
Nach Prof. Dr. Ruppert Frank lässt sich Trauma definieren als „ein Erlebnis, das das Ich des Betroffenen zum Verschwinden und seinen Willen zum Erlahmen bringt. Trauma bedeutet Aufgabe und Verlust des gesunden Ichs und des klaren Willens. Es führt zur Unterordnung unter ein „Wir“, das einem mehr schadet als nutzt, oder zur blinden Rebellion dagegen. Es führt zu endlosen symbiotischen Verstrickungen zwischen Menschen, die alle traumatisiert sind und den Weg daraus nicht mehr von alleine finden können.“
Transgenerationales Trauma – Generationsübergreifendes Trauma
Menschen, die Traumata aus der Eltern- oder Großelterngeneration in sich tragen, haben es neben ihren eigenen Erlebnissen und Gefühlen zusätzlich mit einer Flut von Gefühlen und Ereignissen zu tun, die nicht die ihren sind. Auch wenn wir versuchen diese irgendwie zu verarbeiten, so können wir dies nicht, denn wir können immer nur unsere eigenen Gefühle lösen. Diese fremden Gefühle, die wir da in uns aufgenommen haben, verhalten sich anders als unsere eigenen. Man könnte auch sagen: Sie führen unter ihren eigenen Vorzeichen ihr eigenes Leben in uns.
Woran lassen sich Trauma-Folgestörungen erkennen?
man kommt nicht mehr zur Ruhe, kann nicht mehr entspannen, innerer Stress
das Nervensystem ist permanent in Alarmbereitschaft
ausgebrannt-Sein und Erschöpfung
körperliche Schmerzen, chronische Entzündungen, schwaches Immunsystem
Gefühle tiefer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit
Schlafstörungen, erhöhte Wachsamkeit, Schreckhaftigkeit
Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhte Reizbarkeit
undefinierbare Ängste, Ärger und Wut
Zukunftsängste und Sorgen, pessimistische Haltung
Selbstvorwürfe, negatives Selbstbild
Schuld- und Schamgefühle
Alpträume und u. U. Lebensmüdigkeit
innere Antriebslosigkeit, zu keiner großen Entscheidung mehr fähig
…
In Wahrnehmungen und Gefühle übersetzt heißt dies, wie zum Beispiel bei mir: Warum habe ich immer wieder diesen Traum, in ein tiefes, schwarzes Loch zu fallen? – Was ist dieses Undefinierbare, dieses Schwarze, Düstere, Schwere in meinem Leben? – Was ist das für ein zähes Erbe, mit dem ich da angetreten bin? – Warum ist es mir nicht möglich von Grund auf glücklich zu sein? – Wo kommt sie her, meine tiefsitzende Angst vor dem Leben? – Was haftet ihr an? – Lebe ich denn überhaupt oder bin ich mehr ein Schatten meiner selbst? – Warum scheint mir Lebensfreude und Glück nicht einfach ebenso in die Wiege gelegt zu sein wie den anderen? – Warum habe ich das Gefühl mir alles so hart „erkämpfen“ zu müssen? – Ich bin so müde vom Kämpfen. – Ich mag nicht mehr. – Kämpfen, kämpfen, kämpfen! – Warum empfinde ich mein Leben als einen solchen Kampf? – ???
Ich trage in mir einen Schmerz, der meiner ist und doch nicht meiner. Er begleitet mich schon seit meiner Kindheit. Genau wie die Gefühle von tiefer Traurigkeit, Ohnmacht und ein starkes innerliches Aufgewühlt-Sein. – Bloß nicht schwach sein. Bloß keine Gefühle zeigen. Das kommt nicht gut. Gefühle müssen kontrolliert werden. Mein Weinen, meine Schwäche. – Bloß nicht auffallen, nicht laut sein, sich am besten gar nicht zeigen. Funktionieren ist wichtig. – Schon als Kind und Jugendliche fühlte ich mich oft sehr einsam und allein. Die Einsamkeit zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Ich kann mitten unter Menschen sein und fühle mich dennoch so allein. Manchmal ist meine Ohnmacht so groß, dass ich nicht sprechen kann. So konnte ich zum Beispiel meinen Eltern, aber auch meinem Ex-Mann, nie wirklich sagen, was mich beschäftigte. Ihre Welt war nicht wirklich meine Welt. Und ihnen erging es mit mir wohl ebenso. So war ich stets viel mit meinen Gedanken allein. Auch heute noch. …
„Die Seele ist nicht grenzenlos belastbar.“
Bettina Alberti
Die Seele ist nicht grenzenlos belastbar. – Dass dem so ist, das habe ich leider zu spät gemerkt. Solange ich denken kann, war eine gewisse Härte mir selbst gegenüber an der Tagesordnung. Bloß nicht zu weich und nachsichtig mit sich selbst sein. Möglichst keinen Stress machen. Angesagt sind Funktionieren und Disziplin! Das hatte ich gelernt. Das war mir vertraut. Was ich jedoch meiner Seele damit antat, das war mir nicht bewusst. Für mich war es ein ganz normaler Wahnsinn, so unsanft mit mir selbst zu sein. Ich war der Überzeugung, das gehört so zum Erwachsensein dazu. Doch das Leben wollte mich anderes lehren. Irgendwann – genau genommen mit dem Tod meines Bruders – kam ich mit allem nicht mehr zurecht. Schließlich kam meine Seele gemeinsam mit ihm in dieses Leben und gemeinsam mit ihm wollte sie auch wieder zurück. Für begrenzte Zeit konnte ich noch ganz gut funktionieren, dann aber kollabierte meine Seele. Ich fühlte mich nur noch leer. Eine leere menschliche Hülle. Ein Körper ohne Leben. Sich bloß im Außen nichts anmerken lassen. Stärke zeigen …
Oft haben wir die Traumata unserer Eltern und Großeltern schon so früh in unserer Kindheit aufgenommen, dass wir uns ihrer gar nicht bewusstwerden, weil sie schon von Anfang an in unserem System heimisch geworden sind. Mitunter versuchen wir vielleicht schon seit Jahren/Jahrzehnten ihrer habhaft zu werden, sie irgendwie auszugleichen und zu kompensieren, nur gelingt uns dies nicht. Stattdessen nehmen wir sie als Energieräuber, als Angst auslösend oder gar depressiv machend wahr und haben immer wieder ein Gefühl, als würden wir über einem dunklen Abgrund hängen. Die unverarbeitete übernommene Trauer kann sich uns zum Beispiel auch dadurch zeigen, dass wir zwar viel weinen, aber nicht wie üblich nach dem Weinen eine Erleichterung verspüren, sondern eher noch das Gefühl haben, noch tiefer in eine nicht enden wollende Traurigkeit abzurutschen. – So sehr uns diese Gefühle belasten und in die Knie zwingen, sind sie dennoch kaum greifbar für uns. Gelingt es uns nicht, ihrer trotz innerer Arbeit und Reflexion habhaft zu werden und sie aufzulösen, dann ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass es die Energien und Traumata unserer Eltern und Ahnen sind, denn wären es unsere eigenen Belastungen und die daraus resultierenden Energien, dann könnten wir sie uns bewusst machen und lösen.
Sind wir uns der eigenen Probleme und der damit verbundenen Gefühle, die der Klärung bedürfen, bewusst geworden, können wir diese ausreichend betrauern und somit auch lösen. Tragen diese dann nicht länger als unnötigen Ballast mit uns herum, sondern empfinden Frieden und Liebe. – Die Traumata unserer Eltern und Ahnen können wir jedoch nicht lösen. Sie sind zäh, haften uns an und bestimmen so lange unsere Gefühle, unser Denken und Handeln, bis wir sie an die Menschen zurückgeben, von denen sie gekommen sind. Und das sind in aller Regel genau die Personen, die uns wiederum unbewusst auf Abstand halten, um sich selbst vor ihren eigenen unbewussten Gefühlen zu schützen.
Für uns Betroffene ist es wichtig, diesen ganzen Ballast „fremder“ Energien zurückzugeben, denn erst wenn wir wirklich frei davon sind, können wir in unsere eigene Lebenskraft und Lebensfreude finden. Erst dann kommen wir bei uns selbst an und erfahren nun neben der körperlichen auch die seelische Geburt. Fühlen uns gehimmelt und geerdet, stehen mit beiden Füßen im Leben und können nun endlich erleben wie schön es ist, aus einem freien Herzen heraus zu leben.
Mehr Verständnis für mich und meine Situation bekam ich erst so richtig, als ich 2018 begann an Systemischen Aufstellungen teilzunehmen. Sie brachten Licht ins Dunkel und halfen mir vieles besser zu verstehen. Bei einer Systemischen Aufstellung werden die für ein bestimmtes Thema wichtigen Mitglieder eines Systems (z. B. Familie) aufgestellt und innerhalb eines Raumes zueinander in Beziehung gestellt. Auf diese Art kann im Hinblick auf das Thema bewusst gemacht werden, wie es um die Interaktion zwischen den Mitgliedern der Familie steht. Sind sie sich zu- oder abgewandt? – Blockieren sie sich? – Welche unbewussten Energien (positiv/negativ) zeigen sich zwischen Person A, B, C …? – Da wir Menschen uns gegenseitig Spiegel sind, hat jeder von uns innerhalb dieser Systeme einen ganz bestimmten Platz, der letztendlich wiederum mit ganz bestimmten Lernaufgaben sowohl für den Einzelnen als auch für das gesamte System verbunden ist. Das Wertvolle an den Systemischen Aufstellungen ist, dass sie Klarheit und Bewegung in festgefahrene Systeme bringen. Der Sinn solcher Aufstellungen ist es, immer wieder auftretende Schwierigkeiten oder Konflikte in einem größeren Zusammenhang zu sehen. So können zum Beispiel biografische Muster und generationsübergreifende Problemstellungen sichtbar gemacht und integriert werden. Dabei führt ein geschulter Therapeut oder Coach die beteiligten Systemvertreter/Stellvertreter durch den Prozess. Den Grundstein für diese Methode, unbewusste Strukturen, Beziehungen und Dynamiken von Systemen sichtbar zu machen, legte die amerikanische Familientherapeutin Virginia Satir.