Kitabı oku: «Alles, was ich wollte, war Freiheit», sayfa 3

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EINE MODERNE SCHAUSPIELERIN

Acht Jahre ist Tilla Durieux eine von Max Reinhardts wichtigsten Darstellerinnen. Zu ihren bedeutendsten Rollen zählen selbstbewusste Frauengestalten, etwa die Wassilissa in Gorkis„Nachtasyl“, die Klytämnestra in„Elektra“ von Sophokles, Lady Milford in Schillers „Kabale und Liebe“ und die Kunigunde in Kleists „Käthchen von Heilbronn“. Die Prinzessin Eboli in„Don Karlos“ wird von ihr erstmals als normaler, leidenschaftlicher Mensch gezeigt. Statt Effekthascherei wird das Ringen um Echtheit und Wahrheit spürbar. Eine ihrer Glanzrollen ist auch die Judith in Friedrich Hebbels gleichnamiger Tragödie.

Trotz dieser Erfolge hat sie Bedenken, ihren auslaufenden Vertrag mit Reinhardt zu verlängern. Sie ist verstimmt, dass er ihr die Rollen der Penthesilea in Kleists Drama und die der Hedda Gabler in Ibsens Stück vorenthält und ihrer Konkurrentin Gertrud Eysoldt zusagt, was ihrer Meinung nach einer Fehlbesetzung gleichkommt. Außerdem scheint Reinhardt aufgrund seiner Erfolge nachlässig geworden zu sein. Der Betrieb der „Kammerspiele“ und des „Deutschen Theaters“ bedingt Komplikationen, sodass manchmal Szenen gekürzt oder gestrichen werden müssen. Tilla Durieux bemängelt auch, dass Schauspieler oft verunsichert oder gegeneinander ausgespielt würden. Ihre letzte Vorstellung bei Reinhardt endet allerdings mit einem Triumph des Regisseurs und der Schauspieler.

Reinhardts Ziel ist die Wiederbelebung des griechischen Theaters, aber nicht für ein elitäres, sondern für ein Massenpublikum. Als Schauplatz für die Tragödie „Ödipus“ von Sophokles in der Bearbeitung von Hugo von Hofmannsthal wählt er das Gebäude des „Zirkus Schumann“ mit fünftausend Sitzplätzen. Er will eine Kunst mit monumentaler Wirkung. Die Szenerie stellt an die Schauspieler schon rein stimmlich größte Anforderungen, auch ist es mühevoll, sich in dem Großraum zurechtzufinden, doch das Wagnis gelingt. Die Durieux als Jokaste, Alexander Moissi als Teiresias und Paul Wegener als Ödipus werden vom Publikum frenetisch bejubelt. Die Kritik beurteilt Reinhardts Experiment der Masseninszenierung allerdings zwiespältig. 1912 wechselt Tilla Durieux zu Otto Brahm, Max Reinhardts Rivalen, ans „Lessingtheater“. Nun spielt sie die Hedda Gabler, und zwar in der Überzeugung, dass auf der Bühne kein Stil, keine Mode existiere, sondern nur klare Menschlichkeit. Sie deklamiert nicht, sondern bringt einen neuen, zeitgemäßen Ton auf die Bühne, sie ist auch nicht auf einen bestimmten Typus spezialisiert.

Heinrich Mann, einer ihrer vielen Bewunderer, charakterisiert ihre Vielseitigkeit auf der Bühne folgendermaßen: „Sie hat alles, was modern heißt: Persönlichkeit, erarbeitet und wissend, nervöse Energie und die weite Schwungkraft des Talents. Ein Varietémädchen, das vor Geld- und Liebesschmerzen in groteskes Geheul ausbricht, und Judith, tragisch klagend um ihr Volk: Beides ist Tilla Durieux, und alles, was dazwischen liegt, Weltdame, Kaiserin, Luder, Heldin der Zeit, Heldin der Nerven.“30

Heinrich Mann ist auch überwältigt von dem komischen Talent der Durieux, vor allem von ihrer Darstellung in seinem Einakter„Varieté“. Ihr Sinn für das Komische führt sie immer wieder auch zur Kleinkunst, in die Brettl-Welt. So brilliert sie im „Kabarett der Namenlosen“ mit Friedrich Hollaender am Klavier als wasserstoffblonder Hase mit Perücke und in einem rosa Seidennachthemd mit den frechsten Gassenhauern. Die neue Generation der Schauspielerinnen ist nicht mehr auf ein bestimmtes Rollenfach wie Naive, Sentimentale oder Femme fatale festgelegt, auch nicht auf das Fach der Komikerin oder der Tragödin. Diese neuen Schauspielerinnen, für die Tilla Durieux das beste Beispiel bietet, können alles spielen. Höhepunkte ihrer Darstellungskunst, mit der sie mit erstarrten Konventionen bricht, sind die Franziska in Frank Wedekinds gleichnamigem Stück und die Katharina in Max Dauthendeys „Spielereien einer Kaiserin“.

Der Avantgardist Erwin Piscator, dessen Bühne im Theater am Nollendorfplatz mithilfe der Durieux und ihres dritten Ehemanns, dem Großindustriellen Ludwig Katzenellenbogen, finanziert wurde, bestätigt:

„Sie war niemals nur der Typ, der besondere Ausdruck einer bestimmten Zeit, einer bestimmten Theater-Epoche – niemals passée, wie so viele, die neben ihr standen. In ihrer bis heute mehr als sechzigjährigen Bühnenlaufbahn, an deren Beginn noch der Naturalismus stand, und an deren derzeitiger Strecke das absurde Theater schon nicht mehr steht, hat die hektische Art der Stile sie nie zu überrennen vermocht. Da ,Stil‘ gewöhnlich nur die Kultivierung eines Mangels, ein Substanz-Ersatz ist, hat Tilla Durieux es nie nötig gehabt, zu stilisieren. Eher sprengte sie den Rahmen, wenn der Rahmen um sie zu eng gezogen war. Das ist das ,Exotische‘ an ihr, wenngleich ihr dieses Attribut meist nur in äußerlichem Sinne zuerkannt wurde.“31

Sie unternimmt zahlreiche Gastspielreisen, zuerst nach St. Petersburg, dann nach München, Wien und Prag. Nach Otto Brahms Tod 1912 schließen sich die Schauspieler zusammen, um das Theater weiterführen zu können. Als Direktor wird der renommierte Schauspieler Paul Wegener gewählt, für den Beirat schlägt Tilla Durieux die Schauspielerin Lucie Höflich und sich selbst vor. Sich selbst, weil sie glaubte, mit ihren Verbindungen zu Künstlerkreisen finanziell am meisten beisteuern zu können, und Lucie Höflich, damit auch eine zweite Frau vertreten ist. Sofort nach diesem Vorschlag regt sich bei den Männern Widerspruch. Frauen seien nicht geeignet, ein Amt zu bekleiden, lautet die Begründung. Auf Tillas Einwurf, dass gerade am Theater wie nirgendwo sonst die Leistungen von Frauen und Männern gleichzustellen seien, werden die Protest noch stärker. Mit der Frage, warum man sie nicht für unfähig gehalten hatte, Geld aufzutreiben, verlässt sie die Versammlung. Sie verlangt ihren Austritt, stößt aber wieder auf Widerstand, es wäre unkollegial, jetzt das Ensemble zu verlassen, wird ihr entgegengehalten. Sie bleibt und nachdem Victor Barnowsky Nachfolger Otto Brahms am Lessingtheater geworden war, spielt sie die Eliza Doolittle in „Pygmalion“ von Shaw. „Ich hatte mir für den ersten Akt einen Dialekt zurechtgemacht, der als ,Hernalserisch‘ in Wien wohlbekannt ist“, erzählt sie in ihren Erinnerungen, „in Berlin jedoch die Leute fremd und außerordentlich komisch anmutete.“32

KRIEGSBEGEISTERUNG UND PAZIFISMUS

Ein Herzenswunsch Tillas geht 1914, noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, in Erfüllung – von Auguste Renoir gemalt zu werden. Der bereits gelähmte Maler wird im Rollstuhl von einer Pflegerin ins Atelier geschoben und nimmt mit seinem Interesse am Berliner Theaterleben der Schauspielerin die Befangenheit. Denn wieder hatte sie das Gefühl übermannt, nicht schön oder nicht schön genug zu sein. Diese Unzufriedenheit verschwindet, und während der Unterhaltung macht Renoir eine Bemerkung, die für Tilla nach eigenen Angaben zum Schlüsselerlebnis wird: „Tragik wird immer falsch verstanden. Solange noch Tränen fließen, ist der Höhepunkt des Schmerzes noch nicht erreicht. Erst wenn der Mensch schon wieder lächelt, dann ist der Schmerz unüberwindlich und unendlich geworden.“33

Jetzt erinnert sie sich, dass einige Kritiker an ihren Darstellungen die fehlenden Tränen bemängelt hatten, sie als „intellektuelle“ Tragödin bezeichnet und ihr als Person mangelnde Tiefe des Gefühls unterstellt hatten. Alfred Polgar hatte zu ihrer Interpretation der Maria Stuart geschrieben: „Das Defizit an Wärme liegt im Persönlichen der Durieux. Auch das Glühende ist bei ihr wie um einen eisigen Kern geschichtet, Weichheit ein Willensakt. Nur durch die Mutterschaft des Verstandes kommt, scheint es, diese Ergreiferin zur Ergriffenheit. Tränen, braucht sie welche, muss sie importieren.“34 Nun erhält sie von Renoir die Bestätigung ihrer eigenen Erfahrung, dass man Gefühle auch verschließen oder auf der Bühne ohne Tränen darstellen kann. Sie fühlt sich rehabilitiert. Renoir malt ein lebensgroßes Porträt und Paul Cassirer und Tilla sind überglücklich. Doch dann müssen beide überstürzt aus Paris abreisen. Der Erste Weltkrieg beginnt und das Bild35 bleibt zurück, es ist noch nicht trocken.

Wie auch in Wien feiert man in Berlin den Ausbruch des Krieges mit patriotischem Pathos. Menschenmengen jubeln den Soldaten zu, Bajonette werden mit Blumen geschmückt, man spricht von einem „reinigenden Stahlbad der Nation“. Selbst Thomas Mann empfindet im Gegensatz zu seinem Bruder Heinrich den Krieg als eine „Reinigung“ und als Ausstieg aus der „satten Friedenswelt“. Auch Paul Cassirer ist kriegsbegeistert. Er meldet sich als Freiwilliger, lernt Autofahren und muss Meldungen und Anordnungen an die Front befördern. Sein Einsatz wird mit dem Eisernen Kreuz belohnt. Tilla will als Krankenschwester arbeiten, aber nicht wie die Damen der Berliner Gesellschaft den Offizieren den Schweiß von der Stirn wischen, sondern in Buch, wo im Lazarett die Schwer- und Schwerstverletzten liegen. Ihre anfängliche Kriegsbegeisterung schlägt jedoch bald in Skepsis und schließlich in Pazifismus um:

„Der erste Transport traf ein. Da erlebte ich einen grässlichen Schock. Zum ersten Mal sah ich das Elend, das der Wahnsinn des Krieges über die Menschen brachte. Hatte ich bisher überhaupt darüber nachgedacht? Langsam kam ich zu der Erkenntnis, dass mein Leben bis dahin nur in engen Kurven um meine eigene Person gekreist war. Es war mir nie bewusst, wie viele Menschen hingeopfert werden für die Launen und Fehler von Machthabern.“36

Die bitteren Erfahrungen beider haben Einfluss auf ihre Beziehung. Paul, dem nun die Kontrolle über Tilla entzogen ist, schreibt böse und eifersüchtige Briefe. Tilla ist verstört, zeigt sie Pauls Bruder, dem Psychiater Richard Cassirer. Doch der meint beruhigend:„Du weißt ja, dass Paul immer ein bisschen verrückt war.“37 Als Tilla sich auf Weisung der Ärzte in Berlin erholen soll, da der zwölfstündige schwere Lazarettdienst ihre Gesundheit gefährdet, stürzt eines Abends Paul mit Gift in der Hand ins Zimmer, zertrümmert das Geschirr auf dem Tisch, schreit: „Ich nehme Gift!“ und schluckt es. Er unterstellt ihr ein erotisches Abenteuer und glaubt nicht an die Harmlosigkeit eines Ausflugs auf die Insel Rügen, wie Tilla es beschwört. Paul wird gerettet, seine Brüder aber misstrauen Tilla und geben ihr die Schuld an dem Vorfall. Paul Cassirer wird für dienstuntauglich erklärt und kehrt nach Berlin zurück. Auch er ist im Krieg Pazifist geworden. Im Kunstsalon werden nun Vortragsabende mit pazifistischer Literatur geboten, worauf die Zeitungen von einem „pazifistischen Schlupfwinkel“ berichten und eine Hausdurchsuchung durchgeführt wird. Paul, eben noch für dienstuntauglich erklärt, wird wieder einberufen und tritt in den Hungerstreik. Im Krankenhaus benimmt er sich derart auffällig, dass ihm die Ärzte völlige Dienstuntauglichkeit attestieren, doch bald darauf wird er wegen Fluchtgefahr verhaftet. Nach seiner Freilassung gelingt es dem Ehepaar Cassirer, in die Schweiz zu fliehen.

Zürich ist während des Krieges Treffpunkt zahlreicher Künstler und Intellektueller, gleichzeitig auch Zentrum von Spionage und Spekulantentum. Paul und Tilla leben, als gäbe es keinen Krieg. In Gesellschaft von Freunden und einflussreichen Persönlichkeiten genießt man Theaterabende und Konzerte, macht Ausflüge und feiert Feste. Paul kann geschäftliche Beziehungen anknüpfen, doch immer wiederkehrende Depressionen und Selbstmordgedanken werfen dunkle Schatten. Der renommierte Schweizer Psychiater Eugen Bleuler gibt Tilla den Rat, Paul nie allein zu lassen.

Nach Ende des Krieges kehrt Cassirer nach Deutschland zurück, in ein Berlin, das Max Liebermann folgendermaßen beschreibt: „Berlin ist zerlumpt, schmutzig. Abends dunkel und eine tote Stadt, dazu Soldaten, die Streichhölzer oder Zigaretten in der Friedrichstraße verkaufen, blinde Drehorgelspieler in halbverfaulten Uniformen, mit einem Wort: jammervoll.“38 Tilla Durieux wird vom „Münchner Nationaltheater“, dem ehemaligen Hoftheater, für vier Monate engagiert. Bayerns Ministerpräsident, der Schriftsteller und Politiker Kurt Eisner, hat sich persönlich für sie verwendet. Am 21. Februar 1919 geht Tilla zur Probe ins Theater, Eisner ist auf dem Weg zum Landtag. Er wird mit zwei Schüssen – in den Kopf und in den Rücken – getötet. Tilla erlebt es aus nächster Nähe mit. Es folgt die Ausrufung der Münchner Räterepublik und über die Stadt wird der Ausnahmezustand verhängt. Tilla erkrankt schwer und liegt drei Monate lang in der Münchner Klinik von Prof. Ferdinand Sauerbruch.

Ein weiteres Unglück trifft Paul Cassirer. Sein Sohn Peter erschießt sich mit achtzehn Jahren im Berliner Tiergarten. Das Motiv ist unbekannt.

Als das Ehepaar wieder gemeinsam in Berlin lebt, ist es nicht mehr das Berlin, das es einmal war. Die Stadt hat sich verändert, Freunde haben sich zurückgezogen. Neureiche und Kriegsgewinnler prägen das Stadtbild. In dieser Zeit kommt es zu einer Beziehung zwischen Tilla Durieux und dem jüdischen Unternehmer Ludwig Katzenellenbogen, einem Freund des Paares. Katzenellenbogen ist Generaldirektor eines großen Konzerns, zu dem die Ostwerke-Schultheiss-Patzenhofer Brauereien sowie Zement-, Glas- und andere Fabriken gehören. Gleichzeitig ist er auch einer der Hauptaktionäre. Paul, der natürlich merkt, dass das Verhältnis seiner Frau zu Katzenellenbogen mehr als Freundschaft ist, quält sie mit seiner Eifersucht und seinen Besitzansprüchen. Die Spannungen mehren sich, werden unerträglich und steigern sich bis zur Katastrophe.

Tilla hat sich in ein kleines Hotel in Potsdam zurückgezogen, um sich Klarheit über ihre Gefühle zu verschaffen. Noch immer fühlt sie sich Paul, ihrem Geliebten und Ehemann, der auch ihr Lehrer war, verbunden, aber sie kann seine verletzenden und demütigenden Eifersuchtsszenen nicht mehr ertragen. In diesem quälenden Hin und Her erhält sie von Paul Pakete. Sie vermutet Versöhnungsgeschenke, täuscht sich aber: Paul hat mutwillig Gegenstände, die Tilla besonders teuer waren, zertrümmert und schickt sie ihr mit Briefen, in denen er sie beschimpft und verdächtigt. Nun weiß sie, dass eine Versöhnung nicht möglich ist und reicht die Scheidung ein.

Am Tag des Scheidungstermins liegt im Zimmer des Anwalts der Scheidungsvertrag zur Unterschrift bereit. Paul murmelt eine Entschuldigung und verlässt den Raum. Dann fällt im Nebenzimmer ein Schuss. Tilla stürzt hinaus und findet Paul blutüberströmt auf dem Boden liegend.„Nun bleibst du aber bei mir“, stöhnt er.39 Am nächsten Tag stirbt Paul Cassirer im Alter von fünfundfünfzig Jahren im Krankenhaus.

Eine Welle der Empörung bricht über Tilla Durieux herein, Pauls Brüder geben ihr die Schuld an dessen Tod, man versucht sogar, sie vom Begräbnis fernzuhalten. Bei der Trauerfeier am 10. Jänner 1926 ist das ganze künstlerische Berlin versammelt. Die Witwe steht tief verschleiert abseits. Keiner der Verwandten habe ihr die Hand gereicht, berichtet Harry Graf Kessler.

Nach Cassirers Tod unternimmt Tilla eine bereits vorher geplante Gastspielreise. In einem Interview mit dem Wiener Journal sagt sie: „Die Arbeit ist wie ein Rausch. Verfliegt er, dann sieht man sich mit schmerzhaft wachen Augen in der Welt um und fragt sich: Was bleibt? Nichts bleibt. Man ist einsam.“40

DIE SCHATTEN DES NATIONALSOZIALISMUS

1927 wird die „Piscator-Bühne“ am Berliner Nollendorfplatz eröffnet. Piscators Inszenierungen von zeitgenössischen Stücken und Romanen wie Ernst Tollers „Hoppla, wir leben!“ oder „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ nach Jaroslav Hašek beeindrucken durch bühnenästhetische Innovationen mit Film-, Ton- und Bühnenbildeffekten. Piscator bringt politisches Theater auf die Bühne, das im Publikum ein Bewusstsein für die Notwendigkeit, die Welt zu verändern, wecken soll. Tilla Durieux kommt in Kontakt mit Bert Brecht, dem Reporter Egon Erwin Kisch, dem Journalisten Leo Lania und dem Propagandisten der Sowjetunion, Ilja Ehrenburg. Was sie alle eint, sind die Angriffe der Presse. Die Nationalsozialisten haben sich bereits zu mächtigen Verbänden zusammengeschlossen. Trotz zahlreicher Besucher kann die„Piscator-Bühne“ nicht gewinnbringend agieren und muss geschlossen werden, was hämisch kommentiert wird. Nun zieht sich die Durieux vorübergehend vom Theater zurück und veröffentlicht 1928 verschlüsselt ihre Erinnerungen in dem Roman „Eine Tür fällt ins Schloss“ im Berliner Horen-Verlag.

Das Berlin der Jahre zwischen 1924 und 1929, die „Goldenen Zwanzigerjahre“, bringt eine ungeheure Vielfalt in den Bereichen Kunst, Unterhaltung, Technik und Verkehr. Das Nachtleben nach amerikanischem Muster bietet unendlich viele Möglichkeiten, sich zu unterhalten und zu amüsieren. Abend für Abend strömen Tausende, die über das nötige Geld verfügen, in die Tanzpaläste, Kabaretts, Theater, Kinos und Cafés. Der überwiegende Teil der Bevölkerung kann sich diese Vergnügungen jedoch nicht leisten und kämpft mit Not und Arbeitslosigkeit, die durch die Weltwirtschaftskrise von 1929 verstärkt wird.„Überall, wohin man blickte, gab es Elend und Hunger. Berlins Straßen standen voller Arbeitsloser und Bettler, die Jugend verkam“,41 schreibt Tilla Durieux. Hitlers Aufstieg beginnt: „Ich wusste, dass nicht nur rheinische Industrielle, sondern auch Berliner Banken und Konzerne Hitler Geld zufließen ließen, keiner erkannte die Gefahr.“42

Tilla Durieux und Ludwig Katzenellenbogen heiraten am 12. Februar 1930. Tilla kann ihren mondänen Lebensstil beibehalten und sich jeden Luxus leisten. In ihrer Wohnung hält sie sich einen Papagei, einen Hund, zwei Siamkatzen, ein Terrarium mit Alligatoren und ein Aquarium mit Zierfischen. Katzenellenbogen hatte ihr Vermögen gut investiert. Aber der rasante Kurssturz im Zuge der Weltwirtschaftskrise lässt sein Vermögen und auch das seiner Frau schwinden. Am 28. Oktober 1931 wird Katzenellenbogen verhaftet. Die Anklage lautet auf Bilanzfälschung und Untreue, der bis dahin hoch angesehene Unternehmer wird zu drei Monaten Gefängnis und zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Prozess, der große Aufmerksamkeit erregt, und die vielfach antisemitische Berichterstattung der Presse machen aus Katzenellenbogen einen gebrochenen Mann.

Tilla Durieux steht nach all den Aufregungen wieder auf der Bühne und erntet Lob von Presse und Publikum. Sie unternimmt Gastspielreisen ins Ausland, unterrichtet am Mozarteum in Salzburg und unterstützt ihren Ehemann bei seinen Versuchen, sich eine neue Existenz aufzubauen. Doch jetzt ist Hitler an der Macht. Am 31. März 1933 werden die Schauspieler während der Vorstellung gewarnt, dass für den nächsten Tag ein „Juden-Boykott“ und eine Demonstration vor dem Theater geplant seien. Tilla und ihrem Mann wird dringend zur Flucht geraten. „Die Vorstellung schloss um einviertel vor elf, um elf ging der Zug über Dresden nach Prag. Zum Glück befand sich der Bahnhof ganz in der Nähe des Theaters, und fünf Minuten vor Abgang konnte ich den Zug erreichen“43, schreibt sie in ihren Erinnerungen.

In dem Zug sitzen Theaterdirektoren, Rechtsanwälte, Journalisten, Schriftsteller – alle auf der Flucht vor den Nazis. Nach Prag geht es für das Ehepaar Katzenellenbogen weiter in die Schweiz nach Ascona. Tilla spielt in der Schweiz, in Holland, in Skandinavien, im Elsass, in der Tschechoslowakei und in Österreich. Sie könnte zwar in der Schweiz bleiben, aber Katzenellenbogen wird steckbrieflich gesucht und muss das Land verlassen. Das Paar sucht Zuflucht in Zagreb in Jugoslawien. Von dort aus unternimmt Tilla Gastspielreisen, unter anderem auch nach Wien, wo sie in Gorkis „Nachtasyl“ auftritt. Sie wundert sich über die in Wien herrschende Euphorie:

„In Wien befand sich die Bevölkerung in nervöser Stimmung. Sehr erstaunt war ich, als meine alten Bekannten sich für das Regime in Deutschland begeisterten und unbedingt für den Anschluss waren, von dem sie sich ein Aufblühen der österreichischen Wirtschaft erhofften. Stundenlang redete ich auf sie ein, um ihnen klarzumachen, dass dieses Regime ihnen nur einen trügerischen Wohlstand bringen könnte.“44

Ludwig Katzenellenbogen investiert die Reste seines Vermögens in eine Firma zum Bau von Autobussen, doch das Unternehmen geht in Konkurs. Tilla verkauft Bilder und steckt den Erlös in das heruntergekommene „Hotel Cristallo“ in Abbazia, das heutige „Hotel Kristal“ in Opatija. Es wird renoviert und ist bald voll belegt. Tilla spielt jetzt die Rolle der Gastgeberin und tritt bis 1938 auf Bühnen in Wien, Prag und Budapest auf. Am 12. März 1938 erfolgt Österreichs „Anschluss“ an Deutschland, die ersten Judenverfolgungen beginnen. Tilla und Katzenellenbogen geben das Hotel in Abbazia auf und flüchten wieder nach Zagreb. Bei ihrem ersten Aufenthalt dort hatte Tilla durch Zufall die Gräfin Zlata Lubienski kennengelernt, die, wie sich später herausstellt, mit ihr verwandt ist.

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23 aralık 2023
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