Kitabı oku: «Ein Spatz auf dem Eis», sayfa 5

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8. Kapitel

Serik

»Und deswegen sollte man es vermeiden, Kirschkerne zu essen«, faselt Maik, der mir gegenüber am Tisch sitzt. Ich weiß nicht, wie lange er noch einen Monolog führen will, aber er dauert eindeutig mein halbes Leben.

Meine Eltern haben mich gezwungen, auf eins dieser Treffen zu gehen, das ihnen einen Schwiegersohn verspricht. Es ist ein Verkuppeln auf ganz hohem Niveau mit dem einzigen schwulen Sohn eines Geschäftspartners, den ich schon zweimal aus Mitleid mit ins Bett genommen habe.

Wir harmonieren nicht. Kein bisschen. Trotzdem sitze ich hier in diesem Sushi-Restaurant, in dem es keine feste Bedienung gibt. Das Ambiente ist zwanghaft aufpoliert worden, aber dadurch wirkt es leider noch billiger. Die wenige goldene Deko an den schwarzen Tischen ist aus Plastik und die dunkle Farbe blättert an den Stuhllehnen bereits ab. Die Kellner knallen uns Teller mit Häppchen vor die Nase und Maik bestellt alles auf einem Tablet. Wenn er eine romantische Atmosphäre schaffen wollte, hat er es nicht geschafft.

Maik hat mich hergelotst, weil das Restaurant in einer Zeitschrift gelobt wurde. Das kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Maik hat braune Locken und einen Bart, der ihn aussehen lässt, wie einen Baumfäller. Was soll ich nur mit ihm? Er ist in keiner Weise mein Typ. Wir teilen nicht einmal denselben Humor.

Die Tische stehen jedenfalls unerfreulich nah beieinander. Die Frau neben mir ist inzwischen so nah an mich heran gerutscht, dass ich sie schmatzen hören kann. Dazu beleidigt ihr süßliches Parfüm meine Nase. Soll das Yasmin sein? Schrecklich.

Die Geräuschkulisse ist mehr als unpassend für ein Date und das Geklapper mit dem Besteck ist kaum auszuhalten. Wären wir doch wenigstens zu dem Sushi-Restaurant gegangen, bei dem die Einrichtung nicht nur auf den ersten Blick gut aussieht, sondern es auch ist.

Bisher habe ich die Sushirollen nur mit dem Stäbchen angeschubst und zur Seite gerollt. Wie lange muss ich hier sitzen, bis ich gehen kann, ohne unhöflich zu sein? Eine Stunde vielleicht? Theoretisch können wir zwei hier verbringen, aber das schaffe ich nicht. Mein Terminkalender ist voll und später muss ich noch in diesen heruntergekommenen Club. Ich kann kaum glauben, wie mein Leben sich innerhalb von ein paar Jahren verändert hat. Hätte ich nicht die chronischen Knieschmerzen und den Ermüdungsbruch im Oberschenkel gehabt, es wäre alles anders gelaufen.

Wahrscheinlich habe ich mich zu sehr verausgabt? Wer kann mir das schon beantworten. Wollen meine Eltern mich deswegen zu einer festen Partnerschaft drängen? Ist es ein Versuch, sich anzunähern?

»Hier, Serik. Nimm all unser Geld und gestalte dir dein Leben so, wie du nur möchtest! Hoffentlich entschädigt es dich dafür, dass du dein Bein nie wieder richtig belasten kannst. Das mit deiner Verletzung tut uns leid. Wir wollten dich nicht über deine körperlichen Grenzen bis zum Zusammenbruch quälen.«

Von wegen. Nichts macht es gut. Ich bin ein Schmerztabletten-Junkie, der zu nichts taugt.

Die Schultern drücke ich durch, aber ich kann mich nicht zu einem Lächeln zwingen. Zwar gebe ich vor, höflich zu sein, dennoch fällt es mir manchmal schwer. Besonders gerade. Maik ist so eine Quasselstrippe. Nur zum Trinken hört er mal auf zu reden. Luft scheint er ja nicht zu benötigen.

Der einzige attraktive Kerl kommt mit roter Nase und glühenden Wangen ins Restaurant gepurzelt. Sein Lachen ist so ehrlich und einnehmend, dass ich gar nicht wegsehen kann.

Es ist unmöglich …

Die langen strammen Beine und die Präsenz, als würde jeder Anwesende im Raum innehalten und verstummen, können nur zu einer Person gehören. Aleksei ist ein schöner Mann. Einer, der mein Herz ungewollt schneller schlagen lässt. Ich wische meine Hände an der Hose ab, da kullert mein Essstäbchen schon auf den Boden.

Dunkle Augen haben mich ausfindig gemacht. Er hat ein Funkeln in ihnen, das meine Neugierde weckt. Ich mag seine rote Nase und wie der bevorstehende Winter Alekseis Gesicht eine andere Farbe gegeben hat. Es lässt mich an Scheinwerferlicht auf Eis denken, das in meiner Erinnerung nie kalt war, sondern mir das Gefühl von Geborgenheit geschenkt hat.

Es ist diese lockere Art, wie Aleksei mir zuwinkt, als würde er sich freuen, mich hier zu sehen. Tut er das? Mich kratzt das Hemd am Hals und ich kann wie alle anderen Restaurantbesucher nur wortlos starren. Ich verstehe es nicht. Ein Mann wie er hat mich nie gereizt. Warum kribbelt es also in meinen Fingerspitzen, als er sich an den Tischen vorbei quetscht, um sich neben mich zu stellen?

»Serik! Was machst du denn hier?«

Lächelnd lehne ich mich zurück und betrachte ihn von oben bis unten. Schicke Klamotten. Für wen hat Aleksei sich so herausgeputzt? Enge Jeans, ein Hemd und eine rote Bomberjacke, die seine Figur verhüllt.

Mehrmals zieht er die Nase hoch, als er auf meine Antwort wartet.

»Ich esse. Und was machst du? Suchst du dir einen Sugardaddy?« Den Kopf neige ich zur Seite und mustere ihn.

Meine Gehässigkeit prallt komplett an ihm ab. Unbekümmert sieht er sich im Restaurant um und entzückt meine Sinne mit einem Duft von Sandelholz und Minze.

Warum ist er in seiner Männerwahl nur so anspruchslos? Es ist bedauerlich. Aleksei hat dieses gewisse Etwas, das mich nachts nicht zur Ruhe kommen lässt. Es gibt sicher Dutzende Männer, die davon träumen, von ihm eines Blickes gewürdigt zu werden. Wie viele Verehrer hat er? Sind es alles One-Night-Stands oder hat er auch länger anhaltende Affären?

»Ich bin mit einem Freund hier«, erklärt er grinsend und streicht sich das Haar hinter das Ohr. Auf diesem kleben einzelne Schneeflocken-,

»Hallo, ich bin Aleksei«, stellt er sich Maik vor, der nur die Nase rümpft. Jemand, der eine Menge Wert auf Markenkleidung legt, wird nicht mit Aleksei reden, egal wie höflich er ist.

»Störe ich?« Mit hochgezogenen Augenbrauen dreht er sich mir zu, aber ich schüttele den Kopf. Die drei Leberflecken, die er an seinem linken Mundwinkel hat, verschwinden in einem Grübchen, als er lächelnd sagt: »Cool! Dann können wir uns ja zu euch setzen!«

Seinen bunt gefleckten Turnbeutel wirft er neben mich auf den freien Stuhl, ehe er diesen laut knarrend zurückzieht.

»Auf keinen Fall!«, sagt Maik und springt empört auf. »Wir haben ein Date!«

Ob es Sinn macht, dass er das so plump erzählt? Das halbe Restaurant beobachtet uns und ich habe keine Lust darauf, in der Zeitung zu landen, nur weil der Idiot nicht die Klappe halten kann.

»Millionenerbe Serik Yazdani ist nach seinem Karriereende wieder aufgetaucht! Seine Begleitung: ein Mann! Mehr dazu auf Seite 3.«

Das wäre es ja noch.

»Jesse!«, ruft Aleksei und winkt seinen rothaarigen Freund herüber.

Der Typ sieht gefährlich aus. Kein ›ich schlag dir in einer dunklen Ecke die Fresse ein‹, sondern ein ›ich schmeiße mich hier und jetzt auf dich, wenn du Aleksei anfasst‹.

Das ist also sein Wachhund?

»Was machst du bei denen?«, fragt Jesse und würdigt mich keines Blickes. »Ich habe uns den besten Tisch gesichert. Komm, die Bedienung bringt uns hin.«

»Sorry«, säuselt Aleksei mir zu und packt sich seinen Turnbeutel. »Wir sehen uns ja später. Ich singe dann nur für dich.« Verspielt schießt er mich mit Fingerpistolen ab, ehe er seiner Begleitung folgt.

Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die beiden einen annehmbaren Platz haben.

Neugierig lege ich den Arm auf der Lehne ab, um mitzubekommen, wohin sie gehen. Sie sitzen an einem langen Tisch mit unzähligen Fremden, aber auch eingequetscht am Fenster.

»Ich möchte gehen«, sagt Maik mit gedämpfter Stimme. Anscheinend hat ihm das Gespräch den Appetit verdorben. »Können wir wenigstens noch zu dir?«

Also will er sich in meinen Armen trösten? Der Gedanke ist nicht sonderlich ansprechend. Tief hole ich Luft und sehe auf meine Armbanduhr herunter. »Meine Schicht fängt gleich an.«

»Du musst arbeiten?«, fragt er kopfschüttelnd. »Aber du kommst doch aus einer wohlhabenden Familie. Du hast doch genug Kohle.«

Habe ich. Dennoch wollte ich einen Cut zu meinem vorherigen Leben und habe deswegen bei meinem Onkel angefangen. Wer hätte ahnen können, dass meine Eltern mir trotzdem im Nacken hängen? Mein ganzes Leben lang, haben sie mich gedrillt und irgendwie fällt es mir immer noch schwer, mich von ihnen zu lösen. Trotz allem sind sie eben meine Familie.

Seufzend reibe ich mir über die Stirn und hebe die andere Hand.

»Wir möchten zahlen, bitte«, sage ich dem Kellner und zücke schonmal das Portmonee aus der Hosentasche. Es ist besser, wenn der Tag schnell endet.

9. Kapitel

Aleksei

»Ich platze!«, stöhne ich und streiche mir über die Wampe. »Noch ein Sushistück und boom!«

Jesse ist auch schon ein wenig grün um die Nase. Vor mir sitzt er an dem langen Tisch und hängt wie ein Schluck Wasser auf dem Stuhl. Während ich mir die dicke Kugel halte, kratzt er sich über die Kehle, als müsste er gleich kotzen.

Wenn wir zu einem All-You-Can-Eat-Restaurant gehen, dann wird es immer ein Drama. Am Anfang lachen wir und stopfen uns voll, bis wir plötzlich dermaßen voll sind, dass wir Schweißausbrüche kriegen. In diesem tragischen Moment kommt dann meistens noch die Bedienung und bringt einen riesigen Teller mit Sushi vorbei.

»Wir sollten eine Handtasche mitbringen«, flüstert Jesse und schluckt zweimal schwer. »Für alles, was übrigbleibt.«

»Ne, du musst das alles essen.« Wenn wir beim Diebstahl erwischt werden, bekommen wir Hausverbot!

Seufzend lehne ich mich zurück und rutsche tiefer. Wie soll ich nachher überhaupt tanzen, wenn ich jetzt nicht einmal aufstehen kann? Wir müssen die letzte dieser zwei Stunden so verbringen, dass ich mich wieder bewegen kann. Von wegen diesmal futtern wir die ganze Zeit durch. Das schaffen wir nie.

»Das ist der beste Laden«, säusele ich und spieße ein Essstäbchen in ein Maki. »Selbst bei meiner Hochzeit würde ich herkommen, sodass sich alle ins Koma mampfen.«

»Du willst heiraten?« Jesse reibt sich über die dichten Augenbrauen und wirft mir einen skeptischen Blick zu.

»Ne, ich meinte nur ›wenn‹.« Als ob ich mich so binden wollen würde. Das ist wirklich das Letzte, was auf meiner To-do-Liste steht. Beziehungen und all das … Das holt doch nur das Schlechte aus einem Menschen heraus. Entweder man wird abgegeben oder verprügelt. Das möchte ich nicht. Weder für meinen Partner noch für mich.

Neben uns schmatzen die Gäste. Im Gegensatz zu uns schlingen sie nicht, sondern lassen sich Zeit und genießen jedes einzelne Stück, das ihnen präsentiert wird.

Ich neige mich vor und schiele auf ihr Tablet, mit welchem sie die Bestellung aufgeben müssen. Während sie genüsslich bei Runde drei sind, sind wir schon bei der achten.

»Was für Loser«, nuschelt Jesse hinter vorgehaltener Hand, was mich breit grinsen lässt. Es ist manchmal, als könnte er Gedanken lesen.

»Meinst du, wir schaffen noch eine Portion?«, frage ich und wackele mit den Schultern, während Jesse sich mit gequältem Gesicht etwas Sushi in den Mund schiebt. Als wäre es aus Gummi, kaut er lange und ausgiebig darauf herum.

»Wenn ich das runterschlucke, dann war es das für mich«, erklärt er.

Ich kann nicht anders als loszuprusten. So fertig habe ich Jesse definitiv noch nie gesehen. Der hängt da ja, wie ein überdimensional großer Wackelpudding, der gleich vom Stuhl purzelt.

»Iss! Iss! Iss!«, feuere ich ihn an und werfe meine Faust im selben Rhythmus wenige Zentimeter nach oben.

»Alek, halt die Klappe.«

»Wenn du mich weiter zum Lachen bringst, muss ich kotzen.« Das brodelt echt gefährlich in meinem Magen.

Wie zwei Alkoholleichen drücken wir uns hoch und taumeln zur Theke hinüber, um zu bezahlen. Jesse lädt mich ein und ich folge ihm zum Auto. Ich kann mich kaum alleine bewegen. Meine Beine sind wabbelig, was ich auch von meinem Bauch sagen kann. Mir platzt die Hose.

»Weißt du, was schlimm ist?«, fragt Jesse, als ich mir den obersten Knopf der Jeans öffne und durchatme. Wir laufen zur Tiefgarage hinunter, da grinst er ganz verschmitzt.

»Was denn?«

»Wenn man denkt ›Ach, ich bin so voll. Ich mache mir den obersten Knopf der Hose auf‹ und dann ist er schon offen.«

Gackernd halte ich mir die Hand auf den Mund und die andere auf meine Körpermitte. »Mann, Jesse! Ich sagte, du sollst mich nicht zum Lachen bringen! Ich schwöre dir, ich kotze dir ins Auto!«

»Ah, bloß nicht!«

Wie ein Gentleman hält er mir die Beifahrertür auf, damit ich mich wie eine Schwangere im neunten Monat hinsetzen kann.

»Ich habe keine Ahnung, wie du noch fahren kannst.«

Jesse setzt sich hinter das Lenkrad und holt tief Luft.

»Weiß ich auch nicht.«

Den Kopf lehne ich an seiner Schulter an, nachdem ich mich angeschnallt habe. Ich bin so vollgefuttert. Ein Nickerchen wäre jetzt echt genial.

Das Radio drehe ich leiser, damit mir das schrille Gebrüll von Jesses Lieblingsband nicht auf den Magen schlägt. Obwohl da etwas anderes ist, das mich nicht zur Ruhe kommen lässt. Dieses dumme Vorsingen.

»Ich hoffe, ich bekomme schnell eine Antwort von der Akademie.« Auch, wenn es erst für das nächste Semester ist, will ich dabei sein. Es ist egoistisch, aber ich habe nur eine Chance und die will ich nutzen.

»Die haben sicher viele Anmeldungen. Eine oder zwei Wochen wird das schon dauern.«

Genervt verziehe ich den Mund. »So lange will ich nicht warten.«

»Oh, entschuldigen Sie, Prinz Aleksei von und zu Worobjow. Für Sie machen wir natürlich eine Ausnahme und werden Sie unverzüglich informieren.« Mit übertrieben hoher Stimme albert er herum. Er wirft einen Blick über die Schulter und haut den Rückwärtsgang rein, um auszuparken.

»Du bist echt blöd.«

»Du musst geduldiger sein.«

Die Heizung pustet mir warme Luft ins Gesicht, was mir die letzten Kraftreserven nimmt. Wenn ich hier im Beifahrersitz schmelze, dann ist das eben so. Meine Augen werden schwer und ich kann sie kaum noch offen halten.

Jesse fährt vorsichtig durch die Innenstadt, um mich vorm ›MakeMeMoan‹ abzusetzen. Früher wurde der Laden mal ›Tripple M‹ genannt. Das war quasi ein Insider-Tipp. Aber ich mag den verruchten Klang von ›Moan‹. Denn das machen wir schließlich, wir bringen die Gäste zum Stöhnen.

Jesses Hand liegt auf meinem Oberschenkel, während er an der Ampel darauf wartet, dass sie grün wird.

Seine Finger tippen im Rhythmus der Musik auf meiner Jeans herum. Es sind gute Beats. Welche, bei denen ich unweigerlich an Jesses Vorhaben denken muss. Meint er es eigentlich ernst mit dem Club? Will er sich einen eigenen kaufen? Seitdem er es angesprochen hat, hat er es nie wieder erwähnt. Vielleicht hat er es auch nur aus dem Moment heraus gesagt? Nach dem Sex ist man voller fälschlicher Glücksgefühle, die einen Dinge anders wahrnehmen lassen. Man sagt und tut Sachen, die man nicht einmal meint.

Es gibt Kerle, die danach weinen. Sie sind überfordert von den Gefühlen, die einen überkommen und dann flennen sie als Ausgleich, bis sie sich beruhigt haben. Das habe ich schon einige Male erlebt. Mir taten die Typen leid und trotzdem konnte ich sie nicht trösten. Was erwarten sie von mir? Ich bin nicht ihr Liebhaber, sondern nur ein schneller Fick.

»Ich muss gleich noch woanders hin«, säuselt Jesse und dreht das Radio aus. »Schreib mir später, ja?«

Wo will er denn hin? Langsam blinzelnd sehe ich zu ihm hinüber und nicke.

Von mir aus.

Jesse verhält sich nicht zum ersten Mal so, als hätte er neben mir eine Familie mit Frau und zwei zuckersüßen Kindern. Aber was soll ich dazu sagen? Nichts. Das Auto ruckelt und brummt laut, während mir keine Antwort einfällt.

»Danke, dass du mich eingeladen hast«, singe ich und er bleibt vor dem Eingang des Clubs stehen.

Tagsüber sind die vergilbten Lichterketten ausgeschaltet, die überall in den Bäumen hängen. Nachts sieht es aus, als würden bunte Feen im Außenbereich tanzen.

Allerdings ist es im Winter zu kalt, um draußen zu sitzen. Also gibt es nur im Sommer diese magischen Momente.

Letztes Jahr habe ich mit einem Kerl unter den Bäumen geknutscht. Es war sogar schön, wie die bunten Lichter sich in den Drinks widergespiegelt haben. Der Typ hat mir ein Schirmchen ins Haar gesteckt und mir seine Liebe gestanden. Normalerweise wäre ich direkt weggerannt, oder hätte ihm den Cocktail ins Gesicht geschüttet. Aber er hatte etwas an sich, das mich angesprochen hat.

Er war eher der ruhige Typ. Ein Macho vom Aussehen her und dennoch sanft. Mit seinem bosnischen Akzent und den vielen Tattoos an Hals und den Oberarmen hat er mich ganz wuschig gemacht. Vielleicht auch, weil er mir die ganze Zeit am Ohr geknabbert hat, während er wollte, dass ich ihn ›Daddy‹ nenne?

Ich habe ihm ebenfalls ein paar russische Worte auf die Lippen gehaucht und er hat gestöhnt, als würde er gleich abspritzen. Das hat ihn und die Umherstehenden umso heißer gemacht. Mich ebenso. Wahrscheinlich habe ich eine Schwäche für die Männer aus den Balkanstaaten.

Na ja, trotzdem kam sein Freund nach ein paar schönen Momenten um die Ecke gerannt und hat mir ein Glas Alkohol ins Gesicht gekippt.

»Du widerliche Hure!«, hat er geschrien und jedem Gast damit erklärt, dass ich mal wieder irgendeine Beziehung zerstört habe.

Ich habe wahrscheinlich gar kein Gefühl mehr für liebenswerte Männer. Immer, wenn ich annehme, sie wären eine Ausnahme, werde ich vom Gegenteil überzeugt. Aber vielleicht war auch der Alkohol zum Teil schuld an meiner Wahrnehmung.

Danach hat Jesse sich auf den Kerl geschmissen und sich mit ihm geprügelt. Er wollte meine Ehre verteidigen. Es war wie damals im Kinderheim. Wenn alle mich fallen lassen, ist Jesse jederzeit für mich da.

»Steigst du bald aus oder machst du blau?«, fragt Jesse und reißt mich aus den Gedanken raus. Der Blinker klackt im gleichmäßigen Rhythmus und ich nehme Jesse noch einmal fest in den Arm.

»Ich gehe.«

10. Kapitel

Aleksei

Der Kerl, der seinen Schwanz an meinem Arsch reibt, ist ein echter Hingucker. Zwar schwinge ich auf der Tanzfläche meine Hüfte, um Serik aufzufallen, aber er straft mich mit Desinteresse. Ich streiche mir das Haar aus dem Gesicht, die Hände werfe ich in die Luft und trotzdem schaut er nicht ein einziges Mal zu mir herüber, egal, wie ich vor ihm herumhampele.

Es klingt bescheuert, aber es törnt mich dennoch an. Es ist ein Katz- und Mausspiel, das ich mit Sicherheit gewinnen werde. Er nimmt doch nicht an, ich würde ihm abkaufen, dass er schwer zu haben ist? Ich kriege ihn. Ich kriege jeden.

Lippen gleiten über meine Schulter, während sich Hände auf meinen Bauch legen. Gekonnt presst der Kerl seinen Schritt gegen meinen Hintern und ich spüre, wie hart er ist. Nicht nur halb, sondern steinhart.

Jordan, oder Joe, hat dunkelbraune Haut und hellblaue Augen, als wäre er der verwunschene Sohn eines Sonnengottes.

»Du bist so schön«, flüstert er mir zu und will mich anscheinend damit willig machen. Wenn nicht mit Worten, dann mit den Shots, die er mir kauft. Dafür zieht er mich zur Bar hinüber. Der Erste ist für die Seele, der Zweite für die Hemmschwelle und der Dritte? Damit erlaubt er sich, mir die Zunge in den Rachen zu rammen.

Ich streichele ihm über den Bauch und lasse mich von ihm verführen. Warum auch nicht? Sex verdrängt die Dunkelheit, die sich in mir wie Nebel ausbreitet. Außerdem ist Jesse nicht da und ich will nicht allein sein. Neuerdings fressen mich die Fragen auch nachts auf, wenn ich genialen Sex hatte. Irgendetwas stimmt nicht mehr mit mir. Irgendwas hat sich verändert und das bereitet mir Bauchschmerzen.

»Aleksei, du kannst die Beine echt hinter den Kopf verbiegen?«, fragt Jordan und quatscht mir noch zwei Kurze auf.

»Finde es heraus.«

Warum bin ich so unendlich müde? Vor mir steht ein echt reizvoller Kerl, aber ich wäre lieber im Bett. Vielleicht habe ich mich überfressen. Die Idee von Sport am Abend macht mich in diesem Fall nicht gerade an.

Mein Blick wandert zu Serik, der den Kopf wegdreht.

Bilde ich mir das ein oder hat der mich angegafft? Kaum zu glauben. Oder doch? Nein, er muss die Umgebung im Auge behalten und dazu gehöre auch ich.

Ich hasse den Gedanken, die leise Stimme, die flüstert: »Er hat kein Interesse an dir.« Was habe ich zu bieten? Guten Sex und weiter? Was sonst? Ich verdränge die unangenehmen Gefühle mit einem Shot und straffe die Schultern. Vielleicht muss Serik auch zu seinem Glück geführt werden.

»Ich muss mal eben zum Securitykerl«, erkläre ich Jordan mit einem niedlichen Augenaufschlag. Wer kann mir schon widerstehen? Seltsamerweise niemand, außer Serik. Was ist nur mit ihm? Ach ja, der hat davon gefaselt, dass ich kein Schamgefühl hätte. Aber das kann ich mir nicht leisten. Ich verkaufe meinen Körper. Die Leute wollen mich auf der Tanzfläche und auf der Bühne sehen. Sie kommen absichtlich her und ich biete ihnen eine aufreizende Show mit knappen Outfits. Sex sells. Das macht es aber auch schwer, zu meinem Traumprinzen zu gelangen.

»Aleksei, bock zu tanzen?«

»Komm, ich lad dich ein, Süßer.«

Die Kerle können ihre Finger nicht von mir lassen, aber ich habe jemand ganz anderen im Auge.

»Sorry, keine Zeit«, sage ich jedem. Trotzdem brennen sich ihre Blicke in meinen Nacken, als ich an ihnen vorbei gehe.

»Er tut mal wieder auf schwer zu haben, dabei darf jeder ran.«

»So eine arrogante Hure.«

»Ich wollte sowieso nicht mit einer lebenden Geschlechtskrankheit tanzen. Abartig.«

Die weiteren Schimpfworte ignoriere ich und setze mein hübsches Lächeln auf.

»Guten Abend, Serik!« Oh, wie er dasteht, wie ein Fels in der Brandung. Was spricht mich an ihm eigentlich nicht an?

Serik mustert mich überaus ausführlich von oben nach unten. Für ihn drehe ich mich sogar einmal, damit er auch bloß nichts übersieht.

Anscheinend gefällt es ihm, denn sein rechter Mundwinkel gleitet nach oben.

»Aleksei.« Nur ein kurzes Nicken, trotzdem prickelt die Anerkennung in meinen Adern. Das ist ein Fortschritt! Letztens hat er mich noch weggeschoben und wütend gestarrt, aber jetzt wirkt er offener.

Wobei … Warum ist er so wortkarg? Ist es Provokation? Nach dem Motto: ›Gib dir mehr Mühe, Schätzchen‹ oder so etwas? Hadert er, mich anzugraben? Aber ich sehe doch das Glühen in seinen Augen und wie starr er den Blick auf mich gerichtet hält. Das kann ich mir unmöglich einbilden. Nur wie kann ich ihn aus der Reserve locken? Soll ich mich etwa nackt vor ihn hinknien? Könnte ich natürlich. Das ist eine Vorstellung, die mir ziemlich gut gefällt.

Ich würde sein Hemd hochziehen und seinen Bauch herunter küssen, bis zum Bund der Hose. Dort würde ich einen Moment verweilen und mich von seinem Geruch bezaubern lassen. Ich mag den Duft von Moschus und um ehrlich zu sein, würde ich gerne erfahren, wie Serik schmeckt. Wenn ich die Zunge über seine Haut gleiten lasse und seine Hose runterziehe, dann …

»Wo ist dein Wachhund?«, fragt er und reißt mich aus meinem Kopfkino raus. Ich blinzele mehrmals und zwinge mich, den Blick von seinem Schritt hochzureißen. Verdammt, hat er mitbekommen, wie offensichtlich ich geschmachtet habe? Wenn ja, spielt Serik es cool. Er drückt sich den Knopf tiefer ins Ohr und schaut sich im Club um. Es nervt, dass er so tut, als wären die Gäste spannender als ich.

Und wen meint er überhaupt mit Wachhund? Es gibt nur einen Mann, der öfters bei mir ist.

»Jesse? Der hat etwas anderes vor.«

»Oh? Ein heimlicher Geliebter neben dir?« Wie verhöhnend er das sagt, passt mir ganz und gar nicht. Mir schießt die Hitze in die Wangen, während ich mich an einem unverfänglichen Lächeln übe.

Noch so ein Spruch und ich ramme ihm die Faust ins Gesicht. Mich sollte das nicht so wütend machen, aber irgendwie bin ich es dennoch.

Was sieht Serik in mir? Bin ich ein Spielzeug für ihn? Will er mich nur ärgern?

Wenn ich ihn betrachte und ihn so nah vor mir stehen habe, schaltet mein Kopf aus. Der Hebel für rationales Denken kippt um und ich lasse mich von dem leisen Gedanken zu ihm schieben, der von ihm festgehalten werden will.

Es ist ungewohnt, dass ich so verbissen bin, jemanden von mir zu überzeugen. Allerdings ist Serik der Erste, der mich nicht ansieht, als wäre ich ein Silvesterknaller. Die meisten genießen mich einen Moment und dann lande ich im Müll. Aber Serik ist ein ernster Mensch. Ich mag sein Lächeln. Er zeigt es so selten und nur, wenn er es auch ehrlich meint. Außerdem hat er letztens seinen Teamkollegen vorm Inhaber gedeckt, als dieser zu spät zur Arbeit kam. Das war echt toll. Zuerst dachte ich, Serik würde ausrasten oder den Typen feuern, aber er hat ihn zur Seite genommen und ruhig mit ihm gesprochen. Serik ist so anders, als all die Männer, die ich bisher kennengelernt habe.

Beobachte ich ihn deswegen andauernd?

Bevor Serik hier angefangen hat, habe ich die Teammeetings gehasst. Es geht nur darum, Herrn Meyer auf dem neusten Stand zu halten, ihm von Konflikten zu erzählen und davon, ob die Themen-Partys gut ankommen. Es ist öde. Aber nun gehe ich sogar freiwillig früher hin, um einen guten Sitzplatz zu ergattern.

Ich setze mich für gewöhnlich gegenüber von Serik an den Tisch, was er mit einem Seufzen quittiert. Selten erwische ich den Stuhl direkt neben ihm, weil da immer einer seiner Jungs sitzt. Also schmachte ich von weitem.

Ab und an, wenn Serik vor Ladenöffnung jeden Raum abläuft, wackele ich ihm hinterher. Meistens erzähle ich dabei irgendeinen Blödsinn, den ich vorher im TV aufgeschnappt habe. Ich nerve ihn bestimmt. Er hat nicht einmal Interesse an den knappen Outfits, die ich ihm vor einem Auftritt präsentiere. Warum tue ich das? Warum kämpfe ich derart um seine Aufmerksamkeit?

Letztens habe ich sogar schon Elgin ausgequetscht. Der muskulöse Securitykerl ist aber überaus sparsam in seinen Aussagen. »Der mag Sport und dicke Titten. Wie jeder unserer Männer. Beiß dir nicht die Zähne an ihm aus, Tanzmaus.« Hoffentlich war das gelogen. Elgin könnte ein Hete sein, aber Serik? Auf keinen Fall. Der hatte doch auch ein Date mit einem Kerl im Sushi-Restaurant!

Die Musik im Club ändert sich und ein Popsong wird gespielt. Das ist eine gute Gelegenheit, um noch einen Schritt näher an Serik heranzutreten.

Ich lecke mir über die Lippen und er starrt mir in die Augen. Ich räkele mich vor ihm und er zuckt nicht einmal mit der Wimper.

Ich wünschte, ich könnte ihm zeigen, was ich fühle, wenn er mich so betrachtet.

Mein Herz hüpft euphorisch und seine Augen werden abwechselnd grün und blau beleuchtet.

»Und was machst du hier so allein?« Meine Finger gleiten über seinen Gürtel, ehe ich verspielt an der Schnalle ziehe. »Du trägst immer nur schwarz. Ist das vorgegeben?«

»Ich mag es schlicht.«

»Ach ja,« raune ich ihm provokant ins Ohr. »Im Bett auch. Langweiliger Blümchensex, ohne Höhepunkt.«

Serik springt darauf an. Grob packt er mich an den Schultern und schiebt mich von sich weg. »Lenk mich nicht ab und geh auf deine Bühne.«

Habe ich da einen wunden Punkt getroffen? Natürlich. Sonst würde er nicht so reagieren.

»Es gibt gewisse Gerüchte.« Was erzähle ich denn da? Ich habe keine Ahnung, was in seinem Privatleben vor sich geht. Gehässig kichernd lege ich eine Hand an die Taille. Mit der anderen wedele ich in der Luft herum. »Dies und das eben.«

»Na dann.« Seine Halsschlagader pulsiert, während er die Zähne aufeinanderbeißt.

Volltreffer. So benimmt sich niemand, der nichts zu verheimlichen hat.

»Beweis mir das Gegenteil«, flüstere ich und trete noch näher an ihn heran. Meine Hüfte lehne ich an seine.

Ah, er ist nicht hart? Schade, ich dachte, unser kleines Wortgefecht hätte uns beiden eingeheizt. Mein Blut sammelt sich jedenfalls in meiner Körpermitte.

Serik riecht unsagbar gut. Es sind herber Moschus und Lavendel, was mich direkt wehmütig macht. Es ist ein Duft, der mich an meine Kindheit erinnert. Damals, als alles noch gut war. Wir hatten immer Lavendelseife im Bad stehen und somit hat die ganze Wohnung danach gerochen. Meine Mutter hat sogar kleine Duftsäckchen gefüllt und sie an mein Bett gehangen, damit ich besser schlafen kann. Das war einer der letzten Momente, in denen ich glücklich war.

Schwer schluckend gehe ich einen Schritt zurück. Das sind Gefühle, die ich nicht haben will. Ich habe mein Leben auch so auf die Reihe bekommen, ohne Liebe, ohne Kompromisse.

»Ich habe dir bereits erklärt, dass ich kein Interesse an dir habe.«

Ich weiß. Aber kann ich nicht die große Ausnahme sein?

»Vielleicht kann ich deine Meinung ändern?«, sage ich und ignoriere den Arm, der mich auf Abstand halten will. »Eine Nacht mit dir reicht mir schon.« Das würde er mit Sicherheit niemals vergessen. Außerdem möchte ich ungern allein sein. Die Nächte werden immer kälter. Will er mich nicht wärmen?

Im Takt der Musik lasse ich meine Hüfte kreisen, was ihm zu gefallen scheint. Immerhin schaut er nun weniger durch die Gegend, sondern betrachtet mich.

Das Haar streiche ich mir zu einem Zopf zusammen, der sich direkt wieder löst. Viele Kerle mögen langes Haar nicht, aber ich finde es irgendwie verrucht und sexy, besonders, wenn man tanzt und es einem verschwitzt im Gesicht klebt.

»Bezirz die Gäste. An mir verschwendest du deine Zeit.«

»Das glaube ich nicht.«

Das ist nicht sein Ernst. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um nicht zu grinsen. Mein Herz passt sich dem Rhythmus der Musik an und ich schmecke schon den honigsüßen Triumph auf meiner Zunge. In jedem Winkel spüre ich den Beat und bewege meine Hüfte nur für Serik.

Die Lichter erfassen uns nie, sie streifen uns nur. Wir sind Nachtgestalten, verschwunden in den Schatten, in denen wir tun und lassen können, was auch immer wir wollen. Obwohl es mir wirklich schwerfällt, meine Hände bei mir zu behalten. Ich will ihm zwischen die Beine greifen und ertasten, was er mit sich herumträgt. Er will es doch genau so wie ich.

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