Kitabı oku: «Verdorbene Jugend», sayfa 4
Eine ungute Einlage
Wir neuen Heimlehrlinge waren erst wenige Tage im Heim, da raunte man uns von den Zwei- und Dreijährigen Lehrlingen zu, dass bald der „Heilige Geist“ käme. Dann gab es Wochen, wo überhaupt nicht davon gesprochen wurde und dann tauchte die Drohung wieder auf. Mit dem „Heiligen Geist“ meinte man, dass die Neulinge erst einmal Dresche bekommen müssten, bevor sie echte Heimlehrlinge sein würden. Dazwischen gab es aber noch ein anderes Ereignis, was uns die Härte des Heimlebens klarmachen sollte. Da war ein Lehrling, wohl in der Stube 4, der hatte etwas gestohlen. Was er gestohlen hatte, weiß ich nicht mehr. Er, und wir alle vom ersten Lehrjahr, mussten in die Turmstube kommen, die nicht belegt war. Der Delinquent wurde an den Mittelpfahl gefesselt und verhört. Das machte einer vom 3. Lehrjahr. Der war Scharführer der Hitlerjugend und einer von den Danzigern. Von denen waren einige recht rabiate Kerle, der Scharführer war einer davon und gerade Führer vom Dienst. Die Danziger hatten schon angefangen zu lernen, bevor Polen überfallen wurde.
Nachdem die Verwerflichkeit des Kameradendiebstahls eindringlich hervorgehoben und davor gewarnt wurde, ging es an die Bestrafung. Der Schuldige wurde mit entblößtem Hintern zum Bücken gebracht und jeder von uns musste derb mit einem Schulterriemen auf diesen Hintern schlagen. Wir mussten nur einen Schlag abgeben, aber wer nicht derb genug geschlagen hätte, wäre gleich daneben gestellt worden.
Nicht lange nach dieser Bestrafung wurden die Andeutungen zum „Heiligen Geist“ intensiver. Wir in der Stube eins machten unter uns aus, dass wir uns wehren werden. Vorsorglich hatten wir alles so gut es ging verrammelt. Als es soweit war, nützte uns das nichts. Auf der Türseite wurde der erste Fensterladen aufgerissen und eine Scheibe zerstört. Im nu waren die Kerle im Raum. Und da ging es los. Sie hatten Taschenlampen und blendeten uns. Zum Schluss zu bemerkte ich, dass nur noch bei Hüsing und mir gedroschen wird und nur wir zwei uns wehrten. Davon bekam ich die meisten Schläge ab, weil man bei mir frei zuschlagen konnte, während Hüsing mein Bett über sich hatte. Man schlug mit Handtüchern, auf deren einen Seite ein Knoten gemacht und in Wasser angefeuchtet war. Ich hatte eigentlich nur Angst davor, dass man mir die Brille zerschlägt, die ich auf dem Spind neben dem Bett abgelegt hatte. Die Schmerzen waren erst einmal Nebensache, durfte doch ein Hitlerjunge nicht jammern. Die Schmerzen, die ich fast am ganzen Körper spürte, ließen mich lange nicht zur Ruhe kommen wie der Ärger darüber, dass sich die anderen überhaupt nicht zur Verteidigung gerührt hatten.
Früh, nach dem Wecken, war die ganze Bescherung zu sehen. Hüsing hatte nur an den Oberschenkeln blaue Flecken, weil er sich in den hintersten Winkel seines Bettes verzogen hatte, wo er durch den Spind und das Bett über ihm gut geschützt war, aber dem einen oder anderen, der zu nahe kam, einen Faustschlag verpasste. Ich dagegen konnte mich nur mit dem Keilkissen schützen, was mit Haferstroh gefüllt war. Da ich aber so gut ich konnte zurückschlug, war ich ja für andere Schläger frei und man traf mich gut, sodass mein Rücken grün und blau wurde. Mein linkes Ohr hatte auch einen Schlag abbekommen und verfärbte sich.
Haider, der am Morgen die Stuben inspizierte, ließ mich nicht zur Arbeit gehen und wies mich in die Krankenstube. Das war ihm doch etwas fatal, vor allem weil Hüsing ihm Vorhaltungen machte. Besonders ob der geknoteten und nassen Handtücher, wodurch es für uns keine Waffengleichheit gegeben habe. Eine Woche lang konnte ich nicht zur Arbeit gehen. Als ich dann am Dienstag in der Betriebsberufsschule saß, fragte mich Meister Dietz, was ich mit meinen Ohr gemacht hätte. Ich antwortete ihm, dass ich vom Bett gestürzt sei, was er sich wohl nicht so richtig vorstellen konnte. Mein linkes Ohr war von oben herab noch dunkelblau.
Direktor Lange
Der Berufsausbildung stand Direktor Lange vor. Er wurde von allen gefürchtet. Er regte sich mächtig auf, wenn er von einem Lehrling nicht ordentlich gegrüßt wurde. „Ordentlich“ gegrüßt bedeutete vor allem, dass bei dem Faschistengruß der rechte erhobene Arm gestreckt war und die ebenfalls gestreckte Hand mit der Handfläche nach unten sich in Augenhöhe befand. Hatte der Herr Direktor daran etwas auszusetzen, gab es Theater. Entweder, er kommandierte gleich: „Hinlegen! – Sprung auf, marsch, marsch!“ und wiederholte das ein paar mal oder er erfragte den Namen, forderte, dass man sich wegen des Grüßens beim Meister meldete und ließ den betreffenden sich dann auf den Boden legen.
Nachdem man Frankreich niedergerungen hatte, Holland und Belgien auch, konnte es passieren, dass er einen jungen Belgier anschnauzte, denn von denen hatte man vor allem Fachkräfte als Fremdarbeiter hereingeholt, die dann entsprechende Abzeichen tragen mussten. So gab es im Betrieb mehrere Nationalitäten.
Im Lehrlingsheim hatten wir regelmäßig Appelle, bei denen verschiedene Sachen, wie Schuhe, Wäsche und andere Bekleidung sowie die Spinde, kontrolliert wurden. Eines Tages hieß es, dass Direktor Lange uns besuchen und auch Appelle durchführen werde. So kam er in unsere Stube. Robert Kleingünter war noch da. Lange betrachtete die Betten und wollte dann Hüsings Spind sehen. An Hüsings Spindordnung fand er nichts, was er bemängeln konnte. So griff er nach der Zahnbürste, die aus dem Zahnputzglas oben herausragte. In einer Hand hatte er den Stiel der Zahnbürste erfasst und mit dem Daumen der anderen Hand fuhr er über die Borsten. „Die Bürste ist doch ganz trocken. Wann haben sie sich das letzte Mal die Zähne geputzt?“ fragte er. „Gestern Abend“, antwortete Hüsing. – „Das stimmt nicht.“ – „Doch“, erwiderte Hüsing. So ging der Streit ein paar mal hin und her. Schließlich beharrte Lange darauf, dass das Zähneputzen am Morgen das wichtigste sei. Das verneinte aber Hüsing und so ging der Streit hin und her. Lange blickte Haider an und wollte von ihm die Bestätigung seiner Ansicht erfahren. Doch Haider sagte: „Da irren sie sich, Herr Direktor. Was der Lehrling sagt, stimmt.“ Da ging Lange auf die Palme. Nun wurde der Streit zwischen Haider und Lange fortgesetzt, während sie unsere Stube verließen.
Ich glaube, dass dieses Vorkommnis dem Haider die Stellung gekostet hat. Er wurde später, etwa im Februar 1941, abgelöst. Aber Lange schleppte weiter seinen Fettwanst über den Betriebshof. Haider berichtete uns danach, dass Lange nicht zu überzeugen war und auch nicht eingesehen hätte, dass er eine unhygienische Handlung mit seinem Daumen vollführt hätte. Der rechthaberische Lange trieb weiter sein Unwesen.
Das Schulungslager
Am 2. September 1940 ging es in das Schulungslager nach Dreißigacker bei Meiningen. Da waren alle Lehrjahre des Lehrlingsheimes dabei. Wir waren in einem großen Gebäude untergebracht, was wohl als Schloss galt. Dort war der Herr Janz unser oberster Chef. Die Lehrausbilder waren natürlich auch da.
Gleich am ersten Abend beim Essen gab es von Herrn Janz für alle einen Anpfiff. Es war kurze Zeit nach Beginn des Essens, da erhob sich Janz, vor dem ich große Achtung hatte, und sagte laut: „Herhören! Da gibt es doch tatsächlich unter euch welche, die machen beim Umdrehen der Speisen im Mund den Mund auf und erzeugen ein unappetitliches Geräusch. Ab sofort möchte ich das nicht mehr hören. – Weitermachen!“ Im Lehrlingsheim hatte man uns schon einige Tischsitten beigebracht, doch hier waren nun alle vertreten, die im ersten Lehrjahr waren. Ich kann mich noch an das laute Schmatzen erinnern, bevor Janz das Thema angesprochen hatte. Ab sofort war das Schmatzen dann vorbei.
Im Lager hatten wir Schulunterricht und meist anschließend militärische Grundausbildung. Das Wetter bescherte uns oft Nebel oder Nieselregen. Es war insgesamt unfreundlich. Herr Janz blieb nicht die gesamte Zeit bei uns, waren doch im Betrieb noch die zwei- und dreijährigen Lehrlinge. Ebenso etwa 20 bis 30 der Vierjährigen. Später wurde ihre Anzahl immer geringer, weil sie dann ins Alter zum Kriegmachen herangereift waren. Sogar dreijährige Lehrlinge mussten ihre Prüfung nach zweieinhalb Jahren ablegen, weil sie jahrgangsmäßig schon an die Einberufung zum Wehrdienst herankamen.
Hier im Schulungslager erhielten wir nun endlich die angekündigten Werkstatthefte und wurden über die Eintragungen darin belehrt. Nun kamen neben den gewöhnlichen Hausaufgaben für die Berufsschule noch die wöchentlichen Eintragungen in dieses Heft dazu, was man deshalb auch Berichtsheft nannte. Von dem Merkheft, in das wir täglich unsere Tätigkeiten eintragen und vom Lehrausbilder bestätigen lassen mussten, wurden die wöchentlichen Tätigkeiten auf ein Wochenblatt im Werkstattheft übernommen und im hinteren Teil dieses Buches eine Zeichnung dazu angefertigt, die mit den Tätigkeiten der betreffenden Woche im Zusammenhang stehen sollte. Im Kopf des Wochenblattes waren einige Zeilen angelegt, wo dann noch die Wochenlosung eingetragen wurde, die man jeden Montag beim Wochenanfangsappell bekannt gab.
Das Schulungslager sollte eigentlich drei oder vier Wochen lang stattfinden, es waren zu unserem Glück nur 14 Tage, denn im Lehrlingsheim wohnte es sich besser. Zum Abschluss hatte man einen „Kameradschaftsabend“ angeordnet, bei dem jeder, der etwas lustiges konnte, dies vortragen sollte.
Der Lehrausbilder Peschke, der von der dritten oder vierten Gruppe der zweite Ausbilder war, hatte sich einen Lehrling aus Sachsen vorgenommen, der uns die Sächsische Lorelei vorsingen sollte. Heinze, so hieß dieser Lehrling, war erst kurze Zeit bei uns. Er stammte aus Löbau, wo seine Familie ein Waffengeschäft führte. Lehrjahresmäßig gehörte er eigentlich ins zweite Lehrjahr, doch das hätte er nicht durchgestanden. Er war schon über eineinhalbe Jahre bei einem Büchsenmacher in Sachsen in der Lehre, bei dem er einen Schraubstock nur zum Putzen kennen gelernt hatte. Seine übrige Tätigkeit bestand aus Straße kehren, Wohnung säubern, Einkaufen für die Meisterin und alles was in einem Haushalt noch so zu erledigen war. Sogar beim Waschen der Wäsche musste er jedes Mal helfen. Heinze hatte nun viel nachzuholen, wenn er mit uns gleichziehen wollte. Er besaß den festen Willen dazu und erklärte uns, wie gut doch unsere Ausbildung sei.
Ehrhard, so hieß er mit Vornamen, musste nun einen Tag vor dem Kameradschaftsabend mit Peschke die Sächsische Lorelei lernen, obwohl er nicht singen konnte, wie er immer wieder betonte. Das stimmte nicht ganz. Er hatte nur eine dunkle und kratzige Stimme. So trug er dann auch das Lied vor. Auch ohne so einen Vortrag war Erhard Heinze schon sehr nervös. Wo er auch seinen Blick hinwendete, drehte sich sein Kopf alle drei bis vier Sekunden leicht hin und her. Doch Heinze stand das Lied durch und ich kann es heute noch.

Werkstattheft von Horst Riemenschneider aus dem 1. Lehrjahr 1940
Wieder im Betrieb und im Heim
Nach dem Schulungslager arbeitete ich noch einige Tage an dem Schraubstock, an dem ich seit dem ersten Arbeitstag stand und verschiedene Arbeitstechniken erlernte. Ende September erfolgte nun die Zuordnung zu den Berufen.
Ich war noch unter „Technischer Zeichner“ geführt worden und musste langsam alle Hebel in Bewegung setzen, dem nun neu von mir angepeilten Beruf zugeordnet zu werden. Als neuen Beruf hatte ich mir Büchsenmacher ausgewählt. Inzwischen gab es aber die Information, dass keine Büchsenmacher im Betrieb mehr in die Ausbildung kommen, sondern nur noch Systemmacher. Wer Büchsenmacher werden wolle, müsse daran anschließend zur neu gegründeten Reichsbüchsenmacherschule in Suhl gehen. Dort würde man ein halbes Jahr zusätzlich lernen müssen, wobei vormittags Schulunterricht sei und nachmittags in einer Büchsenmacherwerkstatt ein viertel Jahr das Schäften und dann ein viertel Jahr die Fernrohrmontage zu erlernen seien. Ich wurde also in die Systemmachergruppe eingereiht, die nun in einer Reihe an der Fensterfront in Richtung des Sportplatzes versetzt wurde. Ebenso auch die Werkzeugmacher und Maschinenbauer, die dann auf der Bahnhofseite zwei große Gruppen bildeten. Die anderen Lehrberufe kamen teilweise schon in den Betrieb oder in die Lehrwerkstatt II, die unter uns lag. Dort landeten auch die Frankenhainer, die „Anlerndreher“ in ihren Ausbildungsverträgen stehen hatten. Die Lehrwerkstatt II war voller Maschinen. Unter dem Speisesaal war die große Werkzeugausgabe, in die jeder eine Woche lang zum Kennenlernen eingesetzt wurde, so auch ich.
Mit dem Wechsel in die Systemmachergruppe wurde mir dringlichst geraten, die Unterschrift meines Vaters wegen des Berufswechsels beizubringen. Das hoffte ich im Weihnachtsurlaub zu erledigen. Aber bis dahin war noch etwas Zeit. Weihnachten würde mein Vater vom Kriegmachen Urlaub erhalten. Schließlich hatte er mit seiner Ehefrau bis dahin schon sechs Kinder.
Alle Gruppen mussten sich zunächst mit der Herstellung eines Hammers befassen. Als der fertig war, kam noch ein zweiter dran. War der erste nur 300 Gramm im Gewicht, wurde der zweite als 500 Gramm-Hammer hergestellt. Dazwischen wurde ich in der Werkzeugausgabe in der Lehrwerkstatt I eingesetzt.
Noch in der ersten Oktoberhälfte begannen wir, Hilfswerkzeuge für Systemmacher herzustellen, die wir später auch selbst benutzen sollten. Ein wichtiges Werkzeug für den Systemmacher/Büchsenmacher ist der Schraubenzieher. Man sagt heute Schraubendreher dazu, was der Funktion dieses Werkzeugs näher kommt. Neben dem Schraubendreher wurde ein Meißel für bestimmte Arbeiten oder Formgebungen bei diesem Beruf benötigt. Man hielt es damals für erforderlich, das Herstellen dieser Werkzeuge in die Ausbildung einzubeziehen, was bei entsprechend eingerichteten Werkstätten relativ schnell geschehen konnte. Unsere Lehrwerkstatt war dazu bestens gerüstet. Ein sogenannter Muffelofen, ein Amboss und auch ein Bunsenbrenner waren vorhanden. In einem Gasofen brachte man den Stahl zum Glühen, sodass man ihn schmieden oder härten konnte. Wir erlernten auf diese Weise einige einfache Schmiede- und Härtearbeiten. Dabei erhielt ich meine erste Maulschelle vom Lehrausbilder.
Einen Schraubendreher oder Meißel zu schmieden und zu härten erfolgte bei uns in mehreren Schritten. Während ein Schmied nach dem Schmieden das Härten und Anlassen in einem Schritt erledigt, mussten wir das Werkstück vor dem Anlassen erst vollständig abkühlen lassen. Danach wurde das Werkstück an der anzulassenden Stelle mit Schmirgelleinwand blank gerieben und am Bunsenbrenner erwärmt, bis die Anlassfarbe erschien. Die Anlassfarben sind je nach Temperatur unterschiedlich. Sie beginnen mit gelb bei etwa 220 Grad Celsius und verfärben sich mit steigender Temperatur über strohgelb zu violett, wenn etwa 300 Grad erreicht werden bis blau, was bei 500 bis 550 Grad liegt. Ein Meißel wird auf strohgelb und ein Schraubendreher auf etwas mehr als violett angelassen. Den Schraubendreher soll man gerade wieder mit der Feile bearbeiten können, während ein Meißel dann nicht mehr stehen würde. Das Anlassen muss aber sein, weil sonst der Stahl zu spröde wird und wie Glas bricht.
Ich ging also mit meinem abgeriebenen Schraubendreher zum Bunsenbrenner und ehe ich mich versah, war er blau-grau, also um 600 Grad und so nicht verwendungsfähig. Erneutes Härten und Abschmirgeln war nötig. Beim zweiten Versuch ging es wieder daneben mit dem Anlassen. Beim dritten danebengegangenen Anlassversuch machte es dann klatsch und mir brannte die linke Wange. Der Lehrausbilder hatte mir eine gefeuert. Beim vierten Versuch brauchte ich lange, bis sich die Anlassfarbe erblicken ließ. Ich packte es aber. Endlich konnte ich das ins blaue gehende Violett vorzeigen.
Bei der Herstellung weiterer Hilfswerkzeuge für Systemmacher musste nun noch genauer gefeilt werden. Die Zehntel Millimeter bei einer Schieblehre waren für die Nachtreibkeile zum Schienen und den Verschlusskeilschlitz nicht mehr ausreichend genau. Wir mussten die 0,02 Millimeter Minustoleranz mit der Messschraube, auch Mikrometer genannt, feststellen. Darunter war es Ausschuss und darüber höchstens 0,0. Minus 0,005 Millimeter, ein halber Teilstrich, war das Ideale. Es machte aber Spaß, festzustellen, dass man das konnte.
Nach den Werkzeugen gingen wir dazu über Spannereiteile herzustellen, bestehend aus Hahn, Spannhebel und Stange. Nun wurde eine 130 mal 70 Millimeter große Platte hergerichtet, die von vier Millimeter Stärke auf 3,5 Millimeter blank gefeilt wurde. Dazu kam noch ein für uns damals eigenartiger Winkel und ein als Bock bezeichnetes Teil. Der Winkel wurde auf die Platte montiert, auf der gleichzeitig das Reiben mit einer Reibahle erlernt wurde. Der Bock erhielt auch seinen Platz auf der Platte und wir erkannten bald, dass der Winkel die zu einem Gewehrlauf sitzende Front eines Kastens darstellen sollte. Der Kasten ist der Teil bei einem Kipplaufgewehr, in dem die Spannerei, der Verschluss, die Abzugsvorrichtung mit Sicherung und der Schaft angebracht sind. Die Herstellung solcher Kipplaufgewehre, die man zur Jagd benutzt, sollten wir erlernen und ich wollte das. Endlich hatte ich ein Berufsziel, bei dem ich mir auch eine Perspektive ausmalte. Die Meisterprüfung war damit schon eine ausgemachte Sache für mich.
Im Heim mussten wir am Morgen keinen Stubendienst mehr machen, dazu hatte man inzwischen zwei Belgier angestellt, die man verpflichtet hatte, in Deutschland zu arbeiten. Kriegsgefangene waren es nicht, denn sie trugen keine Uniform. Nachdem man Westeuropa besetzt hatte, wurden im Betrieb auch Kriegsgefangene zur Arbeit eingesetzt. Gesehen habe ich zum Beispiel Franzosen.
Zur Heimleitung war ein neuer Mann gekommen, ein Österreicher, den wir Steffel nannten. Man merkte, dass er mehr durchgehen ließ als Haider. War Haider nicht anwesend, wurde es beim Essen im Speisesaal laut. Steffel schloss fast jeden Tag das obere Tor auf, sodass wir den kürzeren Weg zum Betrieb gehen konnten. Ich schätzte ihn auf 55 bis 60 Jahre. Er war nicht die einzige neue Person. In der Heimküche wurde ein Mädchen eingestellt. Sie hieß Käthe Schweigert und war aus Mäbendorf, einem Ort, der etwa einen halben Kilometer Richtung Dietzhausen lag. Sie war ein guter Kumpel für uns. Die dreijährigen buhlten um ihre Gunst. Sie kam mit dem Fahrrad und konnte gut nachfühlen, wie wir zu Fuß den Weg zurücklegen mussten, denn ab und zu ging ihr Fahrrad mal kaputt.
Der Winter stand vor der Tür, der in dieser Gegend schon im Oktober recht heftig sein kann. Hüsing hatte inzwischen auch sein Fahrrad mitgebracht und musste nun nicht mehr laufen. Er besaß ohnehin Dinge, die sich viele von uns, besonders ich, nicht leisten konnten. Außer einem Luftgewehr besaß er eine Schmalfilmkamera, mit der er uns ab und zu filmte. Sein Vater führte in Göttingen ein gut gehendes Waffengeschäft. So hatte er auch eines Tages eine kleine Pistole, mit der man Leuchtmunition verschießen konnte und das taten wir dann auch ab und zu vom Holzturm aus, der als Mittelteil unserer Baracken für uns frei zugänglich war. Hüsing war damals schon 18 Jahre alt.
So Ende Oktober, es war früh, wenn wir zur Arbeit gingen, schon recht dunkel, bot mir Hüsing an, sein Fahrrad zu benutzen, weil er einige Tage nicht anwesend sei. Ich besorgte mir eine Fahrradmarke, damit ich an dem Tor, wo ich das Fahrrad einstellen wollte, auch Einlass erhielt. Es kam aber nicht soweit. Wegen der Dunkelheit war es notwendig, dass das Licht am Fahrrad eingeschaltet wurde. Das klappte auch. Wegen des Krieges und der Verdunkelungsauflagen war es Pflicht, das Licht des Scheinwerfers nur gemindert durch einen Schlitz nach außen dringen zu lassen. Dazu hatte Hüsing ein Stück dunkles Packpapier mit Heftpflaster auf dem Scheinwerferglas befestigt. Schon nach gut 100 Metern löste sich an einer Seite das Heftpflaster und das Packpapier klappte zur Seite. Ich drückte das wieder an und musste das oft wiederholen. Natürlich hielt ich nicht immer gleich an. So auch kurz vor der Einmündung unseres Weges auf die Hauptstraße. Meine Scheinwerferabdeckung hatte sich gerade gelöst, da schnappte ein Gendarmenarm nach mir und zog mich vom Fahrrad. Es gab einen Disput, bei dem ich letztlich beschuldigt wurde, das Fahrrad gestohlen zu haben. Zum Schluss, nach dem man meine Personalien aufgenommen hatte, legte man fest, dass der Besitzer des Fahrrades dieses selbst abholen sollte.
Der bösartige Verdacht war die eine Seite dieser missglückten Radtour. Schlimmer war, dass ich nun zu spät zur Arbeit kam. Ich stand etwa 20 Minuten nach Arbeitsbeginn vorn bei Meister Dietz, um mich zu entschuldigen. Doch der schiss mich zusammen und ließ keine Entschuldigung gelten. Dann begann das Spießrutenlaufen. Zuerst den Lehrausbilder vom Dienst suchen. Mit dem dann nach unten in den Keller zu den Umkleideräumen gehen und umziehen. Nun hatte gerade der dickste Lehrausbilder diese Aufgabe. Der schimpfte ausgiebig, musste er doch meinetwegen diesen zusätzlichen Weg zurücklegen. Dann musste ich beim Lehrausbilder bitten, dass der Rollschrank geöffnet wird, damit ich meine Brotbüchse ablegen konnte. Nun erst kam ich zur Arbeit.
Bald darauf bekam ich meine zweite Maulschelle. Es war im November, wir hatten die Eintragungen in unseren Werkstattheften fast auf dem aktuellen Stand, da stieß jemand im Heim an den Tisch, an dem ich schrieb und das Tintenfass kippte um. Ein Riesenklecks entstand in meinem Heft, der sich nicht nur auf die betreffende Seite bezog. An den nächsten Tagen sollte ich mein Heft vorlegen. Der Lehrausbilder übermittelte es sofort dem Meister Dietz. Der rief mich zu sich und kam mir gleichzeitig entgegen. Er schnauzte mich an, was das sein solle. Ohne meine Entschuldigung anzuhören bekam ich eine Ohrfeige, die nicht von schlechten Eltern war. Ich solle mich an einen anderen Tisch setzen, wenn ich derartige Schreibarbeiten zu erledigen hätte. Ich dachte, der macht Spaß. Doch davon war er weit entfernt. Eine Entschuldigung akzeptierte er nicht. Das Heft musste ich von vorn wieder neu beginnen. Alle Wochennotizen und die Skizzen dazu noch einmal ausführen. Ich ärgerte mich doppelt. Das neue Heft hatte nicht mehr so gutes Papier, es war schon Kriegswahre, wo die Schreibfeder oft in das Papier einhakte. Ich überstand das auch. Das Heft war zum gesetzten Termin fertig. Heute würde ich sagen, es ist sogar noch einigermaßen geworden.