Kitabı oku: «Demokratietheorien», sayfa 3

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Doch nicht allein die Philosophen, auch die griechischen Tragödiendichter (Aischylos, Sophokles, Euripides) und Geschichtsschreiber (Herodot, Thukydides) befassten sich mit den jeweils aktuellen Fragen und den prinzipiellen Schwierigkeiten der Politik, den unterschiedlichen Verfassungen und ihrer Wirkung auf die Lebensführung der Bürger. So erörtert Herodot in der berühmten „Verfassungsdebatte“ der Historien die Stärken und Schwächen, Gefahren und Gebrechen der Demokratie. Er lässt Befürworter und Gegner derselben zu Worte kommen und die Vor- und Nachteile der drei möglichen Regierungsformen – Monarchie, Aristokratie/Oligarchie und Demokratie – erstmals in aller Offenheit abwägen. Mit ihm beginnt deshalb die folgende Präsentation und Interpretation „klassischer“ demokratietheoretischer Texte. Ihm folgt die berühmte „Leichenrede“ des Perikles, die Thukydides in seiner monumentalen Geschichte des Peloponnesischen Krieges überliefert hat. Anlässlich der Begräbnisfeier für die ersten Gefallenen des mörderischen Bruderkrieges gegen Sparta erörtert Perikles die Besonderheit der in Athen garantierten Freiheit und das Funktionieren der Demokratie. Sie sei charakterisiert durch die Trennung des Öffentlichen vom Privaten und durch ein breites und mächtiges Bürgerengagement. Im nachfolgenden Auszug aus Platons politikphilosophischem Hauptwerk, der Politeia, wird untersucht, wie die Demokratie entsteht, wie sie beschaffen ist und welche Charaktereigenschaften die in ihr agierenden Bürger entwickeln. Die dabei gewonnenen Einsichten veranlassen Platon zu einer sehr grundlegenden Demokratiekritik. Im Anschluss an Platon hat Aristoteles die von seinem Lehrer aufgeworfenen Fragen weiter verfolgt, seine Antworten kritisch geprüft und in der Politik die Eigenart der unterschiedlichen Verfassungen genauer erörtert. Auch Aristoteles zählt die Demokratie zu den schlechten Verfassungen. Allerdings führt er mit der Politie auch eine als positiv zu bewertende Form der Herrschaft der Vielen ein, die für die Geschichte des demokratischen Denkens sehr einflussreich werden sollte.

Verglichen mit den politischen und philosophischen Gründungsleistungen der Griechen blieb die politische Theorie und Praxis der Römer in der Zeit der Republik auf halbem Wege stecken. Sie vermochte sich nicht aus den Fesseln der aristokratischen Herrschaft und von den Selbstverständlichkeiten der Überlieferung, dem Brauchtum der Väter (mos maiorum), zu lösen. Die Demokratie hatte nie eine reelle Chance in Rom. Das politische Denken der Römer erschöpfte sich demgemäß in der Suche nach pragmatischen Lösungen für die oligarchischen Herrschaftskonflikte und fand diese gewöhnlich in geschichtlichen Exempla, in den vorbildlichen Haltungen und Aktivitäten der Vorfahren und Ahnen. Erst in der Krise der Republik setzten theoretische Reflexionen ein, die – animiert durch die Rezeption der griechischen Philosophie – neue Horizonte öffneten. Sie führten zu einer philosophischen Rückbesinnung auf die Grundsätze und Formen, Werte und Institutionen der republikanischen Praxis, die auf Rechtssicherheit und das Prinzip der Mischverfassung bedacht war und eine Ämterordnung geschaffen hatte, die späteren Zeiten als Vorbild diente und bedeutsam für die Entstehung und Entwicklung des europäischen und amerikanischen Staatensystems, für die Etablierung des bürgerlichen Rechtsstaates, die Machtkontrolle und die Verankerung einer Ämterlaufbahn in den heutigen repräsentativen Demokratien wurde. Der bedeutendste der römischen Denker war Cicero (106-43 v. Chr.), der sich im Anschluss an die mittlere Stoa (Panaitios, Poseidonios) und an die Historien des Polybios (ca. 200-ca. 120 v. Chr.) mit den Pflichten der Bürger (De officiis), mit den Gesetzen (De legibus) und mit den Existenzbedingungen des Gemeinwesens (De re publica) befasste.12 Seine Überlegungen zu den unterschiedlichen Verfassungen und speziell zur Republik sollen deshalb den Abschnitt über die griechisch-römische Antike beschließen.

Anmerkungen

1 Eine genauere Explikation des hier nur knapp skizzierten Sachverhaltes (mit weiteren Literaturhinweisen) habe ich versucht in: Peter Massing (Hg.): Ideengeschichtliche Grundlagen der Demokratie. Schwalbach/Ts. 1999, S. 11-30 [= Politische Bildung 32/2 (1999), S. 11-30]. Für Anregungen und kritische Hinweise danke ich Dieter Löcherbach.

2 Vgl. Christian Meier: Die Entstehung des Politischen bei den Griechen. Frankfurt/M. 1980.

3 Vgl. Aristoteles: Politik, I. Buch, 1253 b 1 ff., bes. 1255 b 16 ff.

4 Vgl. Jochen Bleicken: Die athenische Demokratie. Studienausgabe. Paderborn/München/Wien/Zürich 1986. Herman Mogens Hansen: Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes. 2. Auflage, Berlin 2002.

5 Zu den Schwierigkeiten der Einschätzung der Partizipation und der Anzahl der Aktivbürger vgl. etwa Wolfgang Schuller: Griechische Geschichte (Oldenbourg Grundriß der Geschichte, Bd. 1). München 1980, 31991, S. 126 f. (und die dort genannte Literatur). Die Schätzungen schwanken zwischen 20 000 und 30 000 Vollbürgern in der Hochzeit der athenischen Demokratie bei einer attischen Gesamtbevölkerung von ca. 200 000 Menschen.

6 Vgl. Paul Veyne: Kannten die Griechen die Demokratie? In: Christian Meier/Paul Veyne: Kannten die Griechen die Demokratie? Berlin 1988, S. 13-44.

7 Siehe dazu unten die Leichenrede des Perikles im Auszug aus Thukydides.

8 Vgl. Christian Meier: Die Entstehung des Politischen bei den Griechen (1980), S. 247 ff.; ders.: Politik und Anmut. Berlin 1985; ders.: Die politische Kunst der griechischen Tragödie. München 1988, S. 19 ff.; ders.: Athen. Ein Neubeginn der Weltgeschichte. Berlin 1993, S. 182 ff.; ders.: Bürger-Identität und Demokratie. In: Ders./Paul Veyne: Kannten die Griechen die Demokratie? (1988), S. 47-95.

9 Aristoteles: Athenaion Politeia, 41 (Deutsche Übersetzung von Peter Dams unter dem Titel „Der Staat der Athener“. Stuttgart 1970, S. 48).

10 10 Zur Entstehung und Entwicklung des Politikdenkens bei den Griechen vgl. die Überblicksdarstellungen von Kurt Raaflaub: Die Anfänge des politischen Denkens bei den Griechen. In: Iring Fetscher/Herfried Münkler (Hg.): Pipers Handbuch der politischen Ideen. Bd. 1. München/Zürich 1988, S. 189-271; ders.: Politisches Denken im Zeitalter Athens, ebd., S. 273-368; Klaus Rosen: Griechenland und Rom. In: Hans Fenske/Dieter Mertens/Wolfgang Reinhard/Klaus Rosen: Geschichte der politischen Ideen. Von Homer bis zur Gegenwart (1981). Frankfurt/M. 1987, S. 17-139; Wilfried Nippel: Politische Theorien der griechisch-römischen Antike. In: Hans-Joachim Lieber (Hg.): Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart. Bonn 1991, S. 17-46.

11 11 Zu ihrer politischen Philosophie vgl. Julia Annas: Platon. In: Iring Fetscher/Herfried Münkler (Hg.): Pipers Handbuch der politischen Ideen. Bd. 1 (1988), S. 369-395; Peter Spahn: Aristoteles. Ebd., S. 397-437; Helmut Kuhn: Platon. In: Hans Maier/Heinz Rausch/Horst Denzer (Hg.): Klassiker des politischen Denkens. Bd. 1. München 1968, 51979, S. 1-35; Peter Weber-Schäfer: Aristoteles. Ebd., S. 36-63 (jeweils mit weiteren Literaturhinweisen).

12 12 Vgl. etwa Karl H. Gugg: Cicero. In: H. Maier/H. Rausch/H. Denzer (Hg.): Klassiker des politischen Denkens. Bd. 1 (51979), S. 64-86; Eckart Olshausen: Das politische Denken der Römer zur Zeit der Republik. In: Iring Fetscher/Herfried Münkler (Hg.): Handbuch, Bd. 1 (1988), S. 485-519; bes. S. 512 ff.; K. Rosen: Griechenland und Rom (1981), S. 119 ff.; Peter Weber-Schäfer: Einführung in die antike politische Theorie. 2 Bde. Darmstadt 1976, Bd. 2, S. 108 ff.

→ Dieser Beitrag ist digital auffindbar unter: DOI https://doi.org/10.46499/1651.2033

Herodot: Demokratie und andere Herrschaftsformen

Ausgewählt und interpretiert von Klaus Roth

Historien (ca. 430-425 v. Chr.)

80. Als die Erregung sich gelegt hatte und fünf Tage vorüber waren, hielten die Verschwörer Rat über die Verfassung des Reiches, und es wurden folgende Reden gehalten, die zwar einigen Hellenen unglaublich erscheinen, die aber trotzdem wirklich gehalten wurden. Otanes sprach sich dafür aus, die Herrschaft an das ganze persische Volk zu geben. Er sagte: „Ich halte dafür, daß nicht wieder ein einziger über uns König werden soll. Das ist weder erfreulich noch gut. Ihr wißt, wie weit Kambyses sich von seinem Hochmut hat hinreißen lassen; ihr habt auch den Hochmut des Magers gekostet. Wie kann die Alleinherrschaft etwas Rechtes sein, da ihr gestattet ist, ohne Verantwortung zu tun, was sie will? Auch wenn man den Edelsten zu dieser Stellung erhebt, wird er seiner früheren Gesinnung untreu werden. Das Gute, das er genießt, erzeugt Überhebung, und Neid ist dem Menschen schon angeboren. Wer aber diese zwei hat, hat alle Schlechtigkeit beisammen. Er begeht viele Verbrechen: einige, übersättigt, aus Selbstüberhebung, andere wieder aus Neid. Freilich sollte er ohne Mißgunst sein, denn ihm als Herrscher gehört ja alles. Doch das Gegenteil davon ist der Fall. Er mißgönnt den Edelsten Leben und Luft, er freut sich der Elendesten. Trefflich weiß er den Verleumdungen sein Ohr zu leihen. Am sonderbarsten von allem ist, daß er sich über maßvolle Anerkennung ärgert, weil man nicht ehrerbietig genug sei, und sich über hohe Ehrerbietung ärgert, weil man ein Schmeichler sei. Und damit ist das Schlimmste noch nicht gesagt: er rührt an die altüberlieferten Ordnungen, er vergewaltigt die Weiber, er mordet, ohne rechtlich zu verurteilen. Die Herrschaft des Volkes aber hat vor allem schon durch ihren Namen – Gleichberechtigung aller – den Vorzug; zweitens aber tut sie nichts von all dem, was ein Alleinherrscher tut. Sie bestimmt die Regierung durchs Los, und diese Regierung ist verantwortlich; alle Beschlüsse werden vor die Volksversammlung gebracht. So meine ich denn, daß wir die Alleinherrschaft abschaffen und das Volk zum Herrscher machen; denn auf der Masse beruht der ganze Staat.“

81. Das also war die Meinung, die Otanes aussprach. Megabyzos dagegen riet zur Oligarchie und sagte:

„Was Otanes über die Abschaffung des Königtums sagt, ist auch meine Meinung. Wenn er aber rät, die Menge zum Herrn zu machen, so hat er damit nicht das Rechte und Beste getroffen. Es gibt nichts Unverständigeres und Hochmütigeres als die blinde Masse. Wie unerträglich, daß wir die Selbstüberhebung der Tyrannen mit der Selbstüberhebung des zügellosen Volkes vertauschen sollen! Jener weiß doch wenigstens, was er tut; aber das Volk weiß es nicht. Woher sollte dem Volk Vernunft kommen? Es hat nichts gelernt und hat auch in sich selber keine Vernunft. Ohne Sinn und Verstand, wie ein Strom im Frühling, stürzt es sich auf die Staatslenkung. Nur wer den Persern Unheil sinnt, spreche vom Volk! Wir sollten vielmehr einem Ausschuß von Männern des höchsten Adels die Regierung übertragen. Zu diesen Männern gehören wir ja selber. Es ist doch klar, daß von den Adligsten auch die edelsten Entschlüsse ausgehen.“

82. Das war die Meinung, die Megabyzos aussprach. Als dritter sagte Dareios seine Meinung und sprach:

„Was Megabyzos gegen die Masse gesagt hat, billige ich, nicht aber, was er über die Oligarchie sagt. Drei Verfassungen sind möglich; nehmen wir sie alle in ihrer höchsten Vollendung an, stellen wir uns also die vollkommenste Demokratie, die vollkommenste Oligarchie und die vollkommenste Monarchie vor, so verdient die letztere, behaupte ich, bei weitem den Vorzug. Es gibt nichts Besseres, als wenn der Beste regiert. Er wird untadelig für sein Volk sorgen, und Beschlüsse gegen Feinde des Volkes werden am besten geheimgehalten werden. In der Oligarchie, wo viele sich um das Allgemeinwohl verdient machen wollen, pflegt es zu heftigen Privatfehden zu kommen. Jeder will der Erste sein und seine Meinung durchsetzen; so verfeinden sie sich aufs ärgste miteinander, Unruhen entstehen, und in den Unruhen kommt es zu Mordtaten. Das pflegt dann wieder zur Monarchie zu führen, und man sieht daraus, daß sie doch die beste Verfassung ist. Herrscht dagegen das Volk, so kann es nicht ausbleiben, daß Schlechtigkeit und Gemeinheit sich einstellen. Drängt sich aber die Schlechtigkeit in die Sorge um die Allgemeinheit, so kommt es zwar nicht zu Fehden unter diesen Schlechten, aber umgekehrt zu festen Verbrüderungen. Sie verschwören sich gleichsam, um den Staat auszubeuten. Das dauert so lange, bis ein Führer des Volks ihrem Treiben ein Ende macht. Und dafür preist ihn dann natürlich das Volk und der Gepriesene wird Alleinherrscher! So zeigt sich auch hier wieder, daß die Monarchie die beste Verfassung ist. – Um aber alle Gründe für und wider zusammenzufassen: Wie ist denn Persien frei geworden? Wer hat ihm die Freiheit geschenkt? Das Volk, die Aristokraten oder ein Monarch? Ich meine, weil wir durch einen Alleinherrscher die Freiheit gewonnen haben, müssen wir daran festhalten, und überhaupt sollten wir die altüberlieferte Verfassung nicht umstoßen. Das ist vom Übel.“

Herodot: Historien. Deutsche Gesamtausgabe. Übersetzt von A. Horneffer. Neu herausgegeben und erläutert von H. W. Haussig. Mit einer Einleitung von W. F. Otto, Stuttgart 1974, III. Buch, 80.-82., S. 217-220

Interpretation

Die hier abgedruckte „Verfassungsdebatte“ entstammt den Historien Herodots (ca. 485-425 v. Chr.), des Ahnherrn der abendländischen Geschichtsschreibung, der in neun Büchern die lange währenden Beziehungen und den schließlichen Zusammenprall zwischen Europäern und Asiaten, „Hellenen und Barbaren“ untersucht. Der Kampf der beiden feindlichen Kulturen fand seinen Höhepunkt in den für die Asiaten so tragisch, für die Griechen hingegen überaus glücklich verlaufenden Perserkriegen (490-479 v. Chr.), durch die das Vordringen der persischen Weltmacht nach Europa verhindert wurde. Herodot spürt den Ursachen der Spannungen und Konflikte nach und findet sie schon in der Frühzeit, in der sich unterschiedliche Lebensformen herausgebildet haben, die gewöhnlich als Gegensatz von hellenischer Freiheit und orientalischem Despotismus umschrieben werden. Während die Griechen im Rahmen der antiken Polis seit der archaischen Zeit politische Verhältnisse entwickelten, d.h. den geregelten Streit der Bürger und Faktionen an die Stelle der aristokratischen Herrschaft setzten und schließlich im 5. und 4. vorchristlichen Jahrhundert Demokratien praktizierten, verharrten die Perser im Rahmen der traditionalen Herrschaft, die von mächtigen Dynastien überwölbt und geleitet wurde.

Im Verlauf des 6. vorchristlichen Jahrhunderts waren die kleinasiatischen Kolonien Griechenlands vom Lyderkönig Kroisos unterworfen worden, der sich aber 547 v. Chr. den von Kyros (558-529 v. Chr.) angeführten Persern beugen musste, die in der Folge ein Weltreich errichteten. Dem großen Eroberer folgte sein Sohn Kambyses (529-522 v. Chr.), der 525 v. Chr. zur Eroberung Ägyptens aufbrach. Während seiner Abwesenheit unternahmen zwei Brüder aus dem Stamme der Mager einen Aufstand und usurpierten den Thron, den sie sieben Monate innehatten. Nachdem Kambyses auf der Rückreise eines natürlichen Todes gestorben war, wurden die Mager von sieben Persern unter der Führung des Otanes gestürzt und ermordet. Das Reich wurde in der Folge von Aufständen erschüttert, ehe Dareios (522-486 v. Chr.), der Sohn des Satrapen von Parthien, die Macht ergreifen und die Monarchie restituieren konnte. In Athen hingegen wurde 508/7 v. Chr. unter Kleisthenes die alte Phylenordnung reformiert und mit der Isonomie eine gemäßigte Demokratie institutionalisiert, die auf Rechtsgleichheit und auf der Partizipation aller freien Bürger (männlichen Geschlechts) basierte. 500-494 v. Chr. erfolgte der Ionische Aufstand gegen die Perser, der von Athen unterstützt wurde, aber erfolglos blieb. Sein Scheitern demonstrierte die Überlegenheit des persischen Großkönigs und seiner straffen Herrschaftsorganisation. Anders sah die Lage in den darauf folgenden Perserkriegen (490-479 v. Chr.) aus, in deren Verlauf es den verbündeten griechischen Städten gelang, die gewaltige Übermacht der feindlichen Truppen zu brechen und dem Gegner eine vernichtende Niederlage beizubringen. Die kleinen, autonomen Poleis bewiesen dadurch ihre Überlebensfähigkeit und Überlegenheit.

490 v. Chr. besiegten die Athener unter Führung des Miltiades ein persisches Heer bei Marathon. 480 v. Chr. versuchte Xerxes I. (486-465 v. Chr.) auf dem Landweg die Eroberung Griechenlands. Nach der Bezwingung des Thermopylen-Passes fiel ganz Mittelgriechenland in seine Hände. Athen wurde zerstört. Der Feldzug endete jedoch mit einem Debakel für die Perser. Es gelang den Athenern unter Themistokles, die feindliche Flotte bei Salamis vernichtend zu schlagen (479 v. Chr.). Die persische Landmacht wurde bei Platäa, die restliche persische Flotte bei Mykale besiegt. Athen schloss sich 478/77 v. Chr. mit den griechischen Städten im Attischen Seebund zusammen und wurde alsbald zur führenden Macht in der Ägäis.

Auch innenpolitisch kam es in Athen zu gravierenden Veränderungen. 462 v. Chr. wurde unter Ephialtes der Areopag, der alte Adelsrat, gestürzt und gänzlich entmachtet, sodass sich in Athen eine radikale Demokratie entwickeln konnte, die unter Perikles (462-430 v. Chr.) ihre größten Erfolge feierte und in anderen Poleis demokratische Bewegungen zur Nachahmung inspirierte. 449 v. Chr. wurden die Perserkriege im Kallias-Frieden formell beendet. Die Ruhe währte aber nur wenige Jahre. Die Rücksichtslosigkeit der Athener gegenüber ihren Verbündeten schürte den Konflikt mit Sparta und löste alsbald den Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.) aus. Da Persien 412 v. Chr. aufseiten Spartas intervenierte, war die Niederlage Athens besiegelt und der Niedergang der demokratischen Polis eingeleitet, die schließlich von den Truppen Philipps II. von Makedonien und Alexanders des Großen (338 v. Chr.) unterworfen wurde.

Während der Peloponnesische Krieg den Abstieg der athenischen Polis bewirkte, waren die Perserkriege zum Fanal des Aufstiegs und zum Katalysator der Demokratisierung geworden. Sie provozierten erste theoretische Reflexionen über die Prinzipien und Formen, Regeln und Normen der Politik, die ihren Niederschlag in den Tragödien des Aischylos, den philosophischen Fragmenten der Sophisten sowie im Geschichtswerk von Herodot fanden. Der Aufeinanderprall der beiden antagonistischen Ordnungsformen führte die Relativität und Fragilität der menschlichen Einrichtungen und Gesetze vor Augen und zwang zur Suche nach stabileren Institutionen und moderateren Umgangsformen, die eine dauerhafte Konfliktlösung versprachen. So erinnert Aischylos in den Persern (aufgeführt 472 v. Chr.) an die zahlreichen Toten und führt den siegreichen Griechen das Schicksal ihrer Opfer vor Augen. Er verdeutlicht den Unterschied zwischen westlicher und östlicher Ordnung und erweist beide als gleichermaßen berechtigte Formen der Organisation des menschlichen Zusammenlebens. Während die orientalische Despotie durch bedingungslose Unterwerfung unter den Despoten gekennzeichnet ist, zeichnet sich die Polis aus durch rechenschaftspflichtige Regierung, durch Redefreiheit und durch Mitbestimmung der Bürger (Die Perser, Vers 239-243, 591-595). Nichtsdestoweniger werden die siegreichen Griechen zur Versöhnung mit dem alten Gegner aufgerufen. Indem die Tragödie das große Leid der geschlagenen Perser zum Thema macht, führt sie den Siegern zum einen ihren Triumph vor Augen und weckt zum anderen Verständnis und Empathie für die Unterlegenen. Hellas und Persia werden als „Schwestern eines Stammes“ (Vers 181-189) betrachtet und an ihre gemeinsame Herkunft erinnert. Herrschaft und Freiheit, Despotismus und Politik werden als alternative Formen der Ordnung erwiesen, die gegenseitigen Respekt verdienen und sich nicht länger bekämpfen sollen.

Von ähnlichen Ambitionen wurde Herodot getrieben, der die beiden feindlichen Lager und ihre unterschiedlichen Lebensformen und Traditionen möglichst vorurteilsfrei darzustellen suchte, um so gegenseitiges Verständnis zu wecken. In eindringlichen Studien rekonstruiert er die Entwicklung der Beziehungen zwischen Griechen und Orientalen von den frühesten Anfängen bis zur Vernichtung der persischen Flotte und zur Befreiung Ioniens. In diesem Kontext steht die berühmte „Verfassungsdebatte“ des Textauszuges, in der die Vorzüge und Nachteile der drei möglichen Regierungsformen – Demokratie, Aristokratie/Oligarchie und Monarchie – erstmals in aller Offenheit erörtert werden. Herodot verlegt die Kontroverse nach Persien und datiert sie in die Zeit vor der Machtergreifung des Dareios (522 v. Chr.). Dabei handelt es sich um einen Anachronismus, da seinerzeit auch in Athen, dem Geburtsort der Demokratie, noch keine „Volksherrschaft“ verwirklicht war. Sie wurde erst im Gefolge der Reformen des Kleisthenes (508/7 v. Chr.) auf den Weg gebracht und konnte sich infolge der Entmachtung des Areopags unter Ephialtes (462 v. Chr.) stabilisieren und schließlich in der Zeit des Perikles als direkte Demokratie etablieren, die nach dem Tod des großen „Demagogen“ jedoch von zwielichtigen „Volksführern“ für ihre eigenen Machtinteressen instrumentalisiert und missbraucht wurde. Herodot projiziert demnach athenische Erfahrungen aus der perikleischen und nachperikleischen Zeit nach Persien und in die Frühzeit zurück, wenn er die Stärken und Schwächen der Demokratie erörtert. Er versucht dem Anachronismus-Verdacht vorzubeugen, indem er den einschlägigen Absatz mit den Worten eröffnet, es seien seinerzeit Reden gehalten worden, „die zwar einigen Hellenen unglaublich erscheinen, die aber trotzdem wirklich gehalten wurden“.

Im Gegensatz zur Alleinherrschaft eines Mannes verdiene die Herrschaft des Volkes schon durch ihren Namen, die Gleichberechtigung aller, den Vorzug, lässt Herodot den ersten Redner (Otanes) sagen. „Sie bestimmt die Regierung durchs Los, und diese Regierung ist verantwortlich; alle Beschlüsse werden vor die Volksversammlung gebracht.“ Dagegen rät der zweite (Megabyzos) zur Oligarchie, da es „nichts Unverständigeres und Hochmütigeres [gebe] als die blinde Masse“. „Wir sollten vielmehr einem Ausschuss von Männern des höchsten Adels die Regierung übertragen.“ Der dritte schließlich (Dareios) begründet die Vorzüge der Monarchie mit dem Hinweis auf die immer wieder ausbrechenden Privatfehden in der Oligarchie und auf die zwangsläufig sich einstellende „Schlechtigkeit und Gemeinheit“ des Volkes in der Demokratie.

Diese Überlegungen wurden später von der Politischen Philosophie aufgegriffen und weiter vertieft. Sie fanden ihren klassischen Ausdruck in Platons Dialogen und in der Politik des Aristoteles. Auch sie erörtern ausgiebig die Stärken und Schwächen der einzelnen Regierungsformen und plädieren schließlich für ein Philosophenkönigtum (Platon) bzw. für eine Mischverfassung (Aristoteles), da alle reinen Formen die Gefahr der Entartung in sich bergen.

Auch in der heutigen Demokratiediskussion finden sich die von Herodot kontrastierten Topoi in nur wenig verwandelter Gestalt. Zwar wird in den modernen Gesellschaften des Westens kaum mehr ernsthaft die Rückkehr zur Monarchie gefordert – allenfalls der Ruf nach einem „starken Mann“ und einer Diktatur ertönt –, doch handelt es sich bei den dort etablierten repräsentativen Demokratien um „Mischverfassungen“, wie sie bereits Aristoteles für die antike Polis vorgeschlagen hatte. Umstritten bleibt allerdings, wie die moderne Demokratie zu verstehen und zu praktizieren ist. Können sich die Verfechter einer weitergehenden Demokratisierung von Gesellschaft und Staat zur Untermauerung ihrer Ambitionen auf die Erfolge der antiken Demokratie berufen, so können ihre Gegner mit gleichem Recht auf ihren Missbrauch unter den Nachfolgern und Epigonen des Perikles und auf die schon von Herodot benannte „Schlechtigkeit“, „Dummheit“ und „Unberechenbarkeit“ des Volkes verweisen, die der Einführung plebiszitärer Formen der Demokratie im Wege stehen.

→ Dieser Beitrag ist digital auffindbar unter: DOI https://doi.org/10.46499/1651.2034