Kitabı oku: «Mach dir Umsatz auf!», sayfa 3

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Von wegen heiler Welt!

Als Tom ungefähr ein Jahr bei Fichthoff als Verkaufsfahrer gearbeitet hatte, kam eines Morgens die Seniorchefin Frau Fichthoff auf ihn zu. Er hatte sich gerade auf den Fahrersitz seines Lkw geschwungen und wollte zu seiner üblichen Tour aufbrechen, als sie neben dem Tieflader auftauchte. »Kommen Sie heute Nachmittag bitte mal in mein Büro, Herr Schwarzenberg?«, rief sie zu ihm hinauf. »Klar, gerne!«, antwortete Tom. Er hatte keinen blassen Dunst, was sie von ihm wollte. Ob sie schlechte Nachrichten für ihn hatte? Er wusste nur: dass die Chefin jemand ins Büro beorderte, kam eher selten vor.

Den ganzen Tag über, auf seiner Tour zu den Gaststätten, dachte er immer mal wieder an das bevorstehende Gespräch, und es wurmte ihn, dass er nicht gleich gefragt hatte, um was es ging. Am Nachmittag stellte er den leeren Tieflader in den Hof, und statt wie üblich erst mal zu den anderen zu gehen und sie zu fragen, wie ihr Tag so war, machte er sich auf den Weg in das Büro der Seniorchefin. Ihre Tür stand offen, wie immer. Er klopfte an den Türrahmen, woraufhin Frau Fichthoff an ihrem Schreibtisch den Kopf hob und ihre Brille ins Haar schob. »Ach, Herr Schwarzenberg, da sind Sie ja schon! Kommen Sie ruhig rein«, sagte sie und lächelte ihn an. Tom atmete aus. Er nahm auf einem Stuhl vor Frau Fichthoffs Schreibtisch Platz.

»Sie sind ja nun schon eine Weile bei uns«, begann Frau Fichthoff das Gespräch. »Ja«, sagte Tom. »Und das sehr gerne. Ich mag meine Arbeit hier«, schob er noch hinterher. »Ja, das merken wir alle. Sie machen Ihre Arbeit sehr gut und Sie verstehen sich bestens mit Ihren Kollegen«, sagte Frau Fichthoff. »Wir brauchen allerdings aktuell dringend jemanden, der ein gewisses technisches Verständnis hat und unsere Getränke-Automaten in Firmen betreut. Und zwar sowohl für die Heiß- als auch die Kaltgetränke. Können Sie sich das vorstellen? Sie müssen sich auch nicht sofort entscheiden. Denken Sie ruhig ein paar Tage darüber nach und geben Sie mir dann Bescheid.«

Noch Jahre später sollte Tom immer wieder an dieses Gespräch zurückdenken. Denn es markierte für ihn den Anfang seines Aufstiegs in der deutschen Coca-Cola-Organisation – und war für ihn wichtiger als die Unterzeichnung seines ersten Arbeitsvertrags. Nachdem er das Angebot seiner Seniorchefin angenommen hatte, fuhr er ein knappes Jahr von Kunde zu Kunde, reparierte und bestückte die Getränkeautomaten, die in deren Unternehmen standen. Ende 1992 hatte er ein erneutes Gespräch mit Frau Fichthoff. Daraufhin wechselte er dann in den Verkauf. Das bedeutete für ihn: Mit den Preislisten und einem Karteikasten im Gepäck fuhr er die unterschiedlichen Kunden an und notierte deren Bestellungen auf Karteikarten. Zu Hause übertrug er dann die Bestellungen in spezielle Listen, die sie in der Firma auf DIN-A4-Format ausgedruckt hatten. Diese Listen brachte er schließlich nach Greventrop ins Verkaufsbüro, und dort übertrug Sylvie die Bestellung in die »EDV«, wie betriebliche Computersysteme damals überall noch genannt wurden.

Kurz nach seinem Wechsel in den Verkauf nahm Tom an seiner ersten Verkäufer-Tagung teil. Zwölf Kollegen waren es in seinem Unternehmen. Der Verkaufsleiter hieß Herbert. Er arbeitete schon 30 Jahre bei Fichthoff, hatte sich dort hochgearbeitet, war angesehen bei Kunden und Kollegen. Für Tom wurde er zu einer echten Vaterfigur, von der er viel lernte. Tom konnte sich auch noch Jahre danach an die erste gemeinsame Verkäufersitzung erinnern, die Herbert leitete. »Ich stelle euch jetzt erst mal die Agenda vor« – das waren die Worte, mit denen er die Sitzung eröffnete, während er gleichzeitig versuchte, den Tageslichtprojektor in Gang zu setzen. »Was, bitte, ist denn eine Agenda?«, fragte sich Tom im Stillen. Er kannte bisher nur Agenten, und die auch nur aus dem Kino. James Bond 007 und so. Tom hoffte, dass niemand merken würde, wie ahnungslos er noch war.

Seine Lernkurve war sehr steil in dieser Zeit. In der Runde mit seinen Verkaufskollegen fühlte er sich extrem wohl. Nach Feierabend tranken sie gerne ein Bierchen zusammen, sammelten in einem »Coca-Cola-Club« Geld, um sich zu ihren Geburtstagen immer ein Geschenk machen zu können. Die Partys, die sie feierten, waren legendär. Genau wie zuvor unter den Verkaufsfahrern fühlte sich Tom auch hier wie zu Hause. Sie waren eine Familie.

Das blieb auch so, als das Verkäufer-Team beschloss, das Verkaufsprozedere zu ändern und den Vorverkauf telefonisch abzuwickeln. Sprich: Kein Verkäufer würde mehr mit dem Karteikasten unter dem Arm zum Kunden fahren, dessen Bestellung aufnehmen, händisch in Listen übertragen und ins Verkaufsbüro tragen. Sondern die Verkäufer würden ihre Kunden anrufen und die Bestellung aufnehmen. Für die Kunden war dies eine große Umstellung. Waren sie es doch gewohnt, dass die Verkäufer zu ihnen ins Haus kamen, gemeinsam mit ihnen die Bestände inspizierten und auch gemeinsam mit ihnen überlegten, welche Getränke-Mengen sie nun ordern sollten. Dass dabei auch immer die eine oder andere Gratis-Leistung abfiel, gehörte schon fast zum guten Ton. Von diesen Privilegien mussten sich die Kunden nun verabschieden und sich daran gewöhnen, dass sie die Bestellung telefonisch durchgaben. Auch in den Verkaufsbüros bei Fichthoff änderte sich dadurch einiges. Die Bestellungen liefen schneller durch, denn sie waren weit weniger zeitaufwendig. Die Verkäufer konnten sich mindestens zehn Prozent der bisherigen Arbeitszeit mit den Bestellzetteln sparen, hinzu kam die Fahrtzeit, die sie nun ebenfalls einsparten. Und die Gespräche mit den Kunden liefen wesentlich kürzer ab. Tom hatte zwar den direkten persönlichen Kontakt zu ihnen geliebt, aber er sah auch ein, dass diese umständlichen Prozesse nicht ewig so aufrechterhalten werden konnten. Die Umstellung des Vorverkaufs auf den neuen Prozess wurde ihm übertragen. Er stieg zu Herberts Assistenten auf. Er, der Jahre zuvor als Verkaufsfahrer angefangen hatte. Tom war unglaublich stolz auf sich und das Unternehmen, dem er angehörte.

Es gab jedoch Kunden und auch Kollegen, die überhaupt nicht verstanden, warum der Verkaufsprozess dergestalt geändert wurde – es war doch alles immer rundgelaufen, warum also musste daran herumgeschraubt werden? Tom tat sein Bestes, um allen verständlich zu machen, warum diese Veränderungen nötig waren und welchen Nutzen sie ihnen allen brachten. Die Änderungen am Verkaufsprozess waren jedoch ein Kindergeburtstag gegen die Veränderung, die ihnen im Lauf des Jahres 1998 blühte.

Alles begann damit, dass die Konzernzentrale in Atlanta den Anstoß an die deutschen Konzessionärsgesellschaften gab, sich zu konsolidieren. Das eigenmächtige Wirtschaften der Konzessionäre war Atlanta mittlerweile ein Dorn im Auge, denn es schwächte die Verhandlungsposition gegenüber großen Kunden. 1997 wurde dann die erste große deutsche Konzessionärsgesellschaft gegründet, die Coca-Cola Erfrischungsgetränke GmbH. Toms Seniorchefin, Frau Fichthoff, hatte früh erkannt, dass ihr auf die Dauer nichts anderes übrigbleiben würde, als ihre Konzession und die entsprechenden Stimmrechte abzugeben. Zum 1. August 1998 hatten Tom und seine Kollegen also einen neuen Arbeitgeber. An diesem Tag kam ihre Seniorchefin morgens mit versteinerter Miene ins Büro. Sie begrüßte alle, wie sie das seit beinahe 27 Jahren jeden Morgen getan hatte, und ging in die Buchhaltung, um sich die Kontoauszüge des Tages geben zu lassen.

Statt sich nun aber wie üblich in ihr Büro zurückzuziehen und ihr Tagwerk aufzunehmen, verließ sie wortlos das Haus. Sie verschwand einfach. Und setzte nie wieder einen Fuß in das Firmengebäude. Tom und seine Kollegen standen unter Schock. Die Seniorchefin hatte sich nicht verabschiedet – von keinem von ihnen! Wie schwer musste es ihrer Seniorchefin gefallen sein, das Unternehmen zu verlassen, dass sie zum Abschied nicht einmal ihren langjährigen Mitarbeitern in die Augen sehen konnte. Niemand im Unternehmen wusste, wer nun ihr neuer Vorgesetzter war. Nicht nur die Seniorchefin war weg, sondern auch die ganze obere Führungsetage. Tagelang befanden sie sich in einer Art Vakuum – bis jemand kam, sich als ihr neuer Chef vorstellte und sagte: »Ich bin hier für euch verantwortlich!«

Dann ging alles ganz schnell: Es gab Zusammenschlüsse und Neuverteilungen von Vertriebsgebieten. Die ehemals rivalisierenden Verkaufsgebiete Greventrop und Ahrsee wurden zusammengelegt – und Tom nach Ahrsee beordert. Mit seinem neuen Chef kam er gut klar. Und auch sein neues Büro gefiel ihm gut. Die Kollegen aus dem Verkäufer-Team waren zum größten Teil dieselben wie bei Fichthoff, von daher sah er auch kein Problem. Aber der EDV-Mensch mochte ihn offenbar nicht. Denn anders konnte sich Tom nicht erklären, dass er wochenlang warten musste, bis sein neuer Rechner eingerichtet war und er endlich ungehindert arbeiten konnte. So schnell wurden aus Rivalen dann doch keine neuen Partner. Unter dem Strich dauerte es Jahre, bis die Animositäten aufhörten. Ganz so weit her war es mit der heilen Familie dann vielleicht doch nicht.

Tom blieb noch einige Jahre in seiner Funktion als Assistent des Verkaufsleiters. Zusammen mit einem Vorgesetzten entwickelte er viele neue Ideen und führte das Verkaufsteam auf eine Art und Weise, die schnell bei allen Coca-Cola-Konzessionären und der Muttergesellschaft Aufsehen erregte. Der Erfolg gab ihnen recht. Wovon dieser Erfolg sie jedoch nicht abhielt: die Welt um sich herum gründlich zu vergessen. Und die drehte sich einfach weiter.

Streitigkeiten zwischen den Konzessionären

Das Konzessionärssystem hatte tiefe Wurzeln, die sich so schnell nicht ausreißen ließen. Schon seit den allerersten Jahren des Unternehmens war die Organisation nach diesem System aufgebaut. Damit erreichte The Coca-Cola Company über Jahrzehnte hinweg sein Ziel: schnell viele Menschen auf der ganzen Welt zu erreichen und tatsächlich so gut mit Coca-Cola zu versorgen, dass die braune Brause nie mehr als eine Armeslänge von ihnen entfernt zu kaufen war. Roberto Goizueta, CEO der The Coca-Cola Company von 1980 bis 1997, interpretierte dieses Ziel des Konzerns vielleicht am weitreichendsten von allen CEOs. Unter seiner Führung entwickelte The Coca-Cola Company beispielsweise umfassende technische Innovationen (wie etwa spezielle Füllgeräte und Automaten), die immer mehr und schnellere Produktion beziehungsweise Distribution der braunen Brause erlaubten. Goizueta entschied auch, Kaffee- und Orangenplantagen aufzukaufen, um jederzeit unabhängigen Zugriff auf die Rohstoffe für die diversen Getränke zu haben. So sollte der Coca-Cola-Nachschub für die Konsumenten stets gesichert sein.

Auch in anderen Branchen sind Organisationen nach einem Konzessionärssystem aufgestellt, beispielsweise in der Automobilbranche. Die vielen kleinen Autohäuser, die den Kunden die Autos der großen Marken verkaufen, haben damit unter anderem das Kundenbeziehungsmanagement für die Automobilkonzerne übernommen – mit allen Vor- und Nachteilen. Auch Tchibo folgte eine Zeit lang diesem Prinzip. Dort herrschte ebenfalls das Motto »At arm’s length«. Dies wollte das Unternehmen über Vending erreichen, also den Kaffeeverkauf über Selbstbedienungsautomaten, zu denen Kunden unkomplizierten Zugang haben – beispielsweise in Betrieben oder auf Messen. Diese Automaten sollten von kleinen Operatern bestückt und betreut werden, die den Bestand an Kaffee und Verpackungsmaterial sowie das für die Automatenwartung nötige Werkzeug quasi in ihrer Garage vorhalten konnten und dann mit Servicefahrzeugen zu den Aufstellorten der Automaten fuhren und diese befüllten beziehungsweise warteten. Da das Vending aber sehr hohe Investitionen erfordert – die dafür nötigen Automaten sind teuer –, entschied sich das Unternehmen für eine Kombination aus Vending (in den großen Städten) und dem Vertrieb über Handelsvertretungen im Umland der Städte.

Schwierig am Konzessionärssystem bei The Coca-Cola Company war die Tatsache, dass sich die vielen Konzessionäre untereinander nicht einig waren, welche Preise sie für ihre Produkte nehmen wollten. Das wiederum führte zu einer heiklen Verhandlungsposition – denn die großen Partner, beispielsweise aus dem Lebensmittelhandel, wollten einheitliche Preise für ihre Coca-Cola-Lieferungen bezahlen, egal, ob sie nun bei einem Konzessionär in Südbayern oder in Hamburg die Ware für ihre jeweiligen Filialen kauften. 1998 reagierte zumindest Coca-Cola Deutschland GmbH auf dieses Problem und gründete gemeinsam mit den Konzessionären die Coca-Cola Deutschland Verkauf. Dieses Unternehmen betreute dann nationale Kunden auf nationaler Ebene. Es vereinbarte einheitliche Preise, die alle Kunden bezahlen mussten, egal, mit welchem Konzessionär sie nun Geschäfte machten. Alle Konzessionäre mussten sich nach den festgesetzten Preisen richten. Es setzte ein Hauen und Stechen um den letzten Cent ein – denn die Konzessionäre hatten oft andere Vorstellungen von den festzusetzenden Preisen als die Coca-Cola Deutschland Verkauf. Zudem taten sich die Konzessionäre schwer, ihr konkurrenzorientiertes Denken aufzugeben: »Wie jetzt, wir waren doch immer günstiger als der Konzessionär im Nachbarbezirk, und jetzt laufen wir Gefahr, dass unser Kunde dort kauft, weil die Preise identisch sind und der Konkurrenzbetrieb einfach nur näher am Kunden liegt?« Diese Uneinigkeiten der meist inhabergeführten Konzessionärsunternehmen und die spezielle Marktsituation in Deutschland – wie beispielsweise der zentral organisierte Einkauf von großen Handelsketten – waren dann schlussendlich auch die Ursache dafür, dass Atlanta später entschied, zumindest in Deutschland das Konzessionärssystem zu beenden. In Deutschland gibt es heute nur noch ein einziges Unternehmen, das die Rechte zu Produktion und Vertrieb von Coca-Cola-Produkten hat: die Coca-Cola European Partners Deutschland GmbH. In den USA gibt es dagegen noch 58 Prozent mittelständische Konzessionäre.

Die Frage, ob eine Organisation besser zentral oder dezentral aufgestellt sein soll, konnte auch die Coca-Cola-Organisation in Deutschland lange nicht für sich beantworten. Heute lautet die Antwort auf diese Frage: Es kommt darauf an. In dem Moment, in dem die eigene Konzessionärsstruktur nicht mehr zur Struktur der eigenen Kunden passte, wurde es schwierig. Das heißt konkret: Wenn die eigenen Kunden ihre Organisation zentralisieren, muss der Lieferant dies auch tun, sofern er Lieferant bleiben möchte. Hier ein Diener zweier Herren zu sein, ist schwierig bis unmöglich. Ein Unternehmen kann schlecht nach innen dezentral organisiert sein und nach außen zentral auftreten. Deshalb hat die Konzernmutter auch entschieden, dass Deutschland zentralisiert und das Konzessionärssystem auf einen Konzessionär konzentriert wird. Der deutsche Markt mit den sich konsolidierenden Großabnehmern machte dies nötig. In den USA sind die Marktstrukturen anders, deshalb gibt es dort noch das Konzessionärssystem nach dem alten Muster. The Coca-Cola Company reagiert hier also auf die Marktanforderungen – langsam zwar, aber immerhin.

Merken Sie was? Hier lässt sich bereits ein Muster erkennen, dem Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung beziehungsweise der Plattform-Ökonomie ebenfalls begegnen und das sie in Probleme stürzt: Wenn Anbieter nicht verstehen, dass ihre Kunden den Service und den Komfort der Plattform dem direkten Einkauf beim Anbieter (und damit dem Pipeline-Modell) vorziehen, dann schauen sie in die Röhre. Denn Plattformen wie Airbnb, Google oder Amazon haben sich heute zu wesentlichen Geschäftsmodellen der digitalen Wirtschaft entwickelt. Sie bringen sich als Vermittler ins Spiel, führen beispielsweise Reisende und Wohnungsanbieter zusammen (wie Airbnb) oder Anbieter und Nachfrager von Informationen (wie Google). Eigentlich ganz einfach. Die Konsequenzen für den Markt könnten jedoch drastischer nicht sein:


Die Plattform-Ökonomie verschiebt den Gewinn weg von den Produzenten hin zu den Konsumenten beziehungsweise zu den Plattformbetreibern.

Und das schnell und dauerhaft, denn die Kunden lieben die Plattformen, weil sie sie entlasten, ihnen umfassende Übersicht über bestehende Angebote bieten, ihnen weitere Produkte vorschlagen, die sie gern konsumieren, oder ihnen Zugang zu Angeboten schaffen, den sie sonst nicht gehabt hätten. Der Erfolg der Plattformen spricht Bände: Der Wert der vier großen Plattformen Alphabet (Google), Alibaba, Facebook und Amazon übersteigt den aller Dax30-Unternehmen zusammen – die größtenteils noch nach dem Pipeline-Modell wirtschaften. Die deutschen Unternehmen sind auch hier aktuell noch recht behäbig unterwegs: Eine repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom ergab 2017, dass 62 Prozent der deutschen Geschäftsführer und Vorstände noch nie etwas von den Begriffen Plattform-Ökonomie, Plattform-Märkte oder digitale Plattformen gehört haben. Nur jeder Dritte kennt einen der Begriffe.

Alte und neue Welt verbinden

Verstehen Sie uns bitte nicht falsch – es geht uns hier nicht um Polarisierung: Veränderungsresistenz versus Disruption, alte Werte gegen neue Geschäftsmodelle, familiäre Unternehmenskultur versus Zukunftsfähigkeit, analoge versus digitale Welt. Es geht uns auch nicht darum, die Vergangenheit zu verklären. Ja, keiner weiß, ob unsere Arbeitskraft morgen von Computern ersetzt wird. Aber Angst vor der Zukunft zu schüren ist hier absolut nicht hilfreich. Was wir mit diesem Buch wollen:


Wir zeigen Ihnen, worauf es in Unternehmen ankommt, deren heile Welt aus den Fugen geraten ist. Was können Unternehmen konkret tun, die in einen Prozess der Veränderung schlittern, deren Auslöser sie übersehen haben und deren Auswirkungen sie jahrelang beschäftigen werden?

Denn genau so erging es dem deutschen Coca-Cola-Unternehmen, als seine Welt noch in Ordnung war. Es lebte jahrzehntelang in einer Komfortzone, verlor nach und nach die Wahrnehmung dafür, dass sich die Welt verändert hatte und dass es nicht mehr ausreichen würde, immer genauso weiterzumachen wie bislang. Im Laufe der Bewältigung seiner herausforderndsten Veränderung zeigte die deutsche Coca-Cola-Organisation jedoch, worauf es ankommt: die alte und die neue Welt zusammenzubringen sowie alte Werte mit neuen Geschäftsmodellen zu vereinigen. Gerade in diesen Zeiten, in denen sich alles immer schneller zu drehen scheint, ist es wichtig, alte Tugenden zu pflegen und sich darauf zu besinnen. Wer die Unternehmenskultur opfert, wer die Menschen der (digitalen) Strategie unterordnet, wird definitiv scheitern. Und zwar schneller, als ein Gibbon auf der Flucht den Baum wechselt. »Culture eats strategy for breakfast«, ist eine unserer wichtigsten Erkenntnisse. Die strategischen Vorsätze können noch so stark und ausgetüftelt sein: Wer es nicht schafft, die Kultur und damit die Menschen, die diese Kultur prägen und mit Leben füllen, von dieser Strategie zu überzeugen, wird diese Strategie wieder zu Grabe tragen müssen. Und deshalb erzählen wir hier auch nicht die millionste Geschichte einer Unternehmensläuterung nach dem Strickmuster: Verstaubtes Unternehmen glaubte, dass die Welt in Ordnung sei, erlebte einen Einbruch, wurde von Beratern auf Vordermann gebracht, organisierte alles neu, und wie durch ein Wunder war alles wieder gut. Sondern die Problemsituation zeigt, dass sie nur zu meistern ist, wenn die Verbindung von alt und neu gelingt. Wenn sich das Gute erhalten lässt und transformiert wird, um in einer neuen Weise zukunftsfähig weiterzuleben.

So reagieren Sie auf Bedrohungen von außen

Sicher: Wenn die Dinge richtig gut und rund laufen und Mitarbeiter und Kunden zufrieden sind, fällt es schwer, den Blick zu weiten, die eigenen Schwächen und Fehler in den Fokus zu nehmen und sich zu überlegen: Was müssen wir verändern, damit wir diesen Status halten oder uns gar verbessern können? Ja, Sie haben richtig gelesen: Es geht nicht immer darum, sich weiter zu verbessern, sondern oft ist es auch schon eine große Leistung, den Status quo zu halten. Hier kommen ein paar Tipps dazu, wie Sie den für Veränderungen nötigen »Sense of urgency« schaffen:

• Lassen Sie sich nicht zu sehr von Ihrem Erfolg verwöhnen – ruhen Sie sich nicht auf Ihren Lorbeeren aus. Wer sich zu intensiv in seinem eigenen Glanz sonnt, wird selbstgerecht und träge und übersieht, dass andere ihn von rechts überholen.

• Sensibilisieren Sie Ihren Sinn für politische Begleiterscheinungen. Gesetzliche Rahmenbedingungen können sich beispielsweise sehr schnell zu Ihren Ungunsten verändern und verhindern, dass Sie Ihre Geschäfte wie bisher betreiben.

• Pflegen Sie eine konstruktive Unzufriedenheit: Feiern Sie unbedingt Erfolge, aber suchen Sie gleichzeitig immer nach Potenzialen, Entwicklungsmöglichkeiten und neuen Geschäftsmodellen.

• Überlegen Sie sich: Wie würde ich heute mein Unternehmen gründen, wenn ich noch einmal von vorn anfangen könnte? Mit dieser Überlegung finden Sie schnell neue Denkansätze.

• Stellen Sie sich vor, dass Sie Ihr eigener Wettbewerber sind: Wie würden Sie gegen Ihr Unternehmen agieren?

• Wenn Sie Ihr Unternehmen ruinieren wollten: Was würden Sie tun?

• Machen Sie sich mit dem Konzept des Beyond Budgeting vertraut und prüfen Sie, wie Sie es für Ihr Unternehmen nutzen können. Es hilft Ihnen, den Tunnelblick auf Ihr Unternehmen zu verlassen und eine umfassendere Sicht auf die Dinge zu entwickeln.

• Viele Großkonzerne gehen dazu über, ihre Organisation in kleinere Einheiten aufzuteilen, weil diese sich leichter steuern lassen und sich selbst effizienter und schneller steuern, als mehrschichtige Managementebenen das je könnten. Das versetzt sie in die Lage, auch auf Bedrohungen von außen rascher zu reagieren. »Schnell-boot statt Tanker« lautet die Devise!

Die große Chance der Digitalisierung liegt in unseren Augen noch gar nicht mal in den vielen neuen Geschäftsmodellen, in neuen Technologien oder in der Geschwindigkeit, mit der sich Dinge umsetzen lassen. Die Digitalisierung mit ihren Möglichkeiten zur Prozessautomatisierung und entsprechender Zeitersparnis bietet vielmehr die riesige Chance, sich auf das zu konzentrieren, was nur Menschen können – nämlich zwischenmenschliche Beziehungen zu gestalten, sie zu pflegen und daran zu arbeiten. Denn genau diese sind die Basis für den unternehmerischen Erfolg. Vorrangig vor jedem Geschäftsmodell, jeder Technologie, jedem Digital Sense.

Zwischenmenschliche Beziehungen sind beispielsweise maßgeblich dafür verantwortlich, ob sich Kunden an ein Unternehmen binden oder nicht. Deshalb sollten Aufgaben, die auf irgendeine Art und Weise mit persönlichem Kundenkontakt einhergehen, niemals von Maschinen oder Computern erledigt werden. Haben Sie schon einmal versucht, auf der Website eines großen Versanddienstleisters Ihren direkten Ansprechpartner zu ermitteln, weil Sie einen Nachforschungsauftrag für ein verlorengegangenes Paket loswerden wollen? Viel Vergnügen mit den diversen automatisierten Telefonaten, die Sie genau null weiterbringen geschweige denn Ihr verlorengegangenes Paket wieder zurück zu Ihnen! Sicher, Computer sind wunderbar und die Digitalisierung auch – wenn es beispielsweise darum geht, rationale Analysen vornehmen zu lassen, Prozesse zu automatisieren oder Anbieter und Nachfrager von haushaltsnahen Dienstleistungen zusammenzubringen.


Den direkten Kontakt zum Kunden sollten aber immer Menschen haben.

Dieser Erfolgsfaktor lässt sich auch sehr deutlich an der Entwicklung in Deutschland nachvollziehen: Die Mitarbeiter innerhalb der deutschen Coca-Cola-Unternehmen fühlten sich als Familie – weil sie sich aufeinander und auf das Unternehmen verlassen konnten, weil ihre Jobs sicher waren, weil sie auch in Notlagen aufgefangen wurden, weil sie sich innerhalb des Unternehmens weiterentwickeln konnten. Vor der schwierigen Situation 2003 fehlte jedoch die Effizienz. Da half dann auch der ganze gute Spirit nicht. Danach – so viel sei an dieser Stelle schon verraten – kam die Effizienz. Dafür ging durch all das Optimieren und Digitalisieren das Miteinander verloren. Erst sehr viel später stellte sich Coca-Cola Erfrischungsgetränke AG der Frage: Wie gelingt uns eine Synthese? Wie können sich Menschen wieder mehr mit ihrem Unternehmen identifizieren? Lässt sich so etwas überhaupt erschaffen?

Antworten darauf finden Sie in den nächsten Kapiteln.

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