Kitabı oku: «Bei Ostwind hörten wir die Leute schreien», sayfa 3

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Die Verbrechen
„War Delètre der oberste Gewalthaber im Lager Dormettingen, so war Milan Kovar sein grausamster Büttel, dessen Sadismus keine Grenzen kannte. Delètre hätte wohl die Macht gehabt, ihr Einhalt zu gebieten, aber er machte hiervon keinen Gebrauch. Man unterschied im Lager zwischen den ‚Politischen‘ einerseits und ‚ehemaligen Wehrmachtsangehörigen‘ und ‚Volkssturm‘ sowie ‚Zivilisten‘, die aus nichtigen Gründen eingesperrt worden waren, andererseits. Die Verwaltung (des ‚Schwarzen Lagers‘) richtete sich allein gegen die politisch Verdächtigen.“27
27 Auszug aus dem Urteil gegen Helmer-Sandmann. Möglicherweise ist die Einteilung wirklich an der in französischen Internierungslagern üblichen Kennzeichnung orientiert: P = politischer Häftling, L = Legionär, M = Militär, SS = SS. Das Urteil spricht mehrfach von Soldaten einerseits und Politischen andererseits.
Als dritter Täter kam Franz Helmer-Sandmann hinzu, bei dem diese Kategorien allerdings durcheinandergerieten. Zunächst als Angestellter der DÖLF selbst im Rathaus Schömberg eingesperrt, trug er sich Delètre an, für diesen die Requirierungen um Schömberg herum vorzunehmen. Damit wurden die Verhaftungsfahrten zu Rache- und Raub-Unternehmen. Repräsentanten der DÖLF waren sowohl Opfer als auch Täter und Denunzianten.
Fritz Fortmann ist in fast allen Dokumenten als Verfasser der Liste genannt, die den Siegern übergeben wurde mit den Namen derer, die angeblich oder wirklich durch ihre Vergangenheit im NS-Staat belastet waren. Er war Geschäftsführer der vom „Reichsamt für Wirtschaftsausbau“ Berlin im Oktober 1943 gegründeten Gesellschaft DÖLF bis November 1944, „von da ab als Prokurist“. Er gehörte nach der Niederlage zu denen, „die sich über Nacht bekehren, sich zu jedem Staat bekennen, das sind die Praktischen in der Welt, man könnte sie auch Lumpen nennen.“ Ein Schild mit dieser Aufschrift hing an der Tür eines Zimmers in der Schömberger Wirtschaft „Traube“28: Sein Opportunismus als „ehemals strammer Nazi“ war allen bekannt, aber er sprach Französisch, sodass sich seine Sprachkompetenz als wichtige Hilfe beim „Umsturz“ erwies und ein glimpfliches Davonkommen ermöglichte.
28 Freundliche Mitteilung von E. Z., der Tochter des Wirtes, zum Verfasser. Der Spruch war an einer Tür des Gasthauses, in dem Fortmann verkehrte, angebracht.
Ein anderes Licht auf Fortmann wirft ein „Certificat“, das er für den luxemburgischen Lagerältesten Roger Hofmann bereits am 25.03.1945 kraft seiner Autorität als Chef der DÖLF in französischer Sprache verfasst hatte, eine Gnade, willkürlich und nur einmal erteilt: „Diese ‚Bescheinigung‘ war das einzige Ausweispapier, das Roger Hofmann auf seiner Flucht bei sich trug.“29
29 Der KZ-Häftling Roger Hoffmann konnte am 16.04., dem Tag der Räumung des Lagers Schömberg, mithilfe der Schömbergerin Paula Schwenk fliehen. Allerdings ist beim „Certificat“ der 3. Monat mit einer Vier überdruckt, das wäre der 25.04., und zu diesem Zeitpunkt war R. Hoffmann bereits weg.
Das spätere Opfer der Verbrechen im „Schwarzen Lager“, Philipp Ludwig, war von Juni bis Oktober 1944 Betriebsführer der DÖLF. Franz Helmer-Sandmann hatte mit beiden zu tun, denn er war seit Anfang 1944 Leiter der Transportabteilung des Versuchswerkes. Der Schömberger Polizeimeister Karl Rösch sagte vor dem Amtsgericht Rottweil aus, er habe „den Eindruck (gehabt), dass Helmer darüber verärgert war, dass er im Versuchswerk nicht so zum Zuge gekommen ist, wie er sich das vorgestellt hatte“30. Dadurch, dass sich Helmer Delètre und Kovar anschloss, entging er als Angehöriger aus dem Ölschieferbereich den Misshandlungen. Persönliche Rivalitäten spielten dabei eine erhebliche Rolle, weil Philipp Ludwig sein Vorgesetzter war.
30 Akte des Amtsgerichts Rottweil, Anhörung am 22. Juni 1950 „In der Strafsache gegen Franz Helmer-Sandmann wegen Landfriedensbruch“. Staatsarchiv Sigmaringen Wü 29/2 T 4 Nr. 685.


Ich bestätige, dass Herr Roger Hoffmann, geboren am 17. Mai 1919 in Esch, aus dem Konzentrationslager Natzweiler kommend als politischer Häftling seit dem 2. März 1944 im KZ Schömberg, Württemberg, interniert war. Fritz Fortmann
Helmer-Sandmann „hat sich sehr schnell das Vertrauen Deletres und Kovars erworben. Das zeigt schon die Tatsache, dass sie ihn bei Verhaftungen […] mitnahmen, dass sie ihm auftrugen, die Listen der früheren Parteigenossen auf den Bürgermeisterämtern aufstellen zu lassen, dass sie ihn mit der Vernehmung der Verhafteten betrauten und ihm einige Male sogar die Entscheidung über den Verblieb der Häftlinge im Lager oder ihr Verbringen ins Lager überließen.“31
31 Urteil von 1951 gegen Helmer-Sandmann S. 23. Staatsarchiv Sigmaringen Wü 29/2 T 4 Nr. 685.
Warum Helmer drei ehemalige KZ-Häftlinge, die während der Nazizeit für die DÖLF hatten arbeiten müssen, instrumentalisierte, um den Metzinger Bauunternehmer Kirchhardt, der vorher ebenfalls für die DÖLF in Schömberg verpflichtet worden war, am 16. Mai 1945 nach Dormettingen ins „Schwarze Lager“ verschleppen zu lassen, hängt mit der Schieferölgewinnung insgesamt zusammen. Führungspersonal von „Wüste“-Werken wie z. B. Geise und Tamm von „Wüste“ 9 in Schömberg oder Hübner von der „Kohle-Union-v. Busse“ in Schörzingen wurden verhaftet und eingesperrt. Sogar Angestellte von Fremdfirmen, verpflichtet von der DÖLF, entgingen nicht der Verhaftung: Ernst Frey als Schachtmeister der Bochumer Firma Wahmann, der Werkschutzmann im Ölschieferwerk des Portland Zementwerkes, Hermann König, und Lohnbuchhalter Haase wurden festgenommen. Weitere Angehörige des Zementwerks Rohrbach wurden verhaftet und wieder freigelassen, sodass teilweise Einzelheiten an die Öffentlichkeit gelangen konnten. Vor Gericht nannten der Täter wie die Zeugen als Rechtfertigungsversuche und Gründe das Verhalten und die Position der späteren Opfer während des NS-Regimes.


„Gefährliche Nazis“ sollten aufgespürt werden: Die in den Orten angelegten Listen nannten Namen der Opfer, der Ermordeten wie der später wieder Entlassenen; sie zeigen einerseits die Ranküne der Listenmacher wie andererseits die Willkür der illegalen Machthaber, die sich auf übles Denunziantentum verlassen konnten.
Bei allen Verhafteten ist immer der Bezug zu den Konzentrationslagern Schömberg, Schörzingen, Dautmergen und Dormettingen, aber auch zu den Fremdarbeitern im Zementwerk sichtbar. Es entsteht beinahe der Eindruck, dass nur die „zweite Reihe“ der in NS-Funktionen Verantwortlichen von dem Dormettinger Trio verfolgt und verhaftet worden ist, während wirkliche NS-Täter von der französischen Besatzungsmacht gesucht und gefunden wurden. Als Beispiel kann Walter Telschow dienen, der im „Schwarzen Lager“ Dormettingen noch als Sanitäter auftrat, jedoch im Rastatter Prozess für seine Taten als Kapo im KZ Schörzingen zur Rechenschaft gezogen, zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.32
32 Abdruck im JOURNAL OFFICIEL bei Opfermann, Wüste-Broschüre 1997, S. 113. – Telschow wird auch in der Akte des Kriminalkommissariats Rottweil vom 04.11.1950 genannt. Vgl. Anm. 25.
Die Quellen reichen nicht aus, um das Schicksal aller Opfer des illegalen Lagers in Dormettingen beschreiben zu können, bei manchen ist nur der Name, in mehreren Fällen sogar nur die Nationalität bekannt.
Die Darstellung der Einzelschicksale ist gegliedert nach den Orten, aus denen die Opfer kamen. Sie beginnt mit Schömberg, weil sich dort das Versuchswerk der DÖLF befand, in dem mehrere der späteren Opfer wichtige Funktionen innehatten, und weil zwei NS-Konzentrationslager hier angesiedelt waren.
Schömberg


Belegschaft der Firma Wuhrer und Söhne
Die Brüder Paul und Emil Wuhrer (Jahrgang 1909 und 1910) von der „Metallwarenfabrik Johann Wuhrer u. Söhne KG“ stellten Schrauben in Schömberg her; der Betrieb war als „kriegswichtig“ eingestuft. Er beschäftigte seit April 1944 (einige bereits seit 21.07.1942) 25 ukrainische Frauen, „Ostarbeiterinnen“, die in der Nähe der Fabrik untergebracht waren. Als „Ortspropagandaleiter“ sorgte Paul Wuhrer dafür, dass entsprechende Fotos von schmucken Mädchen in Sommerkleidern gemacht wurden, denen es an nichts zu fehlen schien, waren sie doch, angeworben durch das Deutsche Reich, „freiwillig“ nach Deutschland gekommen. Ewgenia Sinijawskaja, geb. am 26.12 1923, wurde Kindermädchen im Hause Paul Wuhrer; sie war im April 1944 in Schömberg angekommen.


Ewgenia Sinijawskaja
Auf die Gebrüder Wuhrer wurde Delètre aufmerksam gemacht durch Helmer-Sandmann, der als Angestellter der DÖLF wusste, dass KZ-Häftlinge für die Schraubenfabrik abgestellt waren. Als dieser am 16. Mai 1945 mit Delètre „im Kraftwagen durch Schömberg fuhr“, sagte er „ganz unvermittelt“: „Na, die Wuhrers, die Nazis, die müssen genau so klein werden wie vor 1933, die sind im Dritten Reich nur auf Kosten der Schömberger so gross geworden.“ „Delètre fragte darauf: „Wer sind die Wuhrers? Die möchte ich kennen lernen.“ „Am selben Tag wurden die Wuhrers verhaftet.“33
33 Urteil zu Helmer-Sandmann, S. 24. – Nach Auskunft der Tochter E. W.s habe der Vater vom Klima des Denunziantentums den Kindern erzählt: „Die M. hat uns denunziert!“


Ukrainische Frauen in Sommerkleidung




In Dormettingen warf man den Brüdern vor, der eine habe den Ortsgruppenleiter und Bürgermeister von Schömberg bestochen, um nicht einberufen, sondern uk (unabkömmlich) gestellt zu werden, der andere habe die „Russenmädchen schlecht behandelt“.34 Beide wurden bereits bei der Vernehmung mit der Peitsche, später bis zur Unkenntlichkeit geschlagen; Emil sogar von Milan Kovar durch die linke Schulter geschossen,35 wobei die Kugel einen hinter ihm stehenden Häftling am Hals verletzt habe. Die Aussagen der Wuhrers bei der Staatsanwaltschaft Rottweil bereits im Oktober 1947 zu den Straftaten in Dormettingen sind zeitlich näher am Geschehen. Sie beschreiben die eigenen Erfahrungen mit den Tätern vor Gericht. Während die Brüder in Dormettingen eingesperrt gewesen seien, sei Emils Wohnung geplündert worden: „4 Sonntagsanzüge, eine Uhr, zwei goldene Siegelringe, 1200 RM“ seien gestohlen worden, Delètre habe seine, Emils, Anzüge getragen“. Das schauerliche Selektionsritual der Rampe von Auschwitz wurde von Helmer-Sandmann übernommen, der mit dem Daumen entschied „rein ins Lager“ oder „rein ins KZ“, wobei „Lager“ in die Baracken der gefangenen Soldaten bedeutete, „KZ“ ins illegale Lager für die „politischen“ Zivilisten und dort Misshandlungen und Tod ausgesetzt zu sein oder nicht. Die nach ihrem Mann suchende Else Ludwig wollte „Gewissheit haben und war verzweifelt“, als (sie) sah, wie die Brüder Wuhrer „in den drei Tagen körperlich und seelisch zugerichtet worden waren“. Die Ortschronik Erzingen zum Jahr 1952 (!) führt aus, dass Wuhrer andere Mitgefangene habe schlagen müssen, „dass er selbst sich bemüht habe, wenigstens nur auf die Schenkel oder auf die Brust oder auf das Gesäß zu schlagen, während […] Dehne (s. u.) in brutalster Weise die Opfer auf das Gesicht und auf die Geschlechtsteile geschlagen habe“. Beide Brüder sagten aus, sie seien deshalb entlassen worden, weil zurückgekehrte Juden aus dem KZ Dautmergen sich für ihre Freilassung eingesetzt hätten, denn die Eltern Wuhrer hätten diesen geholfen.
34 Aus den Prozessakten zum Verfahren gegen Helmer-Sandmann. Staatsarchiv Sigmaringen Wü 29/Bd. 2 Staatsanwaltschaft Rottweil Nr. 1048, S. 60 ff. – Ortschronik Erzingen von 1952, Blatt 41.
35 Aussage der Tochter, als Kind habe sie ihren Finger in das Loch an der Schulter legen dürfen.


Erklärung der Ukrainerinnen für die Firma Wuhrer vom 29.04.1945
Schon einen Tag nach der Besetzung durch die Franzosen hatte sich die Firma Wuhrer am 21. April 1945 von ukrainischen Arbeiterinnen bescheinigen lassen, dass sie die Frauen „sehr gut gehandelt“ habe, „Verpflegung und Unterkunft“ seien auch gut gewesen. Am 5. Mai 1945 ließen sich die Wuhrers von „entlassenen Häftlingen des Konzentrationslagers Schömberg“ bestätigen, dass sie diesen „in denkbar anständiger Art entgegengekommen“ seien. Die zweisprachigen „Bestätigungen“ sind ebenso von politischen Häftlingen des KZ Dautmergen verfasst: Das Dokument enthält die KZ-Nummern und die Unterschriften von sechs jüdischen Häftlingen, die teilweise dem Transport vom 04.10.1944 aus Stutthof mit Juden aus dem Getto Wilna (vgl. oben S. 9) angehörten: Hirsch Rubinow, Moses Nodel, Isaak Robolewski, J. Katz, L. Kacz und L. Nodel, die „im Auftrage der Oelschiefer GmbH bei der Firma Wuhrer gearbeitet haben“.
Unterzeichnet ist das Dokument von den Franzosen/Lothringern Marcel Klein, der allerdings „Klein Mansuy“ signiert, aus Moussoy b/Saarburg, und Camille Kremer, das den Stempel der Stadt Schömberg trägt. Dies zeigt einerseits die Absicherung der Firma Wuhrer bei nun von Franzosen geführten Behörden, andererseits den auf dem Rathaus Schömberg fast reibungslosen Übergang von der NS-Diktatur zur Besatzungszeit.36 Das handschriftliche, nicht unterzeichnete Dokument einer wohlwollenden Ukrainerin vom 22.05.45 wirbt für die „Meister Emil und Paul Wuhrer als gute Spezialisten“ für „eine genau so gute Behandlung“ in der Ukraine (vgl. Anhang), falls sie dort „eingesetzt“ würden, der Höhepunkt an Vertrauen der bei ihnen eingesetzten „Mädchen“, von denen eine dort „als Dolmetscherin und Helferin“ wirken werde. Die Schrift weist auf jemanden hin, der wahrscheinlich in Westeuropa Deutsch gelernt hat, wiederum auf Marcel Klein, den ehemaligen Häftling des „Bahnhof“-KZ Schömberg, der eine Funktion auf der Schömberger Kommandantur übernommen hatte, mutmaßlich wegen seiner deutschen und französischen Sprachkenntnisse.37
36 Eine damalige Angestellte der Stadt, Maria Bertsch, bestätigte dem Verfasser die Übergabe der städtischen Verwaltung an die Besatzungsmacht, ablesbar am neutralen Stempel der Stadt.
37 „Bestätigungen“ von Dusja Miroschischenko (21.04.), Pascha Telishenko (22.04.), eine „Erklärung der bei der Fa. Wuhrer/Söhne beschäftigten ukrainischen Arbeiterinnen“ (29.04.). „Bestätigung“ vom 5. Mai 1945, unterzeichnet von den Franzosen/Lothringer Mansuy Klein (= Marcel Klein aus Moussoy b/Saarburg), und Camille Kremer. Der Name Marcel Klein ist notiert in der Liste „Verschidden Détailler“ des Schömberger Lagerältesten Roger Hoffmann – Dokumente im Besitz des Verfassers.


Bei der Ermordung von Philipp Ludwig, der zeitweise die Versuchsanlage der DÖLF geleitet hatte, war die ganze Verbrecherclique am Werk. Der Reichsbahnoberrat wurde in seiner Wohnung über der Schreibstube der französischen Sanitätsabteilung im Hause Conrad Eha, dem „Konsum“, verhaftet und nach Dotternhausen zur „Kommandantur“ geschafft. Seine Frau Else suchte Hilfe bei einem Offizier, der jedoch nur bewirken konnte, dass Helmer-Sandmann in seiner Gegenwart in der Wohnung Ludwigs nach dessen Parteibuch suchte, wobei er ein „unverschämtes und zynisches Verhalten gegenüber Frau Ludwig an den Tag legte“. Am Nachmittag des gleichen Tages, des 18. Mai 1945, wurde Ludwig im Lager Dormettingen aus der Baracke „zum Exerzieren“ geschickt, „nachdem er zuvor in der Kommandantur und dann erneut in der Baracke furchtbar geschlagen“ worden war. Helmer-Sandmann stachelte Milan Kovar und die umherstehenden tschechischen Wachmannschaften „in wütendem Ton“ an: „Da habt Ihr den Richtigen erwischt, der ist schuld am Tod vieler KZ-Häftlinge“. „Die Tschechen stürzten sich unter Anführung von Milan Kovars auf Ludwig. Einer der Tschechen schlug ihm mit einer Latte über den Unterleib, sodass Ludwig zusammensackte.“ Daraufhin „schlugen alle gemeinschaftlich mit verschiedenen Gegenständen auf den am Boden Liegenden ein. Als Ludwig kein Lebenszeichen mehr von sich gab, gossen sie Wasser über ihn und schlugen, als er sich darauf noch bewegte, erneut auf ihn ein. Schließlich schoss ihm Milan Kovar mit den Worten: ‚Was, Du Hund, lebst noch?‘ eine Kugel durch den Kopf, worauf Ludwig […] verstarb.“38
38 Urteil zu Helmer-Sandmann S. 14 und 19.
„Den Ausländern und KZ-Häftlingen war Ludwig nie zu nahe getreten, hat sicher nie einen solchen misshandelt oder misshandeln lassen und hatte deshalb von den Ausländern und KZ-Häftlingen nichts zu befürchten.“39 Else Ludwig versuchte vergeblich, etwas über den Tod ihres Mannes zu erfahren, z. B. von den Brüdern Wuhrer, die am 19. Mai aus dem Lager zurückgekommen waren. Sie und ihre Tochter Hannelore gingen zu Delètre, der ihnen auch keine Auskunft gab. Erst sehr viel später brachte ein Bote von der Kommandantur in Dotternhausen die Brieftasche Ludwigs mit der Behauptung, dieser sei „in Paris an Lungen- und Rippenfell-Entzündung sehr erkrankt. Die Diagnose stammte von dem Rentenbescheid, den Ludwig als ‚schwer kriegsbeschädigt‘ bei sich trug.“ Philipp Ludwigs Tochter überliefert weitere Details der Biografie: Ihr Vater sei bis 1943 in Berlin auf dem „Amt für Erfinderförderung“ gewesen, habe sich mit der Entwicklung von Kleinstradios und Röhren für Radar beschäftigt. Über die DÖLF habe er sich mit den „Schlosser-Hohl-Öfen“ auseinandergesetzt, habe als Wärmetechniker eine Verbesserung der Schwelanlage in Schömberg erreichen wollen. „Bis zum Einmarsch der französischen Truppen (hat er sich) nur noch privat mit der Entwicklung eines Ofens für die Herstellung von Schieferöl“ beschäftigt, wie im Urteil zu Helmer-Sandmann zu lesen ist, Verantwortung für den Betrieb habe er nicht mehr gehabt.40
39 Aussage Polizeimeister Rösch am 22.06.1950. Vgl. Anm. 38.
40 Private Aufzeichnungen von Else Ludwig, die 1990 starb, dem Verfasser überlassen von der Tochter Hannelore Pratsch-Ludwig, geb. 27.01.1930, im Jahr 2005 (gest. 2008).
Die Ungewissheit und Camouflage um den Tod ihres Mannes quälte Frau Ludwig bis zu dem Zeitpunkt, an dem er exhumiert wurde, und das geschah erst am 31. Juli 1945.
Der Einzige, der Ludwigs Familie geholfen habe, sei Fritz Fortmann gewesen, der diesen auch nicht auf die „Liste prominenter Parteigenossen, die in Haft zu nehmen wären“41, gesetzt habe. Vielmehr habe er sich „sehr […] gekümmert“, d. h., er fuhr mit der Frau und Tochter Ludwigs zu Delètre, hatte jedoch keinen Erfolg. Dem später verurteilten Helmer-Sandmann habe Fortmann „einmal […] vorgehalten, ob er denn im Schömberg ein neues Katyn errichten wolle. Dem unsauberen Herrn Helmer war die anständige Gesinnung des Herrn Fortmann ein Dorn im Auge.“42 Diese Einschätzungen der Persönlichkeit Fritz Fortmanns stehen im Gegensatz zu vielen anderen, Fortmann spielte hier den Ahnungslosen.
41 Urteil Helmer-Sandmann S. 28.
42 Aussage Else Ludwig am 14.07.1950. – „Zweites Katyn“: „Im April und Mai 1940 wurden mehr als 25000 polnische Staatsangehörige – hauptsächlich Offiziere, aber auch Intellektuelle, Universitätsprofessoren […] von Agenten des NKWD (des sowjetischen Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten) erschossen. Dieses Verbrechen wurde als Massaker von Katyn bekannt.“ In: Victor Zaslavsky, Klassensäuberung. Das Massaker von Katyn; aus dem Italienischen von Rita Seuss. 2007 Berlin, Wagenbach. Einleitung S. 9.
Auch Lothar Blum, ein von der französischen Besatzungsmacht in Schömberg in den Jahren 1945/46 angestellter Dolmetscher, ehemaliger Soldat, erinnerte sich an die Suche Else Ludwigs nach ihrem Mann. Sie bat ihn wegen seiner Französischkenntnisse, mit ihr auf die Kommandantur in Dotternhausen zu gehen, um etwas über ihren Mann in Erfahrung zu bringen. Er schreibt: „Der Chef des ‚schwarzen KZ‘, ein Krimineller, wie sich später herausstellte, lag auf einer Couch in der Villa des Betonwerkbesitzers, brüllte mich an, auch seine Spießgesellen, alle in halbmilitärischer Uniform, brüllten auf mich ein. […] Meine Begleiterin, eine Frau in den Dreißigern (Frau Ludwig), wurde angemacht und rausgeschmissen. Sie war zurückgerannt und als ich sie einholte, zitterte sie am ganzen Körper. […] Den Kommandant nannten sie ‚Leutnant‘. Dann wurde die Gendarmerie Balingen auf das Lager aufmerksam. Man holte mich aus Schömberg, um bei der Verhaftung dieses Gauners dabeizusein.“43 Auf diese verkürzte Weise erinnerte sich Lothar Blum, der Dolmetscher der Franzosen in Schömberg, an die Festnahme Delètres.
43 Lothar Blum, geb. 24.02.1915. „Erinnerungen an meine Zeit als französischer Dolmetscher in Ratshausen und Schömberg seit der Besetzung durch französische Streitkräfte in der Zeit von April/Mai 1945 bis Mai/Juni 1946“. Maschinenschriftlicher Bericht für den Verfasser vom 28.10.1988. Der große zeitliche Abstand zu den Ereignissen ist bei fast allen Erinnerungen problematisch.


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25 mayıs 2021
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