Kitabı oku: «Geschichten der Nebelwelt», sayfa 4
Kapitel 10
Feli erwachte wie gewohnt im Morgengrauen. Die minimale Änderung der Helligkeit in der größtenteils abgeschotteten, aber nicht vollkommen abgedichteten Hütte genügte ihr, um den anbrechenden Tag zu erkennen. Sie kletterte aus der Hängematte, packte diese schnell zusammen und führte Kari hinaus, damit sie wieder trinken und etwas grasen konnte, während Feli sich selbst eilig frisch machte und ein wenig Brot und Käse zum Frühstück verspeiste.
In Gedanken ging Feli bereits die Strecke durch, die sie an diesem Morgen prüfen wollte. Diesmal würde sie zunächst einmal auf die Straße zurückkehren und einige Meilen auf diese Weise hinter sich bringen. An diesem Wegabschnitt gab es tatsächlich keine nennenswerte Abkürzung, mit der sie sich Zeit herausholen konnte. Danach aber würde sie wieder eine Windung nutzen können. Die Straße würde Grünau, ein größeres Dorf passieren, und über dieses hinaus einen ziemlichen Umweg in Richtung Fluss und Brücke nehmen. Sie würde hinter Grünau jedoch eine nur wenigen Menschen bekannte Fuhrt ansteuern, die einzelne Reisende und kleine Gruppen nutzen konnten, die für einen größeren Tross oder gar einer Armee jedoch eine zu hinderliche Engstelle war.
Kari warf ihrer Reiterin einen Blick zu. Sie hatte offensichtlich genug vom Herumstehen. Feli lächelte die Stute an und legte ihr Sattel und Zaumzeug an, um sich dann mit einer schnellen, fließenden Bewegung in den Sattel zu schwingen und aufzubrechen. Die Sonne zeigte sich über den Wipfeln der Bäume und es war hell genug, dass Kari ohne Schwierigkeiten querfeldein über die Wiese preschen konnte, die zwischen der Straße und dem Waldrand lag. Das lange Gras wogte im sanften Morgenwind, und der letzte Tau flog funkelnd durch die Luft, wann immer die Grashalme durch Karis Ansturm zur Seite gepeitscht wurden. Feli sog gierig die frische Morgenluft ein, die sie so liebte. Noch war es kühl, aber darum machte sie sich keine Sorgen. Die Bewegung würde sie und Kari schnell aufwärmen.
Die Straße floss unter Karis Hufen vorbei wie ein Fluss aus Erde und Staub. Felis scharfe Augen sahen deutlich, dass ihr die Begegnung mit dem Heer des Rächerordens noch immer bevorstand. Alles, was der Wind ihr zutrug, waren die Geräusche des Waldes und der Wiese, Vögel und Insekten. In dieser Gegend war nichts zu spüren von der drohenden Gefahr, die irgendwo im Südosten lag.
Grünau war schon bald zu sehen. Gewöhnliche Reisende hätten von der Hütte aus sicherlich einen halben Tag gebraucht, aber Feli reiste schnell und mit leichtem Gepäck. Als sie sich dem Dorf näherte, sah sie bereits die Bauern auf den umliegenden Feldern, und in größerer Entfernung auch die Schafe kleinen Wolken gleich auf den grünen Wiesen. Sie fragte sich, ob das von ihr geschlagene Wolfsrudel sich an einem dieser Tiere gütlich getan hatte, oder ob die Bauern Glück gehabt hatten. Sie hatte keine Zeit, um sich dieser Angelegenheit anzunehmen, und konnte nur auf das Beste hoffen.
Die Straße führte sie schließlich mitten ins Dorf hinein, über den Marktplatz, und weiter nach Osten. Sie musste Kari etwas zügeln, um die vielen Menschen auf den Straßen nicht über den Haufen zu reiten, und ihre Anwesenheit immer wieder mit Ausrufen ankündigen. Der Markttag würde zwar erst am folgenden Tag stattfinden, doch auch an einem gewöhnlichen Tag war in einem Ort dieser Größe einiges auf den Straßen los. Die Handwerker hatten ihre Türen geöffnet und präsentierten die zum Verkauf stehende Ware in der Auslage direkt am Straßenrand. Kinder, die gerade nicht dazu verdonnert waren, im Haushalt oder auf den Feldern auszuhelfen, tobten unter der Sonne im Freien. Sie sah den einen oder anderen streunenden Hund, und Katzen, und auch ein rebellisches Huhn, das wohl vor dem Schlachtblock Reißaus genommen hatte und von einer wütend schreienden Bauernfrau verfolgt wurde. Sie sah Waschfrauen am einem großen Zuber am Brunnen, den einen oder anderen bereits rauchenden Kamin, auf dem wohl bereits das Mittagsmahl gekocht wurde, und auch die bemannten Ausgucke in hölzernen Türmchen entlang des Palisadenzauns, der das Dorf umgab und die Wachsamkeit über das offene Gelände in alle vier Himmelsrichtungen sicherte. Feli war sich sicher, dass diese Befestigung das Dorf in einem richtigen Krieg nicht retten würde, doch vor marodierenden Banditen und Wolfsrudeln bot das einen genügenden Schutz.
Die Dorfleute sahen ihr neugierig nach, doch nicht allzu lange. Es kam nicht oft vor, dass Menschen wie Feli in größter Eile durch Grünau geprescht kamen, aber es war nicht unerhört. Die Gilden waren zwar schon lange in den Hintergrund getreten, und hatten in diesen Landen bei weitem nicht mehr die Präsenz und die Macht wie sie sie in den früheren Tagen ausgeübt hatten, aber das Abzeichen der Waldläufer, das Feli deutlich sichtbar an ihrer Reisegewandung und auch am Sattel und Zaumzeug ihrer Stute trug, war den meisten Leuten noch ein Begriff. Wann immer es notwendig war, Nachrichten schnell zuzustellen, oder bedeutende Personen sicher durch die Wildnis zu geleiten, wandte man sich an ihre Zunft. Damit war diese Gilde in den Köpfen der Leute noch immer präsent, während die obskuren Geistesbegabten und verschiedenen Magierschulen schon längst zum Stoff von Geschichten und Sagen wurden, und die legendären Kampfakademien ebenfalls in Vergessenheit geraten waren. Manche Gilden waren in diesen Landen sogar ganz und gar aufgegangen im Klerus, so wie die Heilkundigen und die Geistesbegabten, die nun oftmals als Dämonenjäger oder Seher zu finden waren. Oder aber sie traten an den Höfen der höchsten Adligen als geschätzte Berater auf, da ihr tadelloses Gedächtnis und ihr herausragendes Denkvermögen sie zu unschätzbaren Verbündeten machten, von den weniger bekannten Fähigkeiten ganz zu schweigen.
Trotz der Verzögerung konnte Feli Grünau bald hinter sich lassen, und spornte Kari abermals an. Sobald sie die das Dorf umgebenden Felder hinter sich ließ, ritt sie wieder querfeldein über die Weidegründe der Kühe und Schafe, und wäre beinahe einem Sturmhauch gleich an ihnen vorbeigeschossen, doch dann kam ihr ein beunruhigender Gedanke in den Sinn und sie zügelte das Pferd neben einem ergrauten Schäfer, der sie unter der Krempe seines großen Schlapphuts aus Filz überrascht und auch etwas erschrocken ansah.
„Keine Angst, es ist nichts passiert,“ rief sie ihm hastig zu. „Ich muss gleich weiter. Ein Heer der Rächer wird bald hier über die Straße ziehen, nach Starogrâd. Warnt die Dorfbewohner vor, damit sie möglichst wenig Scherereien haben. Und haltet eure wertvollsten Tiere zurück, nicht dass man sie zum Schlachten einfordert.“
Sie wartete die Antwort des Mannes nicht ab und trieb Kari wieder zur Eile an. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihr, dass der alte Schäfer einen der jüngeren Burschen zu sich gerufen hatte und ihm wohl wild gestikulierend die Anweisung gab, ins Dorf zu laufen. Feli hoffte, dass sie den Menschen im Dorf mit dieser Vorwarnung einen Gefallen getan hatte. Auch wenn die Truppen der Rächer sich in vielerlei Hinsicht deutlich disziplinierter und zivilisierter benahmen als die Söldnerheere der Adligen, so nahmen sie sich zumindest in Bezug auf die Versorgung der Soldaten durchaus gewisse Freiheiten heraus, was das Eigentum anderer Leute betraf. Der Klerus und seine Armeen hatten schon immer ihre Sonderrechte. Also war es besser, wenn die besten Tiere, insbesondere die für die Zucht, dem Heer gar nicht erst ins Blickfeld fallen würden, ebenso wie das gelagerte Saatgut. Alles andere ließe sich verschmerzen. Die Zeit der Kälte war zwar wie immer grausam gewesen, aber das Jahr zuvor hatte sich als fruchtbar erwiesen, so dass die Menschen ein paar Verluste verkraften können würden.
Feli war inzwischen an dem kleinen Weg angekommen, den Jäger in dieser Gegend nutzten, um schnell durch die Wälder zur Fuhrt zu gelangen. Sie ließ ihre Stute so schnell vorwärts reiten wie es unter dem Blätterdach möglich war, und wandte ihre Sinne ganz und gar der Umgebung zu. Mit Raubtieren würde sie vermutlich keine großen Schwierigkeiten bekommen, aber sie wollte nicht unerwartet auf einen Trupp Wegelagerer stoßen, die solche versteckten Wege auch gern nutzten, um schnell zwischen verschiedenen Abschnitten der großen Straße zu reisen und einem ausgekundschafteten Ziel einen Hinterhalt bereiten zu können. Diesen Leuten wollte Feli nicht in die Arme laufen. Auch wenn sie den meisten Banditen durch ihre Kampfausbildung, Bewaffnung und Erfahrung überlegen war, gegen eine Überzahl mitten im Wald zu kämpfen war eine riskante Angelegenheit. Sie wollte lieber vorgewarnt sein, und selbst das Überraschungsmoment nutzen können, um so viele Gegner wie möglich mit ihrem Bogen niederzustrecken, bevor sie in den Nahkampf musste. Sie wollte Kari um keinen Preis der Gefahr aussetzen, verletzt oder gar abgestochen zu werden, nur um dann als Mahlzeit zu enden, weil solche Leute den Wert eines derart edlen Tiers nicht erkennen würden. Und wenn die Räuber halbwegs bei Verstand wären, dann würden sie zuerst versuchen, das Pferd niederzustrecken, bevor sie sich an die Reiterin machen. Dieses Szenario wollte Feli unbedingt vermeiden.
Ihre Ohren vernahmen den Ruf eines Falken weit über ihr. Feli lächelte leicht und deutete Kari, anzuhalten. Wenig später stand die Stute still und gab bis auf ein leises Schnauben kein Geräusch von sich. Feli hob ihr Gesicht 'gen Himmel und sah einen winzigen Schemen weit oben durch die wenigen Lücken zwischen den sich im Wind bewegenden Ästen, die über dem Weg nicht so dicht zusammenschlugen wie drum herum. Feli fixierte die geflügelte Gestalt mit ihrem Blick so gut sie konnte, und breitete langsam die Arme auf Schulterhöhe aus, streckte die Finger aus, und sog tief die Luft in die Lungen, während sie ihren Willen auf den Vogel weit über sich konzentrierte. Die Kunst, mit dem Bewusstsein eines Tiers zu verschmelzen, war keine einfache und forderte Kraft, aber es war die beste Möglichkeit, sich einen schnellen Überblick über die nahe Umgebung zu verschaffen. Und falls das Heer der Rächer bereits in der Nähe war, würde sie diese ebenfalls erblicken und sich auf den Rückweg machen können.
Feli spürte, wie ihr Bewusstsein immer leichter wurde und ihr Körper wie gelähmt in seiner Haltung gefror und sich taub anzufühlen begann. Sie streckte sich nach oben, dem Himmel und der Sonne entgegen und spürte dann auf einmal das Federkleid um sich herum, die kräftigen Flügel, die sie im Wind trugen und ließ einen Freudenjauchzer los aus der Falkenkehle, die nun für kurze Zeit die ihre war. Sie sah, wie die Welt sich meilenweit in jede Richtung erstreckte, sah Grünau und die Herden der Tiere, sah den Wald und den kleinen Pfad zwischen den Bäumen, der Richtung Fluss führte und auf dem außer einer einsamen Gestalt auf einem Pferd keine Menschenseele zu erblicken war. Und als ihr Blick dem Fluss folgte, da sah sie auch den Staub, den eine große Menschenmenge aufwirbelte. Ihr Inneres zog sich zusammen, weil sie nur selten so viele Menschen auf einmal sah, und noch nie so viele Bewaffnete auf einmal erblickt hatte. Beinahe hatte sie die Fassung und ihre Verbindung zu den Sinnen des Vogels verloren. Doch sie hatte sich schnell wieder im Griff und wandte ihre Aufmerksamkeit ganz und gar dem riesigen Trupp zu, der sich vergleichsweise langsam, aber unaufhaltsam in Richtung der großen Brücke bewegte.
Feli wusste, dass die Truppen des Klerus vom Brückenzoll befreit waren und daher nur insofern von der Brücke aufgehalten werden würden, als dass sie diese nicht so dicht gepackt passieren konnten, wie sie es auf der Straße taten. Sie wollte dennoch so wenig Zeit wie möglich verlieren. Wenn sie die Lage richtig einschätzte, dann hatte Starogrâd noch bestenfalls drei Tage. Wenn sie gleich umkehren und alle Abkürzungen nutzen würde, die sich ihr boten, dann könnte sie in der Nacht in die Stadt zurückkehren und den Richter in Kenntnis der Truppenstärke und Ankunftszeit setzen. Und dann wollte sie sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen, vielleicht tatsächlich zusammen mit der jungen Gattin des wohlbetuchten Händlers, die ihre Mutter besuchen wollte und womöglich noch nicht aufgebrochen war. Feli hatte nichts übrig für die Rächer, auch wenn sie regelmäßig zur Heiligen Familie betete und einen Teil ihrer Bezahlung stets der Mutter und dem Mittler spendete.
Die scharfen Falkenaugen erkannten allen voran fünfzig Berittene. Die Hälfte von ihnen waren schwer gerüstete Ritter mit deutlich sichtbaren Symbolen des Glaubens an ihren Wappenröcken, Schilden, und den Pferdedecken. Die andere Hälfte trug robuste Reisegewandung, auf der jedoch ebenfalls deutlich die Kirchensymbolik zu erkennen war, und hatten jeder einiges an Schriftrollen und Folianten im Gepäck. Eine ungewohnte, strenge Kälte ging von diesen Männern aus, während die Ritter eine faszinierende und ehrfurchtgebietende Aura umgab, ein Glanz, dem man sich besser nicht näherte. Einer der weniger schwer gerüsteten Kleriker, der von allen der älteste zu sein schien, war etwas aufwändiger gekleidet und hatte einen Bannerträger des Klerus neben sich auf einem einfachen Pferd, ebenso einer der Ritter, der der Gruppe voran ritt.
Diesen Männern folgten weitere Berittene, die weniger schwer gerüstet waren und sowohl mit Bögen, als auch mit Nahkampfwaffen ausgestattet waren, Lanzen und Speere, die sich vom Pferd aus nutzen ließen. Ihre Rüstungen erlaubten eine größere Beweglichkeit und Feli glaubte zu erahnen, dass diese Truppen nicht zuletzt dazu eingesetzt wurden, um fliehende Gegner einholen oder mit Beschuss niederstrecken zu können. Sie zählte insgesamt an die Tausend Berittene. Diesen folgte eine halb so große Zahl an Bogenschützen, und den Rest bildeten einfache Fußtruppen, die ebenso zahlreich waren wie die Reiter. Den Abschluss bildete der Versorgungstross, der neben Proviant und Zelten noch andere Dinge transportierte.
Feli spürte wieder, wie sich ihr Inneres zusammenzog, und sie die Verbindung zum Falken verlor. Innerhalb eines Augenblicks stürzte ihr Bewusstsein zurück zu Boden, fuhr wieder in ihren tauben Körper, dessen Arme eingeschlafen waren und sich nur mühsam bewegen ließen. Feli strengte sich an, bis sie schließlich das grässliche Kribbeln spürte, erst in den Fingerspitzen und dann immer weiter über die Arme hin zum Körper. Viel zu langsam ließ die Lähmung nach, aber das tat sie. Feli war sich sicher, dass die Truppen der Rächer auch Werkzeug und Teile von Belagerungsmaschinen mit sich führten. Sie hoffte, dass diese dazu gedacht waren, das befestigte, verseuchte Kloster anzugehen, und nicht die Stadt. Dem Richter würde die Nachricht so oder so bestimmt nicht gefallen.
Feli atmete tief durch, schüttelte ihre Arme nochmals kräftig durch, streckte ihren Körper und die Gliedmaßen im Sattel und reichte Kari noch eine Möhre, während sie ihr leise zusprach: „So, mein Mädchen, heute müssen wir uns sputen. Du wirst mich sicher nicht im Stich lassen, stimmt's?“
Die Stute nickte leicht mit dem Kopf und schnaubte leise zur Antwort. Feli lächelte, streichelte dem Tier über den Hals und gab ihr den Befehl zu wenden. Dann nahm sie den Weg zurück durch den Wald, am Waldrand entlang, um dann abermals unter das Baumdach zu tauchen. Den Weg, den sie nun nahm, nutzten nur noch die Waldläufer. Jedem anderen wäre er versperrt gewesen. Feli fühlte sich zwar schon ein wenig ermüdet durch die Übernahme des Falken, doch sie war sich sicher, dass ihre Geisteskraft bis zur Rückkehr nach Starogrâd nicht versagen würde.
Diesen Pfad durch die Wälder hatten die legendären Waldläufer der früheren Zeiten angelegt, als die Welt noch voller Wunder und noch viel mehr Gefahren war als in diesen Zeiten. Damals, vor Jahrhunderten, als die Menschen noch an eine fünfgestaltete Göttin glaubten und nicht an die Heilige Familie, den Einen oder die Tausend. Damals, als die Welt noch heil war, und nicht zerrissen durch Kriege und Hass und nicht durch die Verderbnis dem Untergang geweiht, wann auch immer er kommen würde. Feli trieb ihre Stute zur höchsten Leistung an und das Tier ließ sich von ihrer brennenden Entschlossenheit anstacheln, so viel mehr als Sporen und Gerten es je zu tun vermochten. Die dicht wachsenden Bäume und Sträucher des Waldes wichen vor ihnen und gaben einen schmalen Weg frei. Nicht ein winziger Zweig und nicht ein Blatt berührte Felis Haut oder das Fell der Stute. Und kaum preschte sie durch, schloss sich die Vegetation wieder, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Feli hörte die Bäume raunen und das Flüstern der Blätter um sie herum und spürte die Gänsehaut auf ihrem ganzen Körper. Sie wünsche, sie hätte jemals die Zeit gehabt, diese Sprache zu erlernen, die den Feen, den Elweni eigen war. Sie kannte nur die wenigen Wörter, die ihr Lehrmeister ihr auf den Reisen beigebracht hatte, bevor sie ihrer eigenen Wege ging. Sie wusste, was sie denken und fühlen, was sie flüstern oder brüllen musste, sie kannte den Sinn der Worte, doch richtig sprechen konnte sie nicht. Und so blieb das Wispern im Wind ein Geheimnis für sie, wie so oft. Ein Geheimnis, das vermutlich für immer verloren war, wie die Feen, die den Menschen den Rücken gekehrt haben wegen all dem Schmerz, den sie erleiden mussten, und dezimiert durch die Seuche Mansum, die der Fluch dieses Volkes war. Feli hatte manchmal die Ruinen ihrer Siedlungen gesehen, manchmal inmitten der Wälder an Orten, von denen Menschen aus einem alten Aberglauben heraus sich fernhielten, manchmal inmitten von Städten, die Menschen an Plätzen im ehemaligen Feenreich errichtet hatten. Selbst im schlimmsten Verfall war noch die Schönheit und die Makellosigkeit in ihnen zu erkennen, die den Orten früher innegewohnt hatten, selbst dort, wo die groben Hände der Menschen so vieles zerbrochen und verunstaltet hatten. Spuren und Erinnerungen, mehr war ihnen nicht geblieben von diesem alten Volk, das einst Seite an Seite mit den Menschen gelebt und ihnen so vieles beigebracht hatte.
Die Sonne zog über Felis Kopf ihre Bahn über den Himmel, während die Reiterin sich unaufhaltsam ihrem Ziel näherte. Sie spürte, dass ihre Kraft sie nach und nach verließ, hatte ihr Ziel jedoch noch immer klar und deutlich vor Augen und schoss durch den Wald wie ein Fisch durch das Wasser, wie ein Vogel durch die Lüfte. Die Finsternis begann sich erneut über die Welt zu senken, und die Monde erschienen am Himmel. Der große, finstere Feuermond und der mächtig strahlende Chaosmond dominierten noch immer die Konstellation, die sich zu ändern weigerte und die schwachen, hellen Aspekte des Wassers, des Äthers und der Ordnung in den Hintergrund drängte, als wären die Himmelskörper nicht bereit, den Menschen Gnade zu erweisen.
Es war völlig finster geworden, als Feli endlich auf die Straße hinausschoss, und die Stadt nur noch wenige Meilen entfernt vor ihr lag. Sie spürte die bleierne Müdigkeit in ihren Gliedern und den dumpfen Schleier, der sich immer über ihr Bewusstsein legte, wenn sie sich den ganzen Tag über so verausgabte. Den Trick würde sie in den kommenden Tagen sicherlich nicht wiederholen können. Umso wichtiger war es, dass sie dem Richter schnell Bericht erstatten und sich dann zur Ruhe zurückziehen konnte. Sie griff nach ihrer Satteltasche und gab Kari einen Apfel, während sie sich selbst eine Honigpastille in den Mund schob, die mit einem Hauch Minze und etwas scharfem Ingwer versetzt war, ihren Atem erfrischte und ihre Sinne wieder anregte. Dann nahm sie einen tiefen Schluck aus ihrem Wasserschlauch, sprach ihrer Stute noch etwas Mut zu und wenige Augenblicke später eilten Reiterin und Reittier weiter zur Stadt.
Kapitel 11
Da das Anwesen der Familie Eisenmeister ein gutes Stück vom Hauptquartier der Stadtwache entfernt lag, und das Anwesen der Waldherrn wiederum in einiger Entfernung dazu, beschloss der Richter, dass er sich besser eines der Pferde aus den Stallungen der Stadtwache ausleihen sollte. Von Standeswegen stünde ihm sogar eine einfache Kutsche zu, doch um die zu besorgen hatte er keine Zeit. Zudem kamen Kutschen und Fuhrwerke in der Stadt deutlich langsamer voran als Reiter, selbst beim einfachsten Gespann. Wenn man bequemer unterwegs sein wollte, dann wäre eine Kutsche sicherlich das Mittel der Wahl. Er aber wollte lediglich die knappe, verbleibende Zeit des Tages nicht mehr mit Laufen verschwenden. Die Pferde der Stadtwache waren stets dazu bereit, gesattelt zu werden, und so war er wenig später in einem deutlich höheren Tempo unterwegs als zuvor. Hätte er nicht so eine Abneigung gegen die Tiere gehabt, hätte er vermutlich sogar ein eigenes Ross, das er sein eigen nennen konnte. Aber so bediente er sich lieber ab und zu eines fremden Rosses und hatte ansonsten keine Schwierigkeiten mit den oft widerspenstigen, stinkenden, manchmal sogar beißenden Tieren, vor deren Hinterläufen man sich genauso in Acht nehmen musste wie vor dem Maul.
Als er das Anwesen der Eisenmeister erreichte, hörte er die Kirchturmuhr schlagen, und seufzte erleichtert. Ihm blieben noch drei Stunden Zeit für seine Unterredungen und damit die Möglichkeit, am Abend noch die Botenjungen auszusenden, sollte es notwendig sein. Was aber noch viel wichtiger war – er war pünktlich zur vereinbarten Zeit eingetroffen, und ihm blieb noch eine Stunde bis Frau Eisenmeister sich zum Nachmittagsgebet zurückziehen würde. Die meisten Leute hatten gar keine Zeit, jeden Tag alle fünf Gebete einzuhalten, schon gar nicht das zur Mitternacht, und verließen sich darauf, dass der Klerus diese an ihrer statt leisteten, so dass sie nur einmal am Tag die Gedanken an die Heilige Familie richten mussten. Frau Eisenmeister nahm sich jedoch diese Zeit, komme was da wolle. Seitdem ihr Gemahl von einer schweren Krankheit dahingerafft worden war, gegen die selbst die besten Heilerinnen unter den Schwestern der Trauer machtlos waren, wurde sie zu einem geradezu unerträglichen Vorbild für die religiöse Tugend. Sie hatte sich wohl mehr als einmal dazu geäußert, dass ihr verstorbener Gemahl ihrer Ansicht nach ein zu lasterhaftes Leben geführt hatte, und darum keine Rettung finden konnte. Deswegen war er schon vor dem hohen Alter abberufen worden, um im Jenseits Buße zu tun, bevor er ins Himmelreich durfte. Karl war sich nicht sicher, ob diese Behauptung im Einklang mit den Lehren der Kirche war, aber offensichtlich wollte niemand, nicht einmal der Große Bruder, der durchaus mächtigen und ganz und gar überzeugten Frau Eisenmeister Widerworte geben. Ihre großzügigen Spenden an die Kirche und auch an das Waisenhaus und Hospital waren sicherlich auch ein Grund, warum sie nicht behelligt wurde. Damit hatte Karl wiederum keine Schwierigkeiten. Die Versorgung der Kranken half der Stadt ebenso wie die sichere Unterbringung der Waisenkinder, die ansonsten womöglich auf die schiefe Bahn in dem weniger vom Glück begünstigten Stadtviertel geraten könnten.
So oder so, Frau Eisenmeister konnte es kaum erwarten, bis die angekündigten Vertreter des Richterordens eintreffen würden, und es oblag Karl, sie auf dem Laufenden zu halten, ganz egal, welche Meinung er zu ihrer Person hatte. Also ritt er auf das Anwesen, ließ das Pferd versorgen, solange er in der Besprechung war, und begab sich ohne Umschweife in den Arbeitsraum von Frau Eisenmeister, von wo aus sie wie eine Bienenkönigin die verschiedenen Eisenhandwerksbetriebe überwachte und auch über die Ausbeute der im Besitz der Familie befindlichen Bergwerke so gut wie möglich auf dem Laufenden war. Der Richter kannte sich so gut in den öffentlichen Räumlichkeiten des Anwesens aus, dass er den Weg auch in völliger Finsternis gefunden hätte – doch Frau Eisenmeister bestand darauf, dass alle Besucher von einem der Bediensteten begleitet und dann auch angekündigt werden sollten, und sie machte niemals eine Ausnahme.
Und so ließ der Richter sich von einem der männlichen Dienstboten durch die Gänge geleiten, die natürlich tadellos sauber und perfekt aufgeräumt waren. Jedes Mal drängte sich ihm das Gefühl auf, dass er sich gar nicht in einem Haus befand, wo Menschen lebten, sondern in einem Ausstellungsstück, wenn nicht gar einem Mausoleum. Doch an diesem Tag war etwas anders als sonst. Eine merkwürdige Stimmung lag in der Luft, und der Hauch eines Geruchs, den er einfach nicht zuordnen konnte, kitzelte unablässig seine Nase. Es war eine Spur, die sich nicht greifen ließ, etwas, das er auf gar keinen Fall mit dem Anwesen der Familie Eisenmeister in Verbindung brachte. Was ihn aber noch viel mehr irritierte, war das helle Kichern von Frauen, das er immer wieder hörte, sobald sich sein Weg mit einem anderen Gang kreuzte. Es war ein entferntes Kichern, mit ziemlicher Sicherheit nicht auf ihn bezogen, aber es bereitete ihm dennoch Unbehagen. Das war auch etwas, das er auf gar keinen Fall mit dem Anwesen der Eisenmeister in Verbindung brachte. Seit dem Tod des Hausherren wurde dort nicht gekichert.
Der Richter straffte sich etwas, und bemühte sich, die Fassung zu wahren. Er hielt den Blick nach vorne gerichtet und versuchte, das Echo des Kicherns zu ignorieren, in das sich nun auch noch eine junge Männer- oder Knabenstimme mischte. Er späte vorsichtig aus dem Augenwinkel zu dem Bediensteten, der nicht von seiner Seite wich und sein Auge zuckte sofort zurück, weil der Mann anscheinend immer wieder verstohlen zu ihm sah – und Karl trotz seiner Menschenkenntnis nicht sagen konnte, was diese Blicke zu bedeuten hatten. So widersprüchliche Zeichen von Demut und Beherrschtheit einerseits und Aufmüpfigkeit und Zügellosigkeit andererseits hatte er noch nie im Leben gesehen. Es war geradezu verrückt.
Da lief es ihm eiskalt den Rücken runter, und er griff etwas fester nach der Lederrolle, in der er die Abschriften seiner Aufstellung von Versorgungsgütern und Übernachtungsmöglichkeiten für die hochrangigen Mitglieder des Rächerordens für Frau Eisenmeister mit sich trug. Es gab natürlich eine Erklärung, was in diesem Haus los sein konnte. Er hätte nur nicht erwartet, dass sich die dämonische Verderbnis ausgerechnet hier ausbreiten würde. Doch vielleicht war er einfach nur mit seinen Nerven am Ende und sah überall Gespenster. Auch wenn er inzwischen ganz genau wusste, was das für ein Geruch war, der durch das Haus geisterte, er weigerte sich zu glauben, dass alles verloren war.
Mit diesem Gedanken blieb er in gewohnter Entfernung vor der Tür stehen, damit der Diener ihn ankündigen konnte. Das geschah wohl etwas abrupt, weil der Diener offensichtlich vor hatte, ihn am Oberarm zu berühren und damit zum Halten zu bewegen, doch nun fuhr dessen Hand durch leere Luft. Der Mann grinste verlegen als Antwort auf Karls empörten Blick. Zum einen hatte ihn keiner der Bediensteten ohne eine Aufforderung oder einen gesundheitlichen Notfall anzufassen, und zum anderen hätten sie es auch niemals gewagt. Der Diener sah zu Boden, straffte sich dann aber, und öffnete die beiden Flügel der Tür in der perfekt einstudierten Bewegung, so dass die merkwürdige Entgleisung nicht mehr zu erahnen war.
„Richter Karl zum verabredeten Treffen, Frau Eisenmeister“, verkündete der Diener in einem ganz und gar neutralen Tonfall.
„Herein!“, kam die gebieterische Antwort der mittelhohen Stimme.
Der Diener ließ den Richter eintreten und schloss hinter ihm die Tür. Karl stellten sich für einen Moment die Nackenhaare auf, als er hörte, wie der Diener betont laut die Luft in die Nase einsog, als der Richter an ihm vorbeiging. Dann schloss er die Tür und verblieb draußen. Karl wusste, dass der Mann nun so lange ausharren musste, bis die Besprechung beendet war, um ihn wieder hinaus zu geleiten. Karl wünschte sich, er könnte wenigstens einmal eine Ausnahme von der Regel erhalten und allein hinaus spazieren. Obwohl er selbst ein korrekter und pflichtbewusster Mensch war, konnte er dieses Haus nicht leiden, und nun mit der drohenden Gefahr der dämonischen Verderbnis im Hinterkopf war alles nur noch schlimmer geworden.
Der Richter verbeugte sich tief, als er in gebührendem Abstand zu Frau Eisenmeister stehen blieb: „Ich grüße Euch, Stadtherrin Eisenmeister.“
Plötzlich schoss es ihm durch den Kopf, wie absurd dieser Titel war, gab es doch eigentlich das zum Herren passende Wort Frau. Dann fragte er sich, warum er ausgerechnet jetzt einen so verrückten Gedanken hatte. Dann wurde ihm wieder kalt, weil er sich fragte, ob er nicht womöglich selbst von der Verderbnis und dem Wahnsinn betroffen war und es nur noch nicht wahrhaben wollte. All das raste ihm innerhalb eines Augenblicks durch den Kopf. Er verbarg den Tumult in seinem Inneren hinter einem höflichen, formellen Lächeln. Frau Eisenmeister erwiderte es mit einer ebenso leeren Maske der Höflichkeit. Mit einem mulmigen Gefühl bemerkte Karl, dass hinter ihren blass-blauen Augen etwas lauerte, das früher nicht da war, und das sie genauso zu verbergen versuchte, wie er das Chaos in seinen Gedanken.
Bis auf den merkwürdigen Ausdruck in ihren Augen sah Frau Eisenmeister genauso aus wie er erwartet hatte. Sie war eine hagere Frau Ende Fünfzig, die ihr inzwischen mehr graues denn blondes Haar zu einer streng gebundenen Frisur unter einem schwarzen Schleier trug, und deren Gesicht ein dichtes Netz aus Fältchen überspannte, deren Mundwinkel stets nach unten zeigten und insbesondere die Falten, die beim Stirnrunzeln entstanden, waren stärker ausgeprägt. Sie trug eines ihrer strengen, hochgeschlossenen Kleider, die mehr an die Schwesterntracht erinnerten als an die opulente, kostspielige Mode, die von den Stadtherren und ihren Frauen überall in den Städten des Kritenreiches getragen wurde, die zugleich Reichtum und Macht zur Schau stellen sollte. Frau Eisenmeister trug auch fast keinen Schmuck; nur vom Ehering wollte sie sich nicht trennen, und natürlich auch nicht vom Siegelring der Familie, den sie erst mit ihrem letzten Atemhauch an ihren Erben weitergeben würde. Deswegen versuchte dieser den Gerüchten nach seinen Frust über die Sturheit seiner Mutter irgendwo im fernen, lasterhaften Kôsian mit Wein und amüsanter Gesellschaft zu vergessen.
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