Kitabı oku: «Unsichtbare Architektur», sayfa 4

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Abbildung 15: Lichtensteg 2/Rotgasse, Mosaik

Eine weitere rasch und günstig durchführbare Maßnahme zur Überformung des Stadtraums war das Anbringen von zeichenhafter Kunst-am-Bau. Hier fand die austrofaschistische Geschichts- und Vergangenheitsfixierung, die aktuelle Identität durch ideologisch günstige Geschichtsbezüge vermitteln wollte, ein weites Betätigungsfeld in einer langen Reihe von Kleindenkmälern, Haus- und Straßenzeichen, Figuren und Brunnen. „Künstlerische Denkzeichen zur Erklärung der Namen von Straßen und Plätzen“ sollten auf die lokale Geschichte verweisen.142 Diese Projekte setzten mit der Kunst-am-Bau und den oft weithin sichtbaren Inschriften an den sozialdemokratischen Gemeindebauten einen anderen, wenn auch viel weniger politisch deutlichen Subtext im öffentlichen Raum entgegen.

Eine Reihe dieser Zeichen bezog sich auf das historische Stadtbild, wie das bis vor einigen Jahren am Haus Lichtensteg 2 („Zum Römertor“) sichtbare Mosaik, das den Standort der Porta principalis dextra von Vindobona markierte (Abbildung 15).

Unweit davon wurde nahe dem Standort des Rotenturmtors an einem Haus in der Rotenturmstraße ein Mosaik mit einer stilisierten Darstellung des mittelalterlichen Torbaus von Reinhold Klaus angebracht. Ein Bild am Haus Ungargasse 7, eine Arbeit von Oskar Thiede, erinnerte an eine Herberge an der alten Hauptverbindung nach Ungarn, und in der Verbauung der Operngasse zeigt eine Darstellung des alten Freihauses die Vorgängerbebauung des Viertels (Abbildung 16).

Abbildung 16: Operngasse 36, Plan des alten Freihauses

Diese Darstellungen sind vorwiegend symbolisch-schematisch gehalten. Ein Wandbildentwurf von Ferdinand Kitt für einen Durchgang an der Bäckerstraße zeigte neben einer entsprechenden Inschrift recht konventionelle gegenständliche Bäckerdarstellungen,143 die an Buchillustrationen erinnern (Abbildung 17), und eine Inschrift an der Karmeliterkirche in der Taborstraße sollte lehrbuchhaft auf deren Vergangenheit verweisen. Die beschäftigten Künstler waren unter anderem Ferdinand Kitt, Josef Riedl, A. Kautzky, O. Schottenberger, J. Rezac, E. Grienauer, Stefan Simony. A. Janesch, Otto Hofner, R. Holzinger, O. Roux, F. Zeymer, Rudolf Schmidt, Arthur Brusenbauch und andere.144 Die Zeitschrift „Profil“, obwohl Organ der weitgehend regimetreuen Architektenvereinigung, reagierte gereizt auf die Gedenktafelinflation: „Wenn schon einem fast manischen Triebe, zahllose Gedenktafeln zu enthüllen, Folge geleistet werden soll, dann müssen dieselben […] künstlerischen Wert besitzen […]. Unähnliche, geradezu lächerliche Portraits und elende Schriftformen scheinen leider fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein.“145

Abbildung 17: Ferdinand Kitt, Entwurf für Kunst-am-Bau in der Bäckerstraße (Profil 1934, 447)

Wiener Sagen und Legenden hatten sich bereits unter Bürgermeister Lueger einer Renaissance erfreut146 und damit einer neuen Mittelalterrezeption Vorschub geleistet, an die der Ständestaat nun anschloss. Ein Neubau am Wienfluss, „Zum Wassermännlein“, erinnert an eine Altwiener Sage und erhielt eine entsprechende Skulptur von Otto Hofner, der immerhin den prominenten „Sämann“ vor dem Karl-Marx-Hof geschaffen hatte.

Neubauten, wie die Siedlungshäuser am Wienerberg, wurden mit Hauszeichen in Form von Heiligenbildern versehen, ebenso die „Familienasyle“, die die Namen von Ständestaat-Lieblingsheiligen, vorwiegend Namenspatronen des politischen Personals, erhielten.

Das „Heldendenkmal“ im Burgtor

Das früheste gewollte und realisierte Denkmal der austrofaschistischen Ära reicht noch in die Erste Republik zurück: Mit der Einrichtung des Österreichischen Heldendenkmals im Wiener Burgtor erfolgte die austrofaschistische Neukodierung eines bereits bestehenden Denkmalbaus (Abbildung 18).

Abbildung 18: Burgtor, Fassade zur Ringstraße

Die Initiative für das Heldendenkmal im Burgtor nahe der kaiserlichen Hofburg am Burgring ging auf das Militär zurück, das im Februar 1934 wichtigster Verbündeter des Regimes bei der Unterwerfung der Sozialdemokratie werden sollte.

Unter dem Titel „Der große Undank“ beklagte der Präsident der Vereinigung zur Errichtung eines österreichischen Heldendenkmals den Empfang, der den heimkehrenden Soldaten des Ersten Weltkriegs in Österreich bereitet worden war: „Bei der Heimkehr empfing die Braven kein Dank. Der Wehr beraubt, verspottet und verunglimpft […] ging das Millionenheer still auseinander.“ Der Verlust von Einkommen und Beschäftigung, aber vor allem von sozialem Status hatte den Soldaten der k. k. Armee nach dem Ersten Weltkrieg und der folgenden Republikgründung besonders hart zugesetzt. Die ehemaligen Soldaten fühlten sich nach Auflösung der Armee – auch mangels friedenstauglicher Berufsausbildung – als Verlierer der Republikgründung. Ein wenig Anerkennung boten die in vielen Orten der Provinz entstandenen Kriegerdenkmäler,147 ein solches Denkmal fehlte jedoch in Wien. Seit 1925 bemühte sich die Frontkämpfervereinigung um ein Wiener Kriegerdenkmal. Der Vorschlag zur Umgestaltung des Äußeren Burgtors zu einem Heldendenkmal stammte von Generalmajor Karl Jaschke. Auch von ziviler Seite wurden ähnliche Projekte betrieben; so bemühte sich ein Kommerzialrat Wallace um die Errichtung eines Grabmals des Unbekannten Soldaten in der Mitteldurchfahrt des Burgtors.148 Beide Intentionen – Kriegerdenkmal und Grab des Unbekannten Soldaten – wurden von Jaschke zusammengeführt. Man wünschte sich ein Denkmal für die toten und lebenden Soldaten des „Großen Krieges“, aber auch ein Denkmal der „Jahrhunderte alten ruhmreichen Armee, ein Denkmal der tausend Schlachten, in denen die Söhne Österreichs gefochten hatten“,149 Identifikationsort für die kaisertreue Armee als Statusgarant und Identifikationsobjekt einer rückwärtsgewandten gesellschaftlichen Gruppe, die mit der Republik wenig anfangen konnte und wollte. Bald kam es zur Gründung einer Vereinigung zur Errichtung des Denkmals, die sich unter den Ehrenschutz von Regierung, Erzbischof Kardinal Innitzer und den Landeshauptleuten stellte. Ehrenpräsident war Staatssekretär Generaloberst Alois Schönburg-Hartenstein, der wenig später in den Februarkämpfen 1934 „persönlich die großen militärischen Unternehmungen zur Unterdrückung der Schutzbund-Rebellion“ leiten sollte“.150

Einen geeigneten Denkmalbau gab es bereits: Das Burgtor auf dem Heldenplatz. Das alte Tor, Teil der Stadtbefestigung vor der kaiserlichen Burg, war beim Abzug der napoelonischen Truppen 1809 gesprengt worden. Der existierende Bau wurde von Luigi Cagnola und – nach Planänderungen – Peter von Nobile im Auftrag Kaiser Franz’ I. (II.) als Symbol der Überwindung Napoleons durch die kaiserliche Armee errichtet und 1824 am Jahrestag der Völkerschlacht von Leipzig als deren Denkmal eröffnet.151 Das verteidigungstechnisch längst nutzlose Tor war also bereits als Denkmalbau konzipiert worden, so dass hier auf historischem Identifikationsmaterial aufgebaut werden konnte. Dieser Denkmalcharakter des Burgtors war in der Ersten Republik allgemein verständlich: Auch die Sozialdemokratie hatte 1928 zum zehnten Jahrestag der Republikgründung über eine Überformung des Burgtors nachgedacht.152

Das Tor markiert den Zugang zum Platz vor der kaiserlichen Burg, der durch die beiden Standbilder Erzherzog Karls, des Siegers von Aspern gegen Napoleon, und des Türkensiegers Prinz Eugen von Savoyen bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts dynastisch-militärisch konnotiert war, worauf auch die Gestaltung des Heldenplatzes durch Gottfried Semper ab 1869 reagierte. Durch den Abbruch der Stadtmauern und die daraus folgende Freistellung erhielt das Tor zusätzlichen Denkmalcharakter als Solitärbau.153 Im Ersten Weltkrieg wurde das Burgtor als Kriegerdenkmal überformt: Am Fries wurden auf Initiative entsprechender Organisationen Wappen mit Lorbeerkränzen angebracht. Die Lorbeerzweige an der Vorderseite hatten Kaiser Franz Joseph I. und die im Ersten Weltkrieg verbündeten Souveräne gestiftet. Dazu kam die Inschrift „Laurum militibus lauro dignis“ mit der Jahreszahl 1916. Diese bereits bestehende Symbolfunktion des Burgtors als Stätte des Gedenkens an die kaiserliche Armee und an einen Krieg, der 1933 noch nicht lange zurücklag, mag den Ausschlag für die Wahl des Objekts gegeben haben, denn „die Stadt und der urbane Kontext bilden sich nicht als bloße Akkumulation isolierter Gebäude und Plätze, vielmehr als ein palimpsestartiges Gebilde ineinandergreifender Schichten und Partikel.“154

Das Burgtor wurde der Denkmalinitiative von Handels- und Verkehrsminister Guido Jakoncig zur Verfügung gestellt, vorbehaltlich der Genehmigung des Umbaus durch Burghauptmannschaft und Bundesdenkmalamt.155 Es wurden Spenden gesammelt, ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeworben,156 der „Wehrmann in Eisen“ wurde reaktiviert.157

Architekt Silvio Mohr formulierte die Bedingungen für den Architektenwettbewerb zur Umgestaltung des Burgtors, der Ende Juli 1933 ausgeschrieben wurde. Im Mittelpunkt standen „1. Dank den Gefallenen, 2. Gedächtnis der Lebenden, 3. Ehrenmal der Armee, der Marine und der Luftfahrt vom 17. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.“158 Die Jury setzte sich aus zahlreichen hohen Militärs, Künstlern und Architekten des konservativen Lagers zusammen (Silvio Mohr, Othmar Schimkowitz, Justus Schmidt, Ernst Hegenbarth, Karl Sterrer, Ferdinand Andri, Michael Powolny, Anselm Weißenhofer, Fritz Zerritsch, Karl Holey, Clemens Holzmeister, Karl Krauß). Ende Oktober 1933 waren 173 Entwürfe eingelangt. Von neun prämierten Projekten kam drei in die Endauswahl, und zwar jene von Leo von Bolldorf, Rudolf Wondracek und Fellerer & Wörle. Fellerer war ein enger Mitarbeiter des Jurymitglieds Holzmeister, dessen Einfluss bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal kritisch kommentiert wurde: In einem anonymen Brief hieß es: „niemand wagt es auch nur im geringsten sich dem mächtigen Prof. Holzmeister offen entgegenzustellen, da er an der Spitze der wichtigsten Künstlervereinigungen steht.“159

Die Siegerprojekte wurden am 18. Februar, nur wenige Tage nach der gewaltsamen Niederschlagung der Februarkämpfe durch das Bundesheer, im Messepalast der Öffentlichkeit präsentiert. Das Projekt von Rudolf Wondracek aus St. Pölten wurde zur Ausführung bestimmt. Wondracek (1886–1942) hatte in Wien bei Karl König und Otto Wagner studiert, bevor er 1913 zu Peter Behrens nach Berlin ging. Seit 1927 war er Architekt und Hochbaureferent im Stadtbauamt St. Pölten, eine Tätigkeit, die er 1934 zugunsten einer Laufbahn als freier Architekt aufgab.

Das Heldendenkmal war als „Alter des Vaterlands“ gedacht, auf dem „Toten Krieger“, einem symbolhaften „Grab des Unbekannten Soldaten“ erbaut. Das Äußere des Burgtors sollte den Wettbewerbsbedingungen entsprechend nicht verändert werden. Es ist unklar, auf wessen Veranlassung diese (im Übrigen dann nicht eingehaltene) Auflage erfolgte; der entsprechende Akt des Bundesdenkmalamts ist unauffindbar.160 Der Respekt vor dem bestehenden Burgtor als Denkmal der Armee ging hier Hand in Hand mit der Absicht, die Ausgaben gering zu halten: Das Denkmal solle, so hieß es, dem „Schönheitssinn des Österreichers“ und zugleich den „wirtschaftlichen Verhältnissen“ angepasst werden.161 Mit Wondraceks Einführung einer großen Halle über der Durchfahrt und mit den beiden seitlichen Treppen, die zur Halle führen, waren jedoch Konsequenzen für den Außenbau unumgänglich (Abbildung 23).

Als fortifikatorisches Tor mit fünf mittleren Durchfahrten und ursprünglich zwei flankierenden Hallen war das Burgtor typologisch Vorbildern aus der oberitalienischen Festungsarchitektur im Umkreis von Jacopo Sansovino und Michele Sanmicheli verpflichtet. Peter von Nobile entwarf einen symmetrischen Torbau aus drei miteinander verbundenen Einheiten, einer mittleren fünfachsigen, etwas überhöhten Durchfahrt und zwei flankierenden Torwächterhäusern, alle mit Flachdächern (Abbildung 18). Diese drei Elemente haben zur Vorstadt hin eine gemeinsame Baulinie, während an der Stadtseite die Türhäuser als kräftige Risalite vortreten. Ebenso unterschiedlich ist die Detailgestaltung der beiden Fassaden: Die Vorstadtseite (Abbildung 18) verzichtet auf eine Säulenordnung, greift mit den mittleren Arkaden und den seitlichen Thermenfenstern mit Bossenquader-Einfassungen Elemente der „architecture parlante“ französischer Provenienz auf und betont das fortifikatorische Element. Über dem umlaufenden Triglyphenfries trägt die Mittelattika die Inschrift „Franciscus I. Imperator Austriae MDCCCXXIV“. Die Stadtseite hingegen wird von der dorischen Ordnung der vorgelegten Säulenhallen dominiert; zur Hofburg hin wurde die Devise Kaiser Franz’ I. angebracht („Iustitia regnorum fundamentum“; Abbildung 19).

Abbildung 19: Burgtor, Fassade zum Heldenplatz

Abbildung 20: Karl Friedrich Schinkel, Neue Wache, Berlin; Umbau von Heinrich Tessenow 1931 (Foto Ansgar Koreng/de.wikipedia.org)

Die symbolische Vorkodierung prädestinierte das Burgtor für eine neuerliche Überschreibung. Aber welche Rolle spielte in diesem Zusammenhang die vorhandene Architektur, wie passte sie in das christlichsoziale Denkmalkonzept von 1933/1934? 1881 waren Klagen laut geworden, dass das Burgtor „seit dem Wegfall der Bastionen gegenstandslos geworden“ sei.162 Genau diese Freistellung und der daraus resultierende Funktionsverlust haben aber die Neuinterpretation des Burgtors als Denkmalbau erst möglich gemacht. Die Rezeption der von Nobile am Burgtor verwendeten Stilformen, vor allem der „Kubische Stil“,163 mag noch 1934 als Repräsentationsstil des Hofbaurats und damit als „imperialer Stil“ rezipiert worden sein, der das öffentliche Bauen des Vormärz dominiert hatte, so dass auch hier eine Tradition in die von den Denkmalbetreibern glorifizierte Epoche des habsburgischen Neoabsolutismus zurückreichte. Die dorische Säulenordnung an der Burgseite, nach Renate Wagner-Rieger hier zum ersten Mal in Wien verwendet, wirkt stark archäologisierend, insbesondere in Zusammenhang mit Nobiles nahe gelegenem Theseustempel im Volksgarten (1820–1823), einer verkleinerten Nachbildung des Theseions in Athen.164 Die traditionelle Interpretation der Dorica als männliche, soldatische Ordnung mag hier auch eine Rolle gespielt haben.165

Eine Anregung für den Burgtorumbau könnte Heinrich Tessenows Umbau der Neuen Wache Unter den Linden in Berlin (1931) gewesen sein (Abbildung 20). Der Bau dient heute als zentrale Gedenkstätte Deutschlands für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

Abbildung 21: Giovanni Muzio, Mailand, Sacrario ai Caduti (Denkmal für die Gefallenen), eröffnet 1928; it.wikipedia.org.

Auch die Neue Wache war zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet worden, ähnlich wie das Wiener Burgtor als Reaktion auf die Napoleonischen Kriege, und sie lag unweit des königlichen Palais, so wie das Burgtor zum Umfeld der kaiserlichen Hofburg gehört.166

Als „zweites Wahrzeichen dieser Stadt [=Wiens, neben dem Stephansdom; d. A.], ein Symbol Österreichs“ bezeichnete die regimetreue Presse das Heldendenkmal im Burgtor.167 Auf die formale Seite der Architektur und ihre Eignung für den Zeitgeschmack gingen die Berichte des Jahres 1934 jedoch nicht ein. Abgesehen von der generell nationalen und militärischen Kodierung des Burgtors könnte sich ein erneuertes Interesse an Nobiles Klassizismus auf eine allgemeine Tendenz in der Architektur zurückführen lassen: Seit kurz vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich ein neuer, in verschiedenen Varianten auftretender Neoklassizismus etabliert, der bis in die 1930er Jahre als Gegentrend zum internationalen Funktionalismus weiter bestand. In Österreich war dieser Trend von Josef Hoffmanns Pavillons auf der Weltausstellung in Rom 1911 und auf der Werkbundausstellung in Köln 1914 eingeleitet worden, in Deutschland durch die Arbeiten von Tessenow und Behrens. In Italien arbeiteten die Architekten des Novecento mit unterschiedlichen Varianten des Neoklassizismus: Während Marcello Piacentini mit dem Palazzo di Giustizia in Messina (1912/1923–1928) als „literarisches“ Zitat des Brandenburger Tors in Berlin (1789–1793) gelten kann, gelangte Giovanni Muzio mit der stilisierten dorischen Kolonnade am Monumento ai Caduti in Mailand (1928, Abbildung 21) zu einer stärker ironisierenden Variante.

Der Otto-Wagner-Schüler Rudolf Perco veröffentlichte 1932 einen Text mit dem Titel „Auf dem Wege zur kommenden fünften Wiedergeburt der Antike“,168 in dem er nach römischer und romanischer Architektur, Renaissance und Empire – unterbrochen vom „Einfluss des irrationalen Orientalismus“ – das Vorbild antiker Harmonie propagierte und alle Versuche wie „dynamisches Bauen, technoides Bauen, […] Horizontalismus, […] alle Anleihen von Indiern [sic!], Chinesen, Afrikanern […], Schiffsbauern […]“ und Ähnliches ablehnte, denn „die Art des Menschen hat sich im Physiologischen und Psychologischen seit der Antike nicht geändert.“ Der Text zeigte eine konservative Identifikationsmöglichkeit jenseits der internationalen Moderne auf, der das klassizistische Burgtor mit seinem historischen Bestand bereits entsprach – ein symbolisches ready made, optimal geeignet zur neuerlichen Überformung. Dementsprechend setzte Perco in seinem Entwurf an das Burgtor zwei symmetrische Säulenhallen an, die quer über die Ringstraße ausgreifen sollten – eine Idee, die bereits in einem Entwurf Theophil Hansens für den Heldenplatz präfiguriert gewesen war.169

Abbildung 22: Rudolf Wondracek, Modell für den Umbau des Burgtors (HÜBNER, Heldendenkmal, 56)

Rudolf Wondraceks preisgekrönter Entwurf (Abbildung 22) tastete die Hauptfassaden des Burgtors nicht an, wohl aber die Seitenfassaden und das Innere. Im Zentrum von Wondraceks Entwurfs stand die zum Himmel hin offene Halle im Obergeschoß des Burgtors, die die Hauptachse des Semperschen Kaiserforums überbrückt, über zwei monumentale Treppen von den Schmalseiten zu begehen ist und die, „dem unruhigen Treiben des Alltags entrückt“, als eigentliche Ruhmeshalle der Armee dienen sollte (Abbildung 22, Abbildung 25). Auch Heinrich Tessenow hatte bei seinem Umbau die Neue Wache in Berlin mit einem Opaion zum Himmel geöffnet, und Paul Ludwig Troost sollte sich mit den Ehrentempeln am Königsplatz in München einer vergleichbaren Pathosformel bedienen. Um die Treppen zugänglich zu machen, wurden je zwei Felder in gesamter Höhe aus den Seitenfassaden des Burgtors ausgebrochen. Dort, wo Nobiles Bau bis auf je ein Fenster und die hohen, schmalen Abstände zwischen Baukörper und Eckpfeilern der seitlichen Torwächterhallen wandhaft geschlossen war, wurden nun breite Zugänge zu den monumentalen Treppen aus der historischen Substanz ausgebrochen (Abbildung 23).

Abbildung 23: Burgtor, Seitenfassade, Zustand seit 1934

Das Innere des Torbaus wurde völlig ausgehöhlt und neu errichtet.170 Unter der Treppe im Nordwestflügel wurde ein katholischer Gedenkraum für die Gefallenen mit dem Grabmal des Unbekannten Soldaten eingerichtet. Hier lagen auch bis vor kurzem die „Heldenbücher“ mit den Namen der Gefallenen der Weltkriege auf.171 Im zweiten Flügel wurde ein nichtkatholischer Kultraum untergebracht, der auch als Aufbahrungsraum dienen sollte. Für die Errichtung der Ruhmeshalle musste das Bodenniveau der historischen Terrasse über der Torhalle tiefergelegt werden, was zu einer Nichtübereinstimmung zwischen Gesimshöhe am Außenbau und Bodenniveau im Inneren führte und außerdem ungünstige Auswirkungen auf die Decke der Durchfahrt hatte, die seither direkt und ohne weitere Vermittlung auf den dorischen Kapitellen aufsitzt (Abbildung 24).

Abbildung 24: Burgtor, Durchfahrt, Decke nach Umbau von 1934

Wondracek gestaltete auch das Vorfeld des Burgtors. Zu beiden Seiten des Tors wurden in der Einfriedung des Heldenplatzes an der Ringstraße breite, freistehende Mauern mit Tordurchlässen in den Achsen der beiden Denkmäler auf dem Platz errichtet. Die Torgewände, mit Axialbezug zu den Reiterdenkmälern auf dem Heldenplatz aufgestellt, werden von martialischen Adlerfiguren von Wilhelm Frass bekrönt. Durch die verstärkte Axialbindung erhoffte man sich eine stärkere inhaltliche Einbindung der Denkmäler des Türkensiegers Eugen von Savoyen und des Napoleon-Bezwingers Erzherzog Karl. Der Bezug zum Denkmal Maria Theresias und damit zur Dynastie der Habsburger auf dem Platz zwischen den Museen war durch den Axialbezug des Burgtors ohnedies bereits gegeben.172 Der Vorbereich des Denkmals zum Ring ist der einzige von außen sichtbare zeittypische Akzent aus dem Repertoire patriotisch-autoritärer Ikonografie, wie sie auch aus Deutschland oder Italien geläufig war.

Abbildung 25: Burgtor, Blick in die große Halle über der Durchfahrt (HÜBNER, Heldendenkmal, 55)

Der hauptsächlich am Burgtor beschäftigte Bildhauer war Wilhelm Frass, ein Bruder des Architekten und Otto-Wagner-Schülers Rudolf Frass. Wilhelm Frass schuf die 1,1 Meter hohen Soldatenköpfe an den Treppen, die „soldatische Tugenden versinnbildlichen“ sollten.173

Für die Figur des „Toten Kriegers“ in der Krypta, eine überlebensgroße Liegefigur aus Adneter Marmor, wurde Wilhelm Frass mit dem neu geschaffenen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet.174 Die Figur wurde als „Darstellung des Kriegertodes, also die Anonymität der Vielheit“, rezipiert.175 Wie sich später herausstellen sollte, war Bildhauer Wilhelm Frass 1933/1934 bereits illegaler Nationalsozialist.176 In der Ehrenhalle brachte Frass einen Lorbeerkranz und das Reichswappen von 1836 an, für die Wände schufen Herbert Drimmel und Leopold Schmid Steinschnittfriese nach einem militärisch-historischen Programm, ergänzt durch die Kriegerheiligen St. Georg und St. Michael „als Patrone männlicher Wehrhaftigkeit […]. Herb und sparsam mussten die Mittel des Ausdrucks sein, um eine Einheit zwischen Architektur und bildnerischer Darstellung zu erreichen.“177

Die Eröffnung des Heldendenkmals fand bereits unter dem austrofaschistischen Regime während des Katholikentags am 9. September 1934 in Gegenwart der Regierungsspitze mit einem Aufmarsch zahlreicher militärischer und ziviler Verbände statt. Kardinal Innitzer weihte das Denkmal im Rahmen einer Messe. Bundespräsident Miklas zählte die Reihe vaterländischer Helden auf – von Kaiser Franz Joseph als „Erster Soldat“ bis zu dem im Juli zuvor ermordeten Kanzler Dollfuß –, und er betonte neuerlich die Rolle Österreichs als „Bollwerk Europas“ und „Schutzwall für Europa“,178 die schon anlässlich des Türkengedenken 1933 eine zentrale Rolle gespielt hatten, aber auch aktuell in Abgrenzung gegen Sozialismus und Nationalsozialismus interpretiert werden konnten.

Trotz der massiven Eingriffe in die historische Substanz sind nur an den Seitenfronten des Burgtors Spuren der Intervention der austrofaschistischen Epoche sichtbar, eine Tatsache, die sich wohl dem Respekt vor den damals ideologisch genehmen früheren Widmungen und Gestaltungen verdankt, die aber auch in ihrer relativen ästhetisch-formalen Neutralität die späteren Überformungen der Zweiten Republik ermöglichten: 1965 wurde ein „Weiheraum für die Opfer im Kampfe um Österreichs Freiheit“ eingerichtet, so dass dem Burgtor eine antifaschistische Schicht zugefügt wurde, die es als Staatsdenkmal der Zweiten Republik qualifizierte. Entwerfer des Weiheraums war Robert Kramreiter, ein im Austrofaschismus vor allem von der Kirche viel beschäftigter Architekt, der nach seiner Rückkehr aus dem spanischen Exil in der Zweiten Republik wieder Fuß fassen konnte.

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