Kitabı oku: «Blaue Diamanten», sayfa 3
Hedwig Berenz hatte sich während des Wochenendes über Jenny Gedanken gemacht. Sie musste etwas unternehmen, denn mit ihr stimmt etwas nicht. Und so, wie sie sich heute Morgen verhielt, wurde sie darin bestätigt. Als Jenny ausgestiegen war und der Bus losfuhr, ging sie direkt zu Magnus. Sie wusste, dass das verboten war, aber das war ihr egal. Sie kümmerte sich auch nicht um die Blicke der anderen Fahrgäste, auch die waren ihr völlig gleichgültig.
„Frau Berenz? Setzen Sie sich bitte,“ sagte Magnus erschrocken, als ihn Hedwig ansprach. „Sie wissen, dass es verboten ist, mit dem Fahrer während der Fahrt zu sprechen.“
„Papperlapapp,“ sagte sie nur. „Was ist mit unserer Jenny los?“
„Was soll mit ihr sein?“
„Stellen Sie sich nicht so dumm. Ich habe gesehen, dass Ihnen ihr Verhalten auch aufgefallen ist. Wenn Sie mich fragen, hat sie Angst.“
„Vielleicht hat sie private Probleme, die uns nichts angehen sollten. Und jetzt setzen Sie sich endlich.“
Hedwig war Magnus‘ Anweisung gleichgültig. Wenn sie sich jetzt setzte, musste sie brüllen und Ohren, die ihre Unterhaltung nichts anging, würden unweigerlich mithören.
„Privat ist bei ihr alles beim Alten. Jenny hat die Kinder in die überzogene Schulbetreuung gegeben und holt sie nun am Abend direkt von dort nach der Arbeit ab. Sonst ist mir nichts aufgefallen. Wenn etwas vorgefallen wäre, hätte ich das mitbekommen. Ich habe mich sogar am Samstag mit Oskar unterhalten können, der mir ganz normal schien.“
„Frau Berenz! Sie können doch nicht einfach Jennys Kinder belästigen!“
„Wie soll ich sonst herausfinden, was mit ihr los ist? Denken Sie, es hat mit dem Mann zu tun, der Jenny einige Tage beobachtet hat? Und sagen Sie nicht, Ihnen ist das nicht aufgefallen.“
„Doch, das ist mir aufgefallen. Was wissen Sie von dem Mann?“
„Nichts. Ich habe mich hauptsächlich um Jenny gekümmert.“ Sie waren an Hedwigs Haltestelle angekommen und der Bus stoppte. Hedwig kam nun ganz dicht an Magnus‘ Ohr. „Ich habe von dem Mann heimlich ein Foto machen können.“
„Wie bitte? Warum das denn?“
„Ich mache mir Sorgen um Jenny. Falls ihr etwas passiert, habe ich für die Polizei zumindest ein Foto vom Täter.“ Hedwig stieg aus.
„Sie lesen zu viele Krimis Frau Berenz,“ lachte Magnus, schloss die Tür und fuhr los. Sofort verstummte sein Lachen. Ihr war der Mann also auch aufgefallen. Er dachte schon, dass er halluzinierte. Hedwig Berenz hatte ihn mit ihren düsteren Ahnungen angesteckt und nun machte er sich ebenfalls große Sorgen um Jenny. Was, wenn Frau Berenz mit ihrer Vermutung richtig lag und Jenny in Gefahr war?
Um Tamino sorgte sich niemand. Warum auch? Er benahm sich wie immer. Er saß aufrecht auf seinem Platz und sah nach draußen. Kannten ihn die anderen Fahrgäste und der Fahrer der Line 38 überhaupt? Waren sie ihm bekannt? Nein, Tamino interessierte sich nicht für andere und dachte nur an sich. Seit Jahren fuhr er mit dem Bus, was sehr viel länger dauerte und viel umständlicher war, als mit der Bahn zu fahren. Die Fahrtzeit machte ihm nichts aus, er hatte am Abend sowieso nie etwas vor. Die Fahrt mit dem Bus kostete ihn nichts, denn sein Arbeitgeber übernahm die monatlichen Kosten. Nicht für die Bahn, nur für den Bus. Diese Vertragsklausel stammte noch aus früheren Zeiten, in denen eine Bahnfahrt kaum bezahlbar war. Keiner seiner Kollegen störte sich an dieser Klausel, denn fast alle fuhren mit dem Wagen. Tamino nicht. Er hatte keinen Wagen, er hatte nicht einmal einen Führerschein. Warum also sollte er unter diesen Umständen mit der Bahn fahren? Das kostete nur unnötig Geld, das er sich sparen konnte. Er fuhr tagaus, tagein auf Kosten des Arbeitgebers mit dem Bus und war zufrieden.
Auch bei Tamino wollte Thalhammer am Wochenende nochmals Druck ausüben, aber dieser Ignorant hatte ihn nicht einmal bemerkt. Tamino ging mit seiner Mutter gemeinsam in die Kirche und er machte sich mehrmals bemerkbar, wurde aber von Tamino nicht wahrgenommen. Er schien sich verändert zu haben. Täuschte er sich, oder kam ihm Tamino gelöster, fast fröhlicher vor? Bräu hatte Recht: Tamino war ein richtiger Trottel!
Jenny und Tamino wurden den ganzen Montag über beobachtet. Bräu und Thalhammer waren zufrieden, wie sich die beiden verhielten. Beide verhielten sich wie immer. Wohlwollend hatten sie registriert, dass Jenny trotz ihrer offensichtlichen Erkältung zur Arbeit ging. Sie und Tamino funktionierten perfekt. Der nächste Testlauf konnte heute Abend starten.
Die Baustellen auf der B304 machten beiden Sorgen, denn die Behinderungen wurden nicht kleiner, sondern größer. Noch war die Zufahrtsstraße zur A94 offen und konnte problemlos befahren werden. Bräu und Thalhammer hatten die leise Hoffnung, nach dem Coup doch noch ungehindert die Stadt verlassen zu können.
Aber darauf konnten sie sich nicht verlassen. Die Sperrung der A94 war seit langem angekündigt und die Gerüchteküche brodelte: Die Sperrung stand offenbar kurz bevor.
5.
Auch der nächste Test verlief reibungslos. Tamino Steinmaier übernahm den Umschlag, den ihm Bräu vor dem Staatstheater übergab, und stieg in den Bus. Klar hatte er sich erschrocken und war nervös, aber er wusste schließlich, was von ihm verlangt wurde. Den letzten Kurierdienst hatte er wie angegeben ausgeführt und das würde er auch heute tun. Den Umschlag hatte er wieder sofort nach der Übergabe in die Jackentasche gesteckt. Er war sich sicher, dass niemand etwas mitbekam und benahm sich wie immer. Während der Busfahrt sah er aus dem Fenster. War das aufregend! Bereits der zweite Kurierdienst in kürzester Zeit. Wann bekam er seine Belohnung? In Holzkirchen angekommen stieg er aus dem Bus und überquerte die Straße zusammen mit vielen anderen Fahrgästen, die nach Hause gingen oder wie er in einen der nächsten Busse umstiegen. Er steckte Jenny den Umschlag zu und ging zu seiner Haltestellte, um dort auf seinen Anschlussbus zu warten. Er sah der jungen Frau an, dass sie Angst hatte, aber das ging ihn nichts an. Für ihn war der Job erledigt. Wie viele dieser Umschläge würden noch kommen? Und was würde es dafür geben? Für den Inhalt interessierte er sich nicht. Ohne es selbst zu merken, pfiff Tamino ein fröhliches Lied.
Jenny war erschrocken, als der Fremde plötzlich neben ihr auftauchte und ihr abermals einen Umschlag zusteckte, den sie rasch in ihrer Manteltasche verschwinden ließ. Hatte diesmal jemand zugesehen? Flog sie jetzt auf? Wie aus dem Nichts tauchte ein Streifenwagen der Polizei auf und sie rechnete fest damit, dass er wegen ihr hier war. Sie hielt den Atem an, aber nichts passierte. Der Streifenwagen fuhr einfach an ihr vorbei. Dann kam endlich die Linie 12. Sie stieg ein und setzte sich wieder in den hinteren Teil des Busses. Sie konnte es kaum erwarten, endlich diesen Umschlag loszuwerden. Instinktiv griff sie in ihre Manteltasche und tastete den gepolsterten Umschlag mit den Fingern ab. Sie fühlte nichts. War da überhaupt etwas drin? Anfangs dachte sie an Drogen oder an Geld, aber dafür war der Umschlag zu klein. Verdammt nochmal! Was war in dem Umschlag?
Hedwig Berenz saß ganz hinten und hatte Jenny im Blick. Was war mit der jungen Frau nur los? Sie konnte die Gesichtszüge der Frau gut erkennen und sah ganz deutlich, dass sie irgendetwas beschäftigte. Aber was?
Magnus hatte diese Woche Frühschicht und ein anderer Fahrer saß hinter dem Steuer, der sich niemals mit Fahrgästen unterhielt. Hedwig mochte diesen Peter Hinzler nicht. Er war einsilbig, unfreundlich und anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber ungeduldig. Es kam nicht selten vor, dass er lautstark schimpfte, wobei er alle möglichen Schimpfwörter benutzte, die zur allgemeinen Belustigung der Fahrgäste beitrugen. Aber heute war Hinzler still, was Hedwig auf die vernünftige Fahrweise anderer Verkehrsteilnehmer zurückführte.
Der Bus war an der Haltestelle in Wolfratshausen angekommen. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, vor allen anderen auszusteigen, hielt sich Hedwig heute zurück. Sie nestelte an ihrer Tasche herum, wodurch Jenny sich genötigt fühlte, vor ihr auszusteigen. Verdammt! Gerade heute musste sie vor der neugierigen Frau Berenz aussteigen. Jenny kannte die Frau, alle in der Nachbarschaften kannten Hedwig Berenz und ihre Neugier. Hannah und Oskar hatten oft erzählt, dass die Frau sie ausfragte und Jenny gab Anweisung an ihre Kinder, zu ihr freundlich zu sein, aber nicht zu viel zu verraten.
Jenny war nicht mehr weit vom Papierkorb entfernt und befand sich in einer Zwickmühle. Alle anderen Fahrgäste waren schon weg, nur Frau Berenz war hinter ihr. Sie drehte sich um und sah, dass sie sich die Schuhe zuband. Auch das noch! Was jetzt? Sie zögerte einen Moment. Dann griff sie in ihre Jackentasche, warf den Umschlag in den Papierkorb und lief über die Straße. Sie wollte nur noch weg. Was machte Frau Berenz? Sie hörte Schritte hinter sich, das musste sie sein. Oder holte sie den Umschlag aus dem Papierkorb? Verdammt nochmal, was musste diese Frau auch gerade heute hinter ihr trödeln. Verrückte Gedanken schossen ihr durch den Kopf, bis sie sich schließlich mahnte, ruhig zu bleiben. Was hatte sie schon getan? Sie hatte lediglich etwas in den Papierkorb geworfen, wie tausend andere auch. Warum auch nicht? Sie lief zur Schule und holte ihre Kinder ab, die schon gelangweilt auf sie warteten. Beide waren sauer, dass ihre Mutter sie dazu zwang, in diese ätzend langweilige Betreuung bei Frau Adomeit zu gehen. Was hatten sie ihrer Mutter getan? Die letzten beiden Jahre hatten sie doch bewiesen, dass sie allein zurechtkamen. Nie war etwas passiert, und jetzt das. Sie ließen ihre Mutter spüren, dass sie mit ihrer Entscheidung nicht einverstanden waren, aber ihre Mutter blieb unerbittlich. Sie mussten in die Schulbetreuung gehen, ob sie wollten oder nicht.
Als Jenny mit ihren maulenden Kindern zuhause ankam, schloss sie die Tür hinter sich und atmete tief durch. Natürlich verstand sie den Unmut ihrer Kinder, aber was sollte sie anderes tun? Die Lösung war genial. Mehrmals war sie kurz davor, ihren Kindern die Wahrheit zu sagen, hielt sich dann aber zurück. Sie konnte ihre Kinder mit der Wahrheit nicht konfrontieren, das ging nicht. Mit zitternden Händen bereitete sie das Abendessen zu. Ihr wurde bereits der zweite Umschlag übergeben, den sie weitertransportierte. Sie war für so etwas nicht geschaffen. Wie viele dieser Umschläge würden noch auftauchen? Lange würde sie das nicht mehr durchhalten.
Hedwig Berenz hatte Jenny genau beobachtet. Die Tatsache, dass sie etwas in den Papierkorb warf, war für sie nicht wichtig. Warum auch? Für Müll hatte sie sich noch nie interessiert. Ihr Interesse galt einzig und allein Menschen. Warum war Jenny so hektisch und nervös? Sie rannte ja geradezu zur Schule und dann nach Hause. Warum hatte sich Jenny dazu entschlossen, die Kinder in Obhut zu geben? Hedwig war ihr in sicherem Abstand gefolgt und hatte die Umgebung immer im Blick. Außer Jenny, den Kindern und ihr war nur noch der alte Kranz mit seinem Dackel unterwegs. Zuhause angekommen, ging sie auf den Balkon und lehnte sich so weit vor, dass sie in Jennys Küche sehen konnte. Sie bereitete das Abendessen zu, während die Kinder den Tisch deckten. Alles war wie immer. Gerade, als sie wieder ins Haus wollte, bemerkte sie eine Person auf der Straße, die das Haus zu beobachten schien, in dem Jenny lebte. Täuschte sie sich, oder sah der Mann geradewegs zu Jennys Wohnung? Hedwig hatte den Mantel noch an und ging zur Tür. So schnell sie konnte rannte sie die drei Etagen nach unten. Sie musste herausfinden, wer das war. Als sie unten angekommen war, war die Person weg. Verdammt, sie hätte schneller sein sollen. Sie beschloss, nicht nur Jenny, sondern von nun an auch die Straße im Auge zu behalten.
„Hat der Test funktioniert?“ fragte Bräu.
„Alles lief glatt. Der Mann macht keine Probleme. Aber die Frau hat Angst.“
„Das ist gut, das ist sehr gut. In zwei Tagen ist es endlich so weit. Du hast sehr gute Arbeit geleistet, mein Freund. Nur noch wenige Tage und wir haben für alle Zeiten ausgesorgt.“
6.
Während Jenny und Tamino zum zweiten Mal an diesem Montag getestet wurden, fuhren die Mühldorfer Kriminalbeamten Leo Schwartz, Hans Hiebler, Tatjana Struck und Werner Grössert gemeinsam nach München ins Hotel König Maximilian. Die Stimmung war gut, obwohl keiner von ihnen scharf auf den Job war.
Die Freude auf ein feudales, luxuriöses Zimmer wurde gedämpft, als ihnen das enge, dunkle Viererzimmer im Keller des Hauses zugewiesen wurde.
„Das ist nicht Ihr Ernst!“ sagte Hans zum Hotelmanager, der ihnen den Weg und auch das Zimmer gezeigt hatte.
„Dieses Zimmer wurde nach Vereinbarung mit Herrn Totzauer für Sie hergerichtet. Das Badezimmer ist am Ende des Ganges links. Selbstverständlich können Sie das Frühstück und das Abendessen in unserem Restaurant im Erdgeschoss einnehmen.“ Dem Manager Karl Liebermann war das Arrangement sichtlich unangenehm. Er hatte sich zwar an die Vorgaben von Herrn Totzauer gehalten, befürchtete aber trotzdem auch bei diesem Zimmer Ärger. Er selbst wäre über diese Notlösung auch nicht erfreut gewesen.
„Das muss ein Irrtum sein,“ mischte sich Tatjana ein, die echt sauer war. Sie sollte mit ihren drei Kollegen ein Zimmer teilen?
„Da wir komplett ausgebucht sind, hat Herr Totzauer auf dieses Arrangement bestanden. Ich versichere Ihnen, dass wir uns die größte Mühe gegeben haben, um die Zimmer so ansprechend wie möglich auszustatten. Ich kann verstehen, dass Ihnen das nicht gefällt. Wie wir Herrn Totzauer sagten, haben wir kein reguläres Zimmer frei. Die ganze Stadt ist ausgebucht. Neben der Konferenz der EU-Energieminister haben wir auch noch Messe. Herr Totzauer hat die Zimmer abgesegnet. Das zweite Zimmer dort rechts ist für die weiblichen Polizisten, alle anderen sind für die Männer angedacht.“ Karl Liebermann verschwand. Bereits mehrfach musste er sich mit dem Unmut der Polizisten auseinandersetzen, die die benachbarten Zimmer bezogen. Sie waren komplett ausgebucht und mussten die Polizisten irgendwie unterbringen. Eine andere Lösung war einfach nicht möglich.
„Chef? Wir sind im Hotel König Maximilian in einem Kellerloch untergebracht,“ sagte Tatjana aufgebracht, als sie umgehend Krohmer anrief.
„Bitte übertreiben Sie nicht Frau Struck, so schlimm wird es schon nicht sein.“ Krohmer wusste zwar von einer Notlösung, aber man würde es nicht wagen, seine Leute im Keller unterzubringen.
„Es ist so, wie ich es sage. Ich schicke Ihnen Fotos zu.“
Es dauerte zwanzig Minuten, bis sich Krohmer zurückmeldete. Hans und Tatjana weigerten sich, ihre Sachen auszupacken. Leo und Werner war es gleichgültig, wo sie schlafen mussten. Das Zimmer war zwar eng, aber die Betten schienen bequem zu sein. Außerdem war es sauber. Auch das Badezimmer am Ende des Ganges war akzeptabel.
„Es tut mir sehr leid für Sie, aber an der Zimmersituation ist nichts zu ändern. Ich habe mit Totzauer gesprochen, der keine andere Lösung sieht. Es ist wichtig, dass Sie im selben Hotel wohnen wie die Minister. Das ist nicht nur praktisch, sondern dient auch der Sicherheit“
„Keine anderen Zimmer? Egal zu welchem Preis?“
„Der Preis spielt keine Rolle. Zu dem Ministertreffen ist auch noch Messe, ganz München ist ausgebucht. Es ist nicht ein Zimmer mehr zu haben. Sie müssen die vier Nächte irgendwie überstehen.“
Krohmer war sauer. Wenn er gewusst hätte, wie seine Leute untergebracht wurden, hätte er niemals sein Einverständnis gegeben. Aber jetzt konnte er nicht mehr zurück. Seine Leute waren eingeteilt und er hatte Totzauer sein Wort gegeben. Außerdem stand die Sicherheit der Minister im Vordergrund, nur die zählte.
Tatjana und Hans waren stinksauer.
„Jetzt reißt euch doch zusammen!“ sagte Leo, dem das Getue auf die Nerven ging. „Ich gebe zu, dass das nicht gerade die Präsidentensuite ist. Aber wir haben alle ein sauberes Bett und wenige Meter entfernt ein Badezimmer.“
„Das wir ja offensichtlich mit anderen teilen müssen,“ maulte Tatjana, die sich einen Überblick über die nächsten Zimmer verschafft hatte. Insgesamt wurden fünf weitere Abstellkammern für Polizeibeamte hergerichtet und zur Verfügung gestellt. Das Zimmer für die weiblichen Polizisten sagte ihr überhaupt nicht zu. Darin standen drei Betten, eins davon war für sie gedacht. Eine Kollegin packte gerade aus und grüßte knapp. Sie soll hier mit zwei fremden Frauen nächtigen? Das kam überhaupt nicht in Frage. Dann wollte sie sich lieber mit ihren Kollegen das Zimmer teilen, die kannte sie wenigstens.
„Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich gerne hier schlafen,“ sagte Tatjana und warf ihre Reisetasche auf eines der freien Betten.
„Das ist mir völlig gleichgültig,“ sagte Hans immer noch sauer. Auch für Leo und Werner war das in Ordnung.
„Kopf hoch Leute. Es sind nur vier Nächte, dann können wir alle wieder in unseren Betten schlafen.“ Für Leo war der Punkt erledigt. Er machte sich viel mehr Sorgen um die Bewachung und die Sicherheit der Minister, als um seinen Schlafplatz. Noch nie zuvor war er für den Personenschutz wichtiger Politiker eingeteilt worden und hatte daher großen Respekt vor der Aufgabe. Er war gespannt darauf, wie Totzauer die Polizeikräfte einteilen würde, denn laut Krohmer waren sie nur für die Minister zuständig.
Unter Protest, für den sich Leo und Werner nicht interessierten, packten Hans und Tatjana ihre Habseligkeiten aus. Dann fuhren sie in die Bayrische Staatskanzlei zur Lagebesprechung. Wilfried Totzauer wartete geduldig und trank einen Kaffee nach dem anderen. Als endlich alle eingetroffen waren, musste erst das leidige Problem mit der Unterbringung geklärt werden. Alle hatten es schlecht getroffen und Totzauer konnte den Unmut nachvollziehen.
„Ich kann nichts daran ändern, die Unterbringungspläne stehen. Wie Sie wissen, ist München komplett ausgebucht. Ich entschuldige mich nochmals in aller Form. Wenn Sie erlauben, möchte ich mich jetzt auf die Arbeit konzentrieren.“ Totzauer stellte den Plan vor, an dem er in den letzten Wochen ausschließlich gearbeitet hatte und der ihm unter den Umständen perfekt gelungen war. Jegliche Hilfe hatte er abgelehnt, diese Aufgabe wollte er selbst übernehmen. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass es Probleme gab, je mehr Personen daran beteiligt waren. Diesen Ärger wollte er sich ersparen. Totzauer war immer noch sauer auf den Bayrischen Ministerpräsidenten, dass er ohne den Termin mit ihm abzusprechen, einfach eingeladen hatte. Der Termin hätte nicht unglücklicher gewählt sein können, denn zeitgleich fand in der Neuen Messe München die Diamantenmesse statt, wofür er unter den gegebenen Umständen keine weiteren Polizisten abstellen konnte. Lediglich drei Polizisten waren dort vor Ort, mehr konnte er nicht entbehren. Die Diamantenmesse bereitete ihm Bauchschmerzen. Gerade dieses Jahr haben mehrere Aussteller besonders wertvolle Stücke dabei und hatten bei der Polizei um Hilfe angefragt. Wo sollte er die zusätzlichen Kräfte hernehmen? Das Personal gab leider nur so viel her, wie ursprünglich vorgesehen war, mehr konnte er für die Aussteller nicht tun. Er gab vor zwei Tagen ein Infoblatt an die Messebetreiber und Aussteller aus, selbst für zusätzlichen privaten Schutz zu sorgen. Verständlicherweise gab das riesigen Ärger und die Telefone standen seitdem nicht mehr still. Aber was hätte er tun sollen? Er konnte sich sein Personal schließlich nicht backen.
Totzauer wies die Einsatzleiter der entsprechenden Gruppen für den Münchner Flughafen und die Fahrstrecke in die Staatskanzlei ein. Danach ging es um die Unterbringung der Gäste, die allesamt im Hotel König Maximilian einquartiert wurden. Glücklicherweise war die Geschäftsführung des Hotels so kooperativ, Räumlichkeiten für die Polizisten zur Verfügung zu stellen, obwohl das Hotel komplett ausgebucht war. Totzauer hielt es für sehr wichtig, die Polizisten, die für den Personenschutz der Minister und deren Begleiter zuständig waren, ebenfalls im Hotel König Maximilian unterzubringen – egal wie. Der Plan des Hotels wurde auf dem Beamer gezeigt, die Positionierungen der Polizisten darin markiert. Eine detaillierte Schichteinteilung wurde besprochen, die unter Murren aufgenommen wurde. Auch die Wege vom Hotel zur Staatskanzlei und zurück wurden nun besprochen. Leo war beeindruckt von Totzauers Leistung. Er wäre mit der Planung einer solchen Veranstaltung völlig überfordert gewesen. Als endlich der Theaterbesuch am Donnerstag durch war, wandte sich Totzauer an die Personenschützer, zu denen auch die Mühldorfer Kriminalbeamten gehörten. Sie wurden von fünf Kollegen aus Starnberg und Traunstein unterstützt. Selbstverständlich hatte jeder Politiker seinen eigenen Personenschutz dabei; die zusätzlichen neun Polizisten wurden zur Sicherheit gestellt. Nachdem sich alle Totzauers Plan angehört hatte, meldete sich der Starnberger Kollege Bruno Kleinert.
„Ich würde vorschlagen, dass jedem von uns eine einzelne Person zugeteilt wird. Ich halte Ihren Vorschlag, alle gemeinsam im Auge zu behalten, für falsch. Wenn jeder von uns nur eine Person im Auge hat, ist die Sache sehr viel sicherer.“
„Ich habe Sie nicht nach Ihrer Meinung gefragt,“ sagte Totzauer ruhig. „Ich informiere Sie über den Plan und über Ihre Aufgabe, die Sie unkommentiert hinnehmen. Sollten Sie damit nicht einverstanden sein, können Sie gerne gehen.“ Die Ansage war deutlich und Kleinert sank in seinem Stuhl zusammen. Er war es als erfahrener Mitarbeiter der Starnberger Kriminalpolizei gewöhnt, dass man ihn um seine Meinung fragte und er auch gehört wurde. Dieser Totzauer war ein Kotzbrocken und er mochte ihn nicht, was auf Gegenliebe stieß.
Totzauer fuhr fort und alle machten sich eifrig Notizen. Danach ließ er eine Infomappe mit den Anweisungen und den Fotos der zu schützenden Minister austeilen. Trotz der eben an Kleinert erteilten Abfuhr meldete der sich erneut.
„Wir sind auch für den Theaterbesuch eingeteilt? Das soll wohl ein Witz sein! Wenn ich die Arbeitsstunden grob überschlage, sind wir am Donnerstag weit über zwölf Stunden im Dienst. Das ist viel zu viel und widerspricht den Arbeitsrichtlinien.“ Kleinert sah sich um und hoffte auf Zustimmung, die aber ausblieb.
„Der Plan steht. Ich habe nicht mehr Leute zur Verfügung und bitte um Verständnis. Selbstverständlich habe ich versucht, den Theaterbesuch zu streichen, aber der Ministerpräsident besteht darauf.“
„Ein Ministertreffen ohne Kulturprogramm? Es war doch klar, dass irgendetwas Kulturelles angeboten wird und dieser Einsatz aus dem Rahmen fällt,“ sagte Leo. „Ich mache mir keine Sorgen um meine Arbeitsstunden. Es muss nun mal gemacht werden, was gemacht werden muss.“
„Auch das noch, ein pflichtbewusster Patriot,“ lachte Kleinert und sah die Kollegen an. Niemand lachte mit ihm. Sie waren alle für den Schutz der Minister hier und das Programm war dabei völlig gleichgültig. Auch sie scherten sich nicht um Arbeitsstunden und Arbeitsrichtlinien, als ob das in ihrem Job schon jemals berücksichtigt wurde.
„Sollte jemand Bedenken haben, kann er gerne gehen.“ Totzauer wartete einen Moment, aber niemand ging. „Gut, dann wäre das geklärt. Gibt es noch Fragen?“
Auch hier meldete sich niemand. „Egal was passiert: Sie halten sich genau an die Anweisungen und schützen nur diese Personen und halten sich jeweils in dem Ihnen zugeteilten Bereich auf. Haben wir uns verstanden?“
Totzauer war zufrieden, alle hatten verstanden. Nur dieser Kleinert machte Probleme, obwohl er mit seinen Einwänden nicht so falsch lag. Natürlich verlangte er von den Kräften einiges ab, aber was sollte er daran ändern? Er war sich sicher, dass er sich mit der einen oder anderen Beschwerde auseinandersetzen musste, aber darüber konnte er sich jetzt keine Gedanken machen, das hatte später auch noch Zeit. Er hatte noch zu viel Arbeit vor sich, um die er sich kümmern musste.
Bruno Kleinert fühlte sich missverstanden und suchte nach einem Verbündeten, dem er sein Leid klagen konnte. Die anderen standen abseits und hatten sich von ihm abgewendet, nur Tatjana war noch hier. Er vermutete in ihr wegen ihres Alters und ihrer Erscheinung eine Angestellte niederen Ranges und sprach sie an.
„Dieser Totzauer ist doch ein dominantes Arschloch. Ich denke, er hat nicht viel Ahnung von seinem Job und sollte das Profis überlassen. Wenn ich mir überlege, wie viele solcher Einsätze ich schon geplant habe, würde er nicht so mit mir umspringen.“ Kleinert strahlte Tatjana mit seinen gelben Zähnen an.
Tatjana blieb ruhig. Sie wurde wegen ihres Aussehens schon oft unterschätzt, denn sie legte auf ihr Äußeres keinen großen Wert. Sie trug eine praktische Kurzhaarfrisur und verzichtete auf Make-up. Zu Jeans und Turnschuhen hatte sie immer einen dicken, selbstgestrickten Wollpullover an, da sie leicht fror. Selbstverständlich hatte sie für den Einsatz in der Staatskanzlei eine weiße Bluse und eine dunkle Jacke eingepackt. Sie wusste schließlich, was sich gehörte, auch ohne die Anweisung des Chefs. Sie sah Kleinert nur an. Sie hatte keine Lust, mit ihm zu sprechen, da sie ihn für einen selbstüberschätzenden Idioten hielt.
„Totzauer weiß genau, dass dieser Einsatz den Arbeitsrichtlinien widerspricht. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken,“ sagte Kleinert.
Tatjana schwieg. Warum sollte sie auf diesen Blödsinn einen Kommentar abgeben? Sie packte ihre Unterlagen zusammen und drehte Kleinert den Rücken zu. Wie deutlich sollte sie ihm noch zeigen, dass sie sich nicht mit ihm unterhalten wollte?
„Wie sind Ihre Kollegen so? Wie geht man mit Ihnen als Frau um? Sagen Sie jetzt nicht, dass man in Mühldorf weiter ist als bei uns. Frauen werden auch bei uns nicht gerne gesehen. Ich hoffe, Sie können sich gegen Ihre Vorgesetzten durchsetzen,“ bohrte Kleinert nach, der den Drang verspürte, mit irgendjemand reden zu müssen, auch wenn ihm diese hässliche Frau die kalte Schulter zeigte. Kleinert mochte diesen Leo Schwartz nicht, der sich für seine Begriffe in den Vordergrund drängte und sich wichtigmachte. Dieser fürchterliche Akzent dröhnte in seinen Ohren. Aus welchem Loch ist er gekrochen? Was hatte ein Auswärtiger hier in Bayern verloren? Kleinert brauchte mehr Informationen über Leo Schwartz, dem er irgendwie ans Bein pinkeln wollte. Und die bekam er hoffentlich von dieser hässlichen Kröte Tatjana Struck, die in seinen Augen hier nichts verloren hatte. Zum einen war sie eine Frau, Frauen waren nicht für den Job geeignet. Sie war viel zu jung und unerfahren, und dazu sah sie auch noch schrecklich aus. Aber von ihr bekam er bestimmt Informationen über Schwartz, er musste nur lange genug nachbohren.
Tatjana sagte nichts und ging einfach davon, aber Kleinert folgte ihr.
„Sie können sich mir ruhig anvertrauen, ich bin für meine Verschwiegenheit bekannt. Vielleicht kann ich Ihnen sogar behilflich sein. Ich bin schon lange in dem Job unterwegs und kenne sehr viele, einflussreiche Personen.“
Tatjana ging einfach weiter. Was wollte der Mann von ihr? Warum konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen?
„Ihr Kollege Schwartz ist ein Wichtigtuer, habe ich Recht? Wie ist er so in seinem Job? Der ist doch kein Bayer, vermutlich ein Sachse. Die Ossis breiten sich auch bei uns immer mehr aus. Wer braucht die? Ich nicht.“
Tatjana hatte genug. Sie blieb stehen, drehte sich um und sah Kleinert an.
„Wissen Sie was Kleinert: Halten Sie einfach den Mund. Sie sind ein Kotzbrocken, aus dem nur gequirlte Scheiße rauskommt. Lassen Sie mich ein für alle Mal in Ruhe, sonst werde ich ungemütlich.“
„Was zum Teufel…“ Kleinert schäumte vor Wut.
„Sie erfahren von mir nichts über Kollegen, da sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Ich hatte großes Glück, in Mühldorf bei sehr netten, zuverlässigen und fähigen Kollegen zu landen. Vor einem Trottel wie Sie es einer sind wurde ich verschont. Gehen Sie mir aus den Augen und sprechen Sie mich nie wieder an. Haben Sie Alkohol getrunken?“
„Ich?“ Kleinert bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Ja, er hatte ein paar Schlucke aus seinem Flachmann getrunken, den er seit einem schrecklichen Vorfall vor vier Jahren immer bei sich trug. „Ich habe keinen Alkohol getrunken!“
„Erzählen Sie keinen Unsinn Kleinert, Sie haben eine fette Fahne.“
Was fiel dieser kleinen, hässlichen Struck eigentlich ein? Einige der Kollegen hatten gehört, was sie sagte. Kein Wunder, denn sie sprach sehr laut. Sie wollte, dass es alle hören. Diese hinterfotzige Schlange! Die Kollegen grinsten nicht nur, sondern machten sich offen über ihn lustig. Kleinert wurde sauer. Das hatte dieses hässliche Entlein nicht umsonst gemacht! Er würde sie ab sofort im Auge behalten. Irgendwann ergab sich schon die Möglichkeit, es der frechen Göre heimzuzahlen.
„Hat dich der Typ dumm angemacht?“ fragte Leo, der mitbekommen hatte, dass es mit Kleinert wohl Ärger gab.
„Kleinert ist ein armes Würstchen, das sich wichtigmacht. Keine Sorge, ich komme schon klar.“
„Sei vorsichtig. Ich kenne solche Typen, die lassen sich so etwas nicht einfach gefallen. Du hast ihn vor Kollegen bloßgestellt, das steckt der nicht einfach so weg.“
„Ich bin schon ein großes Mädchen und kann auf mich allein aufpassen. Trotzdem danke Leo.“
Am Abend saßen alle im Hotel beim Abendessen. Kleinert hatte Tatjana ständig im Blick und trank ein Bier nach dem anderen. Er provozierte sie, wo er nur konnte. Das wurde immer schlimmer, je mehr Alkohol er trank. Wie zufällig kippte er Bier über sie, fasste sie ständig an und machte sich über sie und ihr Äußeres lustig. Niemand lachte mit ihm, stattdessen herrschte betretenes Schweigen. Tatjana sagte nichts, sondern ignorierte ihn, was ihn nur zu noch mehr Boshaftigkeiten animierte. Dann platzte Leo der Kragen.
„Noch ein Wort, und ich werde ungemütlich,“ sagte er laut, sodass ihn alle hören konnten.
„Du lässt unsere Chefin ab sofort in Ruhe,“ sagte Hans, stand auf und baute sich vor Kleinert auf.