Kitabı oku: «Todesursache: Mord», sayfa 2

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„Ich bin Christine. Du bist dieser Hans, von dem Leo erzählt hat? Deine Freundin ist gestorben und du glaubst nicht an Herzversagen?“ Christine wählte die Du-Form. Hans war Leos Freund und somit auch der ihre.

„Das ist richtig. Hier ist die Polizeiakte.“

Christine schlug die Akte auf und sah Hans vorwurfsvoll an.

„Kopien? Ich frage lieber nicht, woher die Unterlagen stammen.“

„Besser nicht.“

Christine las die wenigen Unterlagen und besah sich die Fotos sehr genau. Dabei runzelte sie mehr und mehr die Stirn, was Leo sehr gefiel. Christine schien etwas entdeckt zu haben. „Gut. Wo ist die Leiche?“ fragte sie schließlich.

„Das kann ich erst morgen herausfinden.“

„Steht eine Verbrennung an oder ist eine Erdbestattung geplant?“

„Keine Ahnung.“

„Gehen wir vom ungünstigsten Fall einer Verbrennung aus. Die Frau ist gestern verstorben und der heutige Tag ist bereits gelaufen. Wir haben also nur zwei Tage Zeit, um uns die Leiche vorzunehmen. Verdammt knapp.“

Hans war irritiert, denn noch hatte er nicht verstanden, warum Christine hier war und was sie und Leo vorhatten. Langsam verstand er und ihm wurde schlecht.

„Ihr wollt doch nicht…Sagt mir nicht, dass ihr die Leiche…“

„Junger Freund,“ sagte Christine an Hans gewandt, der nur wenige Jahre jünger war als sie. „Du zweifelst an einem natürlichen Tod. Es liegt auf der Hand, dass ich mir die Leiche ansehen muss, um die Todesursache herauszufinden. Was dachtest du denn?“

„Eine Obduktion? Wo? Wie?“

„Das Wie ist kein Problem, ich bin voll ausgerüstet und habe alles mitgebracht. Und das Wo werden wir schon noch klären. Irgendwo werden wir schon ein geeignetes Plätzchen finden.“

„Aber das ist doch illegal! Wenn das einer rausfindet, können wir alle unsere Jobs vergessen!“

„Das ist mir klar. Dir nicht?“

Hans war sprachlos und sah Leo an. Auch ihm war das Risiko also bewusst, das die beiden für ihn und für die Aufklärung der Todesursache seiner Doris eingingen.

„Nein, das kann ich nicht erlauben,“ sagte Hans bestimmt. „Ihr könnte eure Jobs nicht wegen mir aufs Spiel setzen. Das ist meine Angelegenheit und ich werde ab sofort alleine ermitteln.“

Statt einer Antwort lachten Leo und Christine.

„Dazu ist es jetzt zu spät, junger Freund. Wir sitzen in einem Boot. Wir ziehen die Sache entweder gemeinsam durch, oder lassen sie fallen. Entscheide dich!“ Christine trank einen Schluck Wein und sah Hans an. Sie konnte sehen, wie er innerlich mit sich kämpfte.

„Ich danke euch,“ sagte er nur.

„Gut, dann wäre das geklärt. Ich für meinen Teil bin hundemüde und möchte so schnell wie möglich ins Bett. Morgen liegt viel Arbeit vor uns, dazu sollten wir alle ausgeschlafen und fit sein. Wo ist mein Bett? Wo kann ich schlafen?“

„Mein Schlafzimmer steht dir zur Verfügung, ich schlafe auf der Couch. Aber erst muss ich noch das Bettzeug frisch beziehen.“

„Spar dir die Arbeit. Die lange Fahrt ist für eine Frau in meinem Alter ganz schön anstrengend, zumal ich in der Dunkelheit nicht sehr gut sehe. Ich leg mich sofort hin. Gute Nacht.“

Leo hatte ihr gesamtes Gepäck bereits im Schlafzimmer abgestellt. Ohne ein weiteres Wort war Christine verschwunden.

„Es ist unfassbar, was ihr für mich aufs Spiel setzt.“

„Dazu sind Freunde da. Hör auf darüber nachzugrübeln. Wir wissen um die Risiken. Wir sind alt genug und haben uns entschieden, dir trotzdem zu helfen. Ich denke, Christine hat Recht, für heute ist es genug.“

„Stimmt. Und wenn ich mir die beiden leeren Rotwein-Flaschen so ansehe, ist es auch ratsam, dass ich nicht mehr mit dem Auto fahre und bei Tante Gerda übernachte. Zum Glück hat die Gute immer ein Bett für mich frei.“ Inständig hoffte er darauf, endlich etwas Schlaf zu finden. Seit er vom Tod seiner Doris erfahren hatte, konnte er kein Auge zutun.

Christine schnarchte bereits selig, als es sich Leo auf seiner Couch gemütlich machte. Trotz der Umstände bezüglich des Todes von Hans‘ Freundin war er überglücklich, dass er seine Freundin endlich wieder an seiner Seite hatte und schlief selig ein.

2.

Um 6.30 Uhr rief Tante Gerda. Sie freute sich über den unerwarteten Besuch und hatte für alle Frühstück gemacht, was freudig angenommen wurde. Christine war ein Morgenmuffel und heute ganz besonders mies gelaunt, da sie nach eigenen Aussagen überhaupt nicht geschlafen hatte. Eine glatte Lüge, denn Leo hatte sie selbst schnarchen gehört, und das mehrfach.

Hans sah schlecht aus, er hatte tiefe Ringe unter den Augen. Trotz des Rotweins hatte er nur sehr wenig geschlafen. Die Gedanken an Doris und das schlechte Gewissen wegen Leo und Christine, die wegen ihm viel riskierten, ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Sobald er die Augen schloss, tauchten Bilder und Szenen von seiner Doris auf, die so lebendig und real waren, dass er sie beinahe greifen konnte. Er hatte sich dazu durchgerungen, Tante Gerda einzuweihen und ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Warum sollte er sie nicht einweihen?

Tante Gerda war sehr betroffen und bot selbstverständlich ihre Hilfe an.

„Bitte sag mir sofort, wenn du meine Hilfe brauchst, egal, was es ist. Du tust mir so unendlich leid. Ich hätte deine Freundin gerne kennengelernt, sie war bestimmt ein ganz besonderer Mensch.“

Obwohl sich Tante Gerda alle erdenkliche Mühe gab, es Christine Recht zu machen, war diese wortkarg und mürrisch. Beim Trinken des Kaffees verzog sie angewidert ihr Gesicht und nachdem sie den Brotkorb lange inspiziert hatte, entschied sie, nichts zu essen. Was war los mit ihr? Auch bei den Unterhaltungen beteiligte sie sich nicht, ganz egal, welches Thema sie auch anschlugen. Sie starrte nur vor sich hin, obwohl jeder bemüht war, sie ins Gespräch zu integrieren. Leo war gar nicht wohl; er musste mit ihr ein ernstes Wort sprechen, denn in wenigen Minuten mussten er und Hans zur Arbeit fahren. So konnte er die beiden Damen unmöglich sich selbst überlassen. Er hatte Angst um Tante Gerda, denn dieser warmherzige, liebevolle Charakter war Christine hilflos ausgeliefert. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her. Er überlegte, ob es wirklich eine so eine gute Idee war, dass er sie um Hilfe bat und sie nun hier war.

„Christine, ich möchte mich mit dir unterhalten – unter vier Augen.“ Leo war aufgestanden und ging zur Tür.

Diese sah ihn nur an und machte keine Anstalten, ihm zu folgen. Die Stimmung war sehr angespannt.

„Würdest du bitte mitkommen?“ wiederholte Leo.

Wieder sah sie ihn nur an und lehnte sich zurück.

„Du hast dich verändert Leo. Du bist weich geworden und nicht mehr so gerade heraus, wie ich es immer an dir geschätzt habe. Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann sag es, und zwar hier vor deinen Freunden. Ich werde mit Sicherheit nicht in die Kälte rausgehen. Also, raus mit der Sprache.“

Diese Frau reizte ihn bis aufs Blut und er entschied, ihrem Wunsch zu entsprechen.

„Wie du willst. Ich finde, du benimmst dich Tante Gerda und Hans gegenüber sehr unhöflich und ich verstehe nicht, warum du das machst. Ich kenne dich ganz anders. Ich habe Angst, euch beide hier alleine zu lassen, denn Tante Gerda ist dir nicht gewachsen. Was ist nur los mit dir?“

Ihm pochte das Herz bis zum Hals. Er konnte nicht einschätzen, wie sich Christine nun verhalten würde. Auf der einen Seite freute er sich sehr, sie wiederzusehen und sie brauchten ihre Hilfe. Aber auf der anderen Seite schämte er sich auch für ihr Verhalten; so mochte er sie überhaupt nicht.

„Jetzt bist du wieder so, wie ich dich kenne Leo: Ehrlich und gerade heraus. Ich mag es nicht, wenn man mir Honig ums Maul schmiert und herumschleimt, sondern die Dinge beim Namen nennt. Wir bewegen uns hier alle, und damit ist Tante Gerda eingeschlossen, auf sehr, sehr dünnem Eis und wir müssen uns alles sagen können und dürfen. Es hat mich sehr bestürzt, dass Hans seine Tante erst jetzt von der Geschichte unterrichtet hat und dass wir uns hier beim Frühstück über absolut banale und unwichtige Dinge unterhalten, wenn weit Wichtigeres ansteht. Gerda, ich lass die Tante weg und werde Sie einfach duzen,“ wandte sie sich nun an die 72-jährige Frau, die hier in Rüschenbluse und Latzjeans am Tisch saß, „du kannst mich nicht täuschen. Du bist nicht die Bilderbuch-Oma, die es liebt, Menschen zu bedienen und sich zu unterwerfen. Du bist eine Frau, die mitten im Leben steht und die es verdammt nochmal verdient hat, dass man normal mit ihr umgeht.“

„Danke Christine; ich darf doch Christine sagen?“

„Klar.“

„Es stimmt. Ich habe gerne Menschen um mich, aber man muss mich nicht vor allem Bösen beschützen. Ich würde gerne miteinbezogen werden und bin für alle Schandtaten bereit.“ Sie grinste und bekam rote Bäckchen.

„Sehr gut. Das ist sehr wichtig, denn das, was auf uns zukommt, wird kein Zuckerschlecken. Wir können jede Hand brauchen und Gerda gehört dazu.“

„Du meinst, wir sollen sie aktiv in alles einbeziehen?“ rief Hans erschrocken. „Das geht doch nicht, das kann ich Tante Gerda nicht zumuten.“

„Deine Tante Gerda ist doch kein verschrecktes Blümchen. Sieh sie dir doch genau an! Sie hat viel erlebt und kann mehr verkraften, als du ihr zutraust.“ Jetzt wandte sich Christine direkt an Tante Gerda. „Ich bin mir sicher, dass du es früher doll getrieben hast und auch heute nichts anbrennen lässt. Liege ich damit richtig?“

Hans war geschockt, aber Tante Gerda strahlte übers ganze Gesicht. Sie fühlte sich keineswegs ertappt, sondern war sofort begeistert von dieser Frau, die sehr ehrlich war und die Menschen richtig einschätzte.

„Ja, damit liegst du absolut richtig. Früher waren herrliche Zeiten. Aber auch ich werde älter und ruhiger, was nicht bedeutet, dass ich mich aufs Altenteil zurückgezogen habe. Ich liebe meinen alten Hof und lebe gerne hier. Wenn wir gerade dabei sind, ehrlich miteinander zu sein: Ich habe seit ein paar Monaten einen Freund, mit dem ich enger zusammen bin und von dem niemand etwas weiß. Warum ich so ein Geheimnis um ihn mache, weiß ich auch nicht.“ Sie war rot geworden und sah Hans an. „Sei nicht enttäuscht von mir Hans, ich bin auch nur ein Mensch. Ich würde es sehr gerne sehen, wenn ich aktiv in euer Team gehöre.“

„Tante Gerda,“ rief Hans beinahe empört, „was redest du denn da?“

„Hör doch auf, du Heuchler!“ schrie ihn Christine an. „Warum sollte deine Tante nicht auch ein bisschen Spaß im Leben haben? Sie ist zwar über 70, aber noch lange nicht tot. Sieh dir deine Tante doch an. Sie strotzt vor Vitalität und hat außer ihrem biederen Aussehen nun so gar nichts von einer alten Oma, bei der sich alles nur um Krankheiten dreht. Sieh dich mal in einer Arztpraxis oder einfach nur auf der Straße um. Zu diesen Menschen, die mit ihrem Leben abgeschlossen haben und hauptsächlich nur noch an sich selbst und ihre Krankheiten denken, passt deine Tante Gerda absolut nicht dazu. Siehst du das denn nicht? Was hast du gegen ein bisschen Spaß im Leben? Du treibst es doch bestimmt auch ziemlich bunt, das sehe ich dir doch an der Nasenspitze an. Oder liege ich falsch?“

„Nein, ich bin bestimmt kein Heiliger. Aber ich kann mir das bei meiner Tante einfach nicht vorstellen, und ich will es auch nicht.“ Hans schien beinahe angewidert.

„Und warum spielen Sie Ihrem Neffen so ein Theater vor?“

„Das weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich, weil die Menschen von mir erwarten, dass ich immer lieb und nett bin und dazu ein ruhiges, harmloses Leben führe.“

Tante Gerda war nachdenklich geworden. Sie verstand langsam, was Christine mit ihrer Standpauke bezwecken wollte.

„Das ist genau das, was ich meine. Ihr sprecht zwar miteinander, aber ihr kennt euch eigentlich nicht, weil ihr nicht ehrlich zueinander seid. Normalerweise geht mich das alles nichts an, ihr könnt euch gegenseitig etwas vormachen und vorspielen, solange und sooft ihr wollt. Aber wenn wir das hier gemeinsam durchziehen, gehen wir ab sofort offen und ehrlich miteinander um. Wir sagen uns alles, auch wenn es noch so peinlich und unangenehm ist, oder den anderen verletzten würde. Können wir uns darauf einigen?“

Sie bekam reihum Zustimmung und Leo nahm sie in den Arm. Genau so kannte und liebte er sie. Natürlich hatte sie Recht, er hatte sich verändert. Seit er hier in Mühldorf angekommen war, war er sehr vorsichtig gewesen und wollte sich mit niemandem anlegen oder unangenehm auffallen. Warum war ihm das selbst nicht aufgefallen?

„Dann wäre das geklärt. Wie wollen wir nun weiter vorgehen? Ich brauche die Leiche, ohne die wird eine Obduktion schwierig.“

„Sobald wir im Präsidium sind, werden wir umgehend in Erfahrung bringen, wo sich die Leiche befindet. Dann brauchen wir einen Plan, wie wir die Leiche in die Finger bekommen.“

„Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, wie und wo die Obduktion vonstattengehen soll?“ fragte Tante Gerda mit glühend roten Bäckchen. „Wir brauchen einen geeigneten Ort und du brauchst bestimmt Handwerkszeug, oder wie man das nennt. Das dürfte das größte Problem werden.“

„Mein Handwerkszeug, wie du es nennst, habe ich natürlich mitgebracht. Und wir werden hier im Haus bestimmt einen geeigneten Raum für die Obduktion finden, nicht wahr Gerda?“

Die war sofort begeistert.

„Natürlich, ich hätte da sogar schon eine Idee. Ich habe noch eine Frage: Dürfte ich eventuell bei der Obduktion zusehen oder sogar dabei helfen? Ich finde das alles sehr aufregend. Endlich ist hier mal etwas los.“

„Sicher kannst du mir behilflich sein. Aber nur, wenn dir nicht schlecht wird und du dich davor nicht ekelst. Leo konnte ich nie für die Pathologie begeistern, aber ich freue mich, wenn du dabei bist. Hans, du lässt die Polizeiakte hier? Ich möchte mir nochmals alles in Ruhe ansehen. Vor allem den Bericht des Arztes.“

Hans holte sofort die Unterlagen aus seiner Jacke und gab sie Christine, wobei er ihr das eine oder andere erklärte und mir ihr durchsprach.

Durch Christines Ansprache war die Luft sauber und die Stimmung hervorragend. Alle zogen jetzt an einem Strang. Das war genau das, was Christine Künstle erreichen wollte. Sie nannte die Dinge nun mal gerne beim Namen und wollte mit den Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld ungezwungen und frei umgehen. Und natürlich setzte sie absolute Ehrlichkeit voraus. Wenn sie bemerkte, dass sie belogen wurde, konnte sie sehr, sehr unangenehm werden. Leo beobachtete die momentane Szene um ihn herum und war sehr stolz auf Christine. Sie wusste, wie man ein Team zusammenhält und motiviert, trotz ihrer ruppigen und gewöhnungsbedürftigen Art.

Aber zuerst mussten sie irgendwie die Leiche in die Finger bekommen, was sehr schwierig werden würde. Leo war nicht wohl bei dem Gedanken. Wie sollten sie das anstellen? Auch Hans hatte bereits darüber nachgedacht.

Auf dem Weg in die Polizeiinspektion Mühldorf klangen Christines Worte in Leos Kopf wider. Sie hatte Recht, er hatte sich tatsächlich verändert, denn er war hier lange noch nicht richtig angekommen und verhielt sich noch nicht frei und ungezwungen, wie es seine Freundin von ihm in Ulm gewohnt war. Er nahm sich fest vor, daran zu arbeiten bzw. dahinterzukommen, warum das so war.

„Christine ist eine tolle Frau. Man kann ihr wirklich bedingungslos vertrauen, denn selten habe ich eine so ehrliche, direkte Person kennengelernt. Obwohl ich nicht gerade scharf darauf war, diese Seite von Tante Gerda zu erfahren,“ sagte Hans.

„Ja, sie ist wirklich eine tolle Frau. Und was Tante Gerda betrifft, bist du wirklich nicht fair. Auch sie hat ein Privatleben und vielleicht solltest du dir Gedanken darüber machen, ob du dir nicht selbst ein Bild erschaffen hast und sie einfach so sehen willst.“

„Sicher, da hast du nicht ganz Unrecht. Aber Tante Gerda hat auch ihren Teil dazu beigetragen. Ich habe vorhin mit ihr gesprochen und wir wollen in Zukunft anders miteinander umgehen. Christine hat den Nagel auf den Kopf getroffen.“

3.

Es war für Hans kein Problem herauszufinden, wo sich der Leichnam von Doris Stöger befand: Im Bestattungsunternehmen Garkammer in Altötting. Er musste höllisch aufpassen, dass seine Vorgesetzte Viktoria und vor allem die neugierige Hilde Gutbrod nichts von den Recherchen mitbekamen. Frau Gutbrod schlich um ihn und Leo herum, als ob sie etwas ahnen würde. Hinter jeder Ecke tauchte sie urplötzlich auf und kam unter fadenscheinigen Vorwänden immer wieder in ihr Büro und hielt sich dort länger auf, als es nötig gewesen wäre. Von dem Kollegen Werner Grössert ging offensichtlich keine Gefahr aus, denn der war stark erkältet und auch deshalb mit sich selbst beschäftigt.

Draußen auf dem Parkplatz sprachen Hans und Leo während der Mittagspause miteinander, wie sie nun weiter vorgehen wollten.

„Ich habe einen Transporter gemietet, der steht für uns bereit. Aber wie kriegen wir nun die Leiche in unsere Hände? Hast du eine Idee?“

„Alleine haben wir keine Chance. Wir brauchen jemanden, der die Angestellten im Bestattungs-Unternehmen ablenkt, während wir beide uns um die Leiche kümmern.“

Leo war skeptisch, ob es tatsächlich so leicht wäre, an die Leiche von Doris zu kommen. Was wäre, wenn die Leiche sich überhaupt nicht direkt in diesem Bestattungs-Unternehmen befand? Aber irgendwo mussten sie ansetzen und ihr Glück versuchen.

„Christine könnte die Angestellten ablenken, sie ist genau die Richtige dafür. Ich weiß zwar nicht, ob das gelingen wird, aber einen Versuch ist es wert.“

Leo rief Christine an und erklärte das Vorhaben.

„Klar bin ich dabei, das dürfte kein Problem werden.“ Von ihrer Seite aus war alles für eine Obduktion vorbereitet. Je schneller sie an die Leiche kam, desto eher konnte sie mit ihrer Arbeit beginnen. Sie notierte sich die Adresse des Bestattungsunternehmens Garkammer. Sie vereinbarten, sich dort gegen 17.30 Uhr zu treffen. Kurz vor Feierabend waren vielleicht nicht mehr alle Mitarbeiter vor Ort. Vor allem war es dann bereits dunkel, was für den Abtransport der Leiche von Vorteil wäre.

„Dann wäre das geklärt,“ sagte Hans nicht ohne Sorge. „Ich bete, dass das auch alles so klappt, wie wir uns das vorstellen. Vorher muss ich die Fotos aus den Unterlagen der Altöttinger Kollegen wieder zurückbringen. Das dürfte aber weitaus einfacher werden, als die Unterlagen zu kopieren und zu klauen.“

„Ich schlage vor, dass wir das heute erledigen, noch bevor wir die Leiche holen. Mir wäre viel wohler, wenn die Unterlagen wieder komplett wären.“

„Die Unterlagen hat Christine.“

Leo rief Christine an und bat sie, die Unterlagen im Laufe des Tages in Mühldorf vorbeizubringen.

„Das mache ich gerne. Gerda und ich wollten zur Beruhigung unserer Nerven sowieso eine Shoppingtour machen. Bis später!“

„Wir bekommen die Unterlagen im Laufe des Tages. Ich würde mir gerne das Haus deiner Doris ansehen.“

„Das ist kein Problem, ich habe einen Hausschlüssel und versiegelt wurde nichts. Lass uns das morgen erledigen, heute habe ich keine Nerven mehr dafür. Die Beschaffung der Leiche bereitet mir schon genug Magenschmerzen. – Erzähl schnell etwas anderes und tu so, als hätte ich einen Witz gemacht, schnell.“

Leo verstand nicht, tat aber, was ihm Hans geheißen hatte. Frau Gutbrod stand plötzlich neben den beiden. Jetzt verstand er.

„Was machen Sie beide hier? Läuft hier eine Verschwörung?“

Sie versuchte, ihre Frage lustig klingen zu lassen, aber an ihrem Gesichtsausdruck merkten sie sofort, dass sie es ernst meinte und sehr misstrauisch ihnen gegenüber war. Diese Gutbrod war wirklich die Pest. Probleme mit ihr konnten sie jetzt nicht auch noch brauchen.

„Aber nein, wo denken Sie denn hin, liebe Frau Gutbrod. Wir würden doch niemals Geheimnisse vor Ihnen haben. Wir haben uns über Fußball unterhalten, das Pokalspiel letztes Wochenende. Da hat doch dieser Fußballspieler...“ weiter kam Leo nicht, denn Frau Gutbrod interessierte sich nicht für diesen in ihren Augen primitiven Sport und winkte ab. Trotzdem blieb sie misstrauisch, denn mit den beiden stimmte etwas nicht. Vor allem diese geheimen Treffen auf dem Parkplatz waren sehr ungewöhnlich. Auf jeden Fall würde sie die beiden weiter im Auge behalten und sie beobachten. Sie war sich sicher, dass sie etwas im Schilde führten, das spürte sie ganz deutlich. In Gedanken versunken stöckelte sie mit ihren viel zu hohen roten Schuhen, die sie zu einem gelben Minikleid trug, davon.

„Wir müssen aufpassen, die Gutbrod ist nicht blöd. In Zukunft dürfen wir solche Unterhaltungen nicht mehr hier auf dem Parkplatz oder auf dem Flur führen. Ich glaube, wir verhalten uns viel zu auffällig.“

„Du hast Recht, keine heimlichen Unterhaltungen mehr. Wir beide sind offenbar als Ganoven völlig ungeeignet. Wir besprechen uns ganz öffentlich in der Kantine ohne Namen und Details zu nennen.“

Christine war um 14.00 Uhr im Polizeipräsidium eingetroffen. Sie hätte die Unterlagen abgeben können, wollte sie Leo aber persönlich übergeben.

„Bleibt es bei dem Plan?“ fragte sie Leo, als sie ihm die Unterlagen in einem verschlossenen Umschlag übergab.

„Es bleibt dabei. Sei bitte pünktlich. Sollte etwas dazwischen kommen, melde ich mich bei dir.“

Nicht nur Hilde Gutbrod hatte die Szene beobachtet. Werner Grössert war Leo gefolgt und stand auf der Treppe. Wer war die Frau? Und was war in dem Umschlag?

Viktoria stand am Fenster. War das nicht Tante Gerda in dem Wagen mit dem Ulmer Kfz-Kennzeichen? Wem gehörte der Wagen? Sie hätte das Kennzeichen überprüfen können, entschied sich aber dagegen. Wie hätte sie das auch rechtfertigen sollen? Als Leo mit einem Umschlag in der Hand zurückkam, bemühte sie sich, sich nichts anmerken zu lassen. Sie bemerkte den Blick zwischen Leo und Hans. Was führten die beiden im Schilde? Hätte sie fragen sollen? Nein! Sie war beleidigt. Dass zwischen den beiden etwas lief, war klar. Aber was?

Auch Werner hatte den Blick zwischen Leo und Hans bemerkt. Was lief da ab?

Je näher der Feierabend kam, desto nervöser wurden Leo und Hans. Viktoria ließ die beiden nicht mehr aus den Augen. Vor allem Leo war ihr gegenüber sehr verkrampft und lächelte so künstlich, dass man sich echt verarscht vorkam. Männer, dachte sie und lächelte. Sie würde die beiden auf jeden Fall beobachten und war sich sicher, dass sie in kürzester Zeit herausfinden würde, was mit den beiden los war. Auch Werner Grössert ging es auf die Nerven, wie sich die beiden benahmen und war sauer, denn offensichtlich wollten sie ihn nicht ins Vertrauen ziehen. Der 38-Jährige sah trotz seiner Erkältung wie immer wie aus dem Ei gepellt aus, sein neuer Anzug hatte bestimmt wieder ein Vermögen gekostet.

Leo mochte und schätzte Werner sehr. Werner wäre eine wichtige Hilfe in ihrem Vorhaben gewesen. Leo überlegte mehrfach, ihn anzusprechen, aber er traute sich nicht. Wie würde sich das auch anhören? Er hätte ihm sagen müssen, dass sie im Begriff waren, eine Leiche zu klauen, die dann im Haus von Tante Gerda obduziert wurde. Nein, das klang doch völlig verrückt. Werner würde dabei niemals mitmachen. Oder doch?

Es war 16.30 Uhr und sie konnten zum Glück pünktlich Feierabend machen. Hans und Leo verließen das Büro und somit auch den Parkplatz nur wenige Minuten versetzt, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie das gleiche Ziel hatten. Wenig später parkten sie bei der Autovermietung in Mühldorf, die Formalitäten waren rasch erledigt.

Sie fuhren umgehend los. Nachdem sie die Unterlagen geholt hatten, steuerten sie die Polizeiinspektion Altötting an, um endlich diese Fotos wieder in der Originalakte verschwinden zu lassen.

„Hast du dir schon überlegt, wie du das anstellen willst?“

„Keine Sorge, das dürfte kein Problem werden. Ich kenne viele der Altöttinger Kollegen, mit einigen war ich auf der Polizeischule. Ab und zu schau ich bei ihnen vorbei, das ist nichts Ungewöhnliches. Ich weiß genau, wo die Akte ist. Wenn jemand da ist, lenk ich ihn ab; und schwuppdiwupp sind die Fotos wieder da, wo sie hingehören. Das wird ein Kinderspiel. Jetzt mach dir doch nicht immer so viele Gedanken, ich weiß schon, was ich tue.“

Leo war überrascht, dass Hans sich überhaupt keine Sorgen um das Ganze machte. Er parkte vor der Polizeiinspektion Altötting und Hans verschwand darin. Tatsächlich kam er nach knapp 15 Minuten wieder zurück.

„Alles erledigt, die Fotos sind wieder an ihrem Platz und keiner hat etwas gemerkt. Du kannst losfahren,“ sagte Hans und Leo fiel ein Stein vom Herzen. Die erste Hürde war bereits genommen.

Um 17.20 Uhr standen sie nervös vor dem Bestattungsunternehmen Garkammer, in dem zum Glück nicht viel, oder besser gesagt, so gut wie kein Betrieb war. Der Parkplatz war leer und die ersten Lichter wurden gelöscht. Hans hatte aus dem Internet erfahren, dass die Firma Garkammer bis um 18.00 Uhr geöffnet hatte und ließ sich dies telefonisch bestätigen. Sie hätten bis Geschäftsschluss genug Zeit für ihr Vorhaben. Es war inzwischen schon sehr dunkel und dazu auch noch saukalt. Im Radio lief gerade die Meldung, dass am Alpenrand heute Nacht die ersten Schneefälle zu erwarten wären, was für Ende November niemanden überraschte. Trotzdem spürten die beiden die Kälte nicht. Sie hielten Ausschau nach Christines Wagen, der nun endlich auf den Parkplatz einbog. Christine stieg aus und sah sich nicht um, sondern ging festen Schrittes direkt in das Bestattungsunternehmen. Hans und Leo konnten durch das große Fenster beobachten, wie sie von einem Angestellten begrüßt wurde. Das war das Zeichen für die beiden. Sie starteten den Transporter und fuhren an die Rückseite des Firmengebäudes.

Mit klopfenden Herzen stiegen die beiden aus. Zu ihrem Glück war die Tür des hinteren Ausganges nicht geschlossen, sie quietschte aber wie verrückt. Sie schlichen sich hinein und befanden sich offensichtlich in einem Lager, denn um sie herum waren jede Menge Materialien in den Regalen. Sie verständigten sich nur mit Handzeichen und gingen weiter. Sie kamen in einen Gang, von dem links und rechts je ein Raum abging. Geradeaus, am Ende des Ganges, musste der Verkaufsraum sein, in dem sich Christine mit einem Mann unterhielt. Sie konnten sie sprechen hören. Wo sollten sie mit ihrer Suche nach Doris anfangen? Sie wählten den Raum auf der rechten Seite. Langsam öffneten sie die Tür. Der Raum war stockdunkel und Hans schaltete seine Taschenlampe ein, während Leo sofort die Tür hinter ihnen schloss. Vor ihnen standen fünf Särge auf Tischen, hier waren sie hoffentlich richtig. Leo schaltete das Licht ein. Der Raum war ansprechend gestaltet: Wandvertäfelungen in dunkler Eiche, ein Holzboden in passender Farbe, mehrere Kerzenständer mit dicken, weißen Kerzen, die aber noch nie angezündet wurden, Kunstpflanzen in den Ecken und vor den Särgen. Hier wurde offensichtlich mit Besuch gerechnet, denn sonst hätte man sich nicht solch eine Mühe gemacht.

Hans und Leo vermuteten sofort, dass sich in den Särgen Leichen befinden mussten.

„Was meinst du?“ flüsterte Leo.

„Vielleicht haben wir Glück und Doris liegt hier in einem der Särge. Wir müssen sie öffnen.“

Leo nickte, er hatte denselben Gedanken. Einen nach dem anderen machten sie auf, wobei sie streng darauf achteten, trotz der Eile keinen Lärm zu machen. Bei dem vierten Sarg hatten sie Glück. Hierin lag Doris Stöger, die für die Beerdigung bereits zurecht gemacht wurde. Hans versetzte der Anblick seiner Doris einen Stich in Herz und Magen. Er schreckte zurück, wobei er an einem Sarg hängenblieb, der dadurch mitsamt dem Tisch ein kleines Stückchen über den Holzboden verschoben wurde, was einen Höllenlärm verursachte. Leo sah ihn streng an, denn durch solch eine Unachtsamkeit konnte der ganze Plan schief gehen.

Sie achteten nicht darauf, ob jemand auf sie aufmerksam geworden war und machten rasch weiter. Wenn man sie hier jetzt mit dem offenen Sarg entdecken würde, wäre es sowieso zu spät. Wie hätten sie das erklären sollen? Vorsichtig nahmen sie den Deckel ganz ab, legten ihn sorgsam und lautlos auf den Boden, und nahmen die Leiche vorsichtig heraus. Nun legten sie die Leiche ebenfalls auf dem Boden ab, während sie den Deckel wieder vorsichtig auflegten.

Jetzt war höchste Eile geboten, denn sie konnten nun Christines Stimme immer deutlicher hören, die sie dadurch eindeutig warnen wollte. Hans nahm die Leiche auf die Arme und so schnell wie möglich gingen sie auf dem gleichen Weg zurück, auf dem sie gekommen waren. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wären Christine und dem Angestellten direkt in die Arme gelaufen. Christine hatte die beiden gesehen und spontan tat sie so, als hätte sie Schmerzen an der Hüfte, schrie auf und hielt sich an dem Angestellten fest, der natürlich sofort den Kopf zu ihr drehte und sich um sie kümmerte. Hans und Leo waren keine zwei Meter von ihnen entfernt.

Die beiden rannten zur Hintertür. Die quietschende Tür war noch ein Problem, das sie meistern mussten. Leo entschied, darauf jetzt keine Rücksicht zu nehmen, dafür war keine Zeit. Er riss die Tür auf, hielt sie für Hans und Doris auf, rannte zum Transporter, öffnete die Tür und Hans konnte die Leiche hineinlegen. Während Hans die Tür des Transporters lautstark zuschlug, startete Leo bereits und fuhr langsam los. Hans sprang auf den Beifahrersitz und nun drückte Leo das Gas durch und sie fuhren mit quietschenden Reifen davon. Sie schwitzten beide wie verrückt, waren völlig aufgeregt und blickten ständig in die Rückspiegel. Niemand verfolgte sie und sie konnten kaum glauben, dass das alles tatsächlich geklappt hatte. Aber noch mehr waren beide überrascht davon, dass sie wirklich eben eine Leiche gestohlen hatten.

Der Angestellte des Bestattungs-Unternehmens hatte davon überhaupt nichts mitgekommen. Natürlich hatte er die quietschende Tür gehört, dachte sich aber nichts dabei. Warum auch? Christine spielte ihre Rolle hervorragend und schrie genau an den richtigen Stellen.

„Sie sind ein sehr netter Mensch, Sie haben sehr viel Mitgefühl mit einer alten Frau,“ schmeichelte ihm Christine.

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