Kitabı oku: «Brücken zwischen Leben und Tod», sayfa 2
Der Sterbeprozess
Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust,
wird es dir sein, als lachten alle Sterne,
weil ich auf einem von ihnen wohne,
weil ich auf einem von ihnen lache. (…)
Und wenn du dich getröstet hast (…),
wirst du froh sein, mich gekannt zu haben.
Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz
Die Thanatopsychologie unterteilt den Prozess des Sterbens in drei Stufen: Sterben, Tod und Danach. Das verweist sachgemäß auf die Tatsache hin, dass der Tod ein dynamisches Geschehen ist, welches einen fortschreitenden Verlauf impliziert. Dementsprechend ist auch zu erklären, dass der Tod nicht erst im Augenblick des physischen Absterbens wahrgenommen werden kann, sondern in vielfältiger Weise bereits schon im Voraus.
Als Sterbeerlebnisse werden diejenigen Erlebnisse betrachtet, die in der gesamten Phase vor dem Tod stattfinden. Sie beziehen sich zunächst auf Zustände, die mit dem körperlichen Zerfall und mit der psychischen Beschäftigung mit dem Tod in dieser letzten Phase zu tun haben. Hier setzt die klassische psychologische Sterbebegleitung ein. Das Regeln noch ungelöster Dinge, das Abschiednehmen von Familie und Freunden gehört unmittelbar zu dieser Arbeit. Den meisten Sterbenden ist es auch ein Bedürfnis, ihr Testament und den Nachlass zu regeln. Manche möchten ihre Beisetzung abklären, andere wiederum scheuen sich gerade davor, diese Thematik anzugehen. Diese Angelegenheiten bilden den äußeren Rahmen und somit die erste Ebene dieser Arbeit.
Eine zweite Ebene in der Begleitung Sterbender ist die Auseinandersetzung des betroffenen Menschen mit der eigenen Lebensgeschichte. Falls sein Zustand es erlaubt, ist eine abrundende und verständnisbildende Gesamtschau über seine irdische Biografie ein überaus wichtiger Prozess. Dieser biografische Blick ermöglicht es ihm, seinen Selbstbezug zu klären, den großen Bogen seines Lebenswegs zu erkennen und den Übergang über die Schwelle annehmend vorzubereiten.
Eingebettet in diesem Geschehen der Klärung und Loslösung tauchen bei einigen Menschen geistige Erlebnisse auf, die durch die Anwesenheit von Engeln und bereits Verstorbenen ihren herannahenden Tod vorzeichnen. Diese Erlebnisse bilden die dritte und innigste Ebene des Sterbeprozesses eines Menschen. Sie zeigen auf, dass der Tod geistig vorbereitet wird und sich übersinnlich ankündigt.
Ich erinnere mich an eine siebenundsechzigjährige Patientin im Krankenhaus, die einen äußerst schwierigen Krankheitsverlauf gehabt hatte. Ihr Wesen war liebevoll und mild, sie nahm die Hilfe der Pflegenden bescheiden und überaus dankbar an. Eines Tages betrat ich ihr Zimmer, und das Erste, was sie sagte, war: «Ich werde erwartet, wissen Sie? Ich werde erwartet», und ein Lächeln erhellte ihr grau gewordenes Gesicht. Ihr Körper war stark von der Krankheit gezeichnet, sie atmete schwer, die Schmerzen wurden von Tag zu Tag unerträglicher. «Ja, ich werde erwartet», wiederholte sie. Ihre Augen leuchteten dabei, und von ihrem Wesen ging ein freudevoller Glanz aus. «Möchten Sie mir davon erzählen?», fragte ich sie.
«Es ist mein Engel. Ich weiß, dass er es ist. So liebend ist er, er wartet geduldig. Meistens am Kopfende steht er, sehen Sie? Hier …», sagte sie und deutete auf die Wand hinter ihrem Bett. «So liebend ist er … Und manchmal sehe ich ihn in der rechten Ecke des Zimmers, dort am Fenster, neben dem Vorhang, sehen Sie? Aber das ist seltener. Meistens spüre ich ihn hier hinten, bei mir. – An manchen Tagen sind es auch andere Gestalten, die im Zimmer auftauchen. Meine Mutter ist darunter. Oh, es ist so lange her, dass sie starb …» Der Blick der Patientin wandte sich wie nach innen, Kindheitserinnerungen aus einer längst vergangenen Zeit wurden in ihr lebendig. Sie berichtete von der Mutter, von den gemeinsamen Jahren, vom Tod der Mutter. «Und wissen Sie, sie ist so jung jetzt, viel jünger als damals, und so schön, so strahlend! – Es wird Zeit für mich zu gehen. Ich werde dort erwartet. Ich habe auch keine Angst mehr, es ist nur ein Übergang. Das weiß ich jetzt.»
Wenige Tage später verstarb die Patientin im Beisein ihres Lebensgefährten, ruhig, gefasst und bei klarem Bewusstsein.
Szenenwechsel, ein anderes Patientenzimmer: eine Dame, Mitte fünfzig, die noch sehr mit ihrer Erkrankung hadert. Es fällt ihr schwer zu akzeptieren, dass ihr Leben nun schon so früh zu Ende gehen sollte. Eines Tages flüstert sie mir unerwartet zu:
«Ich sehe ständig eine Gestalt am Fenster. Ich habe nie an so etwas geglaubt, aber sie ist immer wieder da. Ich bin zwar krank, aber nicht verrückt. Können Sie sie auch sehen?»
Ich sehe hin und schaue ihren Engel. «Ja, da ist jemand. Können Sie selbst erkennen, wer das ist?»
«Sie kommt mir so vertraut vor, die Gestalt, als ob ich sie schon immer kennen würde. Aber ich habe sie bisher noch nie gesehen.» Sie dachte und spürte nach, und nach einem langen Schweigen erhellte sich das Gesicht der Patientin. Ganz leise sagte sie: «Es ist meine ‹Engelin›. Man spricht sonst immer von Engeln, aber für mich erscheint sie wie eine Engelin.»
Es war ein ganz besonderer, inniger Augenblick. Der Ausdruck «Engelin» klang für mich selbst überraschend, umso wichtiger fand ich es, dass die Patientin ihre Wahrnehmung zulassen und entsprechend auch ganz authentisch bezeichnen konnte. Ab diesem Augenblick veränderte sich ihr seelischer Zustand. Es war für sie wie ein Aufatmen, sie begann, ihre Erkrankung anzunehmen, und wir konnten bis zu ihrem Tod intensive verarbeitende Gespräche führen.
Eine andere Patientin, eine recht ruppige und wenig freundliche ältere Frau, die schon seit längerer Zeit bettlägerig war, empfing mich eines Tages zwar wie immer in ihrem Bett, aber wie zum Ausgehen fertig angezogen. Sie hatte ihren Schmuck angelegt, ihr schön gestricktes Wolljäckchen angezogen, die Schuhe standen fein nebeneinander direkt am Bett.
«Was ist denn los?», fragte ich sie, «wo möchten Sie denn hin?»
«Wissen Sie, ich werde abgeholt. Meine Mutter ist gekommen.»
Mein Verstand fing kurz an nachzurechnen: Die Patienten ist Anfang achtzig, die Mutter müsste mindestens hundert Jahre alt sein, das kann sie also nicht gemeint haben. Mir wurde klar, um was es ging, ich wollte aber nicht vorgreifen und fragte:
«Wie meinen Sie das? Lebt Ihre Mutter noch?»
«Nein, natürlich nicht», antwortete sie barsch, «aber sie ist trotzdem gekommen! Heute Morgen, da …» und zeigte auf das Eck des Zimmers, «da stand sie. Ich habe sie ganz deutlich gesehen.»
«Ach ja? Und was hat denn Ihre Mutter gesagt?»
«Sie hat gesagt: ‹Ich komme dich holen. Wir warten schon auf dich.› Und sie war so schön und so jung, meine Mutter. Wissen Sie, sie hat so jung ausgesehen wie zu meiner Kinderzeit, und sie hat so lieb ausgeschaut und war ganz aus Licht.»
Und nach einer Pause fügte die Patientin wieder in ihrer ruppigen Art hinzu: «Also, das heißt: Ich gehe jetzt! Ich muss jetzt gehen, oder?»
Ich schaute mir die Dame noch einmal genauer an. Sie machte, trotz des fortgeschrittenen Alters und der sehr schweren Erkrankung, keinesfalls den Eindruck, unmittelbar an der Schwelle zu sein. Bis zur besagten Begegnung war es ihr nicht möglich gewesen, auf ihr Leben zurückzublicken oder ihren eigenen Sterbeprozess in irgendeiner Form zu gestalten. Recht schroff zu allen, die sie umgaben, hatte sie bis dahin tiefer gehende Gespräche verweigert. Ihre trotzige Haltung war durch die Begegnung mit ihrer verstorbenen Mutter jedoch einer staunenden Klarheit und Offenheit gewichen. Ich sagte ihr dann: «Wir gehen alle irgendwann, und Sie natürlich auch, aber ich habe nicht den Eindruck, dass Sie jetzt gleich gehen müssen. Es ist sehr schön, dass Ihre Mutter da war, und es ist wunderbar, dass Sie wissen, Sie werden erwartet. Aber jetzt lassen Sie uns doch mal schauen, ob Sie hier noch etwas zu erledigen haben. Gibt es noch etwas, was Sie tun möchten? Sind Sie wirklich bereit, Abschied von diesem Leben zu nehmen?»
Nun wurden endlich Gespräche möglich. Durch die Erscheinung der Geistgestalt ihrer Mutter gerührt, ließ die Patientin nun Kindheits- und Lebenserinnerungen zu. Vom Krieg geprägte Erlebnisse und Schicksalsschläge, auch schöne und freudevolle Augenblicke ihres Lebens kamen zur Sprache. Sie litt nun schon an Altersdemenz, sodass wir ihren Lebenslauf nicht strukturiert durcharbeiten konnten, aber einzelne Bilder und farbenfrohe Stimmungen leuchteten in ihrer Seele wieder auf. Nach nur wenigen Wochen starb sie befriedet. Ganz ihrem Wesen entsprechend, hat sie sich hierfür einen Augenblick ausgesucht, in dem sie ganz allein war.
Durch die Arbeit mit sterbenden Menschen ist mir überaus deutlich geworden, wie wichtig die biografische Arbeit ist, auch wenn diese erst ganz am Ende eines Menschenlebens erfolgt. Dadurch, dass da ein Gegenüber ist, jemand, der achtsam Fragen stellt und aufmerksam zuhört, bildet sich ein feiner, reiner Wahrnehmungsraum. Je vertrauensvoller und offener der Patient dabei ist, desto empfänglicher wird er für die innere Wahrheit seines eigenen Lebens. Ereignisse seines irdischen Weges erscheinen ihm dabei in einem neuen Licht, Zusammenhänge und Rhythmen seines Lebenslaufs lassen sich erschließen, Verdrängtes kann zumindest teilweise noch zum Vorschein kommen. Auch Schmerzhaftes kann seelisch noch heilen. Der Mensch vor der Schwelle erhält so die Möglichkeit, vieles zu klären und zu lösen, was sowohl auf den eigenen Todesprozess als auch auf die spätere nachtodliche Entwicklung positive Auswirkungen hat.
Ungelöste und verdrängte Erlebnisse wirken nach dem Tod stark hemmend, von daher hat es eine befreiende Wirkung, wenn solche Dinge noch vor dem Schwellenübertritt erkannt, benannt und als zu sich selbst gehörend angenommen werden. Entscheidend in diesem Prozess ist das Verzeihen und Vergeben, anderen und – nicht minder von Bedeutung – sich selbst. In vielen Lebensläufen begegnet man ungeklärten zwischenmenschlichen Verhältnissen, Vorwürfen oder Groll, unbewältigter Wut und ungelöstem Zwist. Wenn es die Situation ermöglicht, ist es hilfreich, wenn der Sterbende diese Sachen mit den entsprechenden Menschen noch persönlich klärt und bereinigt. Doch wenn keine gemeinsamen Aussprachen mehr möglich sind, ist auch ein allein vollzogener Reinigungsprozess förderlich und entlastend. Dieser Akt bildet eine geistige Realität und hat somit Auswirkungen auf das weitere Verhältnis dieser Menschen.
Es geschieht auch wiederholt, dass Menschen am Ende ihres Lebens noch etwas mit jemandem abklären möchten, der bereits verstorben ist. In diesen Fällen wird stets das Bedauern ausgesprochen, dass man denjenigen nicht mehr erreichen kann, um ihn beispielsweise um Verzeihung zu bitten. Doch auch hier kann der Sterbende dazu ermutigt werden, sich dem entsprechenden Verstorbenen innerlich zuzuwenden und aufrichtig das auszusprechen, was ihm auf dem Herzen liegt. Dies übt ebenfalls eine reale Wirkung aus und wird von der nachtodlichen Welt viel unmittelbarer aufgenommen, als man sich dies allgemein vorstellt.
Insgesamt bewirkt der bewusste Umgang mit dem eigenen Lebenslauf Klärung und Reinigung. Durch diese Arbeit entsteht meist tiefe Dankbarkeit für das Gewesene, für die Wunder und die Geschenke der eigenen, ganz einmaligen Biografie. Jeder Lebensgang hat seine eigene Signatur, seine Reichtümer, seinen Schmerz, der wiederum seinen Beitrag zur Entwicklung leistet und somit einen tiefen Sinn erfüllt. Im Anschauen des biografischen Lebensbogens leuchtet die Kraft des eigenen höheren Ichs auf, welches diese Inkarnation angelegt hat und welches der Lenker in den entscheidenden Lebensereignissen gewesen ist.
Davon ausgehend kann auch aufmerksam darauf geschaut werden, welche Impulse in diesem Leben nicht umgesetzt werden konnten. Welche Versäumnisse gab es, welche Chancen wurden nicht genutzt? Es geht dabei keinesfalls darum, diese Dinge als persönliches Versagen zu werten, sondern sie als Keime für eine weitere Zukunft mitzunehmen. Das zu Ende gehende Leben eines Menschen spannt nicht nur einen nach hinten gerichteten Bogen über die bereits gelebte Vergangenheit, sondern entwirft auch einen Schicksalsbogen in die Zukunft hinein. Der eigene Engel hütet diese Erkenntnisprozesse und enthüllt sie dem Verstorbenen erneut während seiner Zeit in der nachtodlichen Astralwelt. Je bewusster wir all das, was zu uns gehört, als Antrieb für eine weitere Entwicklung mitnehmen, umso wachsamer und konkreter können wir diese Themen und Motive in einer künftigen Inkarnation aufgreifen und ausgestalten.
Es ist wünschenswert, dass solche Aspekte biografischer Arbeit, die den gelebten Lebensbogen abrunden, stärker in die Sterbebegleitung einfließen. Ähnlich bedeutend ist es, die geistigen Wahrnehmungen und Erlebnisse, die während des Sterbeprozess gemacht werden, ernst zu nehmen und sie einzubeziehen. Man kann den Sterbenden darin ein würdiger Gesprächspartner werden, indem man seine eigene Wahrnehmung verfeinert und schult.
Eines Tages betrat ich das Zimmer einer an Krebs erkrankten Frau. Sie war etwa Ende vierzig, Mutter von vier Kindern. Ihre gesamte Familie bangte seit Wochen darum, ob die Therapie anschlagen würde oder nicht. Als ich an diesem Tag in ihr Zimmer ging, lag ein heilig-tiefer Ernst vor, mir stockte dabei der Atem. Ich blieb erst stehen und versuchte zu erspüren, was da vorlag. Es schienen viele Gestalten anwesend zu sein. Am Kopfende der Patientin stand ihr Engel, die Arme in einer umhüllenden Geste um sie ausgebreitet. Es war, als ob er sie tragen würde, obwohl sie im Bett lag. Das Haupt des Engels war über sie gebeugt, sein Ausdruck war würdevoll, mitfühlend und wartend. Seitlich am Bett standen die bereits verstorbenen Schwiegereltern der Patientin, milde lächelnd und ebenfalls in einer schweigend-abwartenden Haltung. Da wurde mir klar, dass ihr Schwellenübertritt auf der geistigen Ebene bereits entschieden wurde, was wenige Wochen später auch geschah.
Nicht die Anwesenheit von geistigen Wesenheiten ist Anzeichen dafür, dass ein Mensch an der Schwelle steht, denn diese sind natürlich auch in anderen Krankheits- und Lebenssituationen gegenwärtig. Doch die Schwelle hat ihre besondere Stimmung, sie kann wahrgenommen und bewusst begleitet werden. In früheren Zeiten wurden kranke und sterbende Menschen überwiegend im Kreise ihrer Familie gepflegt, sie konnten zu Hause, von der vertrauten Umgebung geachtet, Abschied von diesem Leben nehmen. In unserer Gesellschaft sterben die meisten Menschen jedoch in Krankenhäusern oder in Altersheimen. Umso wichtiger ist es, dort Bewusstseinsräume für sie zu gestalten und eine schützende, heilende Atmosphäre zu schaffen, damit sie diesen Übergang in Würde und in Frieden erleben können.
Der Augenblick des Todes
(…) der Körper wird wie ein Kleid zerreißen,
aber Ich, das wohlbekannte Ich, Ich bin.
Johann Wolfgang von Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre
Wer beim Tod eines Menschen anwesend gewesen ist, weiß, wie unaussprechlich ergreifend dieses Geschehen ist. Der Übergang einer Seele aus der physischen in die geistige Welt ist ein Ereignis von realer Auferstehungsqualität. Während eines natürlichen Sterbeprozesses vollzieht sich meist ein friedvoller, leuchtender Übergang über die Todesschwelle, bei dem man Zeuge eines wahrhaft geheiligten Augenblicks werden kann.
Phänomenologisch betrachtet, ziehen sich im Todesmoment die oberen Wesensglieder – Ich, Astralleib und Ätherleib – aus dem physischen Leib heraus. Geistig schauend kann wahrgenommen werden, wie die Geistgestalt des Sterbenden sich aus dem Körper löst und darüber schwebt. Meist geschieht dieses Sich-Herausziehen der Wesensglieder über den Kopf, also über das Kronenchakra, in einzelnen Fällen aber auch über den Herzensraum, also über das Herzchakra. Der Astralleib löst sich schnell aus dem physischen Leib heraus, er trägt weiterhin das Bewusstsein des Menschen und ist vom Ich durchzogen. Beim Ätherleib geschieht dies in einer schwingenden und langsameren Weise. Auch wenn dieser die physische Hülle in einer unumkehrbaren Weise verlässt, so ist über einen längeren Zeitraum hinweg noch ein Vibrieren des Ätherleibes im Umraum des physischen Körpers zu vernehmen. Das dauert in der Regel in etwa drei Tage, es gibt allerdings auch erhebliche zeitliche Abweichungen. Bei Tieren wiederum vollzieht sich das vibrierende Herauslösen des Ätherleibes in nur einigen Minuten, beispielsweise bei einer Maus oder einem kleinen Vogel. Bei Haustieren, die einen starken Bezug zu ihrem menschlichen Umfeld hatten, kann dies bis zu einer oder mehreren Stunden dauern.
Die Geistgestalt des verstorbenen Menschen ist im Augenblick seines Todes in ätherischen Umrissen als Menschengestalt deutlich erkennbar. Sie schwebt über dem leblosen physischen Leib und ist von Licht umgeben. Gleichzeitig leuchtet sie in gewisser Weise auch aus sich heraus. Da der Ätherleib der Träger des Gedächtnisses ist, entfaltet sich nun in seiner Ausdehnung das gesamte Lebenstableau des soeben verstorbenen Menschen, welches von diesem als umfassender Lebensrückblick erlebt wird. Meist treten hier alle Erlebnisse gleichzeitig auf, der Verstorbene sieht auf sein Leben wie von einem Berg in eine weite Landschaft.
Neben und um die Geistgestalt des Verstorbenen sind immer mehrere Engelwesenheiten gegenwärtig. Sinnbildlich gesprochen tritt der Schutzengel, der während der Inkarnation meist hinter seinem Menschen stand, nun einen Schritt vor, an die Seite des exkarnierten Menschen, und wird für diesen «sichtbar». Ihm gesellen sich weitere Engelwesenheiten zu, die den über die Schwelle Getretenen umgeben. Für all diese Engelwesenheiten ist in diesem Augenblick die ewige Ich-Gestalt dieses Menschen und seine vollständige Inkarnationskette von Urbeginn an und durch all ihre Stadien deutlich wahrnehmbar.
Auch Gestalten verstorbener Menschen, die in der Zeit der Inkarnation mit dem nun soeben Exkarnierten verbunden waren, erscheinen beim Übergang in die geistige Welt. Meist sind es nahe Angehörige, enge Freunde oder Weggefährten, die bereits früher über die Schwelle gegangen sind. Ihre Stimmung ist von einer mitfühlenden, verständnisvollen und liebegetragenen Milde durchströmt. Sie empfangen den Neuankömmling mit inniger Freude und bilden für sein Seelenerleben eine Brücke zwischen den Welten.
Die Elementarwesen im Raum reagieren ebenfalls sehr stark auf den Todesaugenblick eines Menschen. Sie versammeln sich wie lernbegierige Kinder um den Geschehensort und schauen ganz gebannt und aufmerksam auf das Ereignis. Auch ihnen offenbart sich die aufleuchtende Ich-Gestalt des soeben Verstorbenen, wenn auch in einer anderen Form als den Engeln. Sie erblicken eher die Bedeutung dieses Menschen für das Werden der Erde wie auch die Spur, die dieser durch seine Inkarnationen hindurch der Erde eingeschrieben hat.
Der Sterbeaugenblick eines Menschen ist also nie ein Einsamkeitsmoment. Das irdische Licht des über die Schwelle Gehenden verlöscht, doch sein geistiges Licht leuchtet auf. Die Hierarchien erwarten und empfangen ihn in einer erhabenen Feierstunde. Das, was sich für die Welt der Hinterbliebenen verdunkelt, erstrahlt auf der anderen Seite in einem lichtvollen geistigen Festakt. Der sich Exkarnierende erlebt, dass er sich aus dem Physischen «herausatmet», dies bedeutet für ihn eine Befreiung und eine Ausweitung seines Wesens. Er schaut auf seinen Leib und erkennt, dass dieser Teil von ihm lediglich seine abgelegte physische Hülle ist. Sein Bewusstsein in der geistig-ätherischen Wirklichkeit, in der er sich nun befindet, ist klar und wach, er erkennt die Wesenheiten, die ihn nun empfangen. Für den Verstorbenen selbst ist es ein sakraler Augenblick, in welchem seine Individualität, eingebettet im Licht einer höheren geistigen Wirklichkeit, zu sich selbst aufersteht.
Es ist nicht zwingend erforderlich, physisch anwesend zu sein, um den Schwellenübertritt eines Menschen wahrzunehmen. Aus der Zeit der Weltkriege sind beispielsweise Berichte bekannt, in denen beschrieben wird, wie im Augenblick des Todes eines Soldaten dieser seiner daheim gebliebenen Mutter oder Frau in ätherischer Gestalt erschien. Spätere Überprüfungen belegten dann, dass der Zeitpunkt solcher Erlebnisse mit dem tatsächlichen Zeitpunkt des Todes des im Kampf Gefallenen übereinstimmten. Auch in unserer Zeit berichten immer häufiger Menschen davon, dass sie den Tod eines nahen Freundes oder Angehörigen aus der Entfernung wahrnehmen konnten, der ihnen als Lichtgestalt erschien. Tiefe Liebe und innige Herzensverbundenheit bilden hier die Verbindung zwischen den Verstorbenen und den Hinterbliebenen.
Gleich zu Beginn meiner Krankenhaustätigkeit hatte ich mit einer älteren Patientin eine sehr berührende Begegnung. Während meiner ersten Visite mit den Ärzten mussten bei der neunundachtzigjährigen Dame die Verbände ausgewechselt werden. Die Wunden sind tief, die Patientin versucht ein Stöhnen zu unterdrücken, doch bei jeder Berührung zuckt sie gequält zusammen. Ihr Gesicht ist schmerzverzerrt, ihre Augen schauen mich weit aufgerissen an. Ich beuge mich zu ihr, halte dabei ihre Hand, und wir blicken uns nur schweigend an. – Am Nachmittag begebe ich mich erneut in ihr Zimmer, dieses Mal allein. Die Dame schläft, erschöpft von der anstrengenden Prozedur am Morgen, und schnarcht mit offenem Mund. Ich setze mich leise auf einen Stuhl und schaue sie an. Ihr Leib ist regelrecht abgemagert, die Knochen drücken sich durch die Bettdecke hindurch, ihre schmerzgekrümmte Gestalt wirkt wie die eines kleinen, dürren Mädchens. Ich frage mich, welches Schicksal wohl diese Frau in ihrem langen Leben zu tragen gehabt hat, und beginne, schweigend ein Gebet für sie zu sprechen.
Am Abend komme ich wieder, um mit ihren Angehörigen zu reden. Die Patientin bemerkt mich sofort, ihre kleinen, dunklen Augen funkeln, und sie sagt:
«Ah, Sie waren heute schon einmal da!»
«Ja», entgegne ich ihr, «morgens bei der Visite.»
«Nein, nein, Sie waren am Nachmittag auch da, als ich schlief.»
Ich bin etwas verwundert darüber und denke nach, in welchem Augenblick sie mich hätte wahrnehmen können: «Sie haben doch tief geschlafen, woher wissen Sie das?»
Sie lächelt: «Ach, Kind, zwischen den Welten sieht man doch nach beiden Seiten hin. Da, wo ich jetzt bin, öffnen sich immer wieder die Türen, hierhin und nach drüben hin.» Sie rückt dann mühsam etwas näher und fügt hinzu: «Schön war das Vaterunser, wie Sie es gesprochen haben.»
«Ich habe kein einziges Wort gesprochen, es war ein inneres Gebet.»
«Meinen Sie, das macht einen Unterschied?», sagt sie und lächelt wieder. «Gedanken, alles Innere ist auf der anderen Seite Wirklichkeit. Die Schwelle, ja …»
Es folgen noch viele intensive Gespräche in den kommenden Tagen, biografische Lebenserinnerungen vermischen sich mit geistigen Wahrnehmungen, die die Patientin in dieser letzten Zeit im Krankenhaus hat. Das scheinbare Durcheinander ihrer Erzählungen, welches die sie liebevoll begleitenden Angehörigen manchmal überfordert, ist keinesfalls ein wirrer, unzusammenhängender Gedankenknäuel. Wenn man sich ihr innerlich ganz aufmerksam zuwendet, erspürt man, wann sie die Ebenen wechselt und in welchem Bewusstseinsbereich sie sich gerade befindet. Man begleitet sie auf wunderbare Reisen durch ihr langes, bewegtes und ereignisvolles Leben. Die fünf Sprachen, die sie in ihrer Jugend fließend sprach, treten nun hervor, sich gegenseitig abwechselnd, die unterschiedlichen Lebensereignisse kolorierend. Die hochbetagte Dame hat eine ansteckende Freude daran, aus dem Französischen ins Englische zu wechseln, bald darauf mit ihrer dünnen Stimme italienische Lieder anzustimmen und russische Gedichte zu rezitieren, um dann wieder mühelos bei Goethes Faust zu landen. – Und dann schläft sie nach diesen «Eskapaden» vor Erschöpfung ein, der Raum ist noch voll von ihrem Lachen und ihrer spitzbübischen Freude. Man fragt sich stets, woher sie diese Kraft noch hat, denn ihr Leib gibt kaum noch eine Grundlage dazu.
Andere Male aber wechselt leise ihre Stimmung, sie verlässt das Land der Erinnerungen und führt einen in eine andere Wirklichkeit ein, die sie unmittelbar umgibt:
«In manchen Momenten wird es so hell im Zimmer, es ist ein wunderschönes, helles Licht! Es ist eine solch liebende Kraft darin. Alles ist Licht, alles ist Wärme, alles ist Liebe! Alles ist eins, und wir sind Teil davon, wir sind darin eingebettet … Und da ist eine Gestalt, sie sitzt in der Ecke des Zimmers und wartet. Sie ist meistens da, wenn ich allein bin; aber auch manchmal, wenn Sie da sind. Können Sie sie sehen? Da, im Eck des Zimmers, da sitzt sie.»
«Können Sie mir diese Gestalt beschreiben?»
«Ja, sie ist hell und schön, sie ist aus Licht. Ich kann sie auch sehen, wenn ich die Augen geschlossen halte. Sie sieht aus wie eine Frau, ich meine, sie ist keine Frau, wir sagen das nur so, weil sie so schön ist wie eine Frau. Für uns ist eine Frau das Schönste, das wir kennen, aber es ist eine wunderschöne Gestalt, noch viel, viel schöner, und ganz aus Licht.»
«Wer ist diese Gestalt?»
«Ich weiß es nicht. Ich glaube, es ist mein Engel. Aber ich weiß es nicht genau. Ich werde es wissen, wenn ich drüben bin.»
Auf eindrucksvolle Weise teilt die Patientin in diesen Tagen weitere Erlebnisse dieser Art mit. Als mir einige dienstfreie Tage bevorstehen und wir beide innerlich wissen, dass die Zeit des Abschieds gekommen ist, bittet sie mich, noch einmal das Vaterunser zu sprechen, dieses Mal gemeinsam mit ihr. Ich halte ihre kleine, knöcherne Hand, wir schauen uns intensiv in die Augen und sprechen gemeinsam dieses Gebet, Wort für Wort, Zeile für Zeile. Tiefe Ernsthaftigkeit und gleichzeitig eine lichte, getragene Stimmung prägen diesen Augenblick. Ich fahre weg, mit Tränen in den Augen, zutiefst bewegt von der nahezu magischen Begegnung mit dieser besonderen Frau.
Zwei Nächte später wache ich gegen 4.00 Uhr auf. Es ist eine stille, kalte Winternacht, der Mond wirft leichte Schatten ins Zimmer. Auf einmal spüre ich rechts oberhalb von mir eine Gestalt und erkenne das Geistwesen dieser lieben Patientin. Es geht eine sanfte, lichte Stimmung von ihr aus. Sie sagt, dass sie nun gehen wird, ihre Zeit sei gekommen und sie fühle sich nun ganz frei und voller Friede. Sie wolle sich verabschieden und mir noch einmal für unsere so innige Begegnung danken. Wir würden uns eines Tages wiedersehen und sie sei immer da, das solle ich nicht vergessen. Ich spürte noch einmal ihre ganze Seelenwärme, und ihre Gestalt löste sich dann für meine Wahrnehmung auf. Ich empfand, kaum merklich, nur noch einen zarten Windhauch, der mich wie ein sanftes Lächeln leise berührte.
Ich schaute auf die Uhr, es war 4.07 Uhr. Nach dem Morgengrauen zog ich mich an und fuhr in die Klinik. Die Pflegenden auf der Station empfingen mich sehr überrascht:
«Frau Doktor, was machen Sie hier? Sie haben heute doch gar keinen Dienst.»
«Frau B. ist heute Nacht gestorben, oder? Wissen Sie, um wie viel Uhr das war?»
«Ja, sie starb um kurz nach 4.00 Uhr. Aber woher wissen Sie das?»
«Nur so ein Gefühl …», erwiderte ich.
Dann betrat ich das Patientenzimmer, wo die Dame von den Pflegenden gewaschen und zurechtgemacht wurde. Sie hatten ihr ein weißes, schönes Kleid angezogen, sie wirkte, trotz der unzähligen Falten, fast wie ein junges Mädchen. Auf ihrem Bett waren überall Blumen gestreut worden, es war ein unbeschreiblich schöner Anblick. Ich schaute ihr Gesicht an, ein liebevolles Lächeln hatte sich ihm eingeprägt. Und ihr Antlitz blieb bis zur Beisetzung sanft strahlend, so wie ich sie in der Nacht ihres Todes erlebt hatte. Sie war meine erste Patientin, die starb. Ich bin ihr bis heute zutiefst dankbar dafür, dass sie mich in dieser Weise an ihrem Tod hat Anteil nehmen lassen.
Selten habe ich einen ähnlich harmonischen Sterbe- und Todesprozess erlebt. Trotz physischer Schmerzen und einer zermürbenden Krankheitsphase war diese Frau ihrem Schicksal gegenüber annehmend und bejahend geblieben. Sie lebte ganz dem Augenblick hingegeben, ihre Seele war freudig und offen wie die eines Kindes. All dies hat ihrem Schwellenübergang diese anmutige, würdevolle Prägung gegeben. Wenn der Tod eines Menschen in dieser Weise geschehen kann, so ist das eine Gnade.
Es ist jedoch nicht unbedingt der Regelfall, dass ein Mensch in dieser Weise stirbt. Sein physischer Zustand, seine seelische Verfassung, die bewusste und unbewusste Haltung gegenüber dem Tod wie auch die Art seines Todes spielen dabei eine entscheidende Rolle. Somit hat der Schwellenübertritt eine ebenso individualisierte Signatur wie auch die Geburt eines Menschen.