Kitabı oku: «Das Abenteuer des Leutnant Jergunow», sayfa 4
– Siebzehn, wollen Sie sagen?
– Ja! Der Lieutenant betrachtete mit einem noch forschenderen Blicke als vorher seine wunderliche Gesellschafterin.
– Aber Sie sind ein wahres kleines Wunder von Schönheit! Welches Haar! Welche Augen! Und diese Augenbrauen! Ach! . . .
Colibri sing von Neuem an zu lachen und ließ ihre prachtvollen Augen langsam rollen.
– Ja, ich bin eine Schönheit, sagte sie mit seltsamer Würde. Setzen Sie sich . . . ich, dicht bei Ihnen . . . Sehen Sie, eine Blume, schöne Blume, die gut riecht! Sie zog aus ihrem Gürtel einen Zweig weißen Flieders und betrachtete den Lieutenant durch die Blumen hindurch, von denen sie ein Blatt abbiß.
– Halt, wollen Sie constantinopolitanisches Confect? Sorbet? fragte sie.
Colibri erhob sich rasch, ging an eine Commode, öffnete sie und nahm daraus ein vergoldetes Töpfchen, eingewickelt in ein Stück rothen mit Stahlblättchen übersäeten Stoffes, einen silbernen Löffel, eine mit Wasser gefüllt, geschliffene Krystallkaraffe und ein ähnliches Glas. – Nehmen Sie »Sorbet« Signore, sehr gut, und ich werde singen. Wollen Sie?
Sie ergriff die Guitarre.
– Sie singen? fragte der Lieutenant, einen Löffel von dem wirklich ausgezeichneten Sorbet zum Munde führend.
Colibri faßte mit beiden Händen ihr dickes Haar, warf es nach hinten, neigte den Kopf auf die Seite und schlug einige Accorde an, indem sie aufmerksam ihre Fingerspitzen und den Griff der Guitarre betrachtete, dann hub sie mit angenehmer und weit stäkerer Stimme als man sie in solch’ zerbrechlichem Wesen vermuthet haben würde zu singen an, aber dem Lieutenant schien ihr Gesang seltsam. – Wie sie miaut, das Kätzchen! sagte er zu sich selbst.
– Sie sang ein melancholisches Lied; es war weder russisch noch deutsch, sondern in einer, Jergunow völlig unbekannten Sprache. Wie er später erzählte, mischten sich häufig fremdartige Kehltöne in ihren Gesang und am Schluß sang sie leise die Worte: »Sinzimar, Sintamar,« oder etwas dem Aehnliches. Dann stützte sie den Kopf in die Hand, stieß einen Seufzer aus und legte die Guitarre auf ihre Kniee.
– Nun, wollen Sie noch mehr? fragte sie.
– Ich bitte darum, erwiederte der Lieutenant, – aber warum immer ein so trauriges Gesicht? Genießen Sie etwas Sorbet.
– Nein, essen Sie. Diesmal wird‘s heiterer sein.
Sie sang darauf ein Liedchen nach Art einer Tanzweise, aber in derselben unverständlichen Sprache und wie vorher von Kehllauten unterbrochen. Ihre bräunlichen Finger liefen wie wahre kleine Spinnen über die Saiten hin; und sie endigte das Lied mit dem laut herausgeschrienen Wort »Hussa«, heftig und wiederholt mit ihrer kleinen Faust aus den Tisch schlagend. Ihre Augen strahlten von einem wilden Glanz.
Der Lieutenant war, wie man sagt, »ganz umnebelt;« der Kopf wirbelte ihm. Alles war ihm so neu: dieser Moschusgeruch, diese seltsamen Gesänge, diese Lichter am hellen Tag, der Vanille-Sorbet, und vor Allem diese Colibri, die ihm immer näher und näher kam, dieses glänzende seidige Haar und dies immer so traurige Gesicht. – Sie ist eine Russalka,1 sagte er mit einem Gefühl eigenthümlicher Unbehaglichkeit zu sich selbst. – Mein Seelchen . . . gestehe mir‘s . . . woher ist Dir die Lust gekommen, mich heute zu Dir einzuladen?
– Du bist jung, hübscher Bursche, ich liebe das!
– Ah! Ah! was wird Emilie dazu sagen? Sie wird kommen, sie hat mir‘s heut Morgen geschrieben.
– Nichts zu Emilie . . . sie würde mich tödten.
Der Lieutenant brach in Lachen aus. – Halten Sie sie für so bösartig?
Colibri schüttelte den Kopf. – Nicht nur schlechte Menschen tödten . . . Auch Madame Fritsche Nichts sagen.
Sie berührte dabei die Stirn des Lieutenants mit der Spitze ihres Fingers: – Begreifen Sie, Officier?
Der Lieutenant runzelte die Brauen. – Gut, gut, ich werde Dein Geheimniß bewahren, aber zur Belohnung dafür wirst Du mir einen Kuß geben.
– Nein, nachher, wenn Du fortgehst . . .
– Sogleich!
Er beugte sich zu ihr, aber sie wich langsam zurück und richtete sich empor, wie eine Natter, auf die man im dichten Waldgrase getreten ist, Der Lieutenant sah ihr ins Weiße der Augen. – Ist die böse! sagte er . . . Nun, wie Du willst, und Gott segne Dich!
Colibri schien einen Augenblick lang zu träumen, dann – entschloß sie sich, sich dem Lieutenant wieder zu nähern, als drei dumpfe Schläge durch das Haus dröhnten. Colibri erhob sich hastig. – Heute, nein, morgen, ja, komm morgen . . . sagte sie mit gezwungenem Lächeln.
– Um welche Zeit?
– Abends um sieben Uhr.
– Gut! Morgen aber mußt Du mir erzählen, weßhalb Du Dich so lange vor mir versteckt hast.
– Ja, ja, morgen das Ende, mein Officier!
– Also Wort gehalten! Ich werde Dir auch ein hübsches kleines Geschenk mitbringen.
– Niemals, sagte sie, mit dem Fuße stampfend.
– Dies, das, das (an ihre Kleider, ihren Schmuck, auf Alles deutend, was sie umgab), das mein. Geschenke, niemals!
– Sein Sie nicht böse, mein Fräulein, ich zwinge Niemanden. Man muß also scheiden. Adieu, mein kleines Joujou . . . und der Kuß?
Colibri sprang leichtfüßig an ihm empor, und ihre Arme um des jungen Lieutenants Hals schlingend, gab sie ihm einen Kuß, der ihm den Eindruck von einem Schnabelhieb machte. Er wollte sie seinerseits wieder küssen, aber sie entschlüpfte ihm behende und flüchtete hinter das kleine Sopha.
– Also, um sieben Uhr, morgen? sagte der Lieutenant etwas verwirrt. Sie antwortete ihm durch ein Zeichen des Kopfes, und mit ihren Fingerspitzen eine ihrer langen Haarflechten ergreifend begann sie dieselben mit ihren kleinen Zähnen leis zu beißen. Der Lieutenant grüßte sie mit der Hand zum Abschied und zog die Thür hinter sich zu. Er hörte nur nach, wie Colibri sich näherte und sie von innen doppelt verschloß.
Im Salon der Madame Fritsche war Niemand und der Lieutenant, dem es durchaus nicht darum zu thun war, Emilien zu begegnen, beeilte sich hinaus zu kommen; auf dem Flur aber stieß er auf die Herrin des Hauses. – Sie gehen schon fort, Herr Lieutenant! sagte sie mit derselben Grimmasse affectirter und unheimlicher Freundlichkeit, – Sie wollen Emilie nicht erwarten?
Der Lieutenant nahm seinen Czacko: – Madame Fritsche, ich muß Ihnen zu wissen thun, daß ich nicht gewohnt bin, zu warten, erwiederte er; – es ist sehr wahrscheinlich, daß ich auch morgen nicht wiederkommen werde. Benachrichtigen Sie Ihre Nichte davon.
– Schön, schön, sagte die Alte, Sie haben sich aber doch nicht etwa gelangweilt, Herr Lieutenant?
– Nein, Madame« gelangweilt habe ich mich durchaus nicht.
– Das ist ja Alles, was ich wissen wollte. Ich empfehle mich Ihnen.
– Leben Sie wohl, Madame.
Der Lieutenant kehrte nach Hause zurück, warf sich auf sein Bett und vertiefte sich in ein Labyrinth von Betrachtungen. »Was Teufel ist das!« rief er mehrmals mit lauter Stimme aus; »weßhalb hat mir Emilie geschrieben? Sie giebt mir ein Rendezvous und erscheint nicht dazu!« Er nahm ihren Brief, drehte ihn in seinen Händen hin und her und brach ihn. Er roch nach Rauchtabak und an einer Stelle war die Endung eines Zeitwortes verändert worden. Was konnte man daraus schließen? – Wär’s möglich, daß diese alte Jüdin, die Gott verdamme, wirklich nichts davon wüßte? Und besonders sie, wer ist sie?
Die reizende Colibri wollte ihm nicht aus dem Kopf und mit Ungeduld erwartete er den nächsten Abend, obgleich er im Grunde seiner Seele fast Furcht vor diesem »kleinen Joujou« empfand.
III
Vor dem Mittagsessen begab sich der Lieutenant auf den Bazar und kaufte dort endlich nach hartnäckigem Handeln ein kleines goldenes Kreuz an einem schwarzen Sammetbande. »Sie mag noch so sehr betheuern, keine Geschenke annehmen zu wollen, man weiß, was das sagen will. Sollte sie wirklich eine so uneigennützige Seele haben, so wird Emilie gewiß nicht »pfui« zu dem Dinge sagen.«
Gegen sechs Uhr Abends rasirte sich der Lieutenant mit ganz besonderer Sorgfalt, ließ einen Coiffeur aus der Nachbarschaft holen, sein Toupet wohl zu frisiren und zu pomadisiren, was jener mit großer Gewissenhaftigkeit ausführte , ohne das amtliche Papier der Regierung zu schonen, aus dem er seine Papilloten machte. Darauf legte der Lieutenant seine neueste Uniform an, nahm ein Paar neue noch nicht getragene Handschuhe in seine Rechte und verließ das Haus, nachdem er sich Vorher hinreichend mit Eau de Cologne besprengt hatte. Wenn er heute größere Sorgfalt auf seine Toilette verwandt hatte, als früher, da er seinem »Zuckerpüppchen« den Hof machte, so geschah es nicht deßhalb, weil Colibri ihm mehr gefiel; es lag jedoch in ihr ein gewisses Etwas, das sogar die träge Einbildungskraft unseres Lieutenants aufregte.
Bei seinem Eintritt kam Madame Fritsche ihm wie gewöhnlich entgegen, und gleichsam, als wären sie über eine gemeinsame Lüge übereingekommen, theilte sie ihm mit, daß Emilie nur für einige Augenblicke ausgegangen sei, ihn aber zu warten bitte. Der Lieutenant nickte zustimmend mit dem Kopf und setzte sich auf einen Stuhl. Madame Fritsche lächelte wiederum, das heißt, sie zeigte ihre langen, gelben Zähne und zog sich darauf zurück, ohne ihm diesmal Chocolade angeboten zu haben.
Kaum hatte sie sich entfernt, als der Lieutenant seine Blicke auf die geheimnißvolle Thür richtete. Sie blieb verschlossen. Zweimal klopfte er an , um seine Ankunft zu melden; die Thür öffnete sich nicht. Er hielt den Athem an und lauschte: nichts, nicht das geringste Geräusch; man hätte meinen können, daß Alles ringsum ausgestorben gewesen wäre. Der Lieutenant erhob sich, ging auf den Fußspitzen wieder bis zur Thür, suchte, mit den Händen tastend, den Drücker des Schlosses und stieß, da er ihn nicht fand, mit dem Knie an dieselbe. Sie widerstand. Er bog sich von Neuem vor und rief mit gedämpfter, fast mit erstickter Stimme zweimal: – Colibri, Colibri! – Keine Antwort. Er richtete sich empor, zog auf beiden Seiten an den Schößen seines Uniformrockes, stampfte mit dem Absatz auf die Diele, näherte sich wieder dem Fenster und trommelte ärgerlich an den Scheiben. Die verwundete militärische Ehre empörte sich in ihm. – Teufel! Wofür hält man mich! Ich werde mit den Fäusten anklopfen, dann wird sie mir wohl öffnen müssen, und hört‘s die alte Hexe, meiner Treu, um so schlimmer, meine Schuld ist’s dann aber nicht! – Er machte Rechts-um-kehrt . . . Die Thür war halb geöffnet.
Alsbald eilte der Lieutenant wieder auf den Fußspitzen in das geheimnißvolle Zimmer. Auf dem Sopha lag Colibri, gekleidet in ein Gewand von glänzendem Gelb, das in der Taille von einem breiten, rothen Gürtel umschlossen wurde; den unteren Theil ihres Gesichts in ihr Taschentuch bergend, lachte sie bis zu Thränen, aber ohne Geräusch. Sie hatte diesmal ihr Haar in zwei große, lange, mit rothem Band durchzogene Flechten geordnet. Ihre rothen Schuhe von gestern zeigten sich an ihren kleinen Füßen, die sie über einander gekreuzt hielt ; aber die Füße waren nackt, man hätte meinen können, sie wären mit braunseidenen Strümpfen bekleidet. Das Sopha stand anders als gestern, näher der Wand, und auf dem Tisch stand ein japanisches Theebrett mit einer dickbauchigen Kaffeekanne, einer krystallenen Zuckerdose und zwei blauen Porzellantäßchen. Auf demselben Tisch lag die Guitarre, und ein zartgrauer Dampf erhob sich in einer feinen Spirale aus der Spitze eines orientalischen Räucherkerzchens.
Der Lieutenant, der Alles das auf den ersten Augenblick bemerkt hatte, näherte sich dem Sopha, aber bevor er Zeit gehabt hätte, nur ein Wort zu sprechen, streckte Colibri, ohne aufzuhören, in ihr Tuch zu lachen, die Hand aus, und ihre kleinen, harten Finger in das Toupet des Lieutenants senkend, zerstörte sie mit einem Handumdrehen das ganze schöne Gebäude seiner Coiffüre. – Was soll das? rief der Lieutenant, wenig erbaut von solch schlecht angebrachter Vertraulichkeit; – welche Unverschämtheit! – Colibri enthüllte ihr Gesicht: – Vorher schlecht, sagte sie, so besser. – Sie rückte an das eine Ende des Sophas und kreuzte die Beine unter sich: – Setze Dich dorthin, da unten.
Der Lieutenant setzte sich auf den Platz, den sie ihm bezeichnete. – Warum entfernst Du mich? fragte er nach kurzem Schweigen; – hast Du Furcht vor mir? Colibri kauerte sich wie eine Katze zusammen und sah ihn von der Seite an. – Ich? nein!
– Du mußt nicht so wild sein, fuhr der Lieutenant in väterlichem Ton fort. – Nicht wahr, Du erinnerst Dich Deines Versprechens von gestern? Colibri umschloß beide Knie mit den Armen, legte ihren Kopf darauf und sah ihn wieder von der Seite an.
– Ich erinnere mich.
– Daun, . . . sagte Jergunow und wollte sich ihr nähern . . .
– Nicht so schnell, Signore.
Colibri löste ihre Flechten, womit sie ihre Knie umschlungen hatte, und mit dem Ende der einen peitschte sie ihn ans die Hände.
Der Lieutenant war völlig verblüfft – Was sie für Augen hat, die Böse! murmelte er unwillkürlich. – Aber . . . warum hast Du mich herbestellt?
Colibri streckte den Hals mit einer Vogelbewegung und horchte.
– Emilie? fragte der Lieutenant mit bestürzter Miene; – oder Jemand anderes . . .
Colibri zuckte die Achseln.
– Du hörtest aber doch Etwas? fragte Jergunow wieder.
– Nichts.
Mit einer neuen vogelartigen Bewegung zog sie ihren kleinen , länglich geformten Kopf zurück, dessen dicke Flechten durch einen sorgfältig gezogenen Scheitel getrennt waren, der sich in einem dichten Gewirr krauser, kleiner Nackenhaare verlor. – Nichts, wiederholte sie, sich von Neuem zusammenkauernd.