Kitabı oku: «Die letzte Nacht Traupmanns», sayfa 3
VI
Gegen vier Uhr Morgens ging ich, vielleicht zum zehnten Mal, auf die Straße.
Die Guillotine war bereit. Trübe und mehr wunderlich als schrecklich zeichneten sich am dunklen Himmel ihre beiden von einander eine Klafter abstehenden Pfähle mit der schiefen Linie des sie verbindenden Fallbeils ab. Ich weiß nicht, warum ich mir vorgestellt hatte, die Pfähle würden viel weiter von einander stehn; – diese ihre Nähe und Enge gab der ganzen Maschine etwas grausenhaft Schlankes und Aufmerksames – es sah etwa aus, wie der aufmerksam ausgestreckte Hals eines Schwans. Ein Gefühl des Abscheus erregte der große geflochtene Korb, von dunkelrother Farbe, in der Form eines Koffers. Ich wußte, daß die Henker in diesen Korb den warmen, noch zuckenden Leichnam und den abgeschlagenen Kopf werfen . . . Berittene Municipalgarden, welche nicht lange vorher angekommen waren, stellten sich in einem weiten Halbkreis vor der Facade des Gefängnisses auf; die Pferde schnaubten hin und wieder, bissen auf die Candaren und schüttelten die Köpfe; zwischen den Vorderbeinen eines jeden schimmerten dicke Tropfen Schaumes weißlich aus dem Pflaster. Die Reiter dämmerten unter ihren Bärenmützen, welche bis ans die Augen gestülpt waren. Die Linien von Soldaten, welche den Platz durchschritten und die Masse abhielten, waren noch weiter zurückgegangen, der leere Raum vor dem Gefängniß betrug nicht mehr ganz dreihundert Schritt. Ich ging an eine dieser Linien heran und beobachtete lange das Volk, das sich hinter ihr drängte: es schrie wirklich elementarisch, das heißt sinnlos. Vor meinem Gedächtniß schwebt noch die Figur eines Blousenmannes, eines jungen Menschen von etwa zwanzig Jahren: er stand mit gesenktem Kopfe und lächelnd da, wie wenn er an etwas Spaßhaftes dächte – plötzlich warf er den Kopf in die Höhe, machte den Mund auf und schrie, schrie lange anhaltend ohne Worte – dann neigte sich sein Gesicht wieder herab und er lächelte. Was ging in diesem Menschen vor? Weshalb hatte er sich eine quälerische schlaflose Nacht, eine fast achtstündige Unbeweglichkeit auferlegt? Mein Ohr konnte die einzelnen Reden nicht auffangen; nur zuweilen drang durch den unaufhörlichen Lärm ein durchdringender Ruf eines Spekulanten – eines Colporteurs, welcher eine Broschüre über Traupmann verkauft – über sein Leben, seine Hinrichtung »und sogar« über seine letzten Worte . . . oder wieder etwas weiter hin fängt man an sich zu streiten, scheußlich zu gackern, Weiber winseln . . . diesmal hörte ich die Marseillaise, aber es sangen sie nur fünf oder sechs Leute mit Unterbrechungen; die Marseillaise erhält ihre Bedeutung, wenn Tausende sie singen. »Abas Pierre Bonaparte!«, schrie eine starke Stimme . . . »U . . . u . . . a . . . a . . .!« brüllte es um sie herum. Das Geschrei nahm an einer Stelle plötzlich den Takt einer Polka an: eins, zwei, drei! Eins, zwei, drei! nach der bekannten Melodie: »Deslampione!« Eine schwere Luft, ein saurer Dampf strömte von der Masse aus: viel Wein war von diesen Menschen getrunken worden; es gab da viele Betrunkene. Nicht umsonst bildeten die Schenken die rothen Punkte auf dem allgemeinen Fonds des Bildes. Die Nacht, welche bis dahin trübe gewesen war, wurde dunkel; der Himmel verfinsterte sich ganz und wurde schwarz. Auf den Vereinzelten, in gespenstischen Formen auftauchenden Bäumen sieht man kleine Massen: es sind die Straßenjungen, die dort hinaufgeklettert sind und, zwischen den Aesten sitzend, wie die Vögel pfeifen und wimmern. Einer von ihnen stürzte hinab und that sogar – so wurde gesagt, einen tödtlichen Sturz, er hatte das Rückgrat gebrochen – aber er erregte nur Lachen und auch das nicht auf lange.
Auf dem Rückwege nach dem Zimmer und als ich bei der Guillotine vorüberging, sah ich auf dem Plateau derselben den Henker, umgeben von einem Haufen Neugieriger: er gab für sie eine Probe oder Repetition; er ließ das auf einem Charniere stehende Bret los, an welches der Delinquent festgeschnallt wird, und welches, wenn es fällt, mit seinem Ende gerade in die halbrunde Oeffnung zwischen den Pfählen kommt; er ließ das Beil nieder, welches schwer und glatt abwärts glitt, mit einem dumpfen und raschen Murmeln u. s. w. Ich folgte der Probe nicht, d. h. ich kletterte nicht ans die Guillotine: das Gefühl einer gewissen, mir unbekannten Versündigung, einer sinnlichen Scham, wuchs in mir beständig . . . Es kann sein, diesem Gefühle muß ich es zuschreiben, daß mir die Pferde, welche an die Wagen gespannt waren und vor dem Thore des Gefängnisses ruhig in den Futterbeuteln Hafer kauten, als die einzigen unschuldigen Wesen in der Mitte von uns Allen erschienen. Ich setzte mich wieder aus mein Sopha und lauschte der Brandung.
VII
Im Gegensatz zu Dem, was man gewöhnlich behauptet, verfließt die letzte Stunde der Erwartung schneller als die erste, besonders aber als die zweite oder dritte; so ging es auch diesmal. Wir waren Alle durch die Nachricht überrascht, daß es schon sechs Uhr geschlagen und daß bis zum Moment der Hinrichtung nur noch eine Stunde sei. In die Zelle Traupmann’s sollten wir schon in einer halben Stunde – um halb sieben – eintreten. Die Schläfrigkeit verschwand im Augenblick von allen Gesichtern. Ich weiß nicht, was Andere fühlten, aber mir preßte es gewaltig das Herz. Es erschienen vier Gestalten; der Geistliche, ein kleiner grauer Mann, mit einem magern Gesicht, tauchte auf in seinem langen, schwarzen Abbé-Gewande mit einem Bändchen der Ehrenlegion und in einem niedrigen Hut mit breiten Rändern. Der Commandant setzte uns etwas wie ein Frühstück vor – in dem Salon auf einem runden Tische erschienen große Tassen Chokolade. Ich ging nicht einmal nahe heran, obgleich der freundliche Wirth mir rieth, mich zu stärken – »denn die Morgenluft kann schädlich sein«. – In einem solchen Augenblick zu essen, erschien mir . . . abscheulich. Was für ein Mahl, um Gottes Willen!
»Ich habe kein Recht!« sagte ich mir selbst zum hundertsten Male seit dem Anfange dieser Nacht. »Und er schläft noch immer?« fragte einer von uns, während er seine Chokolade schlürfte. (Alle sprachen Von Traupmann ohne seinen Namen zu nennen: einen andern Er konnte es nicht geben). »Er schläft«, antwortete der Commandant. – »Trotz des furchtbaren Lärms?« Der Lärm war in der That ungewöhnlich stark geworden und hatte ein gewisses heiseres Brüllen bekommen; der furchtbare Chor sang nicht mehr crescendo, sondern heulte wie in einem Siegesjubel. »Seine Zelle ist hinter drei Mauern gelegen,«, antwortete der Commandant. Herr C*** welchem der Commandant augenscheinlich die Hauptrolle überwies, sah auf die Uhr und sagte: »Zwanzig Minuten über sechs. Es ist Zeit!« Wir zitterten gewiß Alle innerlich, aber, als ob nichts wäre, ergriffen wir unsere Hüte und folgten lärmend unserm Führer. – »Wo essen Sie heute zu Mittag?« fragte laut ein Chroniqueur – aber es erschien Allen sehr unnatürlich.