Kitabı oku: «Ein Briefwechsel», sayfa 6
A propos! Ihre Schwester ist noch immer bei Ihrer Tante zum Besuch, nicht wahr-? Maria Alexandrowna, erlauben Sie, daß ich Ihnen herzlich die Hand drücke und Ihnen von ganzer Seele zurufe: Auf baldiges Wiedersehen! Ich hatte ohnehin die Absicht, zu reisen, jener Brief aber beschleunigte deren Ausführung. Angenommen, daß er auch nichts beweist, ja, sogar angenommen, daß Ninetta einem Andern, mir zum Beispiel, nicht gefallen würde, ich reise dennoch, das steht jetzt unwiderruflich fest. Auf Wiedersehen!
Ihr A. S.
XIII.
Maria Alexandrowna an Alexei Petrowitsch
Dorf . . . , den 16. Juli 1840.
Sie kommen her, Alexei Petrowitsch, Sie werden bald bei uns sein – ist es wahr? Ich verhehle Ihnen nicht, daß mich diese Nachricht zugleich erfreut und beunruhigt. . . Wie werden wir uns wiedersehen? Wird dieses geistige Band, welches, wie mir scheint, sich schon zwischen uns gebildet hat, fortbestehen? Wird es nicht beim Wiedersehen zerreißen? Ich weiß nicht woher mir so beklommen zu Muth ist. Ich antworte Ihnen nicht auf Ihren letzten Brief, obgleich ich Ihnen viel sagen könnte; ich verschiebe das Alles bis auf unser Wiedersehn. Meine Mutter freut sich sehr auf Ihre Ankunft . . . Sie wußte, daß wir mit einander correspondiren. Das Wetter ist herrlich; wir werden viel spazieren gehen, ich werde Ihnen neue, von mir entdeckte Plätze zeigen . . . besonders schön ist ein enges, langes Thal; es liegt zwischen bewaldeten Hügeln, ja es versteckt sich gleichsam zwischen ihren Krümmungen. Ein kleiner Bach durchfließt es und kann sich kaum durch die dichten Gräser und Blumen hindurch winden . . . Doch Sie werden selbst sehen. Kommen Sie nur, vielleicht werden sie keine Langeweile empfinden.
M. B
PS. Meine Schwester werden Sie, denke ich, nicht sehen; sie bleibt noch bei der Tante. Ich glaube (aber das bleibt unter uns), daß sie einen sehr liebenswürdigen jungen Mann, einen Offizier, heirathen wird. Weshalb haben Sie mir diesen Brief aus Neapel geschickt? Das hiesige Leben erscheint trübe und arm im Vergleich zu jenem Reichthum und Glanze. Aber Modemoiselle Ninetta hat nicht Recht: Die Blumen wachsen und duften auch bei uns.
XIV.
Maria Alexandrowna an Alexei Petrowitsch
Dorf . . ., Januar 1841.
Ich habe Ihnen mehrere Male geschrieben, Alexei Petrowitsch . . . Sie haben mir nicht geantwortet. Leben Sie noch? Oder ist Ihnen vielleicht unser Briefwechsel schon langweilig geworden; vielleicht haben Sie auch eine, Ihnen mehr zusagende Zerstreuung gefunden, als die ist, welche Ihnen die Briefe eines Landfräuleins zu bieten vermögen. Sie haben sich gewiß auch meiner nur aus Langeweile erinnert. Sollte das der Fall sein, so wünsche ich Ihnen Glück. Wenn Sie mir auch jetzt nicht antworten, so werde ich Sie nicht weiter belästigen; mir bleibt dann Nichts übrig, als meine Unvorsichtigkeit zu bedauern, zu bedauern, daß ich mich unnützer Weise aus meiner Ruhe habe aufstören lassen, daß ich einem Andern die Hand entgegenstreckte und, wenn auch nur auf einen Augenblick, aus meiner Vereinsamung heraustrat. Ich darf sie nicht verlassen, muß mich hinter Schloß und Riegel halten – das ist mein Loos, das Loos aller alten Mädchen. An diesen Gedanken muß ich mich gewöhnen. Man darf nicht hinaustreten in die freie, schöne Gotteswelt, sich nicht nach frischer Luft sehnen, wenn die Brust sie nicht erträgt. Glücklicherweise sind wir jetzt hinter tiefen Schneehaufen eingesperrt! In Zukunft werde ich klüger sein . . . Vor Langeweile stirbt man nicht, vor Gram aber könnte man wohl umkommen. Wenn ich mich irren sollte – so beweisen Sie es mir. Mir scheint es aber, daß ich mich nicht irre. Jedenfalls leben Sie wohl, ich wünsche Ihnen Glück.
M. B.
XV.
Alexei Petrowitsch an Maria Alexandrowna
Dresden, September 1842.
Ich schreibe Ihnen, liebe Maria Alexandrowna, ich schreibe Ihnen nur deshalb, weit ich nicht sterben will, ohne von Ihnen Abschied genommen, ohne mich Ihnen in‘s Gedächtniß zurückgerufen zu haben. Ich bin von den Aerzten aufgegeben . . . ja und ich fühle selbst, daß meine Stunden gezählt sind. Auf meinem Tische steht ein Rosenstorck; er wird noch nicht verblüht sein, wenn mit mir schon Alles vorbei sein wird. Uebrigens ist dieser Vergleich nicht ganz zutreffend, der Rosenstock ist viel interessanter, als ich!
Wie Sie sehen, bin ich im Auslande. Schon seit – sechs Monaten halte ich mich in Dresden auf. Ihre letzten Briefe erhielt ich – ich schäme mich, es zu gestehn – vor mehr als einem Jahre; einige von ihnen habe ich verloren, und auf keinen geantwortet – ich werde Ihnen gleich sagen warum. Aber, glauben Sie mir, Sie sind mir immer theuer geblieben; ich mag, außer von Ihnen, von Niemandem Abschied nehmen, vielleicht ist auch sonst Niemand da, bei dem ich es thun könnte.
Bald nach meinem letzten Briefe an Sie (ich hatte mich schon vollkommen zur Reise in Ihre Gegend gerüstet und im Voraus mancherlei Pläne geschmiedet) trat ein Ereigniß ein, das, ich muß es leider bekennen, von großem Einfluß auf mein Schicksal gewesen ist, ja von so großem, daß ich jetzt in Folge dessen sterbe. Ich begab mich nämlich in‘s Theater um ein Ballet zu sehen. Nie habe ich das Ballet geliebt, vielmehr stets gegen Alles, was Schauspielerinnen, Sängerinnen, Tänzerinnen heißt, eine geheime Abneigung verspürt . . . Aber der Mensch entgeht seinem Schicksal nicht, Niemand kennt sich selbst und Keiner vermag in die Zukunft zu sehen! Immer nur das Unerwartete ereignet sich im Leben und während unserer ganzen Lebenszeit thun wir nichts Anderes, als uns den Thatsachen anpassen . . . Aber ich glaube, ich habe mich wieder in die Philosophie vertieft. Meine alte Gewohnheit! Mit einem Wort, ich verliebte mich in eine Tänzerin.
Das war um so unerklärlicher, als man sie eigentlich nicht eine Schönheit nennen konnte. Es ist wahr, sie hatte goldigschimmerndes, aschfarbenes Haar und große, helle Augen mit einem schwärmerischen und zugleich frechen Blick . . . Oh, wie ich den Ausdruck dieses Blickes kenne, der ich ein ganzes Jahr in seinen Strahlen schmolz und schmachtete!
Sie war herrlich gewachsen, und wenn sie ihren Nationaltanz tanzte, stampften und schrien die Zuschauer häufig vor Entzücken . . . Es scheint aber, daß außer mir, Niemand in sie verliebt war, wenigstens Niemand so sehr, wie ich. Von demselben Augenblicke an, da ich sie zum ersten Male sah – ( glauben Sie mir, ich brauche sogar noch jetzt nur die Augen zu schließen, und gleich steht vor mir das Theater, die fast leere Bühne, das Innere eines Waldes vorstellend, und sie kommt aus den Coulissen rechts hervor mit einem Rebenkranze auf dem Kopfe und einer Tigerhaut auf den Schultern) – von diesem verhängnißvollen Augenblicke an gehörte ich ihr ganz, wie ein Hund seinem Herrn gehört; und wenn ich nicht auch jetzt, noch sterbend, ihr gehöre, so ist es nur, weil sie mich von sich gestoßen hat.
In Wahrheit hat sie sich niemals besonders um mich gekümmert, sie hat mich kaum beachtet, obgleich sie sich höchst gutmüthigerweise meines Geldes bediente. Ich war für sie, wie sie sich in ihrem gebrochenen französischen Dialektik ausdrückte, »oun Rousse, bonn enfan« – und weiter Nichts. Aber ich . . . ich konnte nirgends mehr leben, wo sie nicht war ; ich riß mich mit einem Male von allem mir Theuren, selbst von der Heimath los und folgte diesem Weibe.
Sie glauben vielleicht, daß sie Verstand hatte? – Durchaus nicht! Man brauchte nur ihre niedrige Stirn anzusehen, nur ein Mal ihr nichtssagendes, träges Lachen zu hören, um sogleich von ihrer Geistesarmuth überzeugt zu sein. Auch habe ich mich darin nicht einen Augenblick getäuscht; das half aber zu Nichts! Wie gering ich von ihr dachte, so oft ich nicht bei ihr war, so empfand ich doch in ihrer Gegenwart nur die leidenschaftlichste Anbetung . . . In deutschen Mährchen verfallen die Ritter oft in eine ähnliche Erstarrung . . . Ich konnte meinen Blick nicht von den Zügen ihres Antlitzes abwenden, konnte mich nicht satt hören an ihrer Stimme, nicht genug jede ihrer Bewegungen bewundern und athmete erst wieder auf, wenn sie fort war. Im Uebrigen war sie gut, harmlos und natürlich, sogar allzu natürlich und ganz ohne die bei den meisten Künstlern gewöhnliche Affectation. In ihr war Leben, das heißt viel Blut, jenes edle, glühende Blut, wohinein die Sonne des Südens einen Theil ihrer Strahlen ergossen zu haben scheint. Sie schlief neun Stunden am Tage, hatte guten Appetit und las nie eine gedruckte Zeile, mit alleiniger Ausnahme der Journalartikel, in denen von ihr die Rede war. Vielleicht das einzige tiefere Gefühl in ihr war die Anhänglichkeit an il signore Carlino, einen kleinen habsüchtigen Italiener, der bei ihr die Stelle eines Secretairs bekleidete, und den sie später auch geheirathet hat. Und in ein solches Frauenzimmer habe ich geistiger Feinschmecker, nachdem ich schon so verschiedene höhere Genüsse durchgekostet, noch im fortgeschrittenem Alter mich verlieben können. . . Wer hätte das erwartet? Ich selbst am wenigsten! Ja, ich habe nicht erwartet, dereinst noch eine solche Rolle zu spielen, nicht geahnt, daß ich mich in den Proben umhertreiben, hinter den Coulissen frieren und mich langweilen, den Lampenruß der Bühne einathmen und die Bekanntschaft verschiedener, gar nicht respectabel aussehender Persönlichkeiten machen . . . was sage ich, ihre Bekanntschaft machen? – nein, mich mit ihnen befreunden würde; ich habe nicht geahnt, daß ich den Shawl einer Tänzerin tragen, ihr neue Handschuhe kaufen und die alten mit Weißbrod reinigen (wahrhaftig! auch das habe ich gethan!) ihre Bouquets nach Hause schleppen, ihretwegen die Vorzimmer der Journalisten und Direktoren belagern, mein Geld vergeuden, Serenaden bringen, mich erkälten und mir jene Krankheit zuziehen würde . . . Ich habe mir nicht träumen lassen, daß ich schließlich in einem kleinen deutschen Städtchen den Spitznamen: »Kunst-Barbar« erhalten würde . . . »Und das Alles umsonst, in vollem Sinne des Wortes – umsonst! Das ist es eben . . . Erinnern Sie sich, wie wir mündlich und schriftlich das Wesen der Liebe erörtert haben und wie spitzfindig wir über dieses Thema gewesen sind. In der Praxis aber ergiebt es sich, daß die wahre Liebe ein Gefühl ist, das durchaus nicht dem Bilde gleicht, welches wir uns von ihr ausmalten. Die Liebe ist sogar überhaupt kein Gefühl, sie ist eine Krankheit, ein eigenthümlicher Zustand des Körpers und der Seele, sie entwickelt sich nicht allmählich, sie ist da! man kann an ihrem Dasein nicht zweifeln und vermag nicht mit ihr Versteckens zu spielen, obgleich sie nicht immer in gleicher Form auftritt; gewöhnlich bemächtigt sie sich des Menschen ungebeten, plötzlich, gegen feinen Willen, auf Leben oder Sterben, wie die Cholera oder das Fieber . . . Sie packt ihr Opfer, wie der Geier das Kücklein, und trägt es fort, wohin sie will, wie sehr es sich auch dagegen sträube . . . In der Liebe gibt es keine Gleichheit, keine sogenannte freie Vereinigung der Seelen und der übrigen, von deutschen Professoren in ihren Mußestunden erdachten Abstractionen . . . Nein, in der Liebe ist die eine Person – Sklave, die andere – Herr, und nicht umsonst singen die Dichter von den Fesseln der Liebe. Ja die Liebe ist eine Fessel und dazu die allerschwerste. Wenigstens bin ich zu dieser Ueberzeugung gelangt, und zwar auf dem Wege der Erfahrung, ich habe diese Ueberzeugung mit dem Preise meines Lebens erkauft, da ich als Sklave sterbe.
Das also ist mein Schicksal gewesen! In der ersten Jugend wollte ich durchaus den Himmel erstürmen . . . Dann ließ ich mir‘s einfallen, für das Wohl der Menschheit, der Heimath zu schwärmen; auch dies währte seine . . . Zeit; endlich dachte ich daran, mir ein häusliches Glück zu gründen . . . stolperte über einen Ameisenhaufen – und stürzte zur Erde, ja, ins Grab . . . Wie verstehen wir Rassen es doch so meisterhaft, so zu enden!
Es ist jedoch Zeit, Alles von sich abzuschütteln, ja, die höchste Zeit! Mag die Last dieser Erinnerungen zugleich mit meinem Leben von mir fallen! Zum letzten Male, wenn auch nur auf einen Augenblick, möchte ich das schöne, wohlthuende Gefühl genießen, welches mich so mild, anweht, so oft ich Ihrer gedenke. Ihr Bild ist mir jetzt doppelt werth . . . Mit ihm zugleich steigt das meiner Heimath vor mir auf und ich sende ihr und Ihnen meinen Abschiedsgruß. Leben Sie lange und glücklich und beherzigen Sie Eines: ob Sie in jener ländlichen Abgeschiedenheit, inmitten der Steppe, ausharren, wo Ihnen zuweilen so schwer um‘s Herz ist, wo ich aber so gerne meine letzten Stunden verbracht hätte, oder ob Sie einen andern Schauplatz betreten – überall seien Sie dessen eingedenk, daß das Leben nur den nicht betrügt, der über dasselbe nicht nachdenkt, Nichts von ihm fordert, ruhig seine spärlichen Geschenke annimmt und sie zufrieden genießt. Schreiten Sie vorwärts, so lange Sie es können, wenn aber Ihre Füße wanken, so setzen Sie sich am Wege nieder und schauen Sie auf die Vorübergehenden ohne Verdruß, ohne Neid; auch sie werden nicht weit gelangen. Früher habe ich Ihnen dergleichen nicht gesagt, aber der Tod ist ein guter Lehrmeister. Wer sagt uns überhaupt, was das Leben, was die Wahrheit ist? Erinnern Sie sich an Denjenigen, der auch auf diese letzte Frage nicht zu antworten vermochtet . . . Leben Sie wohl, Maria Alexandrowna, leben Sie zum letzten Male wohl und gedenken Sie nicht in Bösem Ihres armen
Alexei.