Kitabı oku: «Eine wunderliche Geschichte», sayfa 5
XV
Es vergingen zwei Jahre – und dieses Bild sollte wieder vor mir auftauchen. Unter folgenden Umständen: Ich unterhielt mich mit einem Collegen, der eben von einer Reise aus dem südlichen Rußland zurückgekehrt war. Er hatte einige Zeit in der Stadt O. verlebt – und theilte mir einige Nachrichten über die dortige Gesellschaft mit. »Apropos!« rief er aus, »Du bist ja, denke ich, gut bekannt mit W. G. B.?«
»Nun ja, bekannt.«
»Und Du kennst seine Tochter Sophie?«
»Ich habe sie ein paar Mal gesehen.«
»Stelle Dir vor: sie ist davon gelaufen!«
»Wie das!«
»Jawohl! es sind schon drei Monate her, daß sie spurlos verschwunden ist. Und das Wunderbare ist, daß Niemand sagen kann, mit wem. Stelle Dir vor: keine Vermuthung, nicht der geringste Verdacht! Sie hatte alle Bewerber zurückgewiesen – B. ist, wie Du weißt, reich; sie eine Erbin! Und ihre Aufführung war die allerbescheidenste! Ja, diese Stillen und Fromme!i der Scandal im Gouvernement ist ungeheuer, B. ist in Verzweiflung . . . und welchen Grund konnte sie haben davon zu laufen? Ihr Vater hat ihr in allen Stücken den Willen gethan! – Das Allerunbegreiflichste ist aber, daß von den Lovelaces des Gouvernements nicht ein Einziger fehlt!«
»Und man hat sie bisher nicht gefunden?«
»Ich sage Dir, sie ist verschwunden wie ein Tropfen im Wasser. Es giebt eine reiche Braut auf der Welt weniger – das ist unangenehm.« Diese Nachricht versetzte mich sehr in Erstaunen; sie stimmte durchaus nicht zu der Erinnerung, welche ich von Sophie B. Bewahrte. – Aber was passirt nicht Alles.
XVI
In dem Herbst desselben Jahres warf mich das Geschick wieder, in dienstlichen Angelegenheiten in das T'sche Gouvernement, welches, Es wie bekannt, an das O.’sche Gouvernement anstößt. Das Wetter war regnerisch und kalt; die abgequälten Postpferde schleppten kaum meinen leichten Tarantaß durch die erweichte schwarze Erde der Heerstraße. Ich erinnere mich, ein Tag war besonders unglücklich; drei Mal blieb ich im Koth bis zur Achse sitzen; der Postillon fuhr immerwährend aus einem Geleise heraus und schleppte sich mit Hott und Hüh in das andere; aber auch da ging es nicht besser; mit einem Worte: gegen Abend war ich so ermattet, daß ich bei der Ankunft auf der Station im Wirthshaus zu übernachten beschloß. Man gab mir ein Zimmer mit einem hölzernen eingedrückten Sopha, krummgezogenen Dielen und zerrissenen Tapeten an den Wänden; – es roch darin nach Kwaß (eine Art von Bier), Matten, Zwiebeln und sogar nach Terpentin und die Fliegen saßen überall in Schwärmen; aber man konnte sich wenigstens vor dem Unwetter schützen und der Regen hatte – wie man so sagt – auf volle vierundzwanzig Stunden geladen. Ich ließ mir den Samowar bringen und nachdem ich mich auf das Sopha gesetzt hatte, ergab ich, mich jenen unerfreulichen Reisegedanken welche den Reisenden in Rußland so bekannt sind.
Sie wurden durch ein schweres Geräusch unterbrochen das aus der allgemeinen Stube kam, von welcher mein Zimmer durch einen dünnen Verschlag getrennt war.
Dieses Geräusch war begleitet von einem stoßweisen Klirren ähnlich dem Klirren von Ketten. – Und plötzlich schrie eine grobe Männerstimme: »Gott segne Alle, die in diesem Hause sind . . . Gott segne!t Gott segne! Amen Amen! Hebe Dich fort!« wiederholte die Stimme, die letzte Silbe jedes Wortes übermäßig und sonderbar dehnend . . . Man hörte einen lauten Seufzer und ein schwerer Körper ließ sich mit demselben Klirren auf die Bank nieder.
»Akulina! Dienerin Gottes, komm hierher!« sagte wiederum die Stimme; »sieh, wie bloß, wie los . . . Hahaha! pfui! – Herr mein Gott! Herr mein Gott! Herr mein Gott!i« intonirte die Stimme, wie der Küster auf dem Chor, »Herr mein Gott! König meines Lebens, siehe auf mein Elend . . . Oho – ho! Hehe! und diesem Hause Segen in der siebenten Stunde!«
»Wer ist das?« fragte ich die geschäftige Wirthin, die mit dem Samowar bei mir eintrat.
»Das, lieber Herr«, antwortete sie mir, mit hastigem Flüstern, »ist ein Jurodiwi3 ein Mann Gottes. Er ist unlängst in diesen Gegenden erschienen und hat uns jetzt die Ehre angethan. In diesem Unwetter! – Und die Ketten sollten Sie sehen, die er trägt – es ist furchtbar!«
»Gott segne! Gott segne!« ertönte die Stimme wieder. »Akulina! aber Akulina! Und wo ist unser Paradies? Unser herrliches Paradies? Paradies . . . Paradies . . . Und diesem Hause . . . Zu Anfange dieser Zeit . . . sei große Freude O – O . . . « Die Stimme murmelte etwas Unverständliches – und plötzlich nach einem langen Gähnen ertönte wieder ein heiseres Lachen.
»Ach! daß Stepanytsch nicht da ist . . . das ist ein Jammer!« sagte die Wirthin, die mit allen Zeichen der tiefsten Aufmerksamkeit an der Thür stehen geblieben war, vor sich hin. Er wird irgend ein rettendes Wort sagen – und ich arme Frau kann es nicht begreifen!« – Sie verließ eilig das Zimmer.
XVII
In dem Verschlage meines Zimmers war ein langer Spalt; ich legte das Auge daran. Der »Heilige« saß auf der Bank mit dem Rücken nach mir gekehrt. Ich sah nur seinen, wie ein Bierkessel großen mähnigen Kopf – und einen breiten gekrümmten Rücken unter den nassen Fetzen, mit denen er bekleidet war. Vor ihm aus dem nackten Erdboden kniete ein schwächliches Frauenzimmer in einem alten gleichfalls nassen Wamms mit einem dunklen bis über die Augen gezogenen Tuche. Sie bemühte sich einen Stiefel vom Fuß des Heiligen abzuziehen – ihre Finger glitten auf dem schmutzigen, fetten Leder ab. Die Wirthin stand mit auf der Brust gefalteten Händen neben ihr und sah andächtig auf den Mann Gottes. Er murmelte, wie vorher, unverständliche Reden.
Endlich gelang es der Frau im Wamms den Stiefel abzuziehen. . . sie wäre beinahe hinten übergefallen – richtete sich aber wieder auf und begann die Fußlappen des Heiligen abzuwickeln: Auf dem Spann des Fußes zeigte sich eine Wunde . . . Ich wendete mich ab.
»Wollen Sie sich nicht ein Theechen vorsetzen lassen, Freund?« ertönte die demüthige Stimme der Wirthin.
»Was denkst Du!« erwiederte der Heilige. »Den sündigen Leib hätscheln . . . oho – ho! Alle Knochen ihm zerbrechen – und sie – Thee! Ach, ach, werthes Mütterchen der Satan ist stark in uns! Auf ihn den Hunger, auf ihn die Kälte, auf ihn die Schleusen des Himmels, den strömenden Regen und es macht ihm nichts – er lebt! Denke an den Tag der Fürbitte der Mutter Gottes! Du wirst haben, Du wirst viel haben.«
Die Wirthin stieß vor Bewunderung einen leichten Schrei aus.
»Der alte Feind, stark wie Demant, wie Demant, Dämon der Böse . . . der Böse! Bö—se – ö – öse!« wiederholte einigemal der Heilige mit Zähneknirschen. »Die alte Schlange, Schlange, aber Gott wird aufstehen! Gott wird aufstehen und seine Feinde werden zerstreut werden! Ich werde alle Gestorbenen rufen! Ich werde auf seine Feinde gehen!t Hahaha!«
»Haben Sie nicht etwas Oel?« sagte die andere kaum vernehmliche Stimme. »Geben Sie mir etwas, um es auf die Wunde zu thun . . .reine Lappen habe ich.« Ich sah wieder durch den Spalt: das Weib im Wammse war noch immer mit dem kranken Fuße des Heiligen beschäftigt . . . Magdalena! dachte ich.
»Sogleich, sogleich, meine Liebste,« sagte die Wirthin – und nahm, indem sie in mein Zimmer trat, einen Löffel Oel aus der Lampe vor dem Heiligenbilde.
»Wer pflegt ihn denn?« fragte ich.
»Wir wissen es nicht, Väterchen wer sie ist; sie ist auch auf dem Wege des Heils, vielleicht büßt sie die Sünden ab. Aber was ist Der für ein gottseliger Mensch!«
»Akulinchen mein Kindchen meine liebe Tochter,« sagte unterdessen der Heilige – und fing plötzlich an zu schluchzen.
Das Weib, das vor ihm auf den Knieen lag, richtete ihre Augen auf ihn . . . Mein Gott, wo hatte ich diese Augen gesehen?
Die Wirthin kam mit dem Löffel Oel zu ihr . . . Sie beendete ihre Operation und sich von dem Boden erhebend, fragte sie, ob es nicht irgendwo ein reines Kämmerchen gäbe und etwas Heu. »Wassily Nikititsch liebt es auf dem Heu zu schlafen,« fügte sie hinzu.
»Gewiß, sein Sie so gut,« antwortete die Wirthin, »sein Sie so gut, Lieber,« wendete sie sich zu dem Heiligen, »trockne Dich, ruhe Dich aus.« Dieser ächzte, erhob sich langsam von der Bank – seine Ketten klirrten wieder und indem er mir das Gesicht zuwendete und mit den Augen die Heiligenbilder suchte, fing er an große Kreuze zu schlagen.
Ich erkannte ihn sogleich: es war derselbe Wassily, der mir einstmals meinen verstorbenen Erzieher gezeigt hattet!
Seine Züge hatten sich wenig verändert, nur waren sie noch ungewöhnlicher noch abschreckender geworden . . . der untere Theil seines aufgeschwemmten Gesichts war von einem struppigen Bart überwachsen. Zerlumpt, schmutzig, verwildert – flößte er mir noch mehr Abscheu als Schrecken ein. Er hörte auf sich zu bekreuzen – fuhr aber fort mit gedankenlosem Blick bald über die Ecken, bald über die Dielen zu schweifen – wie wenn er etwas erwartete.