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Kitabı oku: «Erscheinungen», sayfa 7

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XXII

Aufgepaßt!3 erschallte in meinen Ohren ein gedehnter Ruf. – Aufgepaßt! erschallt’ es wie verzweiflungsvoll aus der Ferne zurück. Aufgepaßt! schien es irgendwo in der weitesten Ferne zu ersterben. Ich schüttelte mich. Eine hohe goldene Nabel fiel mir in die Augen; ich erkannte die Festung Petropawlowsk.

Nordische bleiche Nacht! Ist dieß auch eine Nacht zu nennen? Ist es nicht vielmehr ein bleicher kranker Tag? Ich liebte die Petersburger Nächte nie, aber dieses Mal wurde es mir fast grausig dabei zu Muthe: die Gestalt Ellis verschwand vollständig, löste sich auf wie der Morgennebel in der Julisonne und ich sah deutlich meinen ganzen Körper, wie er schwerfällig und einsam in gleicher Höhe mit der Alexandersäule schwebte. Da ist also Petersburg! Ja, das ist es. Diese öden, breiten, grauen Straßen; diese grauweißen, gelblichgrauen, grauröthlichen, mit Stuck verzierten und theilweise abgebröckelten Häuser mit ihren eingefallenen Fenstern, grellen Aushängeschildern, eisernen Schutzdächern über den Freitreppen und schmutzigen Obstbuden; diese Giebel, Aufschristen, Läden, Buden; die goldene Kuppel der Isaakskirche; die unnütze, buntscheckige Börse, die granitnen Festungsmauern, das schadhafte hölzerne Straßenpflaster; diese Barken mit Heu und Holz beladen; dieser Geruch von Staub, Kohlen, Matten und Ställen; diese in Schaffelle gehüllten, wie versteinert aussehenden Thürhüter an den Pforten; diese wie im Todesschlaf zusammengekrümmten Kutscher auf ihren ausgesessenen Droschkensitzen; ja, das ist es, unser nordisches Palmyra! Alles ist sichtbar ringsum mitten in der Nacht; Alles hell, bis zum Unheimlichen lesbar und hell, und Alles schläft trist, sich seltsam in der trübdurchsichtigen Luft erhebend und abzeichnend. Die Röthe des Abendglühens – eine schwindsüchtige Röthe! – ist noch nicht vergangen und wird bis zum Morgen nicht vergehen am bleichen sternlosen Himmel; sie wirft glühende Streifen über die seiden schimmernde Fläche der Newa, welche nur leise murmelt und sich nur leise bewegt im Vorwärts streben ihrer kalten blauen Fluten . . .

– Laß uns weiter fliegen! flüsterte Ellis.

Und ohne meine Antwort abzuwarten, trug sie mich über die Newa, über den Schloßplatz nach Liteina. Unten hörte man Schritte und Stimmen: über die Straße ging ein Haufen junger Leute mit wüsten Gesichtern; sie unterhielten sieh von der »Tanzstunde.« »Fähnrich Stolpakow der Siebente!« rief plötzlich schlaftrunken ein Soldat, der auf der Wache stand vor einer Pyramide rostiger Kanonenkugeln, und etwas weiter, am offenen Fenster eines hohen Hauses, bemerkte ich ein Mädchen in zerknittertem seidenen Kleide ohne Aermel, mit einem Perlennetze auf den Haaren und einer Cigarrette im Munde. Sie las andächtig in einem Buche: es war das die letzte Schöpfung eines unserer modernsten Juvenale.

– Laß uns weiter fliegen! sagte ich zu Ellis. Nach einer Minute waren schon unter uns die faulenden Tannenwälder und moosigen Sümpfe verschwunden, welche Petersburg umgeben. Wir nahmen unsere Richtung gerade nach Süden: Himmel und Erde, Alles wurde ein wenig dunkler und immer dunkler. Die kranke Nacht, der kranke Tag, die kranke Stadt – Alles blieb hinter uns zurück.

XXIII

Wir flogen ruhiger als gewöhnlich, und ich konnte mit den Augen die weite Ausdehnung des Heimatlandes Strich für Strich überblicken, als ob ein sich endlos fortsetzendes Panorama nach und nach vor mir entrollt würde. Wälder, Sträucher, Felder, Schluchten, Flüsse – zuweilen einmal ein Dorf und eine Kirche – und dann wieder Wälder, Felder, Sträucher und Schluchten . . . es wurde mir traurig dabei zu Muth und dann überkam mich eine gleichmüthige Langeweile. Und nicht etwa deshalb war ich traurig und gelangweilt, weil ich flog und gerade über Rußland flog. Nein! die Erde selbst, diese endlose Fläche, welche sich unter mir dehnte, die ganze Erdkugel mit ihrer vergänglichen, siechen, durch Noth, Kummer, Krankheiten bedrängten Bevölkerung, wie sie an die Scholle verächtlichen Staubes festgebannt ist, diese zerbrechliche, rauhe Rinde, die Hülle dieses feurigen Sandkorns von einem Planeten, dieses bischen Schimmel, welches wir hochtönend Pflanzen- und Thierreich tituliren; diese Menschen-Fliegen, tausendmal nichtiger als wirkliche Fliegen, ihre aus Lehm und Kalk zusammengeklebten Wohnungen, die winzigen Spuren ihres kleinlichen einförmigen Thuns und Treibens, ihre kindischen Kämpfe mit dem Unwandelbaren und Unentfliehbaren – wie alles das mir plötzlich zuwider war! Das Herz drehte sich mir im Leibe um und ich mochte nicht länger hinblicken auf diese nichtigen Bilder, auf diese abgeschmackte Ausstattung. Ja, es wurde mir langweilig zu Muthe – schlimmer als langweilig. Ich fühlte selbst kein Mitleid mehr mit meinen Nebenmenschen. Alle Gefühle in mir gingen unter in dem einen, welches ich das Gefühl des Ekels nennen möchte – und am stärksten wandte sich dieses Gefühl – gegen mich selbst.

– Halt an! flüsterte Ellis; – halt an, ich kann Dich sonst nicht weiter tragen. Du fängst an schwer zu werden.

– Fort, nach Hause! antwortete ich ihr mit derselben Stimme, mit welcher ich meinem Kutscher diese Worte zuzurufen pflegte, wenn ich in der vierten Stunde Morgens mich trennte von meinen moskauischen Freunden, mit welchen ich seit dem Diner des vorigen Tages mich unausgesetzt unterhalten hatte über die Zukunft Rußlands und die Bedeutung der Gemeinde. – Fort, nach Hause! wiederholte ich und schloß die Augen.

XXIV

Aber bald öffnete ich sie wieder. Ellis hatte sich so unheimlich an mich gepreßt; sie erdrückte mich fast. Ich sah auf sie hin – und das Blut gerann in mir. Wer jemals im Gesichte eines Andern den plötzlichen Ausdruck tiefen Grauens gesehen hat, dessen Grund er nicht begreifen konnte – der wird mich verstehen. Grausen, qualvolles Grausen verzerrte und entstellte die bleichen, fast verwischten Züge Ellis’. Nie hatte ich etwas Aehnliches an einem lebendigen Menschenantlitze gesehen. Eine leblos nebelhafte Erscheinung, ein Schatten . . . und diese erstarrende Furcht . . .

– Ellis, was ist mit Dir? fragte ich endlich.

– Sie! . . . sie . . . antwortete sie mit Anstrengung . . .Sie!

– Sie? Wer ist diese Sie?

– Nenne sie nicht! nenne sie nicht! flüsterte hastig Ellis – ich muß auf Rettung bedacht sein, sonst ist’s mit Allem vorbei – und auf immer . . . Sieh nur, sieh da! Ich wandte den Kopf zur Seite, wohin mich ihre zitternde Hand wies, und sah etwas . . . etwas in der That Grausenhaftes.

Dieses Etwas war um so grausiger, als es keine bestimmte Form hatte. Es war etwas Schwerfälliges, Finsteres, Gelblich-schwarzes, Geflecktes, wie der Bauch einer Eidechse, weder Rauch noch Wolke, langsam mit schlangenhafter Bewegung über der Erde sich windend. Das gleichmäßige breite Schaukeln von oben nach unten und von unten nach oben einmal, dieses Schaukeln, welches an einen mit ausgebreiteten Flügeln schwebenden Raubvogel erinnerte, der nach Beute späht, um plötzlich herunterzuschießen, ein anderes Mal das unsäglich ekelhafte Ansaugen an die Erde gleich dem der Spinne an eine gefangene Fliege . . . wer bist du, was bist du, grauenhafte Masse? Unter ihrem Einfluß – das sah ich, das fühlte ich – wurde Alles vernichtet, verstummte Alles . . . Eine faule verderbliche Kälte ging von ihr aus, die Ekel erregte, Uebelkeit erzeugte, die Augen verfinsterte und die Haare sich sträuben machte. Eine Kraft offenbarte sich, jene Kraft, der nichts widersteht, welcher Alles unterthan ist, welche ohne Gesicht, ohne Gestalt, ohne Sinne – Alles sieht, Alles weiß und wie ein Raubvogel sich ihre Opfer erkürt, wie eine Schlange sie erwürgt und leckt mit ihrer frostigen Zunge . . .

– Ellis, Ellis! rief ich wie betäubt – das ist die Vernichtung, das ist der Tod selbst!

Der klagende Laut, den ich schon früher gehört hatte, drang wieder aus Ellis’ Munde, aber diesmal glich er mehr dem Ausbruch menschlicher Verzweiflung – und wir stürzten uns weiter. Aber unser Flug war wunderlich und grausenhaft ungleich; Ellis überschlug sich in der Luft und schwankte heftig von einer Seite zur andern, wie ein Rebhuhn, das tödtlich verwundet ist oder den Hund von der Spur seiner Jungen abzubringen sucht. Inzwischen, hinter uns, sich absondernd von jener unerklärbar grausigen Masse, wälzten sich gewisse wässerige Glieder wie ausgestreckte Krallen . . . eine riesige verhüllte Gestalt auf bleichem Roß zuckte für einen Augenblick bis zum Himmel hinan . . . noch verzweifelnder rief Ellis: »Sie hat’s gesehen, sie hat’s gesehen! Es ist Alles aus! Ich bin verloren!« . . . Dann hört’ ich sie noch murmeln: »O ich Unglückliche! Ich hätte können die Gelegenheit benutzen, mich wieder mit Leben zu füllen . . . Aber jetzt Vernichtung! Vernichtung!«

Mir wurd’ es unerträglich zu Muthe, . . . ich verlor das Bewußtsein.

3.Sluschai!! (Aufgepaßt) der nächtliche Ruf der Schildwachen in russischen Festungen.

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Litres'teki yayın tarihi:
10 aralık 2019
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