Kitabı oku: «König Lear der Steppe», sayfa 6
XXIV
Der Hausmeister führte Charloff in das grüne Arbeitszimmer und lief sofort, die Wirthschafterin zu holen, da das Bett unbezogen war. Souvenir, der uns im Vorzimmer begegnet und zusammen mit uns in das Zimmer gesprungen war, begann sofort damit, »sich wie gewöhnlich gebehrdend und kichernd Charloff zu umkreisen, der, Arme und Beine etwas ausbreitend und in Gedanken versunken, mitten im Zimmer stehen geblieben war. Das Wasser rann unaufhörlich von ihm ab.
»Wschede! heiliger Wschede Charlus!« greinte Souvenir, sich nach vorne überbeugend und sich die Seiten haltend, »großer Begründer des ruhmvollen Geschlechtes der Charloff! geruhe auf Deinen Nachkommen zu blicken! Wie gefällt er Dir? kannst Du ihn erkennen? Hi, hi, hi! Eure Durchlaucht, reichen Sie mir doch Ihre Hand! Warum haben Sie denn schwarze Handschuh angezogen?«
Ich hätte Souvenir zurückhalten, ihn beschämen wollen . . . doch wie konnte ich das!
»Parasit, Schmarotzer hast Du mich genannt! »Du hast kein Obdach!« sagtest Du mir. Und jetzt bist Du ja ebenfalls zum Schmarotzer wie ich, der Sündige, geworden! Martin Petrowitsch und Souvenir, der Hergelaufene – sind jetzt dasselbe! Wirst Dich auch von Almosen nähren . . . Man nimmt eine verschimmelte Brotkruste, die ein Hund berochen und unberührt gelassen hat und wirft sie Dir vor . . . Da iß! hi, hi, hi!«
Charloff stand immer noch unbeweglich, mit gespreizten Beinen, seine beiden Arme von dem übrigen Körper abhaltend.
»Martin Charloff! ständischer Edelmann,« fuhr Souvenir fort, »wie hochnasig er war . . . pfui hier, pfui da! Kommt mir nicht zu nah, ich schlag’ Euch sonst todt« . . . so begegnete er Einem! Und als er sein Vermögen aus allzu großem Verstande zu vertheilen und zu vergeben angefangen, wie hochfahrend war er da! »Dankbarkeit!« schrie er, »Dankbarkeit!« Warum hast Du mich nicht bedacht, mir nichts geschenkt? Ich wäre vielleicht erkenntlicher gewesen. Wahr habe ich damals gesagt, daß man ihn mit dem blanken Rücken auf den Schnee . . .«
»Souvenir!« schrie ich, doch Souvenir hörte nicht. Charloff rührte sich nicht; es schien, als ob er jetzt erst zu fühlen anfange, wie naß Alles an ihm war, und erwarte, daß man ihn davon befreie. Doch der Hausmeister kam noch immer nicht.
»Und bist noch ein Krieger,« fing Souvenir wieder an; »im Jahre Zwölf rettete er das Vaterland, zeigte seine Tapferkeit! Das ist es ja, den halberfrorenen Marodeuren die Hosen herunterzuziehen, das ist unsere Sache – wenn aber ein Frauenzimmer mit dem Fuße stampft, wo steckt denn dann der Muth?«
»Souvenir!« schrie ich zum zweiten Male.
Charloff sah Souvenir von der Seite an, bis dahin, schien es, hatte er nicht einmal seine Anwesenheit bemerkt und nur mein Ausruf hatte seine Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt.
»Höre Du!« brummte er dumpf, »sieh’ Dich vor, daß kein Unglück geschehe!«
Souvenir wälzte sich förmlich vor Lachen.
»Ach! wie Sie mich erschreckt haben, ehrwürdiges Brüderchen! Wie Sie fürchterlich sind! Ah, Sie sollten Sich doch wenigstens die Härchen kämmen, sonst werden sie ja, Gott verhüte es, zusammentrocknen, man wird sie ja dann mit der Sense abmähen müssen!« Souvenir wurde immer übermüthiger. »Sie wagen noch groß zu thun! Ein Bettler und macht sich breit! Wo ist jetzt Ihr Obdach, sagen Sie es mir doch? Sie haben ja stets damit geprahlt! Ich habe ein Haus, sagten Sie, und Du bist obdachlos! Ein erbliches Haus!«
»Herr Bitschkoff!« rief ich, »was thun Sie, kommen Sie doch zu Sich!«
Doch er fuhr fort zu greinen, und hüpfte und sprang um Charloff herum. . .
Der Hausmeister und die Wirthschafterin waren immer noch nicht gekommen.
Mir wurde bange. Ich bemerkte, daß Charloff, der im Gespräch mit meiner Mutter allmälig ruhiger geworden war und gegen Ende desselben selbst sich in sein Schicksal gefügt zu haben schien, wieder anfing, gereizt zu werden . . . Er athmete schneller; hinter den Ohren schwoll es bei ihm plötzlich an; die Finger bewegten sieh; die Augen irrten wieder mitten in der dunklen Maske des beschmutzten Gesichtes herum.
»Souvenir! Souvenir!« schrie ich. »Hören Sie auf; ich sage es sonst der Mutter!«
Doch Souvenir war wie vom Teufel besessen.
»Ja, ja, mein Allerwerthester,« zischte er wieder, »wir Beide befinden uns in einer sehr kitzlichen Lage! Ihre Töchter aber mit Ihrem Schwiegersohne Wladimir Wassiliewitsch lachen Sie aus in Ihrem Hause, und wie lacht man Sie da aus! Hatten Sie doch wenigstens, Ihrem Versprechen gemäß, dieselben verflucht! Doch auch dazu sind Sie nicht im Stande! Und Sie wollen sich mit Wladimir Wassiliewitsch messen? Wolodka belieben Sie ihn zu nennen? Was für ein Wolodka ist er für Sie? Er ist Wladimir Wassiliewitsch, Herr Sletkin, Gutsbesitzer, Herr und Du was bist Du?«
Ein wüthendes Gebrüll übertönte Souvenirs Worte. . . Es quoll über bei Charloff Seine Fäuste ballten und erhoben sich, sein Gesicht wurde blau. Schaum bedeckte die geborstenen Lippen; er zitterte vor Wuth.
»Haus! sagst Du,’« donnerte er mit seiner eisernen Stimme. »Fluch! Sagst Du . . . Nein, verfluchen werde ich sie nicht . . . Daraus machen sie sich nichts. Das Haus aber . . . ihr Haus werde ich zerstören, und kein Obdach sollen sie haben, wie ich! sie sollen Martin Charloff kennen lernen! Noch ist meine Kraft nicht hin! Sie sollen wissen, was es über mich zu lachen heißt! . . . Sie sollen kein Obdach haben!«
Ich starrte; noch nie war ich Zeuge eines solchen grenzenlosen Zornes gewesen. Nicht ein Mensch, nein, ein wildes Thier bewegte sich vor mir! Ich starrte . . . Souvenir aber hatte sich vor Angst unter den Tisch verkrochen.
»Sie sollen es nicht haben!« brüllte Charloff zum letzten Mal und stürmte, nachdem er den eintretenden Hausmeister und die Wirthschafterin zu Boden geworfen, aus dem Hause. . . Wie ein ungeheurer Klumpen wälzte er sich durch den Hof und verschwand hinter dem Thore.
XXV
Meine Mutter wurde sehr zornig, als der Hausmeister bei ihr erschien, um ihr mit verlegener Miene die neue und unerwartete Entfernung von Martin Petrowitsch zu melden. Er wagte nicht, ihr den Grund seines Weggehens zu verbergen und ich sah mich genöthigt, seine Aussage zu bestätigen. »Du bist also daran Schuld,« schrie sie den Souvenir an, der wie ein Hase vorausgelaufen war und bereits die Hand der Mutter küßte, »Deine bissige Zunge ist an Allem Schuld!« – »Erlauben Sie, ich werde sofort, sofort« . . . lallte schluchzend und die Ellbogen nach hinten ziehend, Souvenir.
»Sofort, sofort! Ich kenne Dein »Sofort,« wieder holte die Mutter mit strengem Tadel und wies ihn hinaus. Dann klingelte sie, ließ Kwitzinski rufen und gab ihm den Befehl, sofort sich mit einem Wagen nach Eskowo zu begeben, Martin Petrowitsch aufzusuchen und ihn um jeden Preis zurückzubringen.
»Kommen Sie nicht ohne ihn zurück,« so schloß sie. Der finstere Pole verneigte sich schweigend und ging hinaus.
Ich begab mich wieder nach meinem Zimmer, setzte mich wieder an das Fenster und dachte lange über das vor meinen Augen Vorgefallene nach. Es war ein Räthsel für mich; ich konnte gar nicht begreifen, warum Charloff, der beinahe ohne Klagen die Beleidigungen von Seiten seiner Hausgenossen gelitten, sich nicht beherrschen und die Neckereien und den Spott eines so verachteten Mannes, wie Souvenir, nicht er tragen konnte. Ich wußte damals nicht, welch’ unerträgliche Bitterkeit manchmal in dem unbedeutendsten Vorwurfe, wenn er selbst von unwürdigen Lippen fließt, enthalten sein kann . . . Der verhaßte Name Sletkins, von Souvenir ausgesprochen, fiel wie ein Funke in das Pulver; die seit Langem krankhafte Stelle hielt diesen letzten Stich nicht aus.
Eine Stunde war vergangen. Unser Wagen fuhr in den Hof, doch in ihm befand sich unser Verwalter allein. Die Mutter aber hatte gesagt: »Kommen Sie nicht ohne ihn.« Kwitzinski sprang schnell aus dem Wagen und eilte auf den Balcon. Sein Gesicht hatte einen besorgten Ausdruck, den man sonst beinahe nie bei ihm bemerkte. Ich ging sofort nach unten und trat gleich hinter ihm in das Empfangszimmer.
»Nun, haben Sie ihn gebracht?« fragte die Mutter.
»Ich habe ihn nicht mitgebracht,« antwortete Kwitzinski. »ich konnte ihn nicht mitbringen.«
»Warum nicht? Haben Sie ihn gesehen.«
»Ja freilich.«
»Was ist denn mit ihm geschehen? Ein Schlaganfall?«
»Nein, ihm ist Nichts geschehen.«
»Warum haben Sie ihn denn nicht hergebracht?«
»Er zerstört sein Haus.«
»Wie?«
»Er steht auf dem Holzdache des neuen Hauses – und zerstört dasselbe . . . es mögen wohl an vierzig Bretter und etwa fünf Dachsparren und noch mehr heruntergeworfen sein.«
(Mir fielen die Worte Charloffs ein: »Sie sollen kein Obdach haben.«)
Die Mutter sah Kwitzinski mit starrem Blicke an. »Allein . . . auf dem Hause und zerstört das Dach.«
»So ist’s. Er geht auf dem Boden herum und zerstört Alles, rechts und links. Er hat ja, wie Sie, gnädige Frau, wissen, eine fast übermenschliche Kraft! Das Dach ist auch, um die Wahrheit zu gestehen, schlecht gebaut – die Sparren stehen breit auseinander, die Bretter sind einzöllig, die Nägel nur schwache Bretternägel.«
Die Mutter blickte mich an, als ob sie sich dadurch überzeugen wollte, daß sie richtig gehört habe. »Dachsparren . . . Bretternägel« . . . wiederholte sie, augenscheinlich den Sinn dieser Worte noch nicht er fassend.
»Was thaten Sie denn?« versetzte sie endlich.
»Ich komme eben nach Instructionen. Ohne Leute kann man nichts beginnen; die dortigen Bauern haben sich Alle vor Furcht verkrochen.«
»Und seine Töchter, was machen die?«
»Nichts – man läuft herum, schreit . . . was soll das helfen?«
»Und Sletkin, was thut der?«
»Er schreit am meisten . . . Doch irgend Etwas zu unternehmen ist er nicht im Stande.«
»Und Martin Petrowitsch steht auf dem Dache?«
»Er steht auf dem Boden und zerstört das Dach.«
»Ja, ja«, wiederholte die Mutter, »Dachsparren . . . Bretternägel . . .«
Der Fall war ein außergewöhnlicher.
Was sollte man anfangen? Zur Stadt nach der Polizei schicken? Die Bauern versammeln? Meine Mutter war ganz außer Fassung, der zum Mittagessen angekommene Gitkoff ebenfalls. Zwar sprach er von Militär, doch gab er keinen Rath, nur blickte er die Mutter unterthänig und ergeben an. Kwitzinski, ein sehend, daß er keine Instructionen erhalten werde, meldete, mit der ihm eigenen spöttischen Ehrerbietung, daß, wenn man ihm einige Kutscher, Gärtner und andere Knechte mitzunehmen erlaube, er einen Versuch machen wolle . . .
»Ja, ja,« unterbrach ihn die Mutter, »versuchen Sie, lieber Wikentij Ossipitsch, aber bitte, schneller . . . ich nehme die ganze Verantwortlichkeit auf mich.«
Kwitzinski lächelte kalt. »New Eins erlauben Sie, gnädige Frau, Ihnen zu sagen: für den guten Aus gang kann ich nicht bürgen, denn die Körperkraft des Herrn Charloff ist gar zu groß, auch ist er sehr desperat . . er hält sich eben für allzusehr beleidigt«
»Ja, freilich,« rief die Mutter, »und an Allem ist dieser widerwärtige Souvenir schuld. Nie werde ich es ihm verzeihen. Gehen Sie, Wikentij Ossipitsch, nehmen Sie die Leute, fahren Sie!«
»Nehmen Sie, Herr Verwalter, nur viele Stricke mit – auch Feuerhaken,« sprach Gitkoff mit seiner Baßstimme . . . »und wenn ein großes Netz bei der Hand wäre, so wäre auch das mitzunehmen gerathen . . . Bei uns im Regiment war ebenfalls einmal . . .«
»Sie haben mir, gnädiger Herr, keine Vorschriften zu machen,« unterbrach ihn Kwitzinski ärgerlich . . . « »auch ohne Ihre Rathschläge weiß ich, was nöthig ist.«
Gitkoff hielt sich für beleidigt und erklärte, »daß er in der Hoffnung, daß man auch ihn hinzugehen beauftragen würde, sich erlaube . . .«
»Nein, nein,« mischte sich die Mutter ein . . . »bleibe Du nur hier . . . Wikentij Ossipitsch mag da allein handeln . . . fahren Sie, Wikentij Ossipitsch!«
Gitkoff fühlte sich noch mehr beleidigt; Kwitzinski verbeugte Und entfernte sich; ich eilte in den Stall, sattelte selbst schnell mein Reitpferd und ritt dann im Galopp Eskowo zu.
XXVI
Der Regen hatte nachgelassen, doch wehte der Wind mit verdoppelter Heftigkeit grade mir entgegen. Auf halbem Wege hätte sich beinahe der Sattel unter mir umgedreht; der Bauchriemen wars zu locker ge schnallt. Ich stieg vom Pferde und zog den Riemen mit den Zähnen an; plötzlich höre ich, daß mich Jemand beim Namen ruft . . . Souvenir lief auf den jungen Saaten hinter mir her. »Aha,« rief er mir schon von Weitem zu, »die Neugierde treibt auch Sie? Es ist auch nicht anders möglich . . . so ein Kunststück sieht man in seinem Leben nicht zum zweiten Male . . . «
»Sie wollen Ihr Werk bewundern,« bemerkte ich unwillig, schwang mich auf’s Pferd und brachte es wieder in Galopp, doch der unvermeidliche Souvenir blieb mir nicht viel nach, kicherte selbst im Laufen und trieb seine Possen weiter. Endlich – war Eskowo erreicht – da ist der Damm, »der lange Zaun und der Garten des Gutshofes. . . Ich ritt an’s Thor, sprang vom Pferde, band es an und blieb starr vor Verwunderung stehen . . .
Von dem vorderen Drittel des Daches auf dem neuen Hause, von dem Aufbau in der Mitte desselben war nur das Gerippe geblieben. Latten, Bretter, Holzstücke lagen in unförmlichen Haufen zu beiden Seiten des Hauses auf der Erde. Allerdings war das Dach nach Kwitzinskis Ausspruch schlecht – trotzdem aber schien die Sache unglaublich. Auf der Diele des Bodens, Staub und Schmutz aufwühlend, bewegte sich ungeschickt aber rührig eine grauschwarze Masse und rüttelte bald an dem noch aufrecht stehenden Ziegelschornstein (der andere war bereits herunter gestürzt), bald riß sie ein Brett los und schleuderte dasselbe hinunter, bald richtete sie den Angriff gegen die Dachsparren selbst – es war Charloff. Ganz wie ein Bär sah er aus: Kopf, Rücken, Hände waren die eines Bären, auch setzte er die Füße breit auf, ohne sie im Gelenk zu biegen – vollkommen nach Bärenart. Der scharfe Wind umwehte ihn von allen Seiten und hob sein in Büschel zusammengeklebtes Haar; es war schrecklich anzusehen, wie stellenweise sein rother nackter Leib durch die Löcher der zerrissenen Kleider zum Vorschein kam; ebenso schrecklich war sein wildes, rauhes Brummen anzuhören. Auf dem Hofe sah es lebendig aus: Frauen, Dorfjungen, Mägde drängten sich am Zaun; einige Bauern bildeten, zusammen, gedrängt, einen besonderen Haufen. Der mir bereits bekannte alte Priester stand ohne Kopfbedeckung auf dem Balcon des anderen gegenüber liegenden Häuschens und erhob von Zeit zu Zeit, schweigend und hoffnungslos, das große kupferne Kreuz, und hielt es mit beiden Händen empor, um die Blicke Charloff’s darauf zu lenken. Neben dem Priester stand Eulampia und sah, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, starr auf den Vater. Anna steckte bald den Kopf zum Fenster hinaus, bald verschwand sie wieder: bald sprang sie auf den Hof, bald kehrte sie in das Haus zurück. Sletkin, ganz bleich, gelb, im alten Schlafrock, ein Fez auf dem Kopfe, eine einläufige Flinte in der Hand, lief mit kurzen Schritten von Ort zu Ort. Er war ganz und gar zum Juden geworden; er erstickte, er drohte, er zitterte, er zielte bald auf Charloff, bald warf er das Gewehr über die Schulter – und dann zielte er wieder, er schrie, er weinte. – Mich und Souvenir erblickend, warf er sich förmlich auf uns:
»Sehen Sie, sehen Sie, was hier vorgeht!« winselte er, »sehen Sie! er ist verrückt, tobsüchtig geworden – und macht so etwas! Ich habe bereits nach der Polizei geschickt – aber es kommt Niemand. Niemand kommt! Wenn ich nach ihm schieße, so kann man ja mir nichts anhaben, denn ein Jeder hat das Recht, sein Eigenthum zu vertheidigen! Und ich werde schießen! Bei Gott! ich schieße!« Er lief zum Hause heran: »Martin Petrowitsch! nehmen Sie sich in Acht; wenn Sie nicht sofort heruntergehen, so schieße ich.«
»Schieße los,« tönte es dumpf vom Dache – »schieße, bis dahin, da hast Du was.«
Ein langes Brett flog von oben herunter und, nachdem es ein paar Mal in der Luft umgeschlagen, fiel es auf die Erde, zu Füßen Sletkins nieder. Dieser sprang förmlich in die Höhe, Charloff aber lachte.
»Gott, Du Gerechter, erbarme Dich meiner,« – lispelte Jemand hinter meinem Rücken. Ich wandte mich um, es war Souvenir. »Aha!« dachte ich, Jetzt ist ihm das Lachen vergangen.«
Sletkin ergriff einen in der Nähe stehenden Bauer am Kragen.
»Klettere hinaus, klettere doch! Klettert, ihr Teufel!« schrie er, ihn aus allen Kräften schüttelnd »rettet mein Eigenthum.«
Der Bauer machte zwei Schritte vorwärts, war den Kopf zurück, bewegte die Hände hin und her, schrie: »He! Sie! Herr!« blieb noch einen Augenblick stehen und machte Kehrt.
»Eine Leiter, eine Leiter her,« wandte sich Sletkin zu den anderen Bauern.
»Wo soll man die denn hernehmen?« lautete die Antwort.
»»Und wäre auch eine Leiter da,« sprach langsam eine Stimme, »wer hätte Lust hinaufzuklettern? Sucht Euch andere Dummköpfe! Der dreht Einem den Hals um – im Nu.«
»Schlägt Einen sofort todt,« setzte ein blonder, dumm aussehender Bursche hinzu.
»Und etwa nicht«« bejahten die Uebrigen.
Es scheint mir, daß, wenn selbst die augenscheinliche Gefahr nicht vorhanden gewesen wäre, die Bauern den Befehl ihres neuen Herrn nicht gern ausgeführt haben würden. Es war, als ob sie es mit Charloff hielten – nur staunten sie freilich über sein Treiben.
»Ach, ihr Räuber . . . « stöhnte Sletkin, »ich werde Euch Alle . . .«
Doch hier fiel mit schwerem Gekrach der letzte Schornstein herunter – und mitten in der augenblicklich sich erhebenden Wolke von gelbem Staub ließ Charloff einen durchdringenden Schrei ertönen, hob die blutenden Hände in die Höhe und wandte uns sein Gesicht zu. Sletkin legte wieder auf ihn an.
Eulampia riß ihn am Ellenbogen zurück.
»Laß mich,« schrie er sie grimmig an.
»Wage es nicht,« entgegnete sie – und zornig blitzten ihre Augen unter den zusammengezogenen Augenbrauen, »der Vater zerstört sein Haus. Es ist sein Gut!«
»Du lügst, es ist unser.«
»Du sagst unser – ich aber: sein!«
Sletkin zischte vor Bosheit; Eulampia sah ihn mit stierem Blicke an.
»Ah! willkommen, willkommen, liebe Tochter!« donnerte Charloff von oben, »willlommen Eulampia Martinowna! Wie geht es Dir mit Deinem Liebhaber? – Küßt Ihr Euch, liebt Ihr Euch auch zärtlich?«
»Vater!« erscholl die helle Stimme Eulampias.
»Was? Tochter!« antwortete Charloff und trat an den Rand der Hauswand. Auf seinem Gesichte zeigte sich, wie ich bemerken konnte, ein sonderbares Lächeln – heiter, wie geklärt, und gerade deshalb so unheimlich, so besonders schrecklich . . .
Viele Jahre später habe ich dasselbe Lächeln bei einem zum Tode Verurtheilten gesehen.
»Höre auf, Vater, komme herunter. Wir sind schuldig! wir geben Dir Alles zurück. Komm herunter l«
»Wie darfst Du in unserm Namen sprechen?« mischte sich Sletkin ein.
Eulampia zog ihre Augenbrauen noch mehr zusammen. »Ich gebe Dir meinen Theil zurück – gebe, Dir Alles! Höre auf! Komm, Vater! Verzeihe uns; verzeihe mir!«
Charloff lächelte immer noch – »Zu spät, meine Liebe,« und jedes Wort klang wie Erz. »Zu spät hat sich Dein steinernes Herz erweicht! Mit mir rollt es jetzt unaufhaltsam bergab! Sieh mich jetzt nicht an, ich bin ein Verlorener! Sieh Dir lieber Deinen theuern Wolodka an – es werden also doch solche Schönheiten geboren! Blicke auf Deine Schwester, die Schlange, da steckt sie ihre Fuchsnase heraus und hetzt ihren Mann! Nein, Kinder! Ihr wolltet mich des Obdachs berauben – da will ich auch Euch nicht Stein auf Stein, nicht Balken auf Balken lassen! – Mit eigenen Händen habe ich sie gelegt, mit eigenen Händen reiß’ ich sie nieder mit bloßen Händen! Nicht einmal eine Axt habe ich mitgenommen!l« Er blies sich in beide Hände und griff wieder nach den Dachsparren.
»Höre auf, Vater!« rief unterdessen Eulampia, und ihre Stimme wurde wunderbar freundlich, »vergiß das Geschehene. Glaube mir – Du hast mir ja immer geglaubt. Steige herunter, komm’ zu mir in’s Zimmer, »leg’ Dich auf mein weiches Bett. Ich will Dich trocknen, will Dich erwärmen, will Deine Wunden verbinden, Du hast ja Deine Hände ganz zerrissen! Du wirst bei mir, wie in Christi Schooße sein, gut essen, noch besser schlafen! Ja! Wir waren schuldig; wir haben uns vergessen, wir haben gesündigt, verzeihe!«
Charloff schüttelte den Kopf.
»Male mir Nichts vor! Das fehlte noch, daß ich Euch glauben sollte! Den Glauben habt Ihr ja in mir getödtet! Ein Adler war ich – und bin Euretwegen ein Wurm geworden – und Ihr, Ihr habt den Wurm zertreten wollen?! Genug! Ich habe Dich geliebt, Du weißt es selbst – jetzt aber bist Du mir nicht mehr Tochter, ich Dir nicht mehr Vater. Du aber, schieße, Schuft! kleiner Riese!« schrie er Sletkin plötzlich an. »Was zielst Du bloß? Oder hast Du Dich des Gesetzes erinnert,« sprach Charloff langsam, »das da bestimmt, daß, wenn Derjenige, der ein Geschenk empfangen, einen Angriff gegen das Leben des Schenkers macht, derselbe das Recht hat, Alles zurückzufordern? Ha, ha, ha! Fürchte Nichts, Gesetzkundiger! . . . Ich werde nichts zurückfordern . . . ich zerstöre es ja selbst . . . drücke los!l«
»Vater!« bat zum letzten Male Eulampia.
»Schweige!«
,Martin Petrowitsch! lieber Martin Petrowitsch,« verzeihen Sie großmüthig«, lallte auch Souvenir.
»Vater, lieber Vater!«
»Schweige, Hündin!« schrie Charloff. Souvenir sah er nicht einmal an – nur spie er nach dessen, Richtung hin.