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Stilleben

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– Ich? Nicht im Geringsten. Warum glauben Sie das?

– Nun, dem Ausdrücke Ihres Gesichtes nach . . . Seit Sie angekommen sind, haben Sie nicht ein einziges Mal gelächelt. Das hatte ich von Ihnen nicht erwartet. Ihnen, dem positiven Herrn, ziemt es nicht, scheu zu thun und finster zu sein à la Byron. Ueberlassen Sie das den Poeten.

– Ich bemerke, Nadeschda Alexejewna, Sie geben mir oft die Benennung eines positiven Menschen, gleichsam zum Spott. Sie halten mich gewiß für ein recht kaltes und bedächtiges Geschöpf, ganz unfähig irgend eines . . . Wissen Sie aber auch, was ich Ihnen sagen könnte: einem positiven Menschen ist es zuweilen nicht leicht um’s Herz, er hält es jedoch nicht für nöthig, Anderen mitzutheilen, was in seinem Innern vorgeht ; er zieht es vor, zu schweigen.

– Was wollen Sie damit sagen? fragte Nadeschda mit einem prüfenden Blick auf ihn, – Nichts, entgegnete Astachow mit verstellter Gleichgültigkeit und nahm eine geheimnisvolle Miene an.

– Sie haben Etwas.

– Wirklich Nichts . . . Sie werden schon davon hören, später.

Nadeschda wollte zwar ihre Forschungen weiter fortsetzen, doch in demselben Augenblicke führte ihr des Hausherrn Tochter Steltschinsky und einen anderen Cavalier mit blauer Brille zu.

– Leben oder Tod? fragte sie das Fräulein französisch.

– Leben, rief Nadeschda, – ich mag nicht den Tod.

Steltschinsky verbeugte sich; sie entschwand mit ihm.

Der Herr mit der blauen Brille führte des Hausherrn Tochter zum Tanz. Die beiden Worte hatte Steltschinsky erdacht.

– Sagen Sie doch, ich bitte, wer ist dieser Herr Steltschinsky? fragte Astachow Nadeschda, sobald dieselbe auf ihren Platz zurückgekehrt war.

– Er steht , beim Gouverneur in Diensten, ein sehr liebenswürdiger junger Mann. Nicht aus dieser Gegend. Etwas geckenhaft, das liegt aber nun einmal ihnen Allen im Blute. Ich hoffe doch, Sie haben mit ihm keinerlei Erörtungen in Betreff der Mazurka gehabt?

– Durchaus keine, ich versichere Ihnen, erwiderte Astachow mit leichtem Stocken.

– Ich bin überaus vergeßlich! Sie können sich’s gar nicht vorstellen!

– Ich muß mir zu ihrer Vergeßlichkeit Glück wünschen, sie hat mir heute das Vergnügen verschafft, mit Ihnen zu tanzen.

Nadeschda blickte ihn mit leicht zusammengekniffenen Augen an.

– Wirklich? Es macht Ihnen Vergnügen, mit mir zu tanzen? Astachow antwortete mit einem Compliment. Allmählich wurde er gesprächiger. Nadeschda war immer sehr liebenswürdig, an diesem Abende aber besonders; Astachow fand sie reizend. Der Gedanke an das bevorstehende Duell hatte seine Nerven aufgeregt und verlieh seinen Reden Leben und Feuer; unter dem Einflusse desselben erlaubte er sich einige kleine Uebertreibungen im Ausdrücke seiner Gefühle . . . »Was schadet’s auch!« dachte er. In Allem, was er sprach, in den niedergehaltenen Seufzern, dem plötzlich sich umwölkenden Blicke, schimmerte etwas Geheimnißvolles, unbewußt Trauriges, graziös Hoffnungsloses hindurch. Endlich hatte er sich in seinen Reden so weit verstiegen, daß er bereits von Liebe, von Weibern zu schwatzen begann. von seiner Zukunft, was nach seinen Begriffen das Glück begründe und welche Anforderungen er an das Schicksal stelle . . . Seine Rede war allegorisch, metaphorisch Am Vorabende eines möglichen Todes coquettirte Astachow mit Nadeschda.

Sie hörte ihm aufmerksam zu, belächelte Einiges, schüttelte zu Anderem den Kopf, machte ihm Einwürfe und stellte sich zweifelnd. Die Unterhaltung, oft unterbrochen durch herankommende Herren und Damen, nahm zuletzt eine etwas sonderbare Wendung . . . Astachow begann Nadeschda über sie selbst auszuforschen, sie über ihren Charakter, ihre Neigungen zu befragen . . . Anfangs antwortete sie scherzend, dann richtete sie auf einmal, ganz unerwartet für Astachow, die Frage an ihn, wann er abreisen werde?

– Wohin? fragte er befremdet.

– Nach Hause.

– Nach Ssassowo?

– Nein, nach Hause, nach Ihrem Gute, hundert Werst von hier.

Astachow senkte den Blick zu Boden.

– Ich wünschte, ich könnte es recht bald, äußerte er mit sorgenvoller Miene. – Ich denke morgen . . . wenn ich am Leben bleibe. Ich habe ja Geschäfte! Warum aber ist es Ihnen beigefallen, mich dartun zu befragen?

– So! erwiderte Nadeschda.

– Sie hatten aber doch einen Grund?

– So!l wiederholte sie. – Ich erstaune über einen Menschen, der morgen abreisen will und heute meinen Charakter kennen zu lernen wünscht . . .

– Erlauben Sie aber . . . wandte Astachow ein . . .

– Ach, à propos . . . lesen Sie doch das, unterbrach sie ihn lachend, indem sie ihm eine Confectdevise, die sie soeben von einem nahestehenden Tischchen genommen hatte, übergab, erhob sich dann selbst und ging Marja entgegen, die ihr eine andere Dame zuführte.

Marja hatte mit Peter Alexeitsch getanzt. Ihr Gesicht war geröthet, aber nicht heiterer als sonst.

Astachow warf einen Blick auf das Billet, – es stand darauf in schlechten französischen Lettern gedruckt:

 
Qui me néglige, me perd.
 

Er erhob den Blick und begegnete dem Steltschinsky’s, der fest auf ihn gerichtet war. Astachow lächelte gezwungen, stützte sich auf die Rücklehne des Stuhles und schlug ein Bein über das andere.

– Das ist für Dich!

Der feurige Artillerist stürmte mit Nadeschda heran, beschrieb mit ihr gewandt einen Kreis vor dem Stuhle, verneigte sich, ließ seine Sporen erklirren und verschwand. Sie setzte sich.

– Darf ich wohl fragen, begann langsam Astachow, wie ich dieses Billet verstehen soll?

– Was stand denn auf demselben? fragte Nadeschda.

– Ach ja! Qui me néglige, me perd. Nun! das ist eine vortreffliche Lebensregel, die man jeden Augenblick gebrauchen kann. Um in irgend Etwas Erfolg zu haben, soll man Nichts außer Acht lassen . . . Man muß , Alles zu erlangen suchen: Etwas fällt dabei doch möglicherweise ab. Ich muß aber über mich lachen, ich . . . ich setze Ihnen, dem praktischen Manne, die Regeln der Lebensweisheit auseinander . . .

Nadeschda lachte und vergebens bemühte sich Astachow, vor dem Ende der Mazurka das frühere Gespräch wieder anzuknüpfen. Nadeschda vermied ein solches mit der Eigenwilligkeit eines launenhaften Kindes. Astachow erzählte ihr von seinen Gefühlen, sie hingegen antwortete nichts, oder lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Anzug der Damen, auf die komischen Gesichter einiger Herren, auf die Gewandtheit, mit welcher ihr Bruder tanzte, auf Marias Reize, sprach von Musik, vom gestrigen Tage, von Jegor Kapitonitsch und dessen Gemahlin Matröna Markowna . . . und nur ganz zum Schlusse der Mazurka, als Astachow bereits Abschied von ihr nehmen wollte, warf sie mit einem ironischen Lächeln auf den Lippen und im Blicke die Worte hin:

– Sie reisen also morgen unfehlbar?

– Ja; und vielleicht sehr weit weg von hier, erwiderte Astachow bedeutungsvoll.

– Ich wünsche Ihnen eine glückliche Reise.

Und rasch eilte Nadeschda auf ihren Bruder zu, flüsterte ihm schelmisch Etwas in’s Ohr und fragte dann laut:

– Bist mir dankbar? Wie? nicht wahr? sonst würde er sie zur Mazurka engagirt haben.

Er zuckte die Achseln und sagte: – Es wird aber doch nichts daraus werden . . .

Sie zog ihn mit sich fort in’s Gastzimmer.

»Eine Coquette!« dachte Astachow, ergriff seinen Hut und schlüpfte unbemerkt zum Saale hinaus, suchte seinen Diener auf, dem er schon vorher befohlen hatte, seiner gewärtig zu sein, und wollte bereits seinen Paletot anlegen, als ihm der Diener zu seinem größten Erstaunen meldete, er könne unmöglich fort, da der Kutscher, man wisse nicht wie, sich betrunken habe und auf keinerlei Weise zu erwecken sei. Nachdem er auf den Kutscher ungemein lakonisch, aber energisch geschimpft hatte, (das geschah im Vorzimmer vor unbetheiligten Zeugen) und dem Diener erklärt hatte, daß, wenn der Kutscher morgen mit dem Frühesten nicht wieder in correctem Zustande sei, Niemand in der Welt im Stande sein solle, sich einen Begriff davon zu machen, was ans Allem herauskommen werde, kehrte Astachow in den Saal zurück und bat den Haushofmeister, er möchte ihm ein Zimmerchen zurecht machen, bevor man das Abendessen, zu welchem im Gastzimmer bereits Vorbereitungen getroffen wurden, auftrüge. Auf einmal war der Herr vom Hause hart an Astachow’s Ellbogen wie aus dem Boden hervorgeschossen (Gawrila Stepanitsch trug keine Absätze an seinen Stiefeln und bewegte sich daher ganz ohne Geräusch), und bemühete sich, ihn aufzuhalten, indem er Astachow versicherte, es gäbe zum Abendessen ganz vorzüglichen Kaviar. Astachow entschuldigte sich aber mit Kopfweh. Eine halbe Stunde später lag er bereits auf einem kleinen Bettchen unter einer kurzen Decke und that sein Möglichstes, um einzuschlafen.

Aber der Schlaf floh ihn Wie er sich auch von einer Seite auf die andere wälzen und sich bemühen mochte, an Nichts zu denken, das Bild Steltschinsky’s drängte sich ihm beständig auf . . . Da zielt er schon . . . da drückt er ab . . . »Astachow erschossen«, sagt Jemand. Astachow konnte man gerade nicht tapfer nennen, feige war er aber auch nicht; es war ihm jedoch nie der Gedanke an ein Duell, mit wem es auch wäre, in den Sinn gekommen . . . Sich schlagen! er mit seiner Bedachtsamkeit, seinen friedfertigen Neigungen, seiner Achtung vor Anstand, seinen Träumen von künftigem Wohlsein und vortheilhafter Partie! Wäre nicht seine eigene Person dabei im Spiele gewesen, er würde gelacht haben, so albern und lächerlich kam ihm diese ganze Geschichte vor. Sich schlagenl mit wem und wofür?!

– Hol’s der Teufel! Dieser Unsinn! rief er unwillkürlich laut. – Doch, wenn er mich nun aber wirklich tödtet, fuhr er in seiner Selbstbetrachtung fort, – ich muß doch meine Verfügungen treffen, Maßregeln ergreifen . . . Wer wird wohl über mich trauern?

Und ärgerlich schloß er die weit geöffneten Augen, zog die Decke bis an das Kinn hinauf . . . konnte aber dennoch nicht einschlafen . . .

 

Schon zeigte sich das Morgenroth am Himmel, und ermüdet von fieberhafter Schlaflosigkeit war Astachow eben im Begriff einzuschlummern, als er auf einmal etwas Schweres auf seinen Füßen spürte. Er schlug die Augen auf . . . Auf seinem Bette saß Weretjew.

Astachow war im höchsten Grade erstaunt und um so mehr noch, als er gewahr wurde, daß Weretjew ohne Rock war, daß dessen nackte Brust unter dem aufgeknöpften Hemde hervorsah, das Haar ihm über die Stirn herabhing und sein Gesicht verändert schien.

Astachow erhob sich auf seinem Lager . . .

– Darf ich wohl fragen . . . begann er, die Hände ausstreckend . . .

– Ich bin zu Ihnen gekommen. . . ließ Weretjew mit heiserer Stimme hören, – entschuldigen Sie diesen Aufzug . . . Wir haben dort ein wenig getrunken . . . Es war mein Wunsch, Sie zu beruhigen. Ich sagte zu mir: dort liegt ein Gentleman, der gewiß nicht schlafen kann. – Wir wollen ihm helfen. – Lassen Sie sich’s gesagt sein: Sie werden sich morgen nicht schlagen und können also schlafen . . .

Astachow’s Erstaunen wuchs.

– Was haben Sie da gesagt? brummte er vor sich hin – Ja; es ist Alles beigelegt, fuhr Weretjew fort, – jener Herr von den Ufern der Weichsel . . . Steltschinsky . . . läßt sich bei Ihnen entschuldigen . . . morgen sollen Sie einen Brief bekommen . . . Ich wiederhole Ihnen, – es ist Alles beigelegt . . . Schnarchen Sie wohl!

Nach diesen Worten stand Weretjew auf und ging unsicheren Schrittes der Thüre zu.

– Erlauben Sie aber, erlauben Sie, begann Astachow, – wie haben Sie erfahren können und wodurch beweisen Sie mir . . .

Weretjew sah ihn an.

– Ach! Sie glauben, weil ich . . . ein wenig . . . (und er schwankte etwas nach vorn über) . . .

Sie haben es ja gehört . . . morgen wird er Ihnen einen Brief schicken . . . Sie erregen in mir keine besondere Sympathie, Großmuth ist aber nun einmal meine schwache Seite. Und wozu denn noch das Gerede . . . Das ist ja Alles nur Unsinn . . . Gestehen Sie aber, setzte er, mit einem Auge blinzelnd, hinzu, – Sie haben doch so Etwas wie Furcht gehabt, nicht?

Astachow wurde ungehalten.

– Mit, Erlaubnis, mein Herr, am Ende . . . äußerte er.

– Nun, schon gut, schon gut, unterbrach ihn Weretjew mit gutmüthigem Lächeln. – Erhitzen Sie sich nicht. Sie wissen es noch nicht: ohne Dergleichen läuft bei uns kein Ball ab . . . Das ist nun schon so hergebracht. Es hat das aber niemals Etwas zur Folge. Wer macht sich denn wohl ein Vergnügen daraus, seine Stirn hinzuhalten? Nun, und was liegt denn weiter daran, ein wenig den Raufbold zu spielen, was? Und vor einem Neuangekommenen noch dazu? In vino verjtas. Uebrigens verstehen wir ja Beide, weder Sie noch ich, Latein. Ich sehe indessen an Ihrem Aeußern, daß Sie schlafen möchten. Ich wünsche Ihnen eine ruhige Nacht, mein positiver Herr und wohlgesinnter Erdensohn. Empfangen Sie diesen Wunsch von einem anderen Erdensohne, der selbst keinen kupfernen Groschen werth ist. Addio, mio caro!

Und Weretjew ging hinaus.

– Was zum Teufel ist denn das aber! rief Astachow einige Augenblicke darauf und schlug mit der Faust auf sein Kissen, – da hört aber auch Alles auf! . . . Das bedarf einer Erklärung! Das darf ich nicht so hingehen lassen!

Trotzdem lag er fünf Minuten darauf in sanftem und festem Schlafe Das Herz war ihm leichter geworden . . . Eine überstandene Gefahr erfüllt die Seele mit Freude und stimmt den Geist zur Milde.

Folgendes war dem unerwarteten nächtlichen Zusammentreffen Weretjew’s mit Astachow vorhergegangen: Es lebte in Gawrila Stepanitsch’s Hause ein entfernter Neffe desselben, der im unteren Stocke eine leere Wohnung bezogen hatte. Wenn es Bälle gab, kamen die jungen Leute zwischen den Tänzen zu ihm herunter, um in der Eile etwas Schukow4 zu rauchen, und nach dem Abendessen pflegten sie sich daselbst zu freundschaftlichen Zechgelagen zu versammeln. An jenem Abende hatten sich bei ihm ziemlich viele Gäste eingefunden. Steltschinsky und Weretjew waren auch unter ihnen; Iwan Iljitsch Klappseele war gleichfalls den Anderen gefolgt. Es ward ein Punsch gebraut. Obgleich Iwan Iljitsch Astachow versprochen hatte, Niemandem ein Wort von dem bevorstehenden Duell zu sagen, hielt »Klappseele« es doch nicht aus, als ihn Weretjew zufällig fragte, was er denn mit jenem Sauertopfe (anders nannte Weretjew Astachow nicht), gesprochen habe, und erzählte ihm Wort für Wort das ganze Gespräch wieder, das er mit Astachow gehabt hatte.

Weretjew lachte auf, wurde aber doch bedenklich.

– Und mit wem schlägt er sich? fragte er.

– Ja, das kann ich nicht sagen, entgegnete Iwan Iljitsch.

– Sie wissen vielleicht, mit wem er gesprochen hat?

– Mit vielen . . . Mit Jegor Kapitonitsch Ob er sich wohl mit dem schlagen soll?

Weretjew ließ Iwan Iljitsch stehen.

Es wurde also Punsch bereitet und das Trinken begann. Weretjew hatte den Vorsitz; heiter und flott, war er immer obenan, wenn junge Leute zusammen kamen. Er warf Rock und Halsbinde ab. Man bat ihn, Etwas zu singen, er nahm die Guitarre und sang einige Lieder. Die Köpfe erhitzten sich allmählich ; man begann Toaste auszubringen Steltschinsky sprang plötzlich, ganz roth im Gesichte, auf den Tisch, hielt sein Glas hoch über den Kopf empor und rief mit lauter Stimme:

– Auf das Wohl . . . ich weiß schon, auf wessen, ergänzte er rasch, trank das Glas aus und zerschlug es dann an der Diele mit den Worten: – ebenso möge morgen mein Feind in Stücke zerschmettert werden!

Weretjew, der ihn schon lange beobachtet hatte, hob plötzlich den Kopf empor . . .

– Steltschinsky, sagte er, – zuerst steige vom Tisch herunter, es schickt sich nicht; und dann hast Du auch abscheuliche Stiefel. Und zweitens komm einmal her, ich will Dir Etwas mittheilen.

Er führte ihn auf die Seite.

– Höre, mein Lieber, Du willst Dich, wie ich erfahre, morgen mit jenem Gentleman aus Petersburg schlagen?

Steltschinsky schrak zusammen.

– Wie . . . wer hat Dir das gesagt?

– Ich sage Dir’s Und ich weiß auch, für wen Du Dich schlägst.

– Nun? Das wäre doch interessant zu hören.

– Ach, Du Talleyrand, Du! Versteht sich, für meine Schwester! Nu, nu, spiele nicht den Erstaunten. Das giebt Dir einen Gänserichsausdruck. Ich kann zwar mir nicht zusammenreimen, wie es zwischen Euch dazu gekommen ist, genug, es hat seine Richtigkeit damit. Höre doch auf, mein Lieber, fuhr Weretjew fort, – die Verstellung nützt Dir zu Nichts! Ich weiß es ja, Du machst ihr schon längst den Hof.

– Das beweist ja aber noch nicht . . .

– Höre auf, ich bitte Dich. Jetzt gieb Acht, was ich Dir sagen will. Dieses Duell werde ich unter keiner Bedingung zulassen. Verstanden? Von dieser ganzen Dummheit würde nur meine Schwester zu leiden haben. Nimm mir’s nicht übel: so lange ich lebe . . . werde ich es nicht zugeben. Wir Beide, Du und ich, mögen zu Grunde gehen – und das steht uns auch bevor; sie aber soll leben, soll lange und glücklich leben. Ja, ich schwöre Dir, setzte er mit plötzlicher Begeisterung hinzu, – ich wäre im Stande, Jeden, sogar Diejenigen, welche bereit wären, Alles für mich aufzuopfern, im Stiche zu lassen, werde aber nimmermehr erlauben, daß ihr ein Härchen gekrümmt wird.

Steltschinsky lachte gezwungen auf.

– Du bist betrunken, mein Bester, und faselst . . . weiter Nichts.

– Und Du bist es etwa nicht, wie? Ob ich nun betrunken bin, oder nicht, das ist ganz gleich. Was ich Dir aber sage, hat seine Richtigkeit. Schlagen wirst Du, Dich nicht mit jenem Herrn, dafür stehe ich Dir. Es war wirklich sehr nöthig, mit ihm anzubinden! Wohl aus Eifersucht wie? Es muß doch wahr sein, wenn es heißt, Verliebte wären dumm! Und dann hat sie mit ihm auch nur darum getanzt, damit es ihm nicht etwa einfiele . . . Doch, das gehört nicht hierher. Kurz, aus dem Duell wird Nichts!

– Hm! ich möchte doch sehen, wie Du mich daran verhindern könntest?

– Wie? ganz einfach, giebst Du mir nicht sogleich Dein Wort, auf das Duell zu verzichten, so schlage ich mich selbst mit Dir.

– Möglich?

– Mein Lieber, zweifle nicht daran. Ich will Dir, mein Herzblatt, stehenden Fußes in Gegenwart Aller auf die allerphantastischste Weise eine Beleidigung zufügen, und dann, meinetwegen, über das Tuch. Ich glaube aber, das wird Dir aus mehr als einem Grunde unangenehm sein, was meinst Du?

Steltschinsky entbrannte in Wuth, er begann zu versichern, das hieße so viel, als: man wolle ihm bange machen, er werde Niemandem erlauben, sich in seine Angelegenheiten zu mengen, er werde sich an Nichts kehren . . . und endigte damit, daß er nachgab und jeglichem Attentat aus das Leben Astachows entsagte. Weretjew schloß ihn in seine Arme, und es war keine halbe Stunde vergangen, da hatten beide bereits wohl zum zehnten Male Arm in Arm Brüderschaft getrunken . . . Der jugendliche Tanzvorsteher hatte auch Brüderschaft mit ihnen getrunken und anfangs gleichen Schritt mit ihnen gehalten, war aber zuletzt ganz schuldlos eingeschlafen und blieb in völlig bewußtlosem Zustande längere Zeit aus dem Rücken liegen . . . Der Ausdruck seines winzigen, bleichen Gesichtchens war ergötzlich und jämmerlich zugleich anzusehen . . . Lieber Himmel! was würden die Damen der großen Welt, seine Bekannten dazu sagen, wenn sie ihn in solcher Entwürdigung sähen! Doch, zu seinem Glücke war er mit keiner Dame von Welt bekannt.

Iwan Iljitsch zeichnete sich gleichfalls in jener Nacht aus, Zuerst erregte er das Erstaunen der Gäste, als er plötzlich zu singen begann: »Es lebte auf seinem Gute, vor Zeiten ein Baron.«

– Kernbeißer! Kernbeißer singt!l riefen Alle, – wann ist es schon einmal vorgekommen, daß Kernbeißer bei Nacht gesungen hätte!

– Als ob ich nur ein Lied kennte, erwiderte der von Wein erhitzte Kernbeißer, – ich kenne noch Andere.

– Nun, nun, so laß’ uns Deine Künste hören!

Iwan Iljitsch schwieg einen Augenblick und stimmte darauf plötzlich mit Baßstimme an: »Krambambuli, Vermächtniß unserer Väter«, aber so ungeschickt und eigenthümlich, daß sofort ein allgemeines Gelächter seine Stimme übertönte und ihn zum Schweigen zwang.

Als sich Alle getrennt hatten, war Weretjew zu Astachow gegangen und es hatte dann zwischen ihnen jenes kurze, bereits oben erwähnte Gespräch stattgefunden.

Am folgenden Tage fuhr Astachow sehr früh nach Hause, nach Ssassowo. Den ganzen Morgen befand er sich in Aufregung, einen angereisten Hausirer hätte er beinahe für einen Secundanten angesehen und er fand seine Ruhe erst wieder, als ihm sein Diener den Brief von Steltschinsky brachte. Astachow las denselben einige Male durch. – Der Brief war sehr geschickt abgefaßt . . . Der Anfang lautete: la nuit parte conseil, Monsieur. – Steltschinsky brachte keine Entschuldigungen vor, da er, seiner Ansicht nach, seinen Gegner durch nichts beleidigt hatte; gab übrigens zu, er wäre am Abend vorher etwas zu hitzig gewesen, und schloß mit der Erklärung, er stehe ganz zu Herrn Astachow’s Verfügung (à la disposition de Monsieur Astakhof) fordere jedoch, was ihn betreffe, keinerlei Genugthuung mehr. Nachdem nun Astachow eine recht höfliche und dabei fast an’s Scherzhafte streifende, jedoch würdevolle und nicht im Geringsten prahlerische Antwort zusammengesetzt und abgefertigt hatte, setzte er sich an den Tisch, rieb wohlgefällig die Hände, aß mit großem Appetite und machte sich sogleich nach dem Essen auf den Weg nach Hause, ohne vorher unterlegte Pferde vorausgeschickt zu haben. Der Weg, den er genommen hatte, führte vier Werst von Ipatow’s Gute vorbei . . . Astachow warf einen Blick nach jener Richtung . . .

– Lebe wohl, stiller Winkel! sagte er lächelnd.

Die Gestalten Nadeschda’s und Marja’s tauchten für einen Augenblick in seiner Vorstellung auf; er schwenkte die Hand, wandte sich ab und schlummerte ein.

4Allgemein beliebter Rauchtabak, nach dessen Erfinder so benannt.