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Stilleben

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VI

Ueber drei Monate waren vergangen. Der Herbst war schon längst herangekommen; die Wälder entblößten sich ihres gelben Laubes, die Kohlmeisen kamen angeflogen, und der sichere Vorbote des Winters, der Wind, ließ sein Heulen und Pfeifen ertönen. Noch waren keine anhaltenden Regengüsse gefallen und der Boden auf den Wegen war noch nicht erweicht.Diese Zeit noch benützend, begab sich Astachow, um einige Geschäfte in Ordnung zu bringen, nach der Gouvernementsstadt. Der Morgen verging mit Hin- und Herfahrten, Abends begab er sich in den Club. In dem großen, düstern Saale des Clubhauses traf er einige Bekannte, unter Anderen einen alten Rittmeister a. D. Namens Flitsch, einen allbekannten Praktikus, Witzbold, Kartenschläger und Klätscher. Astachow ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein.

– Ach, à propos, rief plötzlich der Rittmeister a D. – vor ein paar Tagen reiste hier eine Ihnen bekannte Dame durch, sie läßt sie grüßen.

– Wer war diese Dame?

– Madame Steltschinsky.

– Ich kenne keine Dame dieses Namens.

– Sie haben dieselbe gekannt, als sie noch Fräulein war . . . Eine geborene Weretjew . . . Nadeschda Alexejewna. Ihr Mann stand im Dienste bei unserem Gouverneur. Sie müssen ihn, dächte ich, auch kennen . . . Ein lebhafter Bursche, mit Schnurrbärtchen . . . Hat einen guten Griff gethan, sie hat Vermögen.

– So, äußerte Astachow. – ihn hat sie also geheirathet? . . . Hm! und wohin sind sie denn gereist?

– Nach Petersburg Sie befahl auch, Ihnen ein gewisses Confectbillet in’s Gedächtniß zu rufen . . . Was für ein Billet war denn das, mit Erlaubniß zu fragen?

Und der alte Klätscher streckte dabei seine spitze Nase vor.

– Ich erinnere mich dessen nicht mehr, wahrhaftig! Gewiß ein Scherz, erwiderte Astachow. – Und wo ist denn jetzt ihr Bruder? wenn ich fragen darf.

– Peter! Oh, mit dem steht es schlecht.

Herr Flitsch hob die kleinen Fuchsaugen in die Höhe und stieß einen Seufzer aus.

– Was ist es mit ihm? fragte Astachow.

– Hat sich dem Trunke ergeben! Ein verlorener Mensch.

– Wo ist er denn jetzt?

– Weiß Niemand zu sagen. Er muß irgendwohin fortgezogen sein, das Wahrscheinlichste wird sein, daß er den Zigeunerinnen nachgelaufen ist. Im Gouvernement weilt er nicht, dafür stehe ich Ihnen.

– Und der alte Ipatow, ist noch immer wo er war? – Michail Nikolaitsch? der närrische Kauz? Der ist immer noch dort.

– Und Alles im Hause . . . wie vor Zeiten ?

– Gewiß, gewiß. Hören Sie, das wäre doch eine Partie für Sie, die Schwägerin? Nein, das ist kein Frauenzimmer, ein wahres Monument ist die, wahrhaftig. Ha, ha! Es war auch schon bei uns die Rede davon . . . warum denn wohl . . .

– So, so; äußerte mit den Augen blinzelnd Astachow.

In diesem Augenblick wurde Flitsch zu einer Kartenpartie aufgefordert und das Gespräch hatte ein Ende.

Astachow’s Absicht war, bald nach Hause zurückzukehren. Er bekam jedoch plötzlich durch einen Boten die Nachricht vom Dorfältesten, es wären in Ssassowo sechs Bauernhöfe abgebrannt; und da beschloß er nun, selbst hinzufahren. Von der Gouvernementsstadt bis Ssassowo waren es ungefähr sechzig Werst. Astachow langte gegen Abend in dem kleinen, dem Leser schon bekannten Nebengebäude an, beschied sogleich den Aeltesten und den Dorfschreiber zu sich, machte ihnen heftige Vorwürfe, besichtigte am nächsten Morgen die Brandstätte, traf angemessene Verfügungen und Nachmittags, nach einigem Schwanken, fuhr er zu Ipatow zum Besuch. Er wäre wohl zu Hause geblieben, wenn er nicht Nadeschda’s Abreise von Flitsch erfahren hätte, er hätte sie nicht gern nochmals wiedergesehen; doch einem Zusammentreffen mit Marja war er nicht abgeneigt.

Ganz wie bei seinem ersten Besuche traf Astachow auch diesmal Ipatow mit »Klappseele« am Damenbrette. Der Alte war sehr erfreut, ihn zu sehen, doch glaubte Astachow zu bemerken, daß das Gesicht Ipatow’s besorgt und die Unterhaltung nicht so ungezwungen und herzlich wie früher war.

Mit Iwan Iljitsch tauschte Astachow schweigend einen Blick. Beiden kam dieses Zusammentreffen nicht ganz gelegen, doch sie beruhigten sich bald.

– Befinden sich alle die Ihrigen wohl? fragte Astachow, indem er Platz nahm.

– Alle gesund, Gott sei gelobt, danke verbindlichst, erwiderte Ipatow. – Nur Marja Pawlowna ist nicht ganz . . . hält sich meistens in ihrem Zimmer auf.

– Erkältung?

– Nein . . . das nicht. Zum Thee wird sie herunterkommen.

– Und Jegor Kapitonitsch? wie geht es ihm?

– Ach! Jegor Kapitonitsch ist ganz dem Grame verfallen. Er hat seine Frau verloren.

– Nicht möglich!

– In vierundzwanzig Stunden war es ans tritt ihr, sie starb an der Cholera. Sie würden ihn jetzt nicht wiedererkennen, ganz verändert. »Ohne Matröna Markowna ist mir das Leben, sagt er, eine Last. Das bringt mir den Tod, sagt er, und ich dankte Gott dafür, sagt er; ich will nicht mehr leben,« sagt er. Ganz verloren, der arme Mensch.

– Ach, mein Gott, das ist doch ein Unglück! rief Astachow aus.

– Der arme Jegor Kapitonitsch!

Alle schwiegen.

– Ihre Nachbarin hat, wie ich gehört, geheirathet, sagte Astachow mit leichtem Erröthen.

– Nadeschda Alexejewna? Ja, sie ist verheirathet.

Ipatow warf einen Seitenblick auf Astachow.

– Jawohl, jawohl, verheirathet und bereits fortgereist.

– Nach Petersburg?

– Nach St. Petersburg.

– Marja Pawlowna, denke ich, vermißt sie wohl? Sie war mit ihr, dünkt mich, sehr befreundet?

– Freilich vermißt sie dieselbe. Wie sollte sie nicht? Uebrigens, was Freundschaft betrifft, will ich Ihnen sagen, da taugt die der Mädchen noch weniger, als die der Männer. So lange sie beisammen sind, geht es noch; nachher – aus den Augen, aus dem Sinn.

– Sie glauben?

– Ja, wahrhaftig, so ist es. Nun zum Beispiel Nadeschda Alexejewna. Seit sie fort ist, hat sie uns nicht einen einzigen Brief geschrieben, und wie hatte sie es versprochen, ja mit Schwüren betheuert. Freilich hat sie jetzt an andere Dinge zu denken.

– Ist sie schon lange fort?

– Ja, sechs Wochen mögen es schon sein. Gleich am folgenden Tage nach der Hochzeit sind sie auf und davon gefahren, nach ausländischer Sitte.

– Man sagt, der Bruder sei auch nicht mehr hier? äußerte Astachow einen Augenblick darauf.

– Ja, der ist auch nicht mehr hier. Diese Leute sind an großstädtisches Leben gewöhnt; wie könnten die es lange auf dem Lande aushalten!

– lind es weiß Niemand, wohin er gegangen ist?

– Nein.

– Hat sich umhergetrieben und sich davon gemacht, bemerkte Iwan Iljitsch.

– Hat sich umhergetrieben und sich davon gemacht, wiederholte Ipatow. – Nun, und Sie, Wladimir Sergeïtsch was haben Sie Gutes gethan? fragte er, sich auf dem Stuhle umdrehend.

Astachow begann nun von sich zu erzählen, Ipatow hörte ihm lange zu und rief endlich:

– Wo bleibt denn aber Mascha? Iwan Iljitsch, Du solltest sie doch rufen.

Iwan Iljitsch verließ das Zimmer und meldete, als er zurückgekehrt war, Marja werde sogleich kommen.

– Was fehlt ihr, hat sie Kopfschmerz? fragte Ipatow halblaut.

– Kopfschmerz, erwiderte Iwan Iljitsch.

Die Thür ging auf und Marja trat herein. Astachow erhob sich, grüßte und konnte vor Erstaunen kein Worte hervorbringen, so sehr hatte sich Marja, seit er sie zum letzten Male gesehen, verändert! Das Roth war von ihren mageren Wangen verschwunden; breite dunkele Kreise hatten sich um ihre Augen gezogen; die Lippen waren schmerzhaft zusammengepreßt, ihr ganzes, regungsloses und düsteres Gesicht schien wie versteinert.

Sie erhob den Blick, es war kein Glanz in demselben.

– Wie fühlst Du Dich? fragte sie Ipatow.

– Gesund, erwiderte sie und setzte sich an den Tisch, auf welchem der Samowar bereits zischte.

Astachow langweilte sich sehr an diesem Abende. Auch die Uebrigen waren nicht aufgelegt. Das Gespräch nahm beständig eine trübe Wendung.

– Was für Töne der dort ausstößt! sagte unter Anderem Ipatow, dem Heulen des Windes zuhörend. Der Sommer ist längst vorüber ; auch der Herbst geht zu Ende und der Winter steht vor der Thür. Wieder wird es rund umher Schneehaufen geben. Wenn doch recht bald Schnee fiele! Man wird sonst ganz schwermüthig, wenn man den Garten betritt . . . Wie eine Ruine sieht es dort aus.

Man hört nur das Knarren der Aeste . . . Ja, die schönen Tage sind vergangen!

– Vergangen, gab Iwan Iljitsch zurück.

Schweigend blickte Marja zum Fenster hinaus.

– Wenn es Gott gefällt, kehren sie wieder, bemerkte Ipatow.

Es stimmte ihm Niemand bei.

– Erinnern Sie sich, was für schöne Lieder hier damals gesungen wurden? sagte Astachow.

– Nicht das allein! entgegnete der Alte mit einem Seufzer.

– Sie könnten aber . . . fuhr Astachow zu Marja fort, – Sie haben eine so schöne Stimme . . .

Sie gab ihm keine Antwort.

– Und wie geht es Ihrer Frau Mutter? fragte Astachow Ipatow; er wußte nicht mehr, wovon er sprechen sollte.

– Gott sei gedankt, sie erträgt das Leben bei ihren Gebrechen so gut es geht. Sie ist selbst heute noch im Wägelchen umhergefahren. Sie gleicht, will ich Ihnen sagen, einem geknickten Baume: knick! Knack! er steht immer noch da, während mancher junge, kräftige Stamm niederstürzt. He, he, he!

Marja ließ die Hände in den Schooß fallen und senkte den Kopf.

– Es ist aber doch ein trauriges Leben, das ihrige, sagte Ipatow darauf, – wohl ist der Spruch wahr: »Alter ist ein schweres Malter.«

– Und Jugend ist auch keine Lust, äußerte Marja gleichsam vor sich hin.

Astachow wollte für die Nacht nach Hause, es war aber so finster draußen, daß er sich nicht entschließen konnte, davon zu fahren. Er bekam dasselbe Zimmer im oberen Stocke, in welchem er drei Monate zuvor durch Jegor Kapitonitsch’s Gesprächigkeit eine so unruhige Nacht verbracht hatte . . .

 

»Ob er jetzt wohl schnarcht?« dachte Astachow und es fielen ihm die Ermahnungen an den Diener ein und das unerwartete Erscheinen Marias im Garten . . .

Astachow trat an’s Fenster und drückte die Stirn gegen die kalte Scheibe. Sie warf ihm sein eigenes Bild düster zurück; ihm war, als hätte er einen dunkelen Vorhang vor den Augen, und erst nach einiger Zeit vermochte er an dem sternlosen Himmel die Zweige der Bäume zu unterscheiden, die von heftigen Windstößen in der Dunkelheit hin und her gepeitscht wurden . . .

Aus einmal kam es Astachow vor, als wäre etwas Weißes auf der Erde vorübergehuscht . . . Er heftete seinen Blick auf die Stelle, lächelte, zuckte die Achseln, rief halblaut: »was doch die Einbildung macht!« und legte sich zu Bette.

Er war bald eingeschlafen, doch auch dieses Mal sollte es ihm nicht vergönnt sein, eine ruhige Nacht zu verbringen. Ein Hin- und Herlaufen, das sich im Hause hören ließ, weckte ihn aus dem Schlafe . . . Er hob den Kopf empor . . . Stimmengewirre, Ausrufungen, hastige Schritte ließen sich vernehmen, Thüren wurden zugeworfen; wehklagende Weiberstimmen drangen an sein Ohr, im Garten hörte man Geschrei, anderes Geschrei aus der Ferne antwortete auf dasselbe . . . Die Unruhe im Hause wurde mit jeder Minute stärker und lauter . . . »Feuer!« zuckte es durch Astachow’s Kopf. Erschrocken sprang er vom Bett an’s Fenster; es war aber keine Röthe am Himmel zu sehen, nur im Garten eilten behend auf den Wegen rothe, feurige Funken vorüber – es waren Leute mit Laternen. Astachow trat rasch zur Thüre, öffnete sie und stieß auf Iwan Iljitsch. Bleich, verstört, halb angekleidet lief auch er gerade vor sich hin.

– Was giebt’s? was ist vorgefallen? fragte Astachow in Aufregung und faßte ihn heftig am Arme.

– Verschwunden, ertrunken, hat sich in’s Wasser gestürzt, gab ihm, außer Athem, Iwan Iljitsch zur Antwort.

– Wer hat sich in’s Wasser gestürzt, wer ist er trunken?

– Marja! wer denn anders als Marja! Er hat sie unter die Erde gebracht, die Arme! Helft! kommt! laßt uns schnell hin! Schnell, schnell, meine Lieben!«

Und Iwan Iljitsch stürzte die Treppe hinunter.

Astachow zog in aller Eile die Stiefel an, warf einen Mantel über die Schultern und lief den Anderen nach.

Im Hause stieß er auf Niemand, Alle waren in den Garten gelaufen; nur die kleinen Mädchen, Ipatow’s Töchter, traf er im Gange neben dem Vorzimmer an; halbtodt vor Schreck, standen sie in ihren weißen Unterröckchen mit zusammengepreßten Händen und nackten Füßchen neben der Nachtlampe, die auf dem Fußboden brannte. Durch das Gastzimmer, an einem umgeworfenen Tische vorbei, stürzte Astachow auf die Terrasse hinaus. In der Richtung gegen den Damm hin schimmerten Lichter und Gestalten aus dem Dickicht hervor . . .

– Hakenstangen! holt rasch Hakenstangen herbei! ließ sich Ipatow’s Stimme hören.

– Ein Netz, ein Netz, Boot her! riefen andere Stimmen.

Astachow lief der Gegend zu, woher das Geschrei kam. Er traf Ipatow am Ufer des Teiches. Das Licht einer Laterne, die man an einen Ast gehängt hatte, beleuchtete grell den grauen Kopf des Alten; er rang die Hände und taumelte wie ein Betrunkener. Neben ihm auf dem Rasen lag eine Frauengestalt schluchzend und die Hände ringend; rund herum drängten sich die Leute geschäftig. Iwan Iljitsch stand bereits bis an die Kniee im Wasser und untersuchte den Grund mit einer Stange. Der Kutscher, am ganzen Leibe zitternd, entkleidete sich soeben; zwei Männer zogen längs dem Ufer ein Boot heran. Deutlich ließ sich Pferdegetrappel auf den Gassen des Dorfes vernehmen . . . Der Wind heulte dazu, als wollte er die Lichter in den Laternen ausblasen, auf dem Teiche wogte und plätscherte die schwarze Fluth.

– Was höre ich, rief Astachow, zu Ipatow tretend, – ist es möglich!

– Hakenstangen, Haken her! stöhnte ihm der Alte als Antwort zurück.

– Sie sind aber vielleicht im Irrthum, bester Michail Nikolaitsch . . .

– Nein! kein Irrthum, stöhnte unter Thränen die Frau, die im Grase lag; es war Marjas Kammermädchen, – habe ich doch, Gott stehe mir bei, mit eigenen Ohren gehört, wie sich das liebe Herz ins Wasser gestürzt, darin herumgeplätschert hat und geschrien: Hilfe, und dann noch ein Mal, ganz schwach: Hilfe.

– Warum hast Du sie nicht zurückgehalten? Lieber Himmel!

– Wie hätte ich das denn thun können, lieber Herr! Zurückhalten! Als ich sie vermißte, da war sie ja nicht mehr im Zimmer, mein Herz hat es geahnt. In den letzten Tagen war sie immer so traurig und sprach nichts; ich wußte es schon, bin schnurgerade in den Garten gelaufen, als wenn mir’s Jemand gesagt hätte, da höre ich plötzlich, plumps, gerade in’s Wasser hinein. Hilfe! höre ich, ruft sie . . . Hilfe! . . . Ach mein Täubchen! Ach du meine Seele! . . .

– Vielleicht hat es Dir bloß so gedäucht! . . .

– Das wäre noch! Und wo ist sie denn jetzt? was ist aus ihr geworden?

»Das also war das Weiße, das ich in der Dunkelheit gesehen habe!« dachte Astachow.

Unterdessen waren Leute mit Hakenstangen herbeigelaufen, das Netz ward herangeschleppt und auf dem Grase aufgewickelt; es hatten sich eine Menge Leute versammelt, Alles rührte sich, drängte einander . . . Der Kutscher ergriff eine Hakenstange, der Aelteste eine andere, Beide sprangen in das Boot, stießen ab und begannen mit den Stangen im Wasser zu sondiren; vom Ufer aus wurde ihnen geleuchtet. Eigenthümlich und grauenhaft nahmen sich die Bewegungen dieser Leute und die Schattenbilder derselben in der Dunkelheit auf dem bewegten Wasser beim unstäten und matten Scheine der Laternen aus.

– Gefa . . . gefaßt, rief plötzlich der Kutscher . . . Todtenschauer erfüllte alle Anwesenden.

– Der Kutscher begann die Hakenstange an sich zu ziehen, beugte sich über . . . Es kam etwas Astiges, Schwarzes, langsam an die Oberfläche . . .

– Ein Baumstumpf, sagte der Kutscher und riß den Haken heraus.

– Kommt zurück, kehrt um! wurde vom Ufer aus gerufen: – mit Haken macht ihr Nichts, man muß das Netz auswerfen.

– Ja, ja, das Netz! riefen nun auch Andere.

– Halt, schrie der Aelteste: – ich habe auch Etwas gefaßt . . . Etwas Weiches scheint es zu sein, setzte er einige Minuten darauf hinzu.

Neben dem Boote ward ein weißer Fleck sichtbar . . .

– Das Fräulein! rief plötzlich der Aelteste. – Sie ist’s!

Er hatte sich nicht getäuscht . . . Der Haken der Stange war in Marias Kleidärmel gedrungen. Der Kutscher griff sogleich zu, zog den Körper aus dem Wasser heraus . . . mit zwei kräftigen Ruderschlägen war das Boot am Lande . . . Ipatow, Iwan Iljitsch, Astachow, Alle mit einander erfaßten Marja, hoben sie auf und trugen sie auf den Händen in’s Haus. Sie ward sogleich entkleidet, gerieben, erwärmt . . . Doch alle Anstrengungen, alle Mühen waren vergebens . . Marja kam nicht mehr zu sich . . . Ihr Leben war bereits entflohen.

Astachow verließ Ipatowka am folgenden Tage in der Frühe. Vor seiner Abfahrt begab er sich zur Hingeschiedenen, um Abschied von ihr zu nehmen. Sie lag aus einem Tische im Gastzimmer, in weißem Kleide . . Ihr dichtes Haar war noch nicht ganz trocken; das noch unentstellte, bleiche Gesicht hatte einen eigenthümlichen, kummervollen, fremden Ausdruck; die geöffneten Lippen schienen gleichsam reden und Etwas fragen zu wollen. . . Die übers Kreuz gelegten Hände waren wie in Herzensangst gegen die Brust gepreßt . . . Doch mit welchen trüben Gedanken die arme Ertrunkene auch verschieden sein mochte, es hatte der Tod ihr sein Siegel des ewigen Schweigens und der Demuth aufgelegt . . . und wer will es deuten, was das Gesicht eines Todten in jenen wenigen Augenblicken ausdrückt, wenn auf demselben zum letzten Male die Blicke der Ueberlebenden ruhen, bevor es für immer entschwindet und der Verwesung anheimfällt?

Astachow blieb einige Zeit, in tiefes Nachdenken versunken, vor der Leiche Marias stehen, schlug drei Mal ein Kreuz vor der Brust und ging hinaus, ohne Iwan Iljitsch, der in der Ecke stille Thränen vergoß, bemerkt zu haben . . . Und nicht er allein weinte an jenem Tage, die ganze Dienerschaft zerfloß in Thränen: Maria sollte bei Allen in gutem Andenken bleiben.

Eine Woche darauf erwiderte der alte Ipatow Folgendes auf einen endlich von Nadeschda erhaltenen Brief:

»Vor einer Woche, geehrte Nadesehda Alexejewna, hat meine unglückliche Schwägerin, die Sie kannten, Maria Pawlowna, eigenmächtig ihr Leben beschlossen, indem sie sich Nachts in den Teich stürzte, und wir haben ihre Leiche bereits der Erde übergeben. Sie hat diesen schmerzhaften und verzweifelten Entschluß gefaßt, ohne Abschied von mir genommen, ohne selbst einen Brief oder auch nur einige Worte zurückgelassen zu haben, die uns von ihrem letzten Willen unterrichtet hätten . . . Sie wissen jedoch nur zu gut, Nadeschda Alexejewna, auf wessen Seele die Schuld dieser schrecklichen Todsünde fällt! Gott mag Ihren Bruder richten, meine Schwägerin aber konnte ihn weder vergessen, noch die Trennung von ihm überleben« . . .

Nadeschda bekam diesen Brief bereits in Italien, wohin sie mit ihrem Manne, dem Grafen Steltschinsky, wie man ihn in allen Gasthöfen titulirte, gereist war. Er besuchte übrigens nicht die Gasthöfe allein, man sah ihn auch oft in den Spielhäusern und in den Cursälen der Badeorte. . . Anfangs hatte er viel Geld verloren, dann aufgehört zu verlieren, und es war in seinem Gesichte ein eigenthümlicher Ausdruck stereotyp geworden: halb mißtrauisch halb frech, wie er Menschen eigen zu sein pflegt, mit denen sich ganz unerwartet Vorfälle ereignen können . . . Seine Frau bekam ihn selten zu Gesicht. Nadeschda langweilte sich übrigens in seiner Abwesenheit nicht. Es hatte sich ihrer eine Leidenschaft für Kunst und Künstler bemächtigt. Hauptsächlich bestand ihre Bekanntschaft aus Dilletanten, und sie unterhielt sich gern über das Schöne mit jungen Leuten. Ipatow’s Brief verursachte ihr großen Kummer, doch das hinderte sie nicht, noch am selben Tage, die »Hundsgrotte« zu besuchen und zu sehen, wie arme Thiere in Schwefeldämpfen ersticken. Sie fuhr nicht allein hin. Verschiedene Cavaliere begleiteten sie. Unter ihnen galt für den liebenswürdigsten ein gewisser Monsieur Popelin, Franzose von Geburt und verunglückter Maler, mit Ziegenbärtchen und carrirtem Jaquet. Er sang in hohem Tenor die neuesten Romanzen, witzelte recht ungebunden, und obgleich von schmächtiger Gestalt, nahm er doch viel Speise zu sich.