Kitabı oku: «Als Lilly schlief», sayfa 3
Am Abend wird mir deutlich bewusst, was bzw. wen ich da die ganze Zeit vernachlässigt habe, meine allerbeste und treueste Freundin Mia. Die sitzt nämlich alleine im Hotel und sieht ein wenig verheult aus. Als ich in unser Zimmer komme, dreht sie sich schnell weg und wischt sich über die Nase, aber mir ist längst aufgefallen, dass sie geweint hat. »Mia, ist etwas passiert?«, frage ich. Mia schnaubt. »Was passiert, was passiert! Ha, Pablo ist passiert. Ich dachte, wir machen hier einen Mädelsurlaub, belohnen uns für unseren ganzen Stress mit der Lernerei, bevor das Studium losgeht. Aber du hast ja nichts Besseres zu tun, als dich dem erstbesten Spanier an den Hals zu werfen. Ganz toll, und ich darf das fünfte Rad am Wagen spielen.« Mia schnieft schon wieder, doch nun werde ich wütend. »Also erstens habe ich mich ihm nicht an den Hals geworfen, du hast mich darauf aufmerksam gemacht, dass da jemand vom Nebentisch herüber guckt. Außerdem warst du auch nicht abgeneigt, dir von ihm Barcelona zeigen zu lassen. Schließlich haben wir durch Pablo so jede Menge schöne Plätze kennen gelernt. Und wir hatten so viel Spaß im Aquarium, das war so ein lustiger Tag.« »Klar, für dich war es toll, ihr hattet reichlich Spaß beim Flirten. Du hast doch nicht einen Fisch gesehen, bloß Pablos schöne, braune Augen.« Ich merke, wie meine Wangen glühen und bevor ich noch etwas dagegen tun kann, kommen die Worte aus meinem Mund. »Du bist doch bloß sauer, dass ich jemanden kennen gelernt habe und du nicht.« Rumms, das war es. Mia schaut mich kalt an und verlässt das Zimmer. Sie dreht sich nicht um, knallt nicht mit der Tür, sie verschwindet einfach und lässt mich zurück und ich schäme mich schrecklich. Hat sie nicht vielleicht Recht? Habe ich mich zu schnell zu sehr an Pablo gehängt? Und meine liebste, beste Freundin im Stich gelassen? Ich habe wirklich fast nur noch von Pablo gesprochen, wenn wir alleine waren, und gar nicht gemerkt, dass Mia immer stiller wird. Mein Handy klingelt, es ist Pablo. Den kann ich nun gerade gar nicht gebrauchen, also stopfe ich das Handy unter ein Kissen und ignoriere das gedämpfte Klingeln. Irgendwann, es ist schon lange dunkel, beschließe ich, ins Bett zu gehen. Mia wird bald wieder kommen, zumindest hoffe ich das.
Ich wache nachts auf, weil Mia beim ins Zimmer schleichen gegen einen Stuhl gestoßen ist. Sie hüpft auf einem Bein herum und hält sich den rechten Fuß, während sie durch zusammengebissene Zähne flucht. Leider muss ich bei diesem Anblick schallend lachen. Ich mache eine Nachttischlampe an und juchze: »Damit du nicht noch mit dem anderen Fuß irgendwo gegen rennst«. Mia guckt mich an und um ihre Mundwinkel zuckt es verdächtig. Schließlich lässt sie sich lachend auf unser Bett fallen, jault dann aber doch auf, weil ihr Fuß ziemlich weh tut. Ich gucke mir ihren kleinen Zeh an, der gerade anfängt, auf doppelte Größe zu schwellen. »Da wirst du wohl die nächsten Tage nur Flipflops tragen können.« Mia begutachtet ihren Fuß und jammert: »Ich habe gar keine mit, ich mag die nicht, diesen Plastikstreifen zwischen den Zehen. Außerdem rutsche ich da immer raus.« »Mia, es tut mir so leid, was ich da vorhin gesagt habe. Ich habe wirklich nur noch von Pablo geredet, Pablo hier, Pablo da. Ich weiß, dass du nicht neidisch bist. Kannst du mir verzeihen? Ich muss Pablo ja auch nicht dauernd treffen.« Mia legt den Kopf schief und guckt mich an, dann lächelt sie, nimmt mich fest in die Arme und murmelt: »Na ja, vielleicht bin ich ja ein ganz kleines bisschen neidisch. Ist ja wirklich ein sehr niedliches Exemplar von Spanier, was du dir da angelacht hast. Aber es wäre schön, wenn du auch mal mit mir sprichst, wenn wir zu dritt unterwegs sind.« Ich drücke meine beste Freundin ganz fest und verspreche ihr, dass wir an den letzten Tagen auch mal etwas alleine unternehmen, so, wie es ursprünglich geplant war. Und dieses Versprechen halte ich auch.
7.
Schade, ich bekomme meine Augen immer noch nicht auf. Ich weiß, dass Mia und Jan an meinem Bett sitzen, ich kann ihnen jedoch nicht mal begreiflich machen, dass ich nicht mehr schlafe, sondern eigentlich wach bin. Ach, das ist alles so merkwürdig. Diesen Urlaub in Barcelona hat es tatsächlich gegeben, aber er ist in Wirklichkeit etwas anders abgelaufen. Wir verbrachten nur einen Abend mit Pablo, denn vor unserer Prüfung habe ich gar nicht so fleißig gelernt, wie ich es gerade noch erlebte. Ich bin auf die Party von Lars gegangen und habe auf Teufel komm raus mit ihm geflirtet. Danach waren wir ein halbes Jahr zusammen. Mia war damals allerdings auch irgendwann etwas genervt, ich habe sie wirklich vernachlässigt, denn aus Barcelona rief ich vor lauter Sehnsucht öfter bei Lars an, bis ihr schließlich der Kragen geplatzt ist. Anscheinend war es doch vorbestimmt, dass wir uns mal wegen einem Mann streiten sollten. Leider ist meine Mathe-Prüfung damals nicht ganz so gut ausgefallen. Mia stattete der Party von Lars nur einen kurzen Besuch ab und ging dann noch lernen, aber ich blieb bis zum Schluss, schließlich wollte ich meine neue Eroberung nicht so schnell hergeben. Immerhin, ich habe trotzdem ein ganz gutes Abi gemacht (okay, bis auf die Mathe-Note) und heute fragt da sowieso keiner mehr nach.
Jan und Mia unterhalten sich, Jan hält meine Hand. Ich würde sie so gerne drücken, aber es geht nicht. »Ob sie uns gerade hören kann?«, fragt Mia Jan. Ich möchte schreien: »Ja, ja, ich kann alles hören, ich möchte so gerne mit euch sprechen, ich bin hiiier!!!!!«, aber ich kann mich nicht bewegen, überhaupt nicht. Obwohl ich versuche, meine Muskeln anzuspannen. Jan, der eben noch mit dem Daumen über meine Finger gestreichelt hat, hält kurz inne. »Ich glaube, Lilly hat gerade ein wenig ihre Hand bewegt, ganz leicht.« Mia und Jan sind ruhig, ich kann förmlich vor mir sehen, wie sie mich mustern und auf eine Regung von mir warten. Aber alle Anstrengung nützt nichts, ich kann mich kein Stück regen, so sehr ich es auch möchte. Ich bin eingesperrt in meinem Körper, der mir nicht mehr gehorcht. »Ich muss langsam gehen«, meint Mia. »Ich sitze auch schon seit 4 Stunden hier, ich muss mal etwas Essen gehen«, erwidert Jan. Er drückt mir einen Kuss auf die Wange und streicht mir über die Stirn. »Schlaf schön Lilly, werde gesund, und dann wach doch bitte, bitte auf, wenn ich nachher wieder komme«, flüstert Jan mir ins Ohr. Die beiden verlassen das Zimmer und ich bin alleine.
8.
Sophie steht im Badezimmer vor dem Spiegel und grinst. So erleichtert war sie schon lange nicht mehr. Ganz von alleine hat sich die Frage, ob sie sich in ein paar Monaten um ein drittes Kind würde kümmern müssen, erledigt, ohne Test. Sie war einfach ein wenig überfällig. Sie hätte ein weiteres Baby mit Sicherheit bekommen, sie ist zwar keine Abtreibungs-Gegnerin, aber sie selber könnte das nicht. So fühlt sie sich aber viel besser. Kein weiteres Kind, das heißt, sie kann endlich überlegen, wie ihr Leben weitergeht und womit sie zukünftig vielleicht auch etwas Geld verdienen möchte.
Sophie geht aus dem Bad und sieht Oliver im Flur stehen, mit der Apothekentüte und dem Test in der Hand. Oliver fährt hektisch zu ihr herum »Schatz, du weißt, ich würde nie in deinen Sachen wühlen, aber Felix wollte seinen Teddy haben, der war in deiner Tasche und da ist diese Tüte heraus gefallen. Als ich sie aufgehoben habe, fiel ein Schwangerschaftstest heraus…. Na ja …nun frage ich mich natürlich, ob wir noch ein Kind bekommen…«. Er grinst schief und Sophie rutscht das Herz in die Hose. Er freut sich, und sie ist doch so erleichtert, dass sie um diese Sache herumgekommen ist. Das war eigentlich auch nie ein Thema, aber Oliver hat selber drei Geschwister und fand das immer toll. Sophie geht auf ihn zu. »Nein, ein drittes Kind bekommen wir nicht. Ich hatte den Test vor dem Unfall gekauft, das hat sich nun jedoch erledigt und ehrlich gesagt bin ich darüber auch ganz erleichtert.« Oliver seufzt »Ein wenig gefreut habe ich mich tatsächlich.« Sophie wuschelt Oliver durch die Haare. »Ich weiß, dass du Kinder liebst und ein super Vater bist, aber ich finde es so genau richtig, zwei Kinder und ein ungezogener Hund, das reicht doch, oder?« »Da hast du Recht, und jetzt muss Felix sich auch erst einmal wieder erholen.« Wie aufs Stichwort rasen Nele und Felix durch den Flur, beide mit einem Steckenpferd. Nele jagt hinter Felix her, Sophie sieht ihr an, dass sie extra langsamer ist als sonst, damit Felix sich nicht zu sehr anstrengt, aber der hat den Unfall erstaunlich gut weggesteckt. Seit er zu Hause ist, blüht er richtig auf. Seinen Teddy hat er sich unter den Arm geklemmt. Sophie hofft bloß, dass Frau Hartung sich nicht gleich wieder beschwert. Ihre Kinder rennen wirklich selten durch die Wohnung, aber wenn sie mal, so wie jetzt, durch den Flur hüpfen, dann wird meistens sofort von unten energisch mit einem Besenstiel gegen die Decke geklopft. »Diese Frau ist bestimmt schon erwachsen auf die Welt gekommen«, murrt Sophie. Sie läuft in die Küche und fängt an, Äpfel für einen Kuchen zu schneiden. Dabei summt sie vor sich hin. Backen entspannt sie immer sehr. Oliver sitzt am Küchentisch, lächelt sie an und schaut ihr zu. »Vielleicht hättest du damals doch Bäckerin werden sollen statt Buchhalterin. Das macht dir wenigstens richtig Spaß, und deine Kuchen sind die Besten, die ich kenne.« »Du bist befangen, das zählt nicht.« Sophie freut sich aber trotzdem über das Kompliment. Sie bekommt tatsächlich auch von Freunden immer wieder begeisterte Reaktionen auf ihre Backwerke. Sie liebt es, Rezepte ein wenig abzuwandeln, so dass die Kuchen gleich noch etwas besser schmecken. Nele und Felix stürmen in die Küche. Felix kuschelt sich an seinen Vater, in der Hand hält er einen Block und ein paar Stifte, im Arm seinen Teddy. Er kann die vielen Sachen gerade so halten. »Papa, malst du mit mir?«, bittet er und schenkt Oliver einen so treuherzigen Augenaufschlag, dass dieser nicht nein sagen kann.
Nele schleicht um ihre Mutter herum. »Darf ich den Teig mit dir anrühren«?, fragt sie. Sophie freut sich und lässt ihre Tochter die Zutaten in eine Schüssel geben. Sie erklärt ihr genau, wie viel Mehl, Zucker, Eier usw. sie für den Kuchen brauchen. Dann knetet Nele den Teig, den sie schließlich in die Form füllen, mit den Äpfeln belegen und in den Ofen schieben. Nele ist begeistert »Mama, das macht so einen Spaß und du kannst viel besser erklären als Frau Voigt, die blöde Musiklehrerin.« Sophie schaut ihre Tochter an. »Also Musik ist ja auch was anderes als backen, warum magst du diese Lehrerin nicht?« »Eigentlich ist sie mir egal, der Unterricht ist bloß so langweilig und die Frau hat so eine heisere Stimme. Wahrscheinlich, weil sie in der großen Pause immer heimlich vor der Schule rauchen geht. Aber wir haben sie ausspioniert und das entdeckt.« Nele hat gerade Sommerferien, wird bald 8 und geht eigentlich gerne zur Schule. Sie ist stolz, dass sie nach den Ferien schon in die dritte Klasse kommt. Nur die Musiklehrerin ist ein ewiges Thema, sie ist langweilig, sie ist blöd, der Unterricht ist öde, das ist allerdings nicht nur Neles Meinung, sondern auch die ihrer Freundinnen. Aber vielleicht hat sie ja Glück und bekommt im neuen Schuljahr eine andere Musiklehrerin. Nele hüpft wieder in ihr Zimmer, Felix im Schlepptau, der genug gemalt hat. In der Küche duftet es herrlich nach Apfelkuchen, Fleck liegt in seinem Körbchen und nagt an einem Hundekuchen und Sophie ist endlich mal rundum glücklich. Allerdings spukt ihr die Aussage ihrer Tochter durch den Kopf, dass sie so gut erklären kann, viel besser als ihre Musiklehrerin. Vielleicht lässt sich damit in der Zukunft ja noch etwas anfangen?
9.
Eva ist sehr nervös. Es ist 17 Uhr, also noch nicht zu spät, um bei einer Familie mit kleinen Kindern zu klingeln. Am liebsten möchte sie die Treppe wieder herunterspringen und sich einfach in ihrer Wohnung verkriechen, aber das hieße ja, dass sie erneut in ihr altes Muster verfallen würde. Nein, sie muss ihr Leben endlich in die Hand nehmen, ein Leben, das sich auch so nennen darf. Nicht dieses Dahinvegetieren der letzten Jahre.
Eva drückt entschlossen auf den Klingelknopf. Hinter der Tür bellt der Hund, dann hört sie eine Männerstimme. »Ruhig Fleck, setzt dich in dein Körbchen«, es raschelt und die Tür wird geöffnet. Herr Schulz guckt verdutzt. »Ja bitte, was möchten Sie?« Eva räuspert sich. »Ich würde gerne kurz mit Ihrer Frau sprechen.« Oliver dreht sich um, in dem Moment kommt Sophie schon zur Tür, sieht Eva und stutzt. »Entschuldigung, kennen wir uns?«, fragt Sophie. Eva glaubt erst, das sei die Rache für ihr schlechtes Benehmen in der letzten Zeit, ach was, in den zurückliegenden Jahren, aber dann wird es ihr schlagartig bewusst: Frau Schulz erkennt sie nicht. Sie war beim Friseur, hat sich die Haare färben und schneiden lassen, und trägt sie nun offen, haselnussbraun und halblang. Ein pfiffiger Pony fällt ihr weich in die Stirn, sie hat Make-up aufgelegt und ein Sommerkleid angezogen. Wie soll Frau Schulz sie da auch wieder erkennen, sie hat sie immer nur mit biestigem Gesichtsausdruck, den ewig praktischen, langweiligen Hosen und einem braun-grauen Zopf gesehen. Eva grinst und hält Sophie die Blumen hin, die sie noch besorgt. »Eva Hartung, ich wohne unter Ihnen und ich möchte mich wirklich entschuldigen für den ganzen Stress, den Sie mit mir hatten. Es tut mir ehrlich leid, vielleicht haben Sie mal Zeit und ich kann versuchen, Ihnen meine Situation zu erklären, aber …«, Eva gehen die Worte aus. Ihre Nachbarin mustert sie und sie hat keine Ahnung, was sich hinter der Stirn der hübschen Frau gerade abspielt. »Manchmal müsste man wirklich Gedanken lesen können«, denkt Eva. Sophie schaut zu Boden. »Das mit der Hexe tut mir sehr leid, das war nicht fair«, flüstert sie. Sophie lächelt breit. »Und jetzt passt es zumindest optisch auch gar nicht mehr zu Ihnen.« Die beiden Frauen sehen sich an und müssen grinsen. Sophie geht einen Schritt zur Seite und bittet Eva hinein. »Ich habe Apfelkuchen gebacken, wir können uns doch bei einem Kaffee aussprechen.« »Gerne, das freut mich wirklich sehr.« Die beiden Frauen gehen in die Küche, Sophie deckt den Tisch, schenkt jedem einen Kaffee ein und stellt die Platte mit dem Kuchen dazu. Eva schnuppert. »Hmmm, der duftet aber köstlich.« Die Beiden setzen sich und schauen sich an. Sophie findet ihre Sprache als erste wieder. »Unglaublich, ich hätte Sie überhaupt nicht erkannt. Sie sehen wirklich großartig aus. Wieso sind Sie jahrelang in Sack und Asche herumgelaufen? Oder ist die Frage zu privat?« Eva lächelt. »Vielen Dank, es fällt mir schwer, darüber zu reden, aber ich wollte Ihnen ja erklären, warum ich zu so einer Hexe geworden bin.« »Nein!«, wirft Sophie ein, »bitte nicht mehr dieses Wort, ich schäme mich wirklich ganz schrecklich.« »Ach was, es stimmt doch, ich war eine Hexe. Zuerst möchte ich jetzt gerne wissen, wie es Ihrem kleinen Sohn geht? Ist er wieder zu Hause? Und haben Sie etwas über die junge Frau erfahren, die ihn zur Seite gestoßen und ihn damit gerettet hat?« »Felix geht es erstaunlich gut, er hat den Unfall problemlos weggesteckt. Ich würde die junge Frau, sie heißt übrigens Lilly Vogel, gerne besuchen, aber sie ist anscheinend immer noch bewusstlos. Ich habe neulich im Krankenhaus eine Weile auf ihre Eltern gewartet und mit ihnen gesprochen, die Schwestern dürfen einem keine Auskunft geben wegen der Schweigepflicht. Sie wollten sich bei mir melden, wenn ich Frau Vogel besuchen kann. Wenn Lilly nicht so beherzt eingegriffen hätte, ich möchte gar nicht wissen, wie das ausgegangen wäre …« Sophie schluchzt und ihre Augen werden schon wieder wässrig, wie überhaupt sehr oft in den letzten zwei Tagen. Eva legt ihr die Hand auf den Arm. »Beruhigen Sie sich, Ihr Sohn ist ja zum Glück wohlauf. Wenn ich nicht so biestig reagiert hätte, wäre der Unfall nicht passiert. Ich mache mir schwere Vorwürfe. Aber immerhin hat mich dieses Erlebnis aus meiner Lethargie geholt.« Die beiden Frauen sehen sich an und lächeln. »Wenn ich Ihnen jetzt ein wenig über mich erzähle, wäre es da nicht schöner, wenn wir uns duzen? Ich heiße Eva.« »Das ist eine gute Idee, mein Name ist Sophie.«
Eva räuspert sich und fängt an zu sprechen. Sie erzählt, wie sie Georg kennen gelernt hat, er forderte sie zum Tanzen auf, als sie bei der Hochzeit einer Freundin war. Der höfliche, sehr schick gekleidete Mann ist Eva damals sofort ins Auge gefallen, aber sie war viel zu schüchtern, um ihn anzusprechen. Sie haben den ganzen Abend zusammen getanzt und dann hat Georg sie ins Kino eingeladen, zum Essen, er hat sie bekocht, alles war so wundervoll. Nach einem halben Jahr fragte er Eva, ob sie gemeinsam in eine Wohnung ziehen wollen und Eva glaubte damals, noch glücklicher könne sie kaum werden. Schließlich machte Georg ihr sogar einen Heiratsantrag, es wurde eine schöne, große Feier und eigentlich auch eine glückliche Ehe, bis auf diese eine Sache …. Eva schluckt. Es fällt ihr schwer, darüber mit Sophie zu sprechen, aber irgendwie ist nun ein Knoten geplatzt und sie möchte das endlich auch einmal loswerden. Sophie merkt, dass es ihrer Nachbarin sehr schwerfällt, weiter zu sprechen »Oh mein Gott, was ist dann passiert, ist Georg etwa…?« »Nein, er ist nicht gestorben. Das dachtest du doch? Hmmm, also, wir hatten nicht so oft…. Sex. Georg ist schwul, er hoffte, er könne mit mir trotzdem glücklich werden, er wollte ein normales Leben, dabei ist er ja normal, er liebt nur eben Männer. Ich hätte es bereits auf der Hochzeitsreise nach Spanien merken müssen. Ständig hat er einem Kellner Blicke zugeworfen, aber ich dachte mir nichts dabei. Na ja, vor 12 Jahren konnte Georg dann nicht mehr. Er hatte sich in einen Mann verliebt und wollte endlich so leben, wie er es schon immer hätte tun sollen. Das war hart für mich. Ich fiel in ein tiefes Loch, wurde verbittert, regte mich über alles Mögliche auf. Ich ging nicht mehr zur Arbeit, aber das war mir egal. Ich hatte gespart, ich verkroch mich zu Hause und brauchte nicht viel. Georg machte sich Sorgen um mich und wollte immer wieder den Kontakt zu mir. Er hatte mich nach wie vor sehr gerne, nur verliebt ist er eben nicht in mich, sondern in Dirk, seinen Freund.« Eva guckt zu Boden. Sie horcht in sich hinein und erwartet, den ganzen Schmerz wieder zu fühlen, der sie erfasst hat, als Georg ihr sein Geständnis machte. Komischerweise fühlt sie sich aber bloß erleichtert. Endlich kann sie mal mit jemandem sprechen, alles raus lassen, und das tut ihr überraschend gut. Eva hebt den Kopf und lächelt Sophie an »Weißt du was? Das ist das erste Mal, dass ich so richtig über die ganze Sache rede. Ich habe mich dauernd nur geschämt und eingeigelt, habe meine Familie und Freunde vor den Kopf gestoßen und gedacht, ich bin schuld, ich war nicht gut genug. So ein Quatsch, Georg war schon immer so, ein lieber Kerl mit einem Faible für Männer. Mann, so gut wie der angezogen war, hätte ich das eigentlich gleich merken müssen. Und diese Parfumwolke ….« Eva fängt schallend an zu lachen und Sophie lacht erleichtert mit. Sie hatte schon befürchtet, ihre Nachbarin würde doch noch in Tränen ausbrechen und ihrer verlorenen Liebe hinterher weinen. Aber danach sieht es zum Glück nicht aus. Eva wischt sich Lachtränen aus den Augen. »Das hat richtig gutgetan. Endlich konnte ich mir das alles von der Seele reden.« »Das freut mich, und es ehrt mich, dass du mir so vertraust. Schließlich kennen wir uns kaum.« »Manchmal ist es einfacher, sich jemandem anzuvertrauen, den man noch nicht lange kennt. Ich muss gestehen, dass ich kaum Freunde habe, eigentlich gar keine, nachdem ich mich jahrelang zurückgezogen habe. Das kann nicht gesund sein.« Eva grinst und beginnt, den Apfelkuchen zu essen. »Der ist ja wahnsinnig gut. Bist du Bäckerin?« Sophie lächelt geschmeichelt. »Nein, Backen ist einfach nur ein Hobby von mir. Es entspannt mich, ich ändere gerne Rezepte ab oder denke mir etwas eigenes aus.« Eva schließt genießerisch die Augen, als sie das nächste Stück Kuchen im Mund hat. »Ehrlich, das ist eine Geschmacksexplosion, so einen unglaublich guten Apfelkuchen habe ich wirklich noch nie gegessen. Und ich habe schon so einige gegessen, das kannst du mir glauben. Schmecken deine Kuchen alle so gut? Dann solltest du ein Geschäft aufmachen, es wäre schade, wenn nicht mehr Menschen in den Genuss deiner Kuchen kämen.« Sophie geht wieder der Spruch ihrer Tochter durch den Kopf. »Du kannst so gut erklären, Mama.« Hat sie gesagt. So langsam formt sich ein Gedanke in ihrem Kopf. Vielleicht hat sie mit Evas und Neles Hilfe gerade eine zukunftsweisende Idee.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.