Kitabı oku: «Sternenglanz», sayfa 7
Kapitel 7
Das Wasser des Calas spritzte bis auf seine Rüstung, als Narthas sein Pferd durch die Furt trieb. Er hatte mit seinen Gefährten ein schnelles Tempo angeschlagen. Neben ihm ritten der Ritter Wanfried, sein Sohn Lokran, und Zirgas, sowie etwa einhundert urbische Reiter. Viel zu wenig, um einen echten Angriff auf die Armee zu führen, die ihnen gegenüberstand. Doch ausreichend, um ihnen zu zeigen, dass die weiße Flagge, die sie trugen, kein Zeichen der Schwäche war. Es ging nur um Verhandlungen, um eine Schlacht zu vermeiden. Vorerst.
„Anscheinend wollen sie auch reden.“, bemerkte Wulfric als sich aus dem Heer etwa fünfzig Reiter lösten. Im Vergleich zu den Urben waren die Reiter der Peltamark schwer gerüstet. Jeder einzelne Reiter trug eine Plattenrüstung und, wie Narthas bemerkte, ein eigenes Wappen. Auch die dahinterstehenden Fußsoldaten trugen in Gruppen zu zehn bis zwanzig Mann verschiedene Banner, sahen ansonsten aber ärmlich aus, ausgerüstet mit Bögen, Äxten, einfachen Holzschilden, oder Speeren, jedoch ohne jegliche Rüstung. Das Banner des vordersten Reiters war dennoch am meisten zu sehen: ein schwarzer Turm auf hellblauem Grund, umrahmt von mehreren Weizenären.
„Halt!“, sagte Narthas auf urbisch und streckte die Faust in die Höhe. „Nur wir vier und zwei Bannerträger.“, sagte er und ritt mit Wanfried, Lokran, und Zirgas nach vorne, gefolgt von zwei Reitern, die das Banner des Khans und ein Sternenbanner Valoriens führten. Auch die gegenüberliegenden Reiter hielten inne und formierten sich ordentlich in drei Reihen, die Lanzen in die Höhe gerichtet. Neben dem Anführer lösten sich zwei weitere schwer gepanzerte Reiter, ein Bannerträger mit dem schwarzen Turm, und ein jüngerer Mann, der nur leicht gerüstet war. Narthas musterte sowohl die Armee als auch den Anführer, als sie näher aufeinander zukamen. Die etwa fünfzig schwer gerüsteten Reiter waren ohne Zweifel das Herzstück der Armee. Neben diesen gab es noch etwa achtzig weitere Reiter, die jedoch keine eigenen Banner trugen und deutlich leichter gerüstet waren. Außerdem wirkten sie jung. Daneben gab es noch dreihundert Fußsoldaten. Obwohl es Bauern wohl besser traf. Trotz der unterlegenen Position wirkte der Anführer selbstbewusst. Er blickte entschlossen zu Narthas und dem Khan direkt in die Augen. Seine hellbraunen Haare waren wie sein spitzer Bart ordentlich frisiert. Seine Plattenrüstung war aufwendig aus vielen Einzelteilen gefertigt. Auf dem Rücken trug er einen Wappenschild, am Schwertgurt eine breite Klinge.
Narthas hielt inne, als sie nur noch wenige Schritte trennten. „Ihr betretet die Länder der Peltamark, Urbe. In Adenurs Name, kehrt um oder findet den Tod!“, sagte der Mann bedrohlich in gebrochenem Urbisch. Erst jetzt blickte er zu Wanfried und bemerkte, dass der Ritter kein Urbe war. Auch das Banner hinter diesem ließ ihn stocken.
„Ihr sprecht nicht zufällig die Sprache Valoriens, mein Freund?“, fragte Wanfried mit ruhiger Stimme, um die Stimmung nicht weiter anzuheizen.
„Die Zunge Kargats. Ausreichend. Und Ihr seid?“, antwortete ihr Gegenüber nun nur an Wanfried gerichtet.
„Ich bin Wanfried von Tulheim, Freiherr von Tulheim, und Ritter Valoriens.“, antwortete er und nickte dann Narthas auffordernd zu. Dieser zog die Augen zusammen, blickte dann aber zu ihrem Gegenüber. „Narthas Khan, Sohn des Ikran.“, stellte auch er sich vor.
„Wir sind im Namen ihrer Majestät Königin Luna I. von Valorien unterwegs. Doch unser Augenmerk gilt nicht der Peltamark. Bietet uns freies Geleit, und keiner Eurer Männer wird zu Schaden kommen.“, bot Wanfried an. Der Ritter merkte, dass dies dem Khan neben ihm widerstrebte. Der Urbe hätte der Drohung wohl lieber mit einer eigenen Drohung geantwortet. Oder mit dem Schwert. Aber Wanfried hoffte, mit Diplomatie weiterzukommen. Denn der Adelige der Peltamark musste auch erkennen, dass es für ihn an diesem Tag nur zwei Möglichkeiten gab: Kapitulation oder Tod.
Ihr Gegenüber zog die Stirn zu Falten und musterte den Ritter und den Khan, bevor er antwortete. Schließlich nickte er Wanfried zu. „Arnold van Frega, Herzog von Frega und Seneschall der Ritter der Peltamark.“, stellte er sich vor. „Ich habe von Valorien gehört. Es liegt hinter Kargat und der Steppe der Urben, nicht wahr? Was macht ihr hier, in Beisein dieser…“ Er zögerte. Es hätten wohl viele Worte gepasst. Wilden. Barbaren. „…Urben.“, schloss er den Satz.
„Eigentlich ist er nur hier, um auf mich aufzupassen.“, sagte Narthas mit einem Grinsen, was Lokran und Zirgas kurz zum Lachen brachte. „Ich führe meine Reiter nach Süden. Doch wie Wanfried sagte, gilt mein Zorn nicht der Peltamark. Wenn dir etwas am Leben deiner Männer liegt, Arnold van Frega, dann legt die Waffen nieder, senkt den Kopf und lasst mich und meine Männer passieren.“, sprach der Khan weiter, nun mit bedrohlichem Unterton. „Und ich reite hier im Namen des Herzogs Celan von Tandor. Wenn es dein Wunsch ist, soll dies der letzte Name sein, denn du in dieser Welt gehört hast.“, fügte er noch hinzu. Man erkannte, dass Arnold die Drohung durchaus verstand. Seine Miene versteinerte, er wirkte auch etwas blasser als zuvor. Sein bedrohliches Auftreten vorher war ein falsches Spiel gewesen. Er war sich sehr bewusst, dass seine eigene Armee eine Schlacht nur verlieren konnte. Doch dann fing er sich wieder.
„Wenn dies dein Wunsch ist, Urbe, dann will ich dem gerne nachkommen. Jeder meiner Ritter wird mit Freuden sein Leben für die Peltamark geben, aber mindestens fünf deiner Reiter mitnehmen. Wenn du dann mit dem verbliebenen Haufen durch unser Land reitest, wird dir jede Burg Drohung sein. Keine Nacht werdet ihr Schlafen, keine Stadt passieren können, keine Brücke wird euch zur Verfügung stehen. Und es gibt viele Burgen und Brücken in der Peltamark. Während ihr euch dann nach Süden quält, sammelt mein Herr, Erzherzog Laurenz, alle Männer der Peltamark in Tarvestdamm. Jeder Herzog, jeder Ritter, jeder Bauer der Peltamark wird von dem Massaker an der Belgafurt hören, von der Niederlage von Herzog Arnold. Jeder wird nach eurem Blut dürsten. Jeder wird einen heiligen Eid vor dem Vater Adenur schwören, uns zu rächen. Wenn ihr dann glaubt, endlich aus der Peltamark entkommen zu sein, werdet ihr das Glitzern tausender Rüstungen im Morgengrauen sehen und erkennen, dass dies der fatalste Fehler deines erbärmlichen Lebens war.“
Während er sprach legte der Herzog seine Hand an das Heft des schweren Schwertes. „Also Urbe, wenn du kämpfen willst: wir sind bereit.“
Narthas blickte ohne eine Regung zum Herzog. Dann grinste der Urbe. „Ihr Pelten seid doch nicht so weich, wie es heißt.“, sagte er und lachte auf. „Du hast Mut, Herzog Arnold. Viele Männer erzittern schon, wenn sie die Hufe meiner Reiter am Horizont hören.“
„Ich sammelte meine Männer, um mich euch entgegenzustellen.“, antwortete der Herzog von Frega entschlossen.
„In Ordnung, Herzog. Du hast mich überzeugt, dass ich dich am Leben lasse. Aber was kannst du mir bieten, wenn ich dir sage, dass ich nicht wieder umkehren werde.“
Die Miene des Herzogs entspannte sich etwas und er lockerte den Griff um sein Schwert. „Man trifft nicht aller Tage auf einen Urben, der verhandeln will.“
„Ich bin auch kein gewöhnlicher Urbe.“, stellte Narthas fest.
„Ihr könnte eure Bitte auf Durchmarsch dem Erzherzog vortragen. Er kann darüber entscheiden. Jedoch müsstet ihr mich dazu nach Tarvestdamm begleiten, Khan Narthas.“, antwortete der Herzog.
Narthas lächelte erneut und blickte zu Wanfried. Es war durchaus eine sinnvolle Lösung, wenn sie funktionierte. Natürlich wäre es ihnen ein leichtes, mit einem Angriff die Männer des Herzogs auszulöschen. Doch Arnold hatte Recht. Der Ritt durch die Peltamark konnte lange werden, wenn man nur Feinde hatte. Selbst wenn sie Kargat erreichten, wären sie stark geschwächt. So verloren sie nur einige Tage, während sich seine Reiter in der Steppe weiter sammelten und auf ihre Rückkehr warteten. Genau wegen solcher Schwierigkeiten hatten sie genug Zeit eingeplant, als sie aus Taarl losgezogen waren. Vor dem Frühjahr mussten und sollten sie Kargat nicht erreichen.
Also wandte sich Narthas wieder an den Herzog. „Ich nehme dein Angebot an. Mich begleiten der Ritter Wanfried, mein Sohn Lokran, und dreißig Reiter.“
„In Ordnung.“, akzeptierte Arnold. Die Eskorte der Urben hatte mehr symbolischen Charakter. Wenn der Herzog sie eine Falle führen wollte, wären selbst einhundert Mann nicht ausreichend.
„Wie lange ist der Ritt?“, fragte Narthas den Herzog.
„Jetzt im Winter vielleicht vier Tage, wenn wir uns nicht zu sehr beeilen. Es kommt auf das Wetter an.“ Narthas nickte und wandte sich dann an Zirgas, den er in valorischer Sprache ansprach, damit auch der Herzog von Frega ihn verstand.
„Zirgas, du wirst die Männer in meiner Abwesenheit mit Kirgesh führen. Falls du in zwei Woche noch nichts von uns gehört hast, dann bringe Feuer und Tod über dieses Land.“
„Sehr wohl, mein Khan.“, bestätigte der alte Freund. Dann wandte sich Narthas an Wanfried und Lokran.
„Also, wollen wir?“, sagte er und ritt dann weiter nach vorne am Herzog vorbei in Richtung der Peltamark.
Tarvestdamm war weit weniger beeindruckend als Elorath und dennoch ein Monument der Stärke des kleinen Reiches der Peltamark. Die Stadtmauern selbst waren nicht hoch, aber dies war auch nicht nötig, denn die Stadt war vollkommen von einem großen See umschlossen. Lediglich im Süden gab es eine schmale, lange Steinbrücke, über die man die Stadt erreichen konnte. Doch diese endete in der mächtigen Feste des Erzherzogs, die das wahre Kernstück der Stadt darstellte. Die Mauern und Türme waren dick und hoch. Soldaten mit dem Banner des Drachen der Peltamark patrouillierten auf den Wehrgängen. Und als Narthas begleitet von Herzog Arnold van Frega näher auf das Tor zuritt, erkannte er bereits die peltischen Ritter des Erzherzogs, die dort auf sie warteten.
Während des Weges hatten Narthas und Wanfried Gelegenheit einiges über die Peltamark zu lernen. Keine schlechten Erkenntnisse, wenn man erfolgreiche Verhandlungen mit dem Erzherzog führen wollte. Der Erzherzog war eigentlich ein Herzog wie jeder andere, allerdings bestimmten die Herzöge der Peltamark beim Tod des Erzherzogs einen aus ihren Reihen, das Land aus Tarvestdamm zu führen. Arnold hatte selbst nach einigen Nachfragen das genauere Procedere für diese Wahl nicht erklären wollen, aber Narthas hatte in Gesprächen mit einigen Rittern Geschichten über Duelle, Wortgefechte, und weitere ritterliche Prüfungen gehört. Die Ritter waren wohl das nächste Sonderliche dieses Landes. Während die valorische Ritterschaft ein exklusiver Zirkel der bester Streiter des Landes war, konnte in der Peltamark im Prinzip jeder Mann zum Ritter geschlagen werden und damit in den niederen Adel aufsteigen, der vermögend genug war, um sich Pferd, Harnisch, Schwert, Schild und Lanze leisten zu können. Ob die Eltern Kaufleute, Handwerker, oder nur Bauern waren spielte dann keine Rolle mehr. Jeder Ritter trug sein eigenes Banner. Offiziell waren die Ritter direkt dem Erzherzog unterstellt, doch in Realität verweilten die meisten Ritter am Hof des Herzogs ihrer Heimat und waren diesem treu ergeben. Im Krieg allerdings konnte der Erzherzog jeden Ritter an seine Seite rufen. Und der Seneschall, in diesem Fall Herzog Arnold, würde die Ritter führen.
Eigentlich gefielen Narthas diese Traditionen. In gewisser Weise wurde der Stärkste Mann des Landes zu dessen Herrscher. Jeder Mann war seines eigenen Glückes Schmied und konnte sich im Kampf als würdig erweisen. Jene, die zu arm waren, dienten in Leibeigenschaft ihrem Herzog oder Ritter, wurden dafür aber von diesen geschützt. Nur die ganzen kleineren Burgen, die sie schon auf dem Weg gesehen hatten und die die Peltamark überzogen, erschienen ihm recht einengend. In Valorien gab es auch einige Burgen, doch diese waren meist größer und wohl positioniert, um strategische Positionen zu schützen.
Und dann war da noch die Sache mit der Religion gewesen. Für ihn hatte der Glaube an die Geister der Steppe weniger etwas Religiöses. Er wusste einfach, dass es sie gab, und dass er, falls er würdig war, einst in der Unendlichkeit an ihrer Seite reiten würde. Dafür brauchte er weder Priester noch Kirchen. In Valorien gab es den Glauben an die Trias, aber dieser hatte trotz der Erleichterung der Gesetze erst durch den Reichsverweser Alois, später durch Königin Luna, einen schweren Stand. Hier in der Peltamark war dies anders. Die Kirche schien tief verwurzelt im Land. Sie vertrat den Glauben an zwei Götter. Adenur. Der Tag. Vater des Reiches und Gott der Rechtschaffenden und Starken. Und Rudena. Die Nacht. Mutter des Volkes und Göttin der Schwachen und Schutzbedürftigen. Weder im Fall der Trias noch im Fall der Pelten konnte Narthas verstehen, wie man etwas Göttliches auf ein menschliches Abbild projizieren konnte. Als wären Götter wie sie Menschen, die irgendwo saßen, und auf die Welt schauten. So hatte er sich einfach nur vorgenommen, das Thema möglichst gar nicht aufzugreifen. War wohl besser so.
„Ihr habt Glück. Erzherzog Laurenz begrüßt euch persönlich.“, sagte Herzog Arnold schließlich und deute auf den vordersten der Reiter, die am Tor warteten. Im Vergleich zu den anderen Rittern, die alle Plattenrüstungen und Vollhelme trugen, war der Erzherzog nicht gerüstet. Auch sonst erschien er nicht, wie Narthas ihn sich vorgestellt hatte. Bei der Erwähnung des Erzherzoges hatte er einen älteren Mann erwartet, der durch seine Erfahrung in Krieg und Frieden das Vertrauen der Herzöge gewonnen hatte. Doch auf dem Pferd saß ein junger Mann in feinster Kleidung. Das gesteppte Wams war aus edlem Stoff und zeigte den Drachen der Peltamark, allerdings detailreicher und aufwendiger als auf den meisten Bannern. Am Gürtel trug der Erzherzog ein Langschwert, in dessen Griff ein großer Rubin eingearbeitet war. Er hatte hellbraune Haare, ähnlich wie Arnold, allerdings mit einem Stich von blond. Sein sauber geschnittener Bart umrandete den Mund, der Rest des Gesichts war glattrasiert. In den Augen erkannte der Khan weder Furcht noch Feindseligkeit. Sein Blick war nicht streng, sondern eher neugierig, erwartungsvoll. Narthas musterte ihn.
„Euer Gnaden.“, sprach Arnold den Erzherzog an, als sie sich näherten, und deutete eine leichte Verneigung an. „Ich darf Euch Freiherr Wanfried von Tulheim vorstellen, ein Ritter aus dem Reich Valorien. Sowie Narthas Khan, ein Khan der Urben, der wie der Freiherr der Krone Valoriens verpflichtet ist. Meine Herren, ich darf euch Erzherzog Laurenz van Targarin vorstellen, Herrscher der Peltamark, von Adenurs Gnaden.“
„Danke, Arnold.“, sagte der Erzherzog, während er den Gästen entgegenritt und wandte sich dann zuerst an Wanfried. „Meine Amme erzählte mir häufig Geschichten über die legendären Ritter Valoriens. Ich hätte aber nie gedacht einen solchen in Tarvestdamm willkommen zu heißen.“, begrüßte der Herzog den Ritter in der gemeinen Sprache, die von Valorien bis in das Kaiserreich gesprochen wurde, allerdings mit einem ähnlich starken Akzent wie Arnold. Narthas hatte bemerkt, dass die Sprache der Peltamark Ähnlichkeiten mit der valorischen Sprache aufwies, allerdings doch so unterschiedlich war, dass er schnell gesprochene Sätze nicht verstand. Aber für ihn war dies auch nicht die Muttersprache.
Wanfried lächelte grimmig zurück. „Wahrscheinlich hat eure Amme übertrieben.“
„Welches Schwert tragt Ihr?“, fragte der Erzherzog neugierig.
„Flammendorn. Das Feuer der Sterne brennt in seiner Klinge.“, antwortete Wanfried.
„Ja. Ich glaube daran erinnere ich mich. Doch am Meisten erinnerte ich mich stets an Königsklaue. Ein Schwert nur gemacht, den König zu schützen. Ist das nicht eine schöne Geschichte?“
„Nicht nur eine Geschichte.“, korrigierte Wanfried, bevor sich der Erzherzog an Narthas wandte.
„Der letzte Urbe, der die Brücke nach Tarvestdamm überquerte, kniete in Ketten auf einem Ochsenkarren.“
„Und wenn ich nicht wohlbehalten aus deiner Stadt hinausreite, Erzherzog Laurenz, dann werden die nächsten Urben, die über diese Brücke reiten, Schwert und Fackel in der Hand halten.“, erwiderte Narthas bissig. Doch zur Überraschung des Khan antwortete Laurenz nicht mit einer Beleidigung, sondern lachte auf.
„Das würde ich gerne verhindern. Aber hier ist wohl kaum der Ort, dies weiter zu besprechen. Folgt mir in meine Burg, dann werden wir in Ruhe über euer Begehr sprechen können. Arnold war so freundlich, mir bereits einen Boten zu schicken.“, sagte er und wendete sein Pferd, um von Arnold, Narthas, und Wanfried gefolgt in die Feste einzureiten. Erst hinter den letzten Urben wendeten auch die Ritter der Peltamark und folgten der Gruppe in den Burghof.
Wanfried erinnerte die Feste des Erzherzogs ein bisschen an den Sitz des Herzogs von Rethas in Grünburg, obwohl dieser merkbar kleiner war. Sie war eine militärische Festung, allerdings weniger schwer befestigt als zum Beispiel Taarl oder Auenstein. Gleichzeitig war sie funktional und schlicht eingerichtet, nicht wie der Palast in Tjemin, mit seinen ausladenden Gärten. Auch der kleine Saal, in den sie Laurenz geführt hatte, war einfach eingerichtet. Ein runder Tisch für zehn bis zwölf Personen mit dem geschnitzten Wappen der Peltamark, ein Kamin, Schilde, Schwerter und Banner an den Wänden. Das war es.
Neben Erzherzog Laurenz und Herzog Arnold war noch ein dritter Pelte zu ihnen gestoßen. Ein alter Mann, dessen Kopf zwar keine Haare mehr hatte, der aber dafür noch dichte, weiße Koteletten aufwies. Herzog Karel van Hofsteede, Kanzler der Peltamark, und dafür verantwortlich für die Regierungsangelegenheiten des Landes. Sie waren auch zu dritt. Er, der Khan, und dessen Sohn. Ein ausgeglichenes Verhältnis für eine freundschaftliche Verhandlungen, zumindest erhoffte sich Wanfried dies. Er hatte in den letzten zwanzig Jahren genug für ein ganzes Leben gekämpft, als er sich mit den Schwarzen Pfeilen Herzog Celan widersetzt hatte. Umso mehr ärgerte es ihn, dass Königin Luna ihn bestimmt hatte, Narthas zu begleiten. Doch nun wollte er seine Rolle als ihr Botschafter auch wahrnehmen. Denn bald würden weitere Kämpfe auf sie warten, und gegen das Kaiserreich konnten sie fürwahr jeden Mann brauchen.
„Also, meine Gäste, wieso sollte ich euch gestatten, eure Truppen durch die Peltamark zu führen?“, fragte Erzherzog Laurenz, als sie sich gerade hinsetzten. Beiläufig fast, aber dennoch mit einer Schärfe, die scheinbar in der Herzlichkeit seines Ausdrucks unterging. Gleichzeitig winkte er zwei Diener herbei, die Wein ausschenkten.
Wanfried räusperte sich, wollte gerade sprechen, als sich Narthas leicht nach vorne über den Tisch lehnte. „Um dir einen Gefallen zu tun, Erzherzog. Denn dein kleines Land liegt leider im Weg meiner Horde. Allerdings verspüre ich keinen Drang danach, gegen euch in den Kampf zu ziehen. Ansonsten würden wir nur verbrannte Erde hinterlassen.“, erwiderte der Khan undiplomatisch.
Wanfried klopfte ihm auf die Schulter und zog ihn leicht zurück, versuchte ein Lächeln aufzusetzen. „Euer Gnaden. Der Khan brachte es in gewisser Weise auf den Punkt. Wir haben ein Heer gesammelt, allerdings hegen wir keine Feindschaft gegen die Peltamark. Lasst uns passieren, und wir werden weder euch noch eure Herzöge behelligen. Eine einfache Forderung.“
Laurenz schaute leicht nach unten, lachte leise und schüttelte den Kopf. Dann blickte er erst zu Arnold, dann zu dem alten Karel und sagte einige Worte in der peltischen Sprache.
„Keine einfache Forderung.“, antwortete dann Kanzler Karel. „Jahrhunderte griffen uns urbische Stämme an. Stets konnten wir sie abwehren, mit der Stärke der peltischen Ritter. Nun verlangt ihr, dass wir ohne Kampf hunderte urbische Reiter in die Peltamark lassen?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich habe bereits gegen dein Volk gekämpft, Narthas, als du noch ein kleines Kind warst. Wieso sollte ich dir trauen?“, sprach er dann direkt den Khan an.
„Ich dachte ich verhandele mit dir, Erzherzog.“, erwiderte Narthas nur. „Und für eine Ablehnung hätten wir den langen Ritt nicht auf uns nehmen müssen, dann hätten wir auch gleich gegen Herzog Arnold in die Schlacht ziehen können.“
„Aber dann hättet ihr meine Gastfreundschaft nicht genießen können.“, erwiderte Laurenz und erhob dann den Becher, um anzustoßen. „Also, worauf trinken wir? Auf meine Götter? Auf eure Geister? Auf das ferne Valorien, dessen Banner wir hier noch nie gesehen haben? Auf dessen legendäre Ritter?“, schlug er vor, trank dann aber einen Schluck, ohne einen konkreten Trinkspruch auszusprechen. Als er den Becher vom Mund absetzte war sein Blick härter. Kalt schaute er Wanfried an. „Oder darauf, dass ihr mir erzählt, wieso ihr wirklich so viele Männer durch mein Land führen wollt?“
Wanfried nickte dem Gastgeber zu und trank einen Schluck des Weines. Er schmeckte süßlich und gut. Erst dann antwortete er. „Das Kaiserreich der Sonne.“
„Nun kommen wir also zum Kern der Sache.“, sagte Laurenz und stellte den Becher wieder ab. „Kargat ist gefallen, nicht wahr? An meiner Grenze sehe ich noch öfter Soldaten mit den Farben des Reiches, aber aus dem Westteil des Landes hört man vom Wechsel der Macht.“
Wanfried nickte. „Kargat fiel vor fast zwei Jahren an das Kaiserreich. Härengar, die mächtige Hauptstadt des Königs, wurde überrannt. Im Osten, um Hoheneck, verblieben einige königstreue Rebellen. Aber das Königshaus ist ausgelöscht. Aus alten Zeiten hat die Krone Valoriens ein Anrecht auf den Thron Kargats. Wir haben die Armee des Kaisers aus Valorien zurückgeworfen, seine dunklen Mächte besiegt. Nun werden wir im Namen von Königin Luna auch Kargat befreien.“
„Und dafür sucht ihr freies Geleit durch die Peltamark, um einen Angriff aus mehreren Himmelsrichtungen einzuleiten.“, schlussfolgerte Arnold und schaute dann zu Lauren und Karel. „Ein guter Plan. Wenn ich genügend Männer hätte, wäre ich ähnlich vorgegangen. Besonders, mit so vielen Reitern.“
„Und Narthas, du dienst der valorischen Krone?“, fragte Laurenz verwundert. „Ich dachte ihr Urben wäret freie Männer in euren Steppen.“
„Die Schuld meines Vaters band mich an einen Mann in Valorien. Die Ehre gebot es mir, meine Klinge in seinem Namen zu führen.“, antwortete Narthas.
„Dein Vater war…?“, fragte Karel, doch wurde schnell von Lokran unterbrochen, dem Sohn Narthas.
„Ikran Khan, der große Khan der Urben, Herrscher der Steppe.“ Man erkannte, wie die Miene des alten Mannes versteinerte. Der Name schien auch nach so langer Zeit in den anliegenden Ländern der urbischen Steppe noch nachzuklingen. Statt aber den Urben zu antworten sprach er wieder in peltischer Sprache auf Laurenz ein, der aber nach einigen Worten den Kanzler mit einer Handbewegung zum Schweigen brachte.
„Gut, Ritter Wanfried. Beantworte mir dies: Wieso sollte ich den Zorn des Kaisers riskieren, indem ich Euch und Euren Männern freies Geleit durch die Peltamark gewähre?“, fragte er dann den rethanischen Ritter. Dieser schüttelte den Kopf und schnaubte vor Verbitterung.
„Euer Gnaden, wenn Ihr diese Frage stellt, kennt Ihr das Kaiserreich nicht oder habt es nicht verstanden.“, sagte er und blickte dann auf, Laurenz direkt in die Augen. „Der Kaiser richtet seinen Zorn nicht auf einzelne Länder. Der Blick des Kaisers liegt auf jedem freien Land dieser Welt. Der kaiserliche Frieden, wie seine Soldaten es nennen, soll in jedes Land getragen werden. Doch dies geschieht mit Eisen und Feuer, mit dunklen Mächten aus ältesten Tagen, denen sich kein Mensch entgegenstellen kann.“, fuhr er fort. Er atmete kurz durch. „Wenn wir den Kampf gegen das Kaiserreich nicht gewinnen, Euer Gnaden, so bin ich mir sicher, dass Ihr der letzte Erzherzog in der Geschichte der Peltamark sein werdet.“
Laurenz lauschte interessiert, zeigte aber außer einem leichten, verständnisvollen Nicken keine Reaktion. Er lehnte sich zurück und schien zu überlegen. Dann wandte er sich an Arnold.
„Was meinst du, Seneschall?“, fragte er absichtlich in der gemeinen Sprache, die auch Narthas und Wanfried verstehen konnten.
„Ich habe das Heer des Urben gesehen.“, antwortete Arnold erst ausweichend. „Es ist furchterregend, aber wir könnten sie aufhalten. Allerdings habe ich auch Geschichten über die Armeen des Kaisers gehört. Sie würden die Peltamark zerquetschen.“
Laurenz nickte und wandte sich dann an Karel. „Was meinst du, Karel?“
„Dein Vater war stets in erster Schlachtlinie gegen die Urben.“, begann der alte Mann zu sprechen. „Aber es scheint, dass sich die Zeiten fürwahr wandeln, wenn die Reiter der Steppe bereits unter königlichen Bannern reiten.“ Dann wandte er sich etwas ab und blicke zu einem Wappen der Peltamark, das an der Wand hing. „Wir sind ein kleines Land voller tapferer Leute. Ich würde gerne mehr erfahren, über das Kaiserreich und seine Kräfte, bevor ich eine solche Entscheidung treffe. Allerdings habe ich schon genug, gehört, um die Aussagen des Ritters nicht als falsch abzutun. Außerdem scheinen wir nicht viel Zeit für die Entscheidung zu haben. Wir hatten seit langem keinen Ärger mehr mit Kargat. Wieso also sollten wir einen Konflikt mit Valorien suchen?“
Laurenz nickte den beiden Männern dankend zu. Er faltete die Hände auf der Brust, zurückgelehnt, und schien zu überlegen. Wanfried wartete in Ruhe, spürte aber, dass Narthas ungeduldig wurde. Das Verhandlungszimmer war eben nicht das natürliche Terrain des Urben. Auch der Freiherr von Tulheim fühlte sich in der Wildnis oder der Schlacht wohler, aber er verstand die Notwendigkeiten solcher Winkelzüge. Schließlich lehnte sich der Erzherzog nach vorne.
„Also gut.“, sagte er und blickte dann zuerst zu Narthas. „Dein Volk gab uns nie Grund, euch zu vertrauen. Doch dies möchte ich heute ändern. Allerdings könntet ihr mir beweisen, dass Vertrauen gerechtfertigt ist. Das Herzogtum von Herzog Arnold liegt im Nordosten der Peltamark, direkt an der Steppe. Er wird seit einigen Monaten immer wieder von einem kleineren Stamm der Urben heimgesucht. Kümmert euch darum, dann sollt ihr ohne Harm durch die Peltamark reiten, und dabei so gut es geht versorgt werden.“, bot der Erzherzog an. Narthas wollte gerade protestieren, wurde aber von Laurenz unterbrochen. „Außerdem werde ich die Zeit nutzen, mehr über das Kaiserreich in Erfahrung zu bringen und meine Herzöge konsultieren. Wenn wir feststellen, dass das Kaiserreich, wie ihr sagtet, eine Gefahr für die Peltamark darstellt, werde ich meinen Rittern freistellen, im Namen von Adenur an eurer Seite in den Krieg zu ziehen.“
Narthas verzog noch immer zornig das Gesicht. Er war kein dahergelaufener Söldner, den man einfach irgendwo hinschicken konnte, um ein paar Banditen zu eliminieren. Aber er spürte, dass Wanfried ihn am Arm fasste und zurückzog. Der Ritter schaute den Khan ernst an. Der Rethaner schien zu erkennen, wie viele Möglichkeiten dieses Angebot barg.
„Wir haben genügend Zeit?“, fragte Wanfried Narthas leise. Narthas atmete etwas ruhiger und nickte dann. „Ja.“
Dann wandte sich der Ritter an Herzog Karel. „Wie groß ist dieser Urbenstamm?“
„Vielleicht einhundert Männer. Aber bis ich eine größere Streitmacht gesammelt haben, sind sie stets wieder geflohen.“
Erneut blickte Wanfried zu Narthas, der schließlich nickte, und sich an Laurenz wandte. „Wir kümmern uns darum. Danach werden wir mit Freuden durch dein Land reiten. Und wenn sich eure metallbekleideten Ritter mit meinen Reitern Schritt halten können, dürfen sie gerne einen Teil des Kampfes haben. In Kargat gibt es genügend Feinde für uns alle.“
Laurenz lächelte herzlich. „Wunderbar. Dann seid heute Abend meine Gäste und genießt die besten Speisen von Tarvestdamm.“
Mit einem kräftigen Stich trieb Narthas seinen Säbel in die Brust des am Boden liegenden Mannes und beendete sein Leid. Er blickte in das Gesicht des jungen Urben. Eine Schande eigentlich. Aber sie hatten ihr Ende selbst gewählt. Dann blickte der Khan über das Schlachtfeld.
Narthas hatte ihnen angeboten, sich zu ergeben, als er mit seinen Reitern den Stamm umzingelt hatte. Doch der Khan der Feinde hatte sich für einen ehrenhaften Tod entschieden. Diesen hatte ihm Narthas gerne geschenkt. Die fast dreihundert Reiter, die er von der Hauptstreitmacht abgezogen hatte, waren dafür mehr als genug gewesen. Wieder einmal hatte er bewiesen, dass die Urben unter Herzog Celan keinesfalls an Kampfkraft und –willen eingebüßt hatten. Stattdessen hatten sie die traditionelle Kampfweise der Urben mit der Stärke der tandorischen Reiterei kombiniert. Der Ausgang war schon vor der Schlacht klar gewesen.
„Vater. Ungefähr vierzig Mann haben die Waffen niederlegt. Sie sind weitestgehend unverletzt.“, sagte Lokran, als er auf seinen Vater zuging. „Was sollen wir mit ihnen tun?“
„Sie dürfen mit uns reiten, wenn sie das wollen. Wenn nicht, dann übergebt sie ihren Ahnen.“
„Sehr wohl, mein Khan.“, sagte Lokran und lief dann zu den Gefangenen hinüber, während Narthas auf dem Schlachtfeld nach Herzog Arnold suchte. Der Seneschall hatte sie mit einem Dutzend Ritter begleitet, um ihnen bei der Suche zu helfen. Und um sie zu bewachen, so vermutete Narthas zumindest. Er fand den Herzog am Rand des Schlachtfeldes. Die Spuren auf seiner glänzenden Rüstung ließen allerdings erkennen, dass Arnold sich keinesfalls aus der Schlacht zurückgehalten hatte.
„Wir haben unseren Teil der Abmachung erfüllt.“, stellte Narthas trocken fest.
„Ja, das habt ihr.“
„Also?“, fragte er herausfordernd nach.
Arnold grinste. „Wenn mir jemand vor einigen Monaten gesagt hätte, dass ich auf der selben Seite wie ein Urbe kämpfen würde, hätte ich es nicht geglaubt.“, sagte er. „Ich habe heute Morgen eine Nachricht aus Tarvestdamm erhalten. Der Erzherzog hat einen Erlass ausgestellt, dass sich jeder Ritter eurem Feldzug anschließen darf. Die Kirche hat das Kaiserreich zu Ketzern und Feinde von Adenur erklärt.“