Kitabı oku: «Eine Falle für Null», sayfa 6

Yazı tipi:

Maya bitte”, drängte er. “Das ist mir wichtig. Ich verspreche dir, ich schwöre, es ist kein Einsatz oder etwas Gefährliches. Ich muss nur mit jemandem sprechen. Allein.”

Die Nasenflügel seiner Tochter blähten sich auf. Ihr gefiel das überhaupt nicht. Noch schlimmer, sie glaubte ihm nicht wirklich. “Und was sage ich Sara?”

Reid hatte schon darüber nachgedacht. “Sag ihr, dass es ein Problem mit meiner Kreditkarte gab. Jemand zu Hause hat versucht, sie zu benutzen und ich muss mich darum kümmern, damit wir nicht die Skihütte verlassen müssen. Sag ihr, dass ich draußen bin, Anrufe tätige.”

“Ach so, jaaaa”, gab Maya höhnisch zurück. “Du willst, dass ich sie anlüge.”

“Maya…” Reid stöhnte. Sara käme gleich aus der Toilette. “Ich verspreche dir, dass ich euch hinterher alles erkläre, doch jetzt habe ich gerade nicht die Zeit dafür. Bitte, geh da rein, setz dich und schau dir den Film mit ihr an. Ich komme zurück, bevor er vorbei ist.”

“In Ordnung”, stimmte sie widerwillig zu. “Aber ich will eine vollständige Erklärung, wenn du wieder da bist.”

“Die kriegst du”, versprach er. “Und geht nicht aus dem Raum.” Er küsste sie auf die Stirn und eilte hinfort, bevor Sara aus dem WC kam.

Es fühlte sich fürchterlich an, seine Töchter schon wieder anzulügen – oder zumindest die Wahrheit vor ihnen zu verschweigen, was so ziemlich das Gleiche war wie eine Lüge, wie Sara so clever die Nacht zuvor festgestellt hatte.

Wird es immer so sein? Fragte er sich, als er aus dem Museum eilte. Wird es jemals einen Zeitpunkt geben, an dem Wahrheit wirklich die beste Strategie ist?

Er hatte nicht nur Sara angelogen. Er hatte auch Maya angelogen. Er hatte keinen Termin. Er wusste, wo sich Dr. Guyers Praxis befand (ganz in der Nähe des schweizer Nationalmuseums, was Reid schon mit in seinen Plan einbezogen hatte), und durch einen anonymen Anruf wusste er, dass der Doktor heute dort war, doch er hatte weder seinen Namen genannt noch einen Termin vereinbart. Er wusste gar nicht, wer dieser Typ Guyer war, außer, dass es sich um den Mann handelte, der vor zwei Jahren den Gedächtnishemmer in Kent Steeles Kopf eingepflanzt hatte. Reidigger hatte dem Arzt vertraut, doch das bedeutete nicht, dass Guyer nicht mit der Agentur verknüpft war. Oder noch schlimmer, sie könnten ihn beobachten.

Was, wenn sie über den Arzt Bescheid wüssten? sorgte er sich. Was, wenn sie ihn die ganze Zeit bespitzelt hätten?

Es war zu spät, um sich darüber noch den Kopf zu zerbrechen. Sein Plan war einfach, dort hinzugehen, den Mann zu treffen und herauszufinden, was man wegen Reids Gedächtnisverlust tun könnte, falls überhaupt irgendetwas möglich wäre. Sehe es als eine Beratung an, witzelte er zu sich selbst als er flink die Löwenstraße hinunterlief, parallel zum Limmat und auf die Adresse zu, die er im Internet gefunden hatte. Es blieben ihm etwa zwei Stunden, bis der Dokumentarfilm im Museum vorbei war. Eine Menge Zeit, das dachte er zumindest.

Dr. Guyers neurochirurgische Praxis befand sich in einem weiten, vierstöckigen, professionellen Gebäude direkt neben einer Hauptstraße und gegenüber eines Hofes einer Kathedrale. Seine mittelalterliche Architektur war ganz anders als die langweiligen amerikanischen Ärztehäuser, die er kannte. Es war schöner als die meisten Hotels, in denen Reid sich aufgehalten hatte.

Er ging die Treppen zum dritten Stockwerk hinauf und fand eine Eichentür mit einem Klopfer aus Bronze. Der Name GUYER war auf ein Messingschild graviert. Er hielt einen Moment inne, war sich nicht sicher, was sich auf der anderen Seite befände. Er war sich nicht einmal sicher, ob es gewöhnlich für Neurochirurgen war, Privatpraxen in teuren Gebäuden der Altstadt von Zürich zu haben – doch er konnte sich ebenfalls nicht daran erinnern, jemals zuvor einen aufsuchen gemusst zu haben.

Er drehte am Türknopf, er war nicht abgeschlossen.

Der Geschmack und Reichtum des schweizer Arztes waren sofort erkennbar. Die Gemälde an den Wänden waren hauptsächlich impressionistisch; es waren farbige, offene Komposition in kunstvollen Rahmen, die aussahen, als kosteten sie so viel wie einige Autos. Der van Gogh war definitiv ein Druck, doch wenn er sich nicht irrte, so war die schlaksige Skulptur in der Ecke ein Original von Giacometti.

Ich wüsste das nicht mal, wenn es Kate nicht gegeben hätte, dachte er und bestärkte seinen Grund, hier zu sein, als er den kleinen Raum durchschritt und auf einen Schreibtisch am anderen Ende zuging.

Zwei Dinge fielen ihm sofort auf der anderen Seite der Rezeption auf. Das erste davon war der Schreibtisch an sich, der aus einem einzigen, irregulär geformten Stück Palisander mit dunklen, wirbelnden Mustern in der Maserung geschnitten war. Rosenholz, bemerkte er. Der Schreibtisch kostet mindestens sechstausend Dollar.

Er lehnte es ab, sich von den Kunstwerken oder dem Schreibtisch beeindrucken zu lassen – doch die Frau dahinter war eine andere Angelegenheit. Sie blickte Reid gerade an, zog dabei eine perfekte Augenbraue hoch und trug ein Lächeln auf ihrem Schmollmund. Ihr blondes Haar umrahmte die Kontur eines exquisit geformten Gesichts mit Porzellanhaut. Ihre Augen schienen zu leuchtend blau, um echt zu sein.

“Guten Tag”, sagte sie in englisch mit einem leichten schweizerdeutschen Akzent. “Bitte setzen Sie sich, Agent Null.”

Kapitel neun

Reids Kampf-oder-Flucht-Instinkt ergriff ihn sofort, als er die Worte der Rezeptionistin vernahm. Da es ihm klar war, dass er diese Frau nicht bekämpfen würde – ziemlich klar, zumindest – entschied er sich zur Flucht. Doch auf halbem Wege zur Tür hörte er ein lautes Klicken.

Der Türknauf rasselte, doch bewegte sich nicht.

Er drehte sich um und sah die Hand der Frau unter ihrem teuren Schreibtisch. Es muss einen Knopf geben. Einen Fernverschlussmechanismus.

Dies ist eine Falle.

“Lassen Sie mich raus”, warnte er. “Sie wissen nicht, wozu ich fähig bin.”

“Das weiß ich,” antwortete sie. “Und ich versichere Ihnen, dass Sie nicht in Gefahr sind. Möchten Sie etwas Tee?” Ihr Ton klang beruhigend, als ob sie es mit einem Schizophrenen zu tun hätte, der seine Medizin nicht eingenommen hatte.

Ihm fehlten fast die Worte. “Tee? Nein, ich will keinen Tee. Ich will gehen.” Er rammte seine Schulter gegen die schwere Tür, doch sie bewegte sich nicht.

“Das wird nicht funktionieren”, erklärte ihm die Frau. “Bitte verletzen Sie sich nicht.”

Er drehte sich wieder zu ihr um. Sie war von ihrem Schreibtisch aufgestanden und hielt ihre Arme in einer nicht bedrohlichen Geste vor sich. Doch sie hat dich hier eingeschlossen, erinnerte er sich. Also wirst du diese Frau vielleicht doch bekämpfen.

“Mein Name ist Alina Guyer”, fuhr sie fort. “Erinnern Sie sich an mich?”

Guyer? Doch Reidiggers Brief hatte ausgedrückt, dass der Doktor männlich war. Außerdem war sich Reid ziemlich sicher, dass er ein solches Gesicht nicht vergäße. Sie war absolut atemberaubend.

“Nein”, erwiderte er. “Ich erinnere mich nicht an Sie. Ich erinnere mich nicht, jemals hier gewesen zu sein und es war ein Fehler, hierherzukommen. Wenn Sie mich nicht rauslassen, dann werden schlimme Dinge geschehen…”

“Mein Gott”, sagte eine gedämpfte, männliche Stimme. “Sie sind es.”

Reid erhob sofort die Fäuste, als er sich der neuen Bedrohung zuwandte.

Der Arzt – vermutlich war er es, da er einen weißen Kittel trug – stand im Türrahmen links neben dem Rosenholz Schreibtisch. Er musste Ende fünfzig, vielleicht auch Anfang sechzig sein, doch seine grünen Augen waren kühn und scharf. Sein komplett weißes Haar war sauber geschnitten und perfekt frisiert. Seine Krawatte, bemerkte Reid, war von Ermenegildo Zegna, doch er war sich nicht sicher, woher er das wusste.

Am Wichtigsten jedoch war, dass der Arzt komplett überwältigt von Reids Anwesenheit erschien.

“Dr. Guyer, nehme ich an?” sagte er atemlos.

“Ich dachte immer, dass sie vielleicht zurückkämen”, antwortete der Arzt und ein freudiges Lächeln breitete sich dabei auf seinem Gesicht aus. Er hatte einen ähnlichen schweizerdeutschen Akzent wie seine Rezeptionisten, an die er sich wandte, um sie zu bitten: “Alina, Schatz, bitte sage meine Termine ab. Auch keine Telefonate. Halte die Tür verschlossen. Wir haben heute geschlossen.”

“Natürlich”, gab Alina zurück, während sie wieder langsam auf ihren Stuhl sank und ihre Augen, die einem See ähnlich waren, auf Reid gerichtet hielt.

“Kommen Sie!” Guyer winkte Reid zu, ihm zu folgen. “Bitte, kommen Sie. Ich verspreche Ihnen, dass Sie hier unter Freunden sind.”

Reid zögerte. “Sie verstehen, dass ich vielleicht ein wenig misstrauisch bin.”

Guyer nickte sichtbar. “Ich verstehe, dass wir eine Menge zu besprechen haben.” Er drehte sich um und verschwand im Zimmer hinter dem Türrahmen.

Das hier fühlte sich falsch an. Er hatte ein ferngesteuertes Türschloss, es gab keine anwesenden Patienten und ein kleines Vermögen an Mobiliar. Doch er wollte Antworten, weshalb Reid seinen Instinkt ignorierte und dem Arzt folgte.

Bevor er durch die Tür trat, blickte die Rezeptionisten – von der Reid annahm, dass sie Guyers Gattin war – mit einem dünnen Lächeln zu ihm auf und fragte: “Und der Tee?”

“Vielleicht etwas Stärkeres, falls Sie was da haben”, murmelte Reid.

An den Wänden von Guyers Praxis hing sowohl eine beeindruckende Zahl von gerahmten Zertifizierungen und Diplomen als auch eine Sammlung von verschiedenen Reisen und Erfolgen. Doch Reid widmete ihnen kaum Aufmerksamkeit. Es war ihm egal, was dieser Arzt getan hatte, abgesehen von der einzelnen Prozedur, die Guyer an seinem Kopf vorgenommen hatte.

Der Arzt zog eine Schublade in seinem Schreibtisch auf und nahm ein Notizbuch und einen Stift heraus. Anschließend setzte er sich schwer auf seinen Stuhl und strahlte Reid an, als sei er sein Weihnachtsgeschenk.

“Bitte”, sagte er. “Setzen Sie sich, Agent Null.” Guyer seufzte. “Ich habe immer vermutet, dass sie womöglich hierher zurückkämen. Ich wusste nur nicht wann. Ich nahm an, dass das Implantat letztendlich aufhörte, zu funktionieren – falls Sie überleben sollten – doch nur zwei Jahre? Das ist einfach keine gute Handarbeit.” Er kicherte, als hätte er einen Witz gemacht. “Jetzt da Sie hier sind, habe ich tausend Fragen. Doch leider weiß ich nicht, wo ich anfangen soll.”

Reid setzte sich auf einen Stuhl vor Guyers Schreibtisch, doch war weiter vorsichtig und behielt ein Auge auf die Tür hinter ihm. Er blickte auf seine Uhr und sah eine SMS von Maya: Sara hat mir geglaubt. Du bist besser wieder hier, bevor der Film vorbei ist.

OK, dachte er. Egal, was hier geschah, er konnte nicht vergessen, dass er nur wenig Zeit hatte. “Ich weiß, wo wir anfangen”, erwiderte Reid. “Was meinen Sie, wenn Sie sagen, dass das Implantat letztendlich aufhören würde, zu funktionieren?”

“Sie wissen, woher diese Technologie stammt, ja?” fragte der Arzt.

Reid wusste es. Alan Reidigger hatte sie von der CIA gestohlen. Der exzentrische Technologie Ingenieur Bixby war sogar einer der Miterfinder des Gedächtnishemmers. “Ja”, antwortete er.

“Nun, Ihr Freund, Herr Reidigger, bot mir einen Deal an”, fuhr Guyer fort. “Er brachte mir nicht nur den Gedächtnishemmer, sondern auch das Schema, auf dem er aufgebaut war, damit ich versuchen könnte, die Technologie zu kopieren. Während ich ihn jedoch erforschte, sah ich den Designfehler. Es war schließlich nur ein Prototyp. Ich nahm an, dass er nach fünf oder sechs Jahren begänne, zu versagen.”

“Begänne, zu versagen?” wiederholte Reid. “Also kämen diese Erinnerungen letztendlich so oder so wieder?”

“Nun… ja”, gab der Arzt gerade zurück. “Darum sind Sie doch hier, oder? Sie haben begonnen, sich an die unterdrückten Erinnerungen zu erinnern?”

“Nicht wirklich. Iranische Terroristen haben mit das Implantat aus dem Kopf gerissen.”

Dr. Guyers Ausdruck rutschte ihm vom Gesicht. “Oh”, sagte er empathisch, “das ist aber sehr bedauerlich. Sie armer Mann… ihr Gehirn muss ein komplettes Chaos sein.”

“Das ist es. Danke”, antwortete Reid. “Was ist mit dem anderen Teil? Sie sagten,falls ich überlebte’. Was soll das bedeuten?”

Guyer blickte auf seinen Schreibtisch, als gäbe es da etwas sehr Interessantes. “Ich glaube, diese Frage könnte Ihr Kollege, Herr Reidigger, besser beantworten.”

“Der kann sie nicht beantworten”, erklärte ihm Reid. “Er ist tot.”

Guyer schien sehr betroffen von der Nachricht. Er faltete seine Hände andächtig auf dem Schreibtisch und runzelte die Stirn, was ihn gleich mehrere Jahre älter aussehen ließ. “Es tut mir sehr leid, das zu hören”, gab er leise von sich. “Er schien, ein guter Mann zu sein. Er bemühte sich sehr darum, einem Freund zu helfen.”

“Das mag sein, doch er ist nicht hier”, antwortete Reid einfach. “Ich schon. Und Sie haben meine Frage nicht beantwortet.

Der Arzt nickte. “Ja. Nun. Das ist keine einfache Antwort. Möglicherweise möchten Sie sie nicht hören…”

“Probieren Sie es aus.”

Guyer seufzte. “Sie und Herr Reidigger wollten Ihre Erinnerungen unterdrücken, damit Sie Ihr Leben mit Ihrer Familie verbringen könnten, glücklich und unbehelligt von den Schwierigkeiten, die Sie erlebt hatten. Doch Sie beide dachten, dass Ihre Agentur Sie letztendlich fände und… und Sie still stellen würde.”

Was? Reid konnte nicht glauben, was er da hörte. Die ganze Zeit über hatte er gedacht, dass der Sinn des Gedächtnishemmers darin bestand, es ihm zu ermöglichen, zu einem normalen Leben zurückzukehren, entfernt von der CIA und allem, das damit zusammenhing. “Sie meinen, dass ich wusste oder glaubte, dass man mich töten wollte? Und Sie haben dennoch zugestimmt, das zu tun?”

“Richtig, Agent Null.”

Reid schüttelte seinen Kopf. Warum würde ich das tun? Warum würde ich alles entfernen, das mir die Möglichkeit gäbe, zu überleben? Es fühlte sich an, als hätte er sich zu einer Art Sterbeklinik der Erinnerungen verdammt. Er hätte sich niemals vorgestellt, das jemals zu denken, doch der Einbruch der Iraner in sein Zuhause an jener Nacht im Februar schien ihm plötzlich willkommen. Ohne sie hätte er sich niemals an seine schmutzige Vergangenheit erinnert oder an die Wahrheit über den Tod seiner Frau oder jegliches, was die Verschwörung betraf…

Dann wusste er es. Das war genau der Grund, warum er es tat – damit er die Zeit, die ihm blieb, nicht mit tiefen Geheimnissen und Lügen verbringen müsste. Alles, was er wusste, alles, was er mit seinen Töchtern geteilt hatte und alles, was er immer noch vor ihnen verbarg, fühlte sich an, als ob es ihn langsam auffräße. Hätte er wirklich geglaubt, dass die Agentur ihn letztendlich sowieso umbrächte, dann hätte ihm der Gedächtnishemmer erlaubt, seine letzten Tage ohne das Gewicht seiner Vergangenheit auf seinen Schultern zu verbringen.

“Ich kann Ihnen nicht Ihre persönlichen Motive erklären, Agent Null”, sagte Guyer. “Doch Sie haben all dem zugestimmt. Ich habe es auf Video aufgezeichnet.” Er hielt einen Moment inne, bevor er fragte: “Wollen Sie es sehen?”

Reid zögerte. “Ja”, sagte er schließlich. “Ich glaube schon.”

Dr. Guyer stand auf und gleichzeitig blitzte eine neue Erinnerung in Reids Gedächtnis auf.

Du saßt in diesem Büro. In demselben Stuhl.

Neben dir ist ein freundliches Gesicht mit einem jungenhaften Lächeln, das dunkle Haar ordentlich gekämmt. Alan Reidigger.

Guyer sitzt hinter dem Schreibtisch mit einer Videokamera.

Reidigger nickt dir einmal versichernd zu.

“Mein Name ist Kent Steele”, beginnst du. “Mit diesem Video möchte ich bestätigen, dass ich einer experimentellen neurochirurgischen Prozedur zustimme, die von Dr. Edgar Guyer durchgeführt wird…”

Reid schüttelte seinen Kopf. “Vergessen Sie es”, hielt er Guyer auf. “Ich brauche das Video nicht.”

Der Arzt, der immer noch hinter seinem Schreibtisch stand, blickte Reid mit weit geöffneten, aufmerksamen Augen an. “Es ist gerade eben geschehen, stimmt’s? Eine Erinnerung kehrte zurück?”

“Ja.”

“Unglaublich”, hauchte Guyer. “Sagen Sie mir, was hat das ausgelöst?”

“Äh… eine Kombination von Dingen, glaube ich”, erklärte Reid. “Das Wort,Video’. Hier, in diesem Büro zu sein, Sie zu sehen.”

“Sagen Sie mir, welche anderen Auslöser haben Sie erfahren?” Guyer sank zurück in seinen Stuhl und ergriff seinen Stift.

“Normalerweise sind es Dinge, die ich höre”, fuhr Reid fort. “Doch das allein reicht nicht immer aus. Es ist eine Kombination von Dingen – an einem bestimmten Ort zu sein, etwas zu hören, manchmal sogar ein Geruch…”

Guyer kritzelte wild in sein Notizbuch, während er fragte: “Also ist es nicht nur ein Sinneseindruck, der Erinnerungen wieder holt? Visueller oder akustischer Impuls alleine reicht nicht aus… faszinierend. Können Sie mir ein Beispiel nennen?”

Reid seufzt. “Natürlich. Äh… OK, vor ein paar Monaten war ich in Frankreich, in einem Teil von Paris, von dem ich dachte, ich hätte ihn nie zuvor gesehen. Ich roch eine Bäckerei und sah ein Straßenschild und plötzlich wusste ich, dass ich an dieser genauen Ecke schon zuvor gewesen war, und ich wusste genau, wohin ich gehen musste. Nun, meine Füße wussten, wohin sie mussten. In meinem Kopf erlebte ich alles, als ob es ganz neu wäre. Man könnte vielleicht sagen, dass es die frustrierendste Version von Déjà-vu ist, die man sich vorstellen könnte.”

“A-haaa”, murmelte Guyer, während er Notizen machte. “Wie sieht es mit Fähigkeiten aus?”

“Fähigkeiten?” frage Reid.

“Als Agent hatten Sie Kampftraining, Flugtraining, Notfallintervention…”

“Oh, klar. Ja, einiges davon ist zurückgekommen”, erzählte ihm Reid. “Das ist wahrscheinlich das Verwirrendste für mich. Vor zwei Monaten konnte ich weder arabisch noch russisch, französisch oder slowakisch sprechen… doch wenn sich jemand mit mir in einer Sprache unterhält, die ich kenne, dann kommt alles auf einmal wieder, als ob es aufgeschlüsselt wäre. Plötzlich kann ich die Sprache so gut sprechen, wie ich mich jetzt mit Ihnen unterhalte. Dasselbe gilt für einen Kampf oder sogar das Fliegen. Es fühlt sich an, als ob die Vertrautheit eines Instinkts sich einschalte und alles strömt plötzlich wieder zu mir.”

“Das klingt sehr vielversprechend”, sagte Guyer, ohne dabei aufzublicken.

“Warum?”

Der Arzt legte seinen Stift nieder. “Sehen Sie, Agent Null —”

“Können Sie bitte aufhören, mich so zu nennen?” unterbrach ihn Reid. Aus irgendeinem Grund ging es ihm auf die Nerven, dass man ihn bei seinem CIA Namen nannte. “Nennen Sie mich bitte Reid.”

“Selbstverständlich, Reid. Diese Prozedur war extrem komplex. Um sie durchzuführen, brauchte es achtzehn Stunden, denn es ging um viel mehr, als nur Erinnerungen zu hemmen. Denn was sind schon Fähigkeiten, wenn nicht Können, das man durch Wiederholung erlernt hat? Und Wiederholung basiert auf Erinnerung. Selbst unser grundlegendstes Können ist auf unbewusste Erinnerung angewiesen – gehen, sprechen, schreiben und so weiter. Ich kann Ihnen gar nicht erklären, wie schwierig es war, Ihr Wissen darüber, wie man eine Waffe bedient, zu unterdrücken, ohne dabei aus Versehen auch Ihre Fähigkeit, einen Stift zu halten, zu beeinträchtigen. Ihre Fähigkeit, ein Flugzeug zu fliegen, zu hemmen, ohne, dass Sie dabei gleichzeitig vergessen, wie man ein Auto fährt…”

“Und ich stelle mir vor, dass Sie nicht wissen, wie es sich anfühlt, sich in ein Cockpit zu setzen und plötzlich zu wissen, wie man ein Flugzeug fliegt”, sinnierte Reid.

Der Arzt sah ihn ernst an. “Verwirrend und gleichzeitig spannend, nehme ich an.”

Reid schnaubte – doch er musste zugeben, dass es zeitweise schon sehr spannend war.

“Wie auch immer”, fuhr Guyer fort, “die Erinnerung an Ihre Fähigkeit ist vielversprechend, denn es ist nicht nur eine einzige Erinnerung, die eine Fähigkeit lernt, doch Ihr Gehirn hat einen Weg, um diese Daten zuzuordnen, sozusagen. Sie erinnern sich vielleicht beispielsweise nicht genau daran, wo Sie waren oder was Sie taten, als Sie das Wort bonjour lernten, doch Ihr Gehirn – der präfrontale Kortex, der mit dem Hippocampus und dem Temporallappen zusammenarbeitet – hat diese Information zusammen mit dem Rest Ihres Wissens der französischen Sprache,gebündelt’, und es scheint, als ob das Wiedererlangen eines jeglichen Teils alles komplett wieder für Sie öffnet. Macht das Sinn?”

“Ich glaube schon”, nickte Reid und folgte dem Meisten, das der Arzt ihm erklärte. “Doch warum funktioniert es dann nicht so mit anderen Erinnerungen? Wenn ich mich an etwas über eine bestimmte Person erinnere, warum kann ich mich dann nicht an alles über sie erinnern?”

“Das kann ich zwar nicht mit Gewissheit erklären, doch ich stelle mir vor, dass es etwas damit zu tun hat, wie unsere Gehirne Erinnerungen verarbeiten”, erklärte ihm Guyer. “Der Gedächtnishemmer funktioniert, indem er das limbische System beeinträchtigt. Der Mandelkern, der zu diesem System gehört, spielt eine große Rolle bei der Verarbeitung von emotionalen Reaktionen und sozialem Verhalten. Verstehen Sie, wir verbinden normalerweise nur ein paar wesentliche Erinnerungen mit einer bestimmten Person oder sogar einem Ort. Um sich an mehr als das zu erinnern, braucht es… naja, wir müssen zuerst darüber nachdenken.”

Reid seufzte schwer. Alles, was der Arzt sagte, ergab irgendwie Sinn, doch eigentlich war er nur hierhergekommen, weil er eine Antwort auf eine Frage brauchte.

“Dr. Guyer”, sagte er, “während all dies zwar sehr interessant ist, kann ich dennoch nicht weiter so leben. Es gibt Fragen in meinem Gehirn, die ich nicht beantworten kann. Deshalb muss ich wissen: kann man das wieder rückgängig machen? Kann meine Erinnerung wieder hergestellt werden?”

Der Arzt war einen langen Moment still, stützte seine Fingerkuppen auf dem Schreibtisch ab. “Sind Sie sich sicher”, fragte er, “dass Sie das wollen? Sie haben diese Erinnerungen aus einem Grund unterdrückt.”

“Ja”, antwortete Reid. “Ich bin mir sicher.” Die Vergangenheit war auf mehr als einem Wege zurückgekehrt, um ihn zu verfolgen und er konnte nicht mit Halbwahrheiten weiterleben.

Guyer stand von seinem Schreibtisch auf. “Kommen Sie bitte mit mir.” Er führte Reid wortlos aus seinem Büro, den Flur entlang in einen breiten, weißen Raum mit schwacher, blauer Beleuchtung, der mit einer Palette von medizinischen Hightechapparaten gefüllt war. Reid erkannte eine Röntgenmaschine, einen Kernspintomographen und einen Ultraschallgenerator. Es standen Monitore und Computer herum und vorsichtig angerichtete Flächen mit glänzenden, blitzblanken chirurgischen Instrumenten, deren Zweck Reid nur erraten konnte.

Der Arzt lenkte seine Aufmerksamkeit auf eine große Maschine in der Ecke des Zimmers. Sie ähnelte irgendwie einer Mischung aus MRT-Gerät und einer Sonnenbank. Es war eine große, weiße, zylindrische Kammer mit einer runden Öffnung in der Mitte, wo sich eine schmale Liege befand. Gerade als Guyer beginnen wollte, sie zu erklären, vermutete Reid, dass diese Maschine nicht nur Bilder nahm.

“Nach Ihrer Prozedur”, erklärte Guyer, “habe ich die Schaltpläne von Alan Reidigger und die Technologie, die dem Gedächtnishemmer zugrunde liegt, erforscht, um ihn zu kopieren. Doch wie ich schon erwähnt hatte, gibt es Designfehler. Nach einigen Monaten wurde ich es mir klar, dass ich sie leider nicht reparieren konnte. Also habe ich meinen Schwerpunkt verändert und dies erfunden.”

Reid sagte nichts, doch er zog neugierig eine Augenbraue hoch und wunderte sich, wie die gestohlene CIA Technologie sich von einem Implantat von der Größe eines Reiskorns zu der riesigen Maschine vor ihm verändert hatte.

“Wie ich schon sagte, der Gedächtnishemmer funktioniert, indem er das limbische System beeinträchtigt”, fuhr Guyer fort. “Dazu gehören unter anderem der Hippocampus, der Mandelkern, der Epithalamus und der Hypothalamus. Er beeinträchtigt nicht die vier hauptsächlichen Hirnlappen, abgesehen von einem kleinen Teil des medialen Schläfenlappens, der mit episodischer Erinnerung in Verbindung steht. Das bedeutet, dass der Gedächtnishemmer nicht die Fähigkeit, neue Erinnerungen zu schaffen oder Kurzzeiterinnerungen in Langzeiterinnerungen zu verwandeln, beeinträchtigt.”

“Er beeinträchtigt nur, was man schon weiß”, bot Reid an. “Ich möchte Sie nicht beleidigen, Doktor, doch ich brauche die Wissenschaft dahinter nicht zu verstehen. Ich muss nur wissen, was die Maschine tun kann.”

“Selbstverständlich”, entschuldigte sich Guyer. “Im Grunde genommen habe ich die letzten dreizehn Monate damit verbracht, die Technologie des Gedächtnishemmers sozusagen umzukehren, damit der Apparat das limbische System auf eine Weise beeinflusst, die, um einen Laienausdruck zu verwenden, Erinnerungen,fördert’.”

Reid runzelte die Stirn. “Ich bin mir nicht sicher, dass ich Sie verstehe. Sie haben das hier für Leute gebaut, die den Gedächtnishemmer eingebaut bekamen?” Soweit er wusste, hatte es nur einen Gedächtnishemmer gegeben – und nur eine Person war unter seinem Einfluss gestanden.

“Oh, es ist viel mehr als nur das”, antwortete Guyer. “Sollte es so funktionieren, wie ich es mir erhoffe, dann könnte diese Maschine potentiell Patienten helfen, die aufgrund von Trauma, Langzeitgebrauch von Drogen, Amnesia und allem Möglichen an Gedächtnisverlust leiden.”

“Falls Sie die Wahrheit sagen, dann könnte das Tausenden helfen.” Reid hoffte, dass er recht hatte, das etwas Gutes aus den betrügerischen Absichten des Gedächtnishemmers hervorgehen könnte.

“Ja”, gab Guyer in einem gedämpften Tonfall von sich. “Dennoch ist es mein tiefstes Bedauern und meine größte Schande, diese Maschine täglich vor mir zu sehen und nichts damit anzustellen. Ich habe Angst, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, denn Ihre Agentur könnte die gestohlene Technologie erkennen. Sie könnten sie zu Ihnen zurückverfolgen.”

Reid schüttelte seinen Kopf. “Sie haben umsonst Monate damit verbracht, diese Maschine zu entwerfen und zu bauen?”

Der Arzt blickte weg und Reid verstand plötzlich.

“Nein… Sie haben sie gebaut, weil Sie glaubten, dass ich zurückkäme.” Er wollte es nicht glauben, doch der Ausdruck auf dem Gesicht des Arztes zeigte ihm, das es so war. Guyer war nicht nur um den Gedächtnishemmer und Reids Kopf besorgt, er war davon besessen. “Sie könnte Menschen helfen. Sie haben mir gegenüber keinerlei Verpflichtung. Sie müssen mich nicht beschützen.”

Guyer zog seine Stirn in tiefe Falten. “Doch, die habe ich, Agent – ich meine Reid. Verstehen Sie nicht? Ihr Gehirn ist die größte Leistung meiner Karriere. Ich verstehe, dass Ihr Leben negativ durch meine Arbeit beeinflusst wurde —”

“Das ist eine kleine Untertreibung”, murmelte Reid.

“Dennoch, was wir zusammen geschafft haben, war vor Ihnen unmöglich. Es ist der gemeinen modernen Welt immer noch unmöglich. Doch…” Guyers Augen glänzten. “Wenn wir Ihr Gedächtnis wiederherstellen können, dann wäre das ein komplett neues Wunder der modernen Wissenschaft. Und wenn Sie es mir erlauben, meine Maschine an Ihnen auszuprobieren, und wenn sie funktioniert – nun, dann bleibt mir moralisch gesehen keine andere Wahl, als sie der Öffentlichkeit bekannt zu geben.”

Reid strich sich über sein Kinn, während er sich die Maschine vor sich genauer ansah. Er war hierhergekommen, um Antworten zu erlangen, doch er hatte sicherlich keine brauchbare Lösung erwartet. Doch hier stand sie vor ihm, in der Form eines langen, weißen Zylinders vor seinen Augen.

“Wann?” fragte er.

“Jetzt.”

“Jetzt?” Reid zögerte. Er blickte auf seine Uhr. Er hatte immer noch reichlich Zeit, um zu den Mädchen zurückzukehren – und er war sich auch dessen bewusst, wie lächerlich es geklungen hätte, dem Arzt zu erwähnen, dass er keine Zeit hätte, wenn es darum ging, ein Problem zu lösen, das eine so ernste Auswirkung auf sein Leben und sein Wohlergehen hatte.

“Die ganze Prozedur würde weniger als eine Stunde dauern”, erklärte Guyer ruhig. “Doch ich kann verstehen, falls Sie Zweifel haben. Sie können darüber nachdenken, an einem anderen Tag zurückkehren, wenn Sie möchten.” Der Tonfall des Doktors machte es deutlich, dass er nicht wollte, dass Reid ging.

“Ich…” Wenn Reid ehrlich zu sich war, dann fühlte er sich extrem nervös – nicht wegen der Prozedur, sondern darüber, was es bedeuten könnte, sein komplettes Gedächtnis zurückzuerlangen. “Braucht es denn Genesungszeit nach der Behandlung?”

“Nein”, antwortete Guyer. “Sie ist nichtinvasiv, komplett sicher.”

“Wird es Nebeneffekte geben?”

“Das weiß ich nicht”, sagte Guyer ehrlich.

“Funktioniert sie unmittelbar? Werde ich mich sofort erinnern?”

“Das weiß ich nicht”, wiederholte der Arzt. “Wenn sie richtig funktioniert, dann sollten die Ergebnisse sich unmittelbar zeigen, genau wie beim Gedächtnishemmer. Doch dies ist ein komplett neues Feld, auch für mich. Meine Antworten auf Ihre Fragen können nur schätzungsweise sein, und ich zögere selbst dabei.”

Reid sah dem Arzt in die Augen, als er die wichtigste Frage stellte: “Kann ich Ihnen vertrauen?”

Guyer lächelte freundlich. “Ich nehme an, dass bei Ihrem Beruf und den Gedächtnisproblemen Misstrauen instinktiv auftritt. Selbst wenn ich ja sagte, würden Sie mich beim Wort nehmen?”

“Nein”, stimmte Reid zu. “Das täte ich nicht.”

Die Zeit des Nachdenkens war vorbei, wusste er. Er hatte sich selbst so oft gesagt, dass er es wissen musste, eine Lösung brauchte – und jetzt stand sie direkt vor ihm. Er hatte es satt, Ausreden zu finden.

“OK”, sagte er. “Fangen wir an.”

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Litres'teki yayın tarihi:
15 nisan 2020
Hacim:
411 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9781094310992
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