Kitabı oku: «Die Wassernixe», sayfa 4

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Viertes Kapitel.


Sey ruhig, denn der Preis, den ich dir schaffe, verdunkelt diesen Unfall –«
Der Sturm.

Des ungekannten Seemannes Aussehen, so wie seine kühne Weise und Rede, hatte auf die Passagiere der Pirogue bezeichnend gewirkt. Die schöne Barbérie amüsirten offenbar seine Spöttereien, dies verrieth das Schelmische in ihren Augenwinkeln, trotz der Zurückhaltung, welche sie wegen seiner Ungebundenheit als Schutzmittel annehmen zu müssen glaubte. Der Patroon studirte das Gesicht seiner Angebeteten; ihn verdrossen zwar die Freiheiten des ungebetenen Gastes, doch hielt er es für das Klügste, sie mit Duldung zu behandeln, als die natürlichen Ausbrüche eines erst kürzlich von der Eintönigkeit des Seelebens befreiten Geistes. Die auf dem Antlitz des Raths thronende Ruhe war ein klein wenig zum Wanken gebracht worden, allein es gelang ihm, seine Unzufriedenheit, um anzüglichen Bemerkungen zu entgehen, zu verbergen. So stellte sich denn auch bald, nachdem derjenige, welcher in der vorhergehenden Scene die Hauptrolle spielte, sich zurückzuziehn für gut gefunden hatte, die frühere Ruhe wieder ein, als wenn er gar nicht da gewesen wäre.

Die Pirogue, auf sinkender Fluth und vor einem wachsenden Lüftchen segelnd, hatte bald die kleineren Eilande in der Bai hinter sich, und den königlichen Kreuzer, die sogenannte Coquette, deutlicher im Gesicht. Das Schiff von zwanzig Kanonen lag in paralleler Linie mit dem Küstentheil der Insel Staaten, auf welchem das Dörfchen lag, wohin die Pirogue steuerte. Hier pflegten nämlich alle seewärtsgehenden Schiffe vor Anker zu gehen, um den rechten Wind abzuwarten; auch wurden sie hier, wie noch jetzt der Fall ist, jenen Untersuchungen und Verzögerungen ausgesetzt, die zur Sicherheit der Stadtbewohner dienen sollen. In diesem Augenblick übrigens war die Coquette das einzige Schiff auf dem Ankerplatz, denn vor hundert Jahren gehörte die Ankunft eines Kauffahrers aus einem entfernten Hafen noch nicht zu den Alltagsbegebenheiten.

Der Seeweg des Fährbootes brachte es innerhalb fünfzig Fuß von der Kriegsschaluppe, und im Verhältniß mit ihrem Herannahen stieg die neugierige Aufregung der am Bord Befindlichen.

Der Schiffer, in der Absicht, sich seinen Kundsleuten und Gehülfen willfährig zu zeigen, machte Miene, den dunkeln Planken des Kreuzers so nahe, als möglich, zu kommen. Dies bemerkte der Alderman, der polternd rief:

»Gebt Eurer Milchmagd mehr Spielraum! Alle Seen und Meere! ist Eure Yorker Bai nicht weit genug, daß Ihr den Kanonen des trägen Schiffes dort den Staub aus den Mäulern bürsten müßt! Wüßte die Königin, wie die Schlingel von Müßiggängern ihr Geld verfressen und versaufen, sie würde sie bald auf die Jagd schicken gegen die Freibeuter in den Inselgewässern. Richte den Blick auf das Land, Alida, mein Kind, so wird der Schrecken vergehen, welchen dir der dumme Maulaffe gemacht hat; der Prahlhans wollte nur zeigen, wie gut er steuern kann.«

Indessen war nichts von dem Schrecken, welchen der Onkel vertreiben wollte, an der Nichte zu bemerken. Im Gegentheil, statt blässer zu werden, überzog, im Verhältniß wie sich die Pirogue der Leeseite des Kreuzers näherte, eine tiefere Röthe ihre Wangen, und das schnellere Heben ihres Busens war ebenfalls schwerlich eine Aeußerung der Furcht. Diese Veränderung blieb unbemerkt, weil der nahe Anblick der schlanken Masten und des Taulabyrinths, welches den Passagieren fast über die Köpfe wegragte, Aller Aufmerksamkeit an sich gerissen hatte. Hundert neugierige Augen, einige über die oberen Stockwerke hinwegguckend, andere durch die Pfortgaten blinzelnd, waren schon auf sie gerichtet, als plötzlich ein Offizier, in der halben Uniform eines Seekapitäns jener Tage, sich in die höhere Takelage des Kreuzers hinaufschwang, und die Gesellschaft in der Pirogue mit einer eiligen Schwenkung des Hutes begrüßte, wie Jemand, der angenehm überrascht wird.

»Blauen Himmel und sanfte Lüfte Jedem und Allen!« schrie er in der biederherzigen Weise eines Seemanns. »Der schönen Alida meinen Handkuß; die besten Wünsche eines Matrosen dem Herrn Alderman; Herr Van Staats, Ihr ergebener Diener!«

»Ja, ja,« brummte der Bürger, »Ihr faulen Bursche wisset nichts Besseres zu thun, als uns mit Worten abzuspeisen, statt daß Ihr handeln solltet. Ein lässig betriebener Krieg und ein Feind weit vom Schusse machen Euch Seeleute zu Herren der Insel, Capitän Ludlow!«

Alida war nun vollends feuerroth; einen Augenblick zauderte sie, dann aber ließ sie mit einer halb unwillkührlichen Bewegung ihr Tuch wehen. Der junge Patroon erhob sich und erwiederte den Gruß durch eine höfliche Verbeugung. Jetzt war das Fährboot schon fast halb vor dem königlichen Schiffe vorbeigesegelt, und schon begann der mürrische Ausdruck aus dem Gesichte des Rathsherrn zu verschwinden, da sprang der Seemann vom Indischen Shawl auf, und stand im Nu wieder mitten unter der Gesellschaft.

»Ein hübsches Seeboot, und ein nettes Gehänge in der Höhe!« sagte er, und maß mit kennerischem Blicke das Tauwerk des Kreuzers, indem er zugleich mit demselben Gleichmuth, wie vorher, dem Schiffer die Ruderpinne aus der Hand nahm. »Ihre Majestät muß von einem solchen Renner nicht schlecht bedient werden, und der junge Kerl dort in der Takelage ist ohne Zweifel Mann genug, um aus seinem Fahrzeug so viel Vortheil zu ziehen, als nur immer möglich. Wollen's doch einmal beobachten. Hol' die Oberschotten weg, Bursch'.«

Beim Reden hatte der Fremde das Steuer in Lee gesetzt, und sein Befehl war noch nicht ganz ausgesprochen, so war das behende Boot bereits angeluvt und die Segel füllten sich auf der andern Seite. In der nächsten Minute schon liefen sie wieder an der Seite der Kriegsschaluppe entlang. Eben wollten der Alderman und der Schiffer zugleich in laute Beschwerden ausbrechen gegen dieses allzudreiste Eingreifen in die regelmäßige Leitung des Bootes, als der vom Indischen Shawl die Mütze lüftete und den noch in der Takelage befindlichen Offizier mit demselben großen Selbstvertrauen anredete, das er vorher in dem Gespräch mit seiner näheren Umgebung an den Tag gelegt hatte.

»Kann die Königin einen Mann in ihrer Flotte brauchen, der in seinem Leben mehr blaues Wasser als festes Land gesehen hat; oder gibt's in einem so schmucken Kreuzer keinen Raum mehr für Einen, der Hungers sterben muß, wenn er keine Seemannsdienste mehr thun kann?«

Der Nachkomme der Königsfeinde Ludlow, wie Lord Cornbury das Geschlecht des Befehlshabers der Coquette betitelte, war gleich sehr überrascht durch die äußere Erscheinung des Fragenden, wie durch die gleichgültige Miene, mit welcher ein gemeiner Matrose sich herausnahm, einen Offizier von seinem hohen Range anzureden. Er würde daher seinem Unwillen freien Lauf gelassen haben, wenn ihm nicht Gelegenheit gegeben worden wäre, sich zu erinnern, in wessen Gegenwart er spreche. Diese Gelegenheit gab ihm der Fremde, der, ehe noch Antwort erfolgte, das Steuer wieder leewärts gerichtet hatte und das Vordersegel back legen lassen, ein Manöver, das die Pirogue zum Stillstehen brachte.

»Ihre Majestät wird stets gern einen kühnen Seemann in ihren Sold nehmen, wenn er Geschicklichkeit und Diensttreue mitbringt; dies soll gleich bewiesen werden. Werft der Pirogue ein Tau zu! Unter der königlichen Flagge werden wir leichter Handels einig werden. Ich werde stolz darauf seyn, mittlerweile den Alderman van Beveront zu bewirthen, und ein Cutter steht ihm jeden Augenblick zu Befehl, sobald er es für gut findet, uns wieder zu verlassen.« »Glaubt mir, die landliebenden Herren Aldermänner wissen schon ihren Weg aus einem Kreuzer der Königin nach dem Ufer zu finden, leichter als ein Matrose mit zwanzigjähriger Erfahrung;« erwiederte der Fremde, ohne dem Bürger Zeit zu lassen, sich für das höfliche Anerbieten des Offiziers zu bedanken. – »Ein Herr, der wie Sie, edler Capitän; ein so schönes Boot befehligt, hat ja ohne Zweifel schon die Passage bei Gibraltar gemacht, nicht wahr?«

»Dienstpflicht hat mich mehr als einmal schon nach den italiänischen Gewässern gerufen.« antwortete Ludlow, der des Fremden Unverschämtheit halb verzieh, da er es war, dem er das unerwartete Vergnügen verdankte, daß die Pirogue zum zweitenmal sich genähert hatte.

»Nun, dann wissen Sie ja, wie es dort einem Schiffe geht: eine Dame kann es mit ihrem Fächer ostwärts in den Kanal hineinfächeln, aber es gehört ein tüchtiger Wind aus der Levante dazu, wenn es wieder aus dem Kanal heraus will. Seht, die königlichen Hanger sind lang, und wenn sie erst die Glieder eines durch und durch gelernten Seehundes umschlungen halten, reicht alle seine Kunst nicht hin, sich wieder aus der Klemme zu ziehen. Es ist was ganz Merkwürdiges mit so einem Knoten: je besser der Seemann ist, je weniger vermag er ihn aufzulösen.«

»Wenn der Hanger lang ist, so dürfte er einmal weiter reichen, als dir lieb ist! Doch ein muthiger Freiwilliger braucht sich ja nicht vor dem Matrosenpressen zu fürchten.«

»Die Back, welche ich einzunehmen wünsche, ist, fürchte ich, schon ausgefüllt,« erwiederte der Fremde mit aufgeworfener Lippe. »Laß das Vordersegel los, Junge; wir wollen uns empfehlen, und die königliche Fahne hübsch leewärts vor uns flaggen lassen. Adieu, tapferer Capitän; wenn Euch einmal ein ausgemachter Seewandrer Noth thut, und Ihr von Hinterkanonen und nassen Segeltüchern träumt, so denkt an Den, der Euer Schiff besuchte, als es träge vor Anker lag.« Ludlow biß sich in die Lippen, und obgleich die Zornflammen bis an die Schläfe seines männlichen Gesichts schlugen, so gewann er es doch über sich, zu lachen, so viel vermochte Alida's Schelmblick, dem er begegnete. Der Fremde, welcher so verwegen den Unwillen eines Mannes von der Gewalt eines königlichen Schiffscommandeurs in einer britischen Colonie zu reizen gewagt hatte, schien übrigens einen angemessenen Begriff von der Gefahr seiner Lage zu haben. Die Pirogue schwajete um ihre Hieling, und eine Minute darauf gehorchte sie dem Winde und jagte, die kleinen Wellen vor sich her spritzend, dem Ufer zu. Drei Boote stießen in einem und demselben Augenblick vom Kreuzer ab. Das eine, welches offenbar den Capitän enthielt, näherte sich mit der würdevollen Bewegung, welche Barken, die einen Offizier von Rang zu landen haben, anzunehmen pflegen; dagegen drangen die beiden anderen vorwärts mit dem ganzen Ernste einer heißen Jagd.

»Wenn Sie nicht gesonnen sind, der Königin zu dienen, mein Freund, so haben Sie nicht wohl daran gethan, einem ihrer Befehlshaber dicht vor den Schlünden seines Geschützes Trotz zu bieten,« bemerkte der Patroon, sobald die Dinge ein so entschiedenes Aussehen gewannen, daß über die Absichten der Mannschaft des Kriegsschiffes kein Zweifel mehr herrschen konnte.

»Daß Capitän Ludlow gar zu gern gewisse Personen aus diesem Boote nehmen möchte, selbst mit Gewalt, wenn's nicht in Güte gehen will, ist eine Sache, so klar wie ein glänzender Stern in einer wolkenlosen Nacht, und da ich weiß, was ein Matrose seinen Vorgesetzten schuldig ist, so stell ich ihm die Wahl frei.«

»In diesem Fall werdet Ihr bald das Brod der Königin essen,« erwiederte der Alderman stichelnd.

»Die Speise schmeckt mir nicht, und ich verschmähe sie, – – aber seht das Boot da, wahrlich die Leute darin scheinen entschlossen, Einem schlechtere Kost zu schlucken zu geben.« Der unbekannte Matrose hörte hier auf zu sprechen, denn die Lage der Pirogue fing in der That an, etwas kritisch zu werden; wenigstens schien dies den unkundigen Passagieren, welche Zeugen des unerwarteten Zusammentreffens waren, der Fall zu seyn. So wie das Fährboot sich der Insel näherte, war der Windzug durch den mit der äußeren Bai in Verbindung stehenden Kanal stärker; man mußte eine doppelte Schwenkung machen, um den Wind nach dem gewöhnlichen Landungsplatz zu gewinnen. Nun brachte aber die Ausführung des ersten Manövers die Pirogue nothwendig in eine verschiedene Richtung, und selbst die Passagiere konnten sehen, wie der Kutter, auf welchen der Fremde hingewiesen hatte, dadurch in den Stand gesetzt ward, sich zwischen ihnen und dem Ufer zu stellen, oder in andern Worten, dem Kai, wo sie landen wollten, näher kam, als sie selbst. Der dieses Boot befehligende Offizier wußte recht gut, daß sein Zweck leicht vereitelt werden könnte, wenn er sich zur Verfolgung der Pirogue fortreißen ließ, daher munterte er seine Leute auf, so schnell als möglich dem Ausschiffungspunkte zuzusteuern. Nach der andern Seite hin hatte ein zweiter Kutter die Lauflinie der Pirogue schon erreicht, und die Matrosen ruderten gar nicht mehr, sondern lagen ruhig, jeder über seinen Riem, und warteten, bis sie ihnen von selbst in die Hände laufe. Der Unbekannte machte keine Miene, als wolle er die Zusammenkunft vermeiden. Die Pinne unausgesetzt in der Hand, führte er in dem kleinen Fahrzeug den Befehl so wirksam, als wenn derselbe ihm von Rechtswegen gebührte. Schon wegen der Unerschrockenheit und des Entschiedenen in seinem Aussehen und Betragen, unterstützt durch die meisterhafte Art, wie er das Boot leitete, würde ihm Niemand die Gewalt, die er sich für den Augenblick anmaßte, streitig gemacht haben; allein was noch außerdem günstig für ihn wirkte, war die allgemeine Furcht vor dem Matrosenpressen.

»Des Teufels Krallen!« knurrte der Schiffer. »Wenn Ihr von den königlichen Matrosen dort abhaltet, so verlieren wir freilich einiges durch Umweg, aber sie sollen's denn doch ein bischen schwer finden, mit Backstagswind die Milchmagd einzuholen.«

»Die Königin schickt uns durch den Herrn eine Botschaft,« versetzte der Seemann; »es wäre unschicklich, wollten wir sie nicht anhören.«

»Herangesteuert, Pirogue!« schrie nun der junge Offizier im Kutter. »Im Namen Ihrer Majestät befehle ich Euch, gehorcht!«

»Gott erhalte sie, die königliche Dame!« erwiederte Der mit den unklaren Ankern und dem bunten Shawl, und ließ das Boot noch immer rasch recht von vorne durch die Wogen ziehen. »Wir sind ihr Gehorsam schuldig, und freuen uns, ein so nettes Herrchen mit den Pflichten ihres Dienstes beschäftigt zu sehen.«

Jetzt waren die Boote nur noch fünfzehn Fuß auseinander. Kaum hatte die Pirogue hier Windraum gewonnen, so schwajete sie noch einmal, und begann von Neuem ihren Lauf nach dem Ufer zu. Um aber dies zu können, mußte sie sich entweder innerhalb einer Riemlänge von dem Kutter wagen, oder das Weite suchen: das letztere hatte zu sehr den Schein der Flucht, als daß Der, welcher die Pirogue leitete, ihn anzunehmen sich hätte entschließen können. Der Offizier erhob sich und griff, wie Die in der immer näher kommenden Pirogue deutlich sehen konnten, nach einem Pistol, obgleich es ihn Ueberwindung zu kosten schien, die Waffe zu zeigen. Der Seemann trat auf die Seite, wies auf die dem Kutter nun ganz bloßgestellte Gruppe hin, und bemerkte beißend:

»Wählen Sie nun Ihren Zielpunkt, Sir; einem Mann von Gefühl muß man die Wahl anheimstellen, wenn er den Auftrag hat, auf eine solche Gesellschaft Feuer zu geben.«

Der junge Mann ward blutroth, sowohl aus Schaam über die wenig ehrenvolle Pflicht, die er auszuführen beordert war, als aus Verdruß über seinen geringen Erfolg. Als er sich jedoch wieder gefaßt hatte, zog er sich mit einem Compliment gegen die schöne Barbérie aus dem Handel, und die Pirogue flog im Triumph vor seinem Boot vorbei. Inzwischen hatte das andere, größere, das eine Ende des Kai's erreicht, wo die Mannschaft desselben ebenfalls auf den Riemen ausruhte und die Ankunft des Fährboots ruhig erwartete. Dieser Anblick wollte dem Eigner der Milchmagd gar nicht gefallen, und mit bedenklichem Kopfschütteln wagte er es, dem kühnen Gesichte seines Passagiers eine Miene entgegen zu setzen, welche verrieth, daß er dem Ausgange der Sache nicht mehr recht traue. Diesen verließ seine Zuversicht keineswegs; im Gegentheil, er hob an, über die eben ausgeführte wagehalsige Handlung zu witzeln, sich wenig kümmernd um die Angst aller Uebrigen, wegen der Gefahr, in welcher sie noch immer zu schweben glaubten. Durch die erste Schwenkung hatte die Pirogue die Richtung luvwärts gerade auf den Kai zu erhalten, jetzt steuerte sie vollends mit dicht beim Winde gebraßten Segeln auf das Ufer los. Der erschrockene Schiffer glaubte nun nicht länger schweigen zu dürfen, und hielt dem Seemann die Folgen vor, welche eine Fortsetzung ihrer jetzigen Fahrlinie nach sich ziehen könnte.

»Potz Schiffbruch und blinde Klippen!« schrie er; »keine holländische Galliote bliebe ganz, wenn Ihr sie mit diesem Winde nach den Stufensteinen dort lostreiben ließet. Zwar sieht kein ehrlicher Bootsmann gern einen Menschen in den Schiffsraum eines Kreuzers aufgestaut, gleich einem Dieb in seinem Gefängnißkäfig; wenn's aber dahin kommt, daß der Milchmagd die Nase zerschellt werden soll, so ist es von ihrem Besitzer zu viel verlangt, daß er dabei stehe und schweige.«

»Nicht einem Grübchen in ihren lieblichen Backen soll ein Leid geschehen,« antwortete sein Passagier ohne die mindeste Aufregung. »Wohlan, die Segel gestrichen! wir wollen am Ufer entlang laufen, hinab bis zum Kai dort. s' wäre ungalant, meine Herren, mit dem Buttermädchen so ohne alle Umstände zu verfahren, nachdem es einen so behenden Fuß und so rasche Evolutionen zu unserem Besten an den Tag gelegt hat. Die beste Tänzerin auf der Insel hätte, selbst wenn ihr mit einer dreisaitigen Fidel aufgespielt würde, sich nicht trefflicher halten können!«

Ehe er mit diesen Worten endigte, waren die Segel angeholt, und die Pirogue glitt, stets etliche fünfzig Fuß vom Ufer ab, zum Landungsplatze hin.

»Jedes Fahrzeug hatte seine zugemessene Frist, gleich einem Sterblichen,« fuhr der unbegreifliche Seemann vom indischen Shawl fort. »Soll es eines plötzlichen Todes sterben, so geht es über Steuer oder Deckbalken hinunter in sein Grab, ohne Leichengottesdienst oder Kirchengebete; die Wassersucht ist Wasser im Raum; Gicht und Rheumatismus tödten wie zerbrochene Krummhölzer und lose Fugen; Unverdaulichkeit gleicht hin und her geschmissenem Ballast und triftigen Kanonen; der Galgen ist eine Bodmerei-Verschreibung nebst Gerichtssporteln, und Feuer, Ersaufen, Tod durch religiösen Tiefsinn und Selbstmord sind nichts anders, als ein nachläßiger Kanonier, eingesunkene Klippen, Irrlichter und ein fauler Schlingel von Capitän.«

Ehe noch jemand ahnen konnte, was er vorhabe, sprang dieser seltsame Mensch aus dem Boot auf die Spitze einer von den Wellen überspülten Klippe, von da, elastisch wie eine Gemse, von einem Stein zum andern, bis er das Land völlig erreicht hatte. Es dauerte keine Minute mehr, so verschwand er zwischen den Häusern des Dörfchens.

Daß die Pirogue den Kai unmittelbar darauf erreichte, daß die Mannschaft des Kutters saure Gesichter zu ihren getäuschten Erwartungen schnitt, und daß beide Boote sich wieder auf den Rückweg zu ihrer Coquette machten, waren eben so viele natürliche Folgen.

Fünftes Kapitel.


Oliv. »Hat er dies geschrieben?«
Narr. »Ja, Madam.«
Was ihr wollt.

Wenn wir sagten, Alida de Barbérie habe mit ihrer Gesellschaft den Kai verlassen, ohne einen Blick rückwärts zu werfen, um zu sehen, ob das Boot, welches den Befehlshaber des Kreuzers führte, dem Beispiel der beiden andern folge, so würden unsere Leser glauben, das Mädchen habe weniger von jener angebornen Neigung zum Gefallen gehabt, als wirklich der Fall war. Zum großen Verdruß des Aldermans, was auch immer die Gefühle seiner Nichte gewesen seyn mögen, setzte die Barke ihren Weg nach dem Ufer gemächlich fort, ein augenscheinlicher Beweis, daß dem jungen Manne an dem Ausgang der Jagd nicht sonderlich viel gelegen war.

Die Anhöhen auf der Insel Staten waren vor hundert Jahren, so wie noch heute, mit Zwerggesträuch bedeckt. Diese dürren Gewächse waren von mehreren Fußpfaden in verschiedenen Richtungen durchschnitten, und da der Quarantaine-Grund des Dörfchens der Punkt war, von dem sie alle ausgingen, so gehörte ein geübter Führer dazu, ohne Verlust an Zeit und Weg durch dieses Gewirre hindurchzukommen. Der würdige Alderman schien indessen diesem Amte vollkommen gewachsen zu seyn; denn mit schnelleren Schritten als man sie von ihm gewohnt war, führte er seine Reisegefährten in's Dickicht, änderte häufig die Richtung, und verwirrte dadurch ihre Begriffe von den örtlichen Verhältnissen so sehr, daß wahrscheinlich kein einziger darunter seinen Weg mit Leichtigkeit aus dem Labyrinth herausgefunden hätte.

Nachdem Myndert sich zur Genüge davon überzeugt hatte, daß dem Verfolgenden jede Spur des eingeschlagenen Weges hinlänglich verwischt sey, brach er endlich in die Worte aus: »Potz Wolken und Schattenlauben! an einem Junimorgen sind kleine Eichen und grüne Tannen doch angenehme Dinge. Zu »Luft in Ruh« sollen Sie Bergluft und Seeluft haben, um Ihren Appetit zu schärfen. Lassen Sie sich nur von Alida erzählen; das Mädchen kann bestätigen, daß ein Mundvoll von dieser Quintessenz ein besser Mittel für rosige Wangen ist, als alle Salben und Schminken, die je zu unserm Herzeleid erfunden worden sind.«

»Wenn sich der Ort eben so sehr verändert hat, als der Weg, der dahin führt,« erwiederte die schöne Barbérie, indem ihr dunkles Auge vergebens die Richtung nach der eben verlassenen Bai wieder aufzufinden strebte, »so getraue ich mir kaum, eine Meinung über einen Gegenstand auszusprechen, der mir, ich bekenne es, gänzlich fremd ist.«

»Fürwahr, Frauen sind voll eitler Gedanken! Sehen und sich sehen lassen, das ist's was dem Geschlecht Freude macht. Haben wir's doch hier im Gehölz tausendmal angenehmer, als wenn wir der Wasserseite gefolgt wären, – aber freilich, die armen Seemöven und die unglücklichen Schräpel sind dadurch unserer angenehmen Gesellschaft beraubt, ha! ha! ha! Dem Salzwasser und Allen, die darauf leben, soll ein kluger Mann, Herr Van Staats, immer aus dem Wege gehen, ausgenommen insofern sie dazu dienen, die Frachten wohlfeiler zu machen, und den Handel zu beleben. Du wirst mir Dank für diese Sorgfalt wissen, Nichte, wenn du erst oben auf der Anhöhe ankömmst, abgekühlt, wie ein Gepäck mottenfreier Pelze, und frisch und schön, wie eine holländische Tulpe mit den Thautropfen darauf.«

»Um der letzteren zu gleichen, könnte man sich gefallen lassen, mit verbundenen Augen zu gehen: also genug davon, liebster Onkel. François,« fuhr sie in französischer Sprache fort, »sey so gut, dies kleine Buch zu tragen; trotz der Frische des Waldes, wird es mir eine Erleichterung seyn.« Der Lakai haschte mit einer Eil- und Dienstfertigkeit nach dem Buche, welche die bequemlichere Höflichkeit des Patroon vereitelte. Dem treuen Diener entging der verdrießliche Blick und das tiefere Roth der Wange seiner jungen Gebieterin nicht, und mit Recht schloß er, beides sey mehr die Wirkung innerer Aufregung, als die äußerer Hitze, daher flüsterte er ihr in seiner gesetzten Manier die Worte zu:

»Bitte, mein werthes Fräulein Alide, ärgern Sie sich nicht. Fräulein würde selbst in einer Wüste Bewunderer in Menge haben. Ach, wenn Fräulein das Land von Dero Vorfahren besuchten – –«

»Danke sehr, werther François, halte das Buch fest zu, es liegen Papiere zwischen den Blättern.«

»Monsieur François,« sagte der Alderman, indem er, ohne viel Umstände zu machen, seine eigene massive Person zwischen seine Nichte und ihren fast väterlichen Diener drängte, und den Anderen einen Wink gab, vorauszugehen, »ein Wort im Vertrauen. Während meines geschäftreichen und, wie ich hoffe, nützlichen Lebens, habe ich die Erfahrung gemacht, daß ein treuer Diener ein ehrlicher Rathgeber ist. Nächst Holland und England, beides große Handelsvölker, ferner Westindien, das diesen Colonien unentbehrlich ist, endlich dem Lande, wo ich geboren bin, für welches ich natürlich eine Vorliebe habe, ist Frankreich, wie ich stets der Meinung gewesen bin, kein übles Land. Ich glaube immer, Mister Francis, Abneigung gegen das Wasser hat Euch nach dem Tode meines seligen Schwagers abgehalten, wieder dorthin zurückzukehren, wie?«

»Und Neigung für Madmoiselle, avec votre permission, mein Herr.«

»Deine Liebe für meine Nichte, redlicher François, läßt sich nicht bezweifeln. Sie ist so sicher, wie die Zahlung eines guten Wechsels durch Cromeline, van Stopper und van Gelt von Amsterdam. Ja, alter Diener! sie ist frisch und blühend wie eine Rose und ein Mädchen von vortrefflichen Eigenschaften. Nur Schade, daß sie ein wenig eigensinnig ist; ein Fehler, den sie ganz gewiß von ihren normännischen Ahnen geerbt hat, sintemal alle Mitglieder meiner eigenen Familie sich stets wegen ihrer Bereitwilligkeit, Rath anzunehmen, auszeichneten. Die Normänner waren eine halsstarrige Race, wovon die Belagerung von Rochelle ein Beweis ist; ein Versehen, durch welches das Grundeigenthum in jener Stadt am Werthe sehr gesunken seyn mußte.«

»Tausend excuses, Monsieur Bevre – – ; noch schöner als la rose, und du tout nicht eigensinnig. Mon Dieu! was ihren Stand betrifft, das ist eine Familie sehr alt.«

»Das war bei meinem Bruder Barbérie die schwache Seite, und doch hat sie zur Totalsumme der Hinterlassenschaft nicht eine Null hinzugefügt. Das beste Blut, Mister François, ist das, welches am wohlgenährtesten ist. Die Stammlinie des Capet selbst würde brechen, wäre der Metzger nicht, und der Metzger muß wiederum ganz gewiß brechen, wenn ihm die zahlungsfähigen Kunden fehlen. François, du bist ein Mann, der den Werth eines sicheren Fußes in der Welt zu schätzen weiß; wär' es nicht Jammerschade, daß ein solches Mädchen, wie Alida, sich wegwürfe, und einen Mann nähme, der nichts Festeres zur Grundlage hat, als ein schwankendes Schiff?«

»Ganz gewiß, certainement; Fräulein viel zu gut, um zu schwanken in dem Schiff, Monsieur

»Genöthigt, dem Manne zu folgen, hinauf, hinab, unter Freibeuter und spitzbübische Kaufleute, bei schönem Wetter und bei schlechtem, in Hitze wie in Kälte, in feuchte, wie in trockne Luft, in stehendes Flachwasser und in salziges, unter Krämpfen und Uebelkeiten, bald mit salziger Bekleidung, bald mit gar keiner, im Sturme und in Windstillen, und Alles blos wegen eines voreiligen Urtheils, in blutheißer Jugend gefällt.«

Während der Alderman alle die Beschwerlichkeiten aufzählte, die folgen würden, wenn seine Nichte sich zu einem so unbesonnenen Schritt entschlösse, nahm das Gesicht des Lakaien bei der Erwähnung jedes neuen Uebels einen neuen, dem Uebel entsprechenden Ausdruck an, als wenn seine Muskeln so viele Spiegel gewesen wären, und in jedem einzelnen die Krämpfe und Zuckungen eines Seekranken sich getreu abspiegelten.

»Parbleu, ist was abscheuliches, das Meer!« rief er aus, als der Andere seine Pandorenbüchse ausgeleert hatte. »Es ist groß malheur, daß es gibt Wasser, ausgenommen für die Trink, und die Reinlichkeit, und für den Wassergraben um das château, für die Karpfen darin zu halten. Aber, Fräulein nicht voreilig urtheilt und sie wird einen Gemahl haben auf dem festen Grund.«

»Es wäre besser, wenn das Gut meines Schwagers hübsch unter Aufsicht bliebe, als es los und locker auf dem hohen Meere umherschwimmen zu lassen, meinst du nicht auch, weiser François?«

»Es nie gab Matrosen in der Familie de Barbérie.«

»Potz Wage und Verschreibungen! wenn das, was ein Gewisser besitzt, den ich nennen könnte, sparsamer François, in baarer Münze hinzukäme, so würde die Totalsumme ein gewöhnliches Schiff in den Grund senken. Du weißt, es ist mein Vorsatz, Alida in meinem Testament zu bedenken.«

»Wenn Monsieur de Barbérie noch am Leben wäre, Monsieur Herr Alderman, so würde er mit gebührender Höflichkeit antworten; aber, malheureusement, mein theurer Herr ist todt, und ich, Sir, bin so frei, zu danken, in seinem und seiner Familie Namen.«

»Weiber haben verkehrte Launen, zuweilen macht es ihnen Vergnügen, gerade das zu thun, was ihre Freunde nicht haben wollen.«

»Ma foi, oui!«

»Nun ist es also an klugen Männern, sie durch gute Worte und reiche Geschenke zu leiten; diese machen sie zahm wie ein Paar gut zugerichteter Pferde.«

»Monsieur muß es wissen,« sagte der alte Diener, indem er sich die Hände rieb, und wie ein Domestik, der seine Schuldigkeit kennt, bescheiden lächelte, dabei aber dennoch nicht über sich gewinnen konnte, eine scherzhafte Anspielung zu unterdrücken: »Monsieur ist garçon, das Geschenk ist gut für die Demoiselles, und besser als wie für die Dames.«

»Potz Ehe und Augenzudrücker! freilich müssen wir Gassons, wie Ihr uns nennt, es besser verstehen. Ehemänner stehen unterm Pantoffel und haben nicht Zeit dazu, eine ausgedehnte Bekanntschaft unter Frauen zu machen, um die echte Qualität der Waare kennen zu lernen. Na, Du kennst Herrn van Staats von Kinderhook, treuer François, was meinst Du zu einem so jungen Mann als Gemahl für Alida?«

»Aber, Fräulein liebt die vivacité, Monsieur Patroon ist nie übermäßig lebendig.«

»Desto besser, um so wahrscheinlicher .... Sacht, ich hör' Jemand kommen. Man folgt uns, oder, wie ich vielleicht sagen sollte, man macht Jagd auf uns, um mich in der Sprache dieser See-Honoratioren auszudrücken. Jetzt ist der Augenblick da, diesem Capitän Ludlow zu zeigen, wie ihn auf festem Lande ein Franzose um den Finger wickeln kann. Bleib' hinter uns zurück und bring unsern Schifffahrer auf die falsche Fährte, und wenn er auf den Nebel losgesteuert ist, so komme eilig nach: an der Eiche auf der Anhöhe wollen wir auf Dich warten.«

Geschmeichelt durch dies Vertrauen, und in der redlichen Ueberzeugung, daß er das Glück seiner Gebieterin fördern helfe, erwiederte der Alte den schadenfrohen Wink des Rathsherrn mit einem beifälligen Nicken, und nahm sofort einen langsameren Schritt an, während Beveront um so schneller wegeilte, und sammt Denen, welche er führte, in der nächsten Minute links in dem Gehölze verschwand. Wie sehr auch Alida bei ihrem Diener auf Treue, ja selbst auf liebende Anhänglichkeit rechnen durfte, so fehlten ihm dennoch die, europäischen Domestiken eigenthümlichen Vollkommenheiten nicht. In allen Verschlagenheiten seines Gewerbes erzogen, gehörte er zu jener Schule, welcher die List als Maßstab der Gesittung gilt, und die sich nicht recht freuen kann, wenn das Gelingen eines Plans nicht durch brillante Intrigue, sondern durch die einfache Maschinerie der Wahrheit und des geraden Verstandes bewirkt wird. Kein Wunder also, wenn der Trabant in die Absicht des Rathsherrn einging, und sich mit mehr als gewöhnlichem Behagen an die Ausführung seines Auftrags machte. Das Knarren des dürren Gezweigs unter dem Fußtritt des sich Nähernden ward immer vernehmbarer; damit dieser ihn nun nicht verfehle, und so das gewünschte Aufeinanderstoßen unterbleibe, fing der Lakai an, ein französisches Lied vor sich hin zu brummen, doch laut genug, daß jedes nahe Ohr die Töne hören mußte. Rascher knitterten nun die Zweige, immer näher schienen die Schritte, bis – der Held vom indischen Shawl zu dem erwartenden François herausgesprungen kam.

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