Kitabı oku: «Der Pfadfinder», sayfa 9
„Ja, und jagen dazu — in ihren glücklichen Jagdgründen, aber nirgends anders. Mit einer Rothhaut ist's auf der Erde aus, sobald der letzte Athemzug ihren Leib verlassen hat. Es ist keine von ihren Gaben, bei ihrer Hütte zu weilen, wenn ihre Stunde vorüber ist."
„Ich sehe einen Gegenstand auf dem Wasser," flüsterte Mabel, welche ihre Augen nicht von der dunkeln Hülle abgewendet hatte, seit Jasper in ihr verschwunden war.
„Es ist der Kahn," erwiederte Pfadfinder mit großer Erleichterung. „Es muß Alles gut stehen, sonst würden wir von dem Jungen gehört haben."
„In der nächsten Minute schwammen die zwei Kähne, welche den Führern, erst als sie sich näher kamen, sichtbar wurden, wieder Seite an Seite, und man erkannte Jaspers Gestalt in dem Stern seines Bootes. Die Figur eines zweiten Mannes saß in dem Bug, und da der junge Schiffer sein Ruder in einer Weise regierte, daß das Gesicht seines Gefährten dem Pfadfinder und Mabeln unter die Augen trat, so erkannten Beide den Delawaren.
„Chingachgook mein Bruder!" sagte der Pfadfinder in der Sprache des Andern mit einem Beben in seiner Stimme, welches die Gewalt seiner Gefühle verrieth „Häuptling der Mohikaner! Mein Herz ist hoch erfreut. Oft sind wir mit einander durch Blut und Streit gegangen! aber ich habe gefürchtet, es werde nie wieder geschehen."
„Hugh! — Die Mingo's sind Weiber! — Drei von ihren Skalpen hängen an meinem Gürtel. Sie wissen nicht die große Schlange der Delawaren zu treffen. Ihre Herzen haben kein Blut und ihre Gedanken sind auf dem Rückweg über die Wasser des großen See's."
„Bist du unter ihnen gewesen, Häuptling? und was wurde aus dem Krieger, der im Fluß war?"
„Er ist zum Fisch geworden und liegt auf dem Grunde mit den Aalen. Laß seine Brüder die Angelhaken nach ihm auswerfen. Pfadfinder, ich habe die Feinde gezählt und ihre Büchsen berührt."
„Ah! Ich dachte, er würde verwegen sein," rief der Wegweiser in englischer Sprache. „Der waghalsige Bursche ist mitten unter ihnen gewesen, und hat uns ihre ganze Geschichte mitgebracht. Sprich, Chingachgook, damit ich unsern Freunden mittheilen kann, was wir selbst wissen."
Der Delaware erzählte nun in gelassener und ernster Weise das Wesentliche der Entdeckungen, welche er gemacht, seit wir ihn zuletzt im Flusse mit den Feinden haben ringen sehen. Von dem Schicksal seines Gegners sprach er nicht mehr, da es gegen die Gewohnheit eines Kriegers ist, bei mehr in's Einzelne gehenden Berichterstattungen groß zu thun. Sobald er aus diesem furchtbaren Kampfe als Sieger hervorgegangen war, schwamm er gegen das östliche Ufer, stieg mit Vorsicht an's Land, und nahm seinen Weg unter dem Schutze der Finsterniß unentdeckt und im Grunde auch unbeargwohnt, mitten durch die Irokesen. Einmal wurde er angerufen; da er sich aber für Arrowhead ausgab, so wurden keine weitern Fragen an ihn gemacht. Aus ihren Reden war ihm bald klar geworden, daß der Haufen ausdrücklich auf Mabel und ihren Onkel lauerte, über dessen Rang sie jedoch augenscheinlich im Irrthum waren. Er hatte auch genug erfahren, um den Verdacht zu rechtfertigen, daß Arrowhead sie ihren Feinden verrathen habe, obgleich ein Beweggrund hiezu nicht leicht auszufinden war, da er die Belohnung für seine Dienste noch nicht empfangen hatte.
Pfadfinder theilte von diesen Nachrichten seinen Gefährten nicht mehr mit, als er zu Milderung ihrer Besorgnisse für nöthig erachtete, indem er zugleich andeutete, daß es nun Zeit sei, ihre Kräfte zu brauchen, ehe die Irokesen sich von der Verwirrung erholt hätten, in welche sie durch ihre Verluste gerathen waren.
„Wir werden sie ohne Zweifel an der Stromenge wieder finden," fuhr er fort, „und dort müssen wir an ihnen vorbei oder in ihre Hände fallen. Die Entfernung von der Garnison ist nur noch geringe, und ich habe daran gedacht, mit Mabel zu landen, sie auf einigen Seitenwegen weiter zu geleiten und die Kähne ihrem Schicksal in den Stromschnellen zu überlassen."
„Es wird nicht, gelingen, Pfadfinder," unterbrach ihn Jasper lebhaft. „Mabel ist nicht stark genug, um in einer solchen Nacht durch die Wälder zu gehen. Setzt sie in meinen Kahn, und ich will mein Leben verlieren, oder sie über die Stromenge glücklich wegführen, so dunkel es auch sein mag."
„Ich zweifle nicht, daß Ihr das werdet, Junge; Niemand zweifelt an Eurem guten Willen, der Tochter des Sergeanten einen Dienst zu leisten; aber das Auge der Vorsehung muß es sein und nicht das Eurige, welches in einer Nacht, wie diese, Euch glücklich über den Stromschuß des Oswego bringen kann."
„Und wer wird sie denn zu Land glücklich nach der Garnison bringen? Ist die Nacht am Ufer nicht so dunkel, als auf dem Wasser? Oder glaubt Ihr, ich verstehe mich weniger auf meinen Beruf, als Ihr Euch auf den Eurigen?"
„Kühn gesprochen, Junge; aber angenommen, ich verlöre meinen Weg in der Finsterniß — und ich glaube, es kann mir Niemand in Wahrheit nachsagen, daß mir das je begegnet ist — angenommen, ich verlöre den Weg, so würde daraus kein anderes Unglück entspringen, als daß wir die Nacht im Walde zubringen müßten; indeß eine falsche Wendung des Ruders oder ein breiteres Streichen des Kahns Euch und das junge Frauenzimmer in den Fluß werfen kann, aus dem, aller Wahrscheinlichkeit nach, des Sergeanten Tochter nicht mehr lebendig kommen wird."
„Wir wollen das Mabel selbst überlassen; ich bin überzeugt, daß sie sich in dem Kahne sicherer fühlen wird."
„Ich habe ein großes Vertrauen zu euch Beiden," antwortete das Mädchen, „und zweifle nicht, daß Jeder thun wird, was er kann, um meinem Vater zu beweisen, wie werth er ihm ist. Aber ich bekenne, daß ich nicht gerne den Kahn verlassen möchte, da wir die Gewißheit haben, daß Feinde, wie wir sie gesehen, in dem Walde sich befinden. Doch mein Onkel mag in dieser Sache den Ausschlag geben."
„Ich liebe die Wälder nicht, so lange man eine so schöne Bahn, wie hier aufdem Fluß, vor sich hat. Außerdem, Meister Pfadfinder, um von den Wilden nichts zu sagen, Ihr überseht die Hayfische."
„Hayfische! wer hat je von Hayfischen in der Wildniß gehört?"
„Ach! Hayfische, oder Bären, oder Wölfe — es ist gleichgültig, wie Ihr das Ding nennt. Es ist eben Etwas, was die Lust und die Macht hat, zu beißen."
„Hilf Herr! Mensch, fürchtet Ihr ein Geschöpf, das in einem amerikanischen Forste gefunden werden kann? Ich will zwar zugeben, daß eine Pantherkatze ein ungeberdiges Thier ist; doch was will das heißen, wenn ein geübter Jäger bei der Hand ist? Sprecht von den Mingo's und ihren Teufeleien, so viel Ihr wollt; aber macht mir keinen falschen Lärm mit Euren Bären und Wölfen."
„Ja, ja, Meister Pfadfinder, das ist wohl Alles gut genug für Euch, der Ihr wahrscheinlich den Namen einer jeden Kreatur, mit der Ihr zusammen trefft, kennt. Gewohnheit ist schon Etwas, und macht einen Mann kühn, wo er sonst vielleicht schüchtern wäre. Ich habe in der Nähe des Aequators die Matrosen stundenlang unter fünfzehn bis zwanzig Fuß langen Hayfischen herumschwimmen sehen, und sie hatten dabei keine andern Gedanken, als die ein Landbewohner sich macht, wenn er Sonntags Nachmittags unter Seines Gleichen aus der Kirchthüre geht."
„Das ist außerordentlich!" rief Jasper, welcher in seiner Treuherzigkeit sich jenen wesentlichen Theil seines Gewerbes, den man die Fähigkeit „ein Garn zu spinnen" nennt, noch nicht angeeignet hatte. „Ich habe immer gehört, daß der Tod gewiß sei, wenn man sich in das Wasser unter die Hayen wage."
„Ich vergaß, zu sagen, daß die Jungen immer Spillenbäume, Kanonenspacken oder Kuhfüße mit sich nahmen und die Bestien auf die Nase schlugen, wenn sie ihnen lästig wurden. Nein, nein, ich finde kein Behagen an Bären und Wölfen, obgleich ich mir aus einem Walfisch so wenig mache, als aus einem Häring, wenn er getrocknet und gesalzen ist. Mabel und ich halten besser Stich in dem Kahne."
„Mabel würde gut thun, das Fahrzeug zu wechseln," fügte Jasper bei. „Das meine ist leer, und der Pfadfinder wird zugeben, daß auf dem Wasser mein Auge sicherer ist, als das seine."
„Das thue ich mit Freuden, Junge. Das Wasser gehört zu Euren Gaben, und Niemand wird in Abrede ziehen, daß Ihr sie auf’s Beste erprobt habt. Ihr habt Recht, wenn Ihr glaubt, daß des Sergeanten Tochter in Eurem Kahne sicherer sei, als in dem meinigen, und obgleich ich gerne selber in ihrer Nähe wäre, so liegt mir doch ihre Wohlfahrt zu sehr am Herzen, um sie nicht aufrichtig zu berathen. Bringt Euren Kahn dicht an unsere Seite, Jasper, damit ich Euch das, was Ihr als einen kostbaren Schatz betrachten müßt, übergeben kann."
„Ich betrachte es als einen solchen," erwiederte der Jüngling, welcher keinen Augenblick verlor, um dieser Aufforderung nachzukommen; und als Mabel von dem einen Kahn in den andern getreten war, setzte sie sich zu dem Gepäcke, welches bisher die einige Last desselben ausgemacht hatte.
Nachdem diese Anordnung getroffen war, trennten sich die Kähne und fuhren in einiger Entfernung von einander, wobei man sich vorsichtig, ohne ein Geräusch zu erregen, der Ruder bediente. Die Unterhaltung hörte nach und nach auf, und die Annäherung der gefürchteten Stromenge machte auf Alle einen inhaltsschweren Eindruck. Es war fast gewiß, daß ihre Feinde sich alle Mühe gegeben hatten, diesen Punkt vor ihnen zu erreichen, und der Versuch, in der tiefen Dunkelheit auf dem Strome über ihn weg zu kommen, schien so wenig wahrscheinlich, daß der Pfadfinder der Ueberzeugung lebte, die Wilden hätten sich an beiden Ufern vertheilt, in der Hoffnung, sie beim Landen abzufangen. Er würde auch seinen früheren Vorschlag nicht gemacht haben, wenn er es nicht seinen eigenen Fähigkeiten zugetraut hätte, dieses Vorgefühl eines günstigen Erfolgs von Seiten der Irokesen zu einer Vereitelung ihrer Plane zu benützen. Da aber nun die Anordnung fest stand, so hing Alles von der Geschicklichkeit der Kahnführer ab. Denn wenn ein Fahrzeug auf einen Felsen stieß, so mußte es, wenn es nicht zertrümmert wurde, fast nothwendig aufsitzen, und dann war man nicht blos den Zufällen des Stromes, sondern Mabel auch der Gewißheit ausgesetzt, in die Hände ihrer Verfolger zu fallen. Es war daher die äußerste Umsicht nöthig, und Jeder blieb zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, um sich geneigt zu fühlen, mehr zu äußern, als was gerade die Dringlichkeit des Augenblicks erforderte.
Die Kähne stahlen sich ruhig vorwärts, und das Brausen der Stromenge wurde hörbar. Cap mußte aller seiner Tapferkeit aufbieten, um sich auf seinem Sitz zu erhalten, indeß jene bedeutungsvollen Töne immer näher kamen, wobei die Finsterniß kaum die Umrisse des waldigen Ufers und das darüber hängende dunkle Himmelsgewölbe erkennen ließ. Der Eindruck, welchen die Wasserfülle auf ihn gemacht hatten, arbeitete noch in seiner Seele, und seine Phantasie war nicht unthätig, die Gefahren der Stromenge mit jenen des jähen Absturzes, den er durchgemacht hatte, sich gleich zu denken, wenn nicht der Zweifel und die Ungewißheit sie gar noch steigerte. Hierin war jedoch der alte Seemann im Irrthum, denn die Stromenge des Oswego und seine Fälle sind in ihrem Charakter und in ihrer Heftigkeit sehr verschieden, da die ersten nichts weiter als eine Stromschnelle war, welche über Untiefen und Felsen geht, indeß die letzteren den Namen, den sie trugen, wie wir eben gesehen haben, in der Wirklichkeit verdienten.
Mabel mochte allerdings Beklemmung und Furcht fühlen. Aber ihre ganze Lage war so neu, und das Vertrauen zu ihrem Führer so groß, daß sie sich in einer Selbstbeherrschung erhielt, deren sie wohl nicht mächtig gewesen wäre, wenn sie sich hätte klarere Vorstellungen von der Wahrheit machen können, oder die Hilflosigkeit des Menschen, wenn es den Kampf gegen die Macht und Majestät der Natur gilt, besser gekannt haben würde.
„Ist das die Stelle, deren Ihr erwähnt habt?“ sagte sie zu Jasper, als ihr das Geräusch des Stromschusses zum ersten Mal frisch und deutlich zu Ohren kam.
„Sie ist es; und ich bitte Sie, Vertrauen zu mir zu haben. Unsere Bekanntschaft ist zwar noch jung, Mabel; aber wir leben hier in der Wildniß viele Tage in Einem, und es kommt mir bereits vor, als ob ich Sie schon Jahre lang gekannt hätte."
„Auch ich fühle gegen Euch nicht, wie gegen einen Fremden, Jasper. Ich habe einiges Vertrauen zu Eurer Geschicklichkeit sowohl, als zu Eurem guten Willen, mir einen Dienst zu leisten."
„Wir werden sehen, wir werden sehen. — Pfadfinder peitscht die Schnellen zu nahe am Mittelpunkt des Flusses; das Wasserbette ist gegen das östliche Ufer zu enger; aber ich kann mich ihm jetzt nicht verständlich machen. Halten Sie sich fest an den Kahn und befürchten Sie nichts.“
Im nächsten Augenblick hatte die rasche Strömung sie in den Stromschuß getrieben. Drei oder vier Minuten sah das mehr von heiliger Scheu als von Furcht ergriffene Mädchen rund um sich nichts als die Güsse glänzenden Schaumes, und hörte nichts, als das Brausen der Wasser. Zwanzigmal schien der Kahn von irgend einer kräuselnden, glänzenden Welle, die man sogar in der Dunkelheit der Nacht erkennen konnte, überschüttet zu werden; und eben so oft glitt er unbeschädigt daran vorbei, getrieben durch den kräftigen Arm dessen, der seine Bewegungen leitete. Einmal, aber auch nur Einmal, schien Jasper seine Herrschaft über die zerbrechliche Barke zu verlieren, in welchem kurzen Augenblick sie rund herum wirbelte; aber durch eine verzweifelte Anstrengung brachte er sie wieder in seine Gewalt, gewann das verlorene Fahrwasser wieder und fühlte sich bald für alle seine Beängstigungen dadurch belohnt, daß er den Kahn ruhig in dem tiefen Wasser unterhalb der Stromschnellen dahin schwimmen sah, ohne daß dieser von dem Elemente so viel eingenommen, als zu einem Trunke hätte dienen können.
„Alles ist vorüber," rief der junge Mann freudig. „Die Gefahr ist vorbei, und Sie dürfen nun hoffen, noch in dieser Nacht ihren Vater zu umarmen."
„Gott sei gepriesen! Jasper; Euch verdanken wir dieses große Glück.«
„Der Pfadfinder kann einen guten Theil des Verdienstes in Anspruch nehmen. Aber was ist aus dem andern Kahn geworden?"
„Ich sehe Etwas in der Nähe auf dem Wasser. Ist es nicht das Boot unserer Freunde?"
Wenige Ruderschläge brachten Jasper an die Seite des fraglichen Gegenstandes. Es war der andere Kahn, leer und mit aufwärts gerichtetem Kiele. Der junge Mann hatte sich kaum über diesen Umstand Gewißheit verschafft, als er anfing, sich nach den Schwimmern umzusehen, und zu seiner großen Freude entdeckte er bald Cap, welcher mit der Strömung abwärts trieb. Der alte Seemann hatte die Gefahr des Ertrinkens derjenigen, mit welcher er beim Landen von den Wilden aus bedroht war, vorgezogen.
Er wurde, obschon nicht ohne Schwierigkeit, in den Kahn geholt, und damit hatte daß Nachforschen ein Ende. Jasper war nämlich überzeugt, daß der Pfadfinder in dem seichten Wasser an's Ufer waten werde, um seine geliebte Büchse nicht verlassen zu müssen.
Der Rest der Fahrt war kurz, obgleich sie mitten in der Dunkelheit und Ungewißheit gemacht wurde. Nach einer kleinen Weile ließ sich ein dumpfes Getöse vernehmen, welches zuweilen dem Rollen eines entfernten Donners und dann wieder dem Brausen der Wasser ähnelte. Jasper erklärte seinen Gefährten, daß sie nun die Brandung des See's hörten. Vor ihnen lagen niedrige, gekrümmte Landspitzen, von denen eine eine Bai bildete.
Hier fuhr der Kahn ein und schoß geräuschlos an das kiesige Ufer. Dieser Uebergang war so rasch und ergreifend erfolgt, daß Mabel die Vorgänge kaum fassen konnte. Im Laufe weniger Minuten kamen sie an den Schildwachen vorbei; das Thor wurde geöffnet und das bewegte Mädchen fand sich in den Armen eines Vaters, der ihr fast ein Fremder geworden war.
Achtes Kapitel.
Ein Land der Lieb', ein Land voll Licht,
Wo Nacht und Mond und Sonne nicht;
Wo lebend rasch die Welle fließt,
Ein Himmelsstrahl das Licht ergießt.
Ich sah das Land, und 's ist mir kaum
Als wär's ein ew'ger stiller Traum.
Der Königin Erwachen.
Die Ruhe, welche der Anstrengung folgt, ist gewöhnlich tief und süß, wenn sie mit dem Gefühle der Sicherheit verbunden ist. Dieß war auch bei Mabel der Fall, welche sich erst von ihrer ärmlichen Pritsche — denn nur auf ein solches Lager konnte eine Sergeantentochter auf einem abgelegenen Gränzposten Anspruch machen — erhob, als die Garnison schon lange der gewöhnlichen Aufforderung der Trommeln gehorcht und sich zur Morgenparade versammelt hatte. Sergeant Dunham, dessen Geschäft es war, den gewöhnlichen täglichen Dienst zu beaufsichtigen, hatte bereits seine Morgenverrichtungen vollbracht, und begann eben an sein Frühstück zu denken, als seine Tochter ihr Zimmer verließ, und in die freie Luft heraus trat, in gleichem Grade verwirrt, erfreut und dankerfüllt über die Neuheit und Sicherheit ihrer jetzigen Lage.
Zu der Zeit, in welcher unsere Erzählung spielt, war Oswego einer der äußersten Gränzposten der brittischen Besitzungen auf diesem Continent. Es war noch nicht lange besetzt und hatte in seiner Garnison ein Bataillon eines ursprünglich schottischen Regiments, in das aber, seit seiner Ankunft in dieser Gegend, viele Amerikaner aufgenommen worden waren. Durch diese Neuerung wurde es dem Vater Mabels möglich gemacht, die zwar unbedeutende, aber doch verantwortliche Stelle des ältesten Sergeanten einzunehmen. Es befanden sich auch einige junge Offiziere, welche in den Colonieen geboren waren, bei dem Corps. Das Fort selbst war, wie die meisten derartigen Werke, besser geeignet, einem Angriff der Wilden zu widerstehen, als eine regelmäßige Belagerung auszuhalten; aber die große Schwierigkeit, welche mit dem Transport der schweren Artillerie und anderer Erfordernisse verbunden war, machte die letztere so unwahrscheinlich, daß die Ingenieure bei dem Entwurf der Vertheidigungswerke auf eine solche gar keinen Bedacht nehmen zu müssen glaubten. Man hatte Bollwerke von Erde und Holzstämmen, einen trockenen Graben, Pallisaden, einen Paradeplatz von beträchtlicher Ausdehnung und eine Kaserne aus Holzstämmen, welche zu dem doppelten Zwecke der Bewohnung und der Befestigung diente. Einige leichte Feldstücke standen in dem Raume des Forts, um schnell dahin, wo man ihrer bedurfte, geführt werden Zu können, und ein oder zwei schwere eiserne Kanonen blickten aus den Spitzen der vorspringenden Winkel, als eben so viele Ermahnungen an den Verwegenen, ihre Macht zu respektiren.
Als Mabel die bequeme, aber vergleichungsweise einsame Lagerhütte, in welcher ihr Vater sie unterbringen durfte, verlassen hatte und in die reine Morgenluft trat, fand sie sich am Fuße einer Bastei, welche so einladend vor ihr lag, daß sie sich von hier aus einen Ueberblick über alles Das, was ihr die Finsterniß der vorigen Nacht verborgen hatte, versprach. Das Mädchen hüpfte mit eben so leichten Füßen als leichtem Herzen die grasige Anhöhe hinan, und befand sich auf Einmal auf einem Punkte, welcher ihr in wenigen Blicken die Uebersicht über alle äußeren Verhältnisse ihrer neuen Lage gestattete.
Gegen Süden lag der Wald, durch welchen sie so viele ermüdende Tage gewandert war, und der sie die ganze Fülle seiner Gefahren hatte empfinden lassen. Er war von den Pallisaden des Forts durch einen Gürtel freien Feldes getrennt, welches hauptsächlich deßhalb gelichtet worden war, um den kriegerischen Vorkehrungen Raum zu geben. Dieses Glacis, denn als solches diente es in der That für den Kriegszweck, mochte ungefähr hundert Morgen betragen; aber mit ihm wich auch jede Spur von Civilisation. Jenseits war Alles Wald — jener dichte, endlose Wald, welchen Mabel sich nun aus ihren Erinnerungen mit seinen verborgenen, glänzenden Seen, seinem dunkel rollenden Strome und seiner ganzen Welt von Natur, deutlich vor die Seele führen konnte.
Als unsere Heldin sich von diesem Anblick abwendete, fühlte sie auf ihren Wangen das Fächeln eines frischen und angenehmen Lüftchens, wie sie es, seit sie die ferne Küste verlassen, nicht wieder empfunden hatte. Bald zeigte sich ihr ein neues Schauspiel, welches, obschon es nicht unerwartet kam, sie dennoch nicht wenig überraschte, und ein schwacher Ausruf bekundete, mit welcher Lust ihre Augen die vor ihnen liegenden Reize verschlangen. Gegen Norden, Osten und Westen in jeder Richtung, kurz über die ganze Hälfte des neuen Panorama's lag eine weite Fläche wogenden Wassers. Das Element hatte weder das glänzende Grün, welches im Allgemeinen die amerikanischen Gewässer bezeichnet, noch das tiefe Blau des Oceans; es war von einer lichten Umbrafarbe, welche kaum seine Durchsichtigkeit beeinträchtigte. Nirgends Land, mit Ausnahme der anliegenden Küste, welche sich rechts und links an einem ununterbrochenen Saume von Wäldern hinzog, mit weiten Bayen und niedrigen Vorsprüngen oder Spitzen. An vielen Stellen war das Ufer felsig, und in den Höhlen desselben rollte das träge Wasser hin und wieder in einem hohlen Tone, der einem entfernten Kanonendonner glich. Kein Segel glänzte auf der Oberfläche, kein Walfisch oder sonstiger Fisch spielte auf dieser Ebene, und kein Zeichen menschlichen Thun und Treibens belohnte den anhaltendsten und sorgfältigsten Blick auf dieser endlosen Ausdehnung. Es war eine Scene, die auf der einen Seite die endlosen Wälder, auf der andern die weiten unbegränzten Wasser zeigte, und die Natur schien eine Lust daran gefunden zu haben, einen großartigen Effekt dadurch hervorzurufen, daß sie ihre beiden Hauptbestandtheile kühn neben einander sich heben ließ, ohne auf deren Einzelnheiten einzugehen. Das Auge floh mit Lust und Bewunderung von dem breiten Blätterteppich zu dem noch breiteren Wasserfelde, und von dem endlosen, sanften Wellenschlag des See's zu der heiligen Ruhe, der poetischen Einsamkeit des Urwaldes zurück.
Mabel war fern von jeder Ueberbildung, und da sie so empfänglich und offen, wie nur irgend ein Mädchen mit warmem Herzen und reiner Seele war, so gebrach es ihr nicht ganz an dem Sinne für die Poesie unserer schönen Erde. Obgleich man nicht sagen konnte, daß sie überhaupt Erziehung genossen denn nur Wenigen ihres Geschlechts wurde in jenen Tagen und in diesen Gegenden viel mehr als die Anfangsgründe des englischen Unterrichts zu Theil — so hatte sie doch ein Ansehnliches weiter gelernt, als bei Mädchen ihrer Stellung gewöhnlich war; und in einem Betrachte wenigstens machte sie ihrem Lehrer keine Unehre.
Die Wittwe eines Offiziers aus dem Regimente, zu welchem ihr Vater gehörte, hatte sich nach dem Tode ihrer Mutter des Mädchens angenommen; unter der Sorgfalt dieser Frau konnte Mabel einigermaßen ihren Geschmack ausbilden und sich zu Ideen erheben, welche ihr unter andern Umständen wohl immer fremd geblieben wären. Ihre Stellung in der Familie war eher die einer Gesellschafterin als die eines Dienstboten gewesen, was man schon an ihrer Kleidung, ihrer Sprache, ihren Meinungen und insbesondere an ihren Gefühlen erkennen konnte, obgleich sie sich vielleicht nie zu der Höhe erhoben hatte, welche geeignet war, eine Frau von Stande zu bezeichnen. Sie hatte die rauheren und wenig verfeinerten Gewohnheiten und Manieren ihrer ursprünglichen Stellung verloren, ohne jedoch ganz den Punkt erreicht zu haben, der sie für jene Lebenslage, welche die Zufälligkeiten der Geburt und des Vermögens ihr wahrscheinlich anwiesen, untauglich gemacht haben würde. Alle andern Eigenthümlichkeiten gehörten ihrem natürlichen Charakter an.
Nach solchen Vorgängen wird sich der Leser nicht wundern, wenn er erfährt, daß Mabel das vor ihr liegende neue Schauspiel mit einem weit höheren Genusse betrachtete, als ihn eine gewöhnliche Ueberraschung zu geben vermag. Sie fühlte die allgemeinen Schönheiten, wie sie die Meisten gefühlt haben würden; aber sie hatte auch einen Sinn für ihre Erhabenheit, für jene sanfte Einsamkeit, jene ruhige Größe und für die beredte Ruhe, welche sich immer über eine weite Aussicht breitet, in der die Natur durch die Mühen und Anstrengungen des Menschen nicht gestört wird. „Wie schön!" rief sie, ohne es selbst zu beachten, aus, als sie auf dem einsamen Bollwerk stand und ihr die Luft des See’s entgegenwehte, die ihren Körper und ihren Geist in gleicher Weise belebend durchdrang. „Wie wahrhaft schön! und doch so einfach!"
Diese Worte und der Gang ihrer Gedanken wurde durch eine leichte Berührung ihrer Schulter unterbrochen, und als sie sich umdrehte, fand Mabel, welche ihren Vater zu sehen erwartete, den Pfadfinder an ihrer Seite. Er lehnte ruhig an seiner langen Büchse und lachte in seiner stillen Weise, während er mit ausgestrecktem Arm über das ganze Wasserund Landpanorama hinfuhr.
„Hier haben Sie unsere beiden Domänen," sagte er: „Jaspers und die meinigen. Ihm gehört der See, mir die Wälder. Der Junge thut bisweilen groß mit der Breite seiner Besitzungen; aber ich sage ihm, daß meine Bäume ein so großes Stück Fläche auf dieser Erde ausmachen, als all sein Wasser. Nun, Mabel, Sie passen wohl für beide, denn ich sehe nicht, daß die Furcht vor den Mingo's oder die Nachtmärsche ihre hübschen Augen trüben können."
„Ich lerne den Pfadfinder in einem ganz neuen Charakter kennen, indem er einem einfältigen Mädchen Complimente sagt!"
„Nicht einfältig, Mabel; nein, nicht im Mindesten einfältig. Des Sergeanten Tochter würde ihrem würdigen Vater Unehre machen, wenn sie Etwas thun oder sagen würde, was man mit Recht einfältig nennen könnte."
„Dann muß sie sich in Acht nehmen und trügerischen Schmeichelreden nicht zu viel Glauben schenken. Aber, Pfadfinder, ich freue mich, Euch wieder unter uns zu sehen, denn obgleich sich Jasper nicht viel daraus zu machen schien, so war ich doch besorgt, daß irgend ein Unfall Euch und Euern Freund in dieser fürchterlichen Stromenge betroffen haben möchte."
„Der Junge kannte uns Beide, und wußte wohl, daß wir nicht ertrinken würden; denn dieß ist schwerlich eine von meinen Gaben. Es wäre auch wahrlich nicht gut schwimmen gewesen mit einer langläufigen Büchse in der Hand; und was diesen Spaß anbelangt, so ist der Hirschetödter und ich zu oft schon durch Wilde und Franzosen gegangen, als daß ich mich so leicht hätte von ihm trennen können. Nein, nein, wir wateten an's Ufer; die Enge war, mit Ausnahme einiger kleinen Stellen, seicht genug dazu — und landeten mit den Waffen in den Händen. Ich gebe zwar zu, daß wir uns um der Irokesen willen Zeit ließen; aber sobald diese schleichenden Vagabunden die Lichter erblickten, welche der Sergeant nach Eurem Kahn herunterschickte, wußten wir wohl, daß sie sich aus dem Staub machen würden, um einer allenfallsigen Visite von der Garnison aus zu entgehen. So saßen wir denn ungefähr eine Stunde geduldig auf den Steinen, und die Gefahr war vorüber. Geduld ist für einen Waldbewohner die wichtigste Tugend."
„Ich freue mich, das zu hören! denn selbst die Müdigkeit konnte mich kaum schlafen machen, wenn ich bedachte, was Euch möchte zugestoßen sein."
„Der Herr segne Ihr empfindsames kleines Herz, Mabel! aber das ist so die Weise sanfter Frauenzimmer. Was mich anbelangt, so war ich froh, als ich die Laternen auf das Wasser zukommen sah, weil ich daraus entnehmen konnte, daß Sie in Sicherheit waren. Wir Jäger und Wegweiser sind zwar rauhe Bursche, aber wir haben unsere Gefühle und unsere Gedanken so gut, als ein General in der Armee. Wir Beide, Jasper und ich, hätten uns lieber todtschlagen lassen, ehe Sie hätten Schaden nehmen sollen — ja, das hätten wir."
„Ich danke Euch, Pfadfinder, für Alles was Ihr für mich gethan habt; aus dem Grunde meines Herzens danke ich Euch, und verlaßt Euch d'rauf, daß es mein Vater erfahren soll. Ich habe ihm schon viel erzählt, aber es bleibt mir in dieser Sache noch eine weitere Verpflichtung."
„Pah! Mabel! der Sergeant weiß, was die Wälder sind, und kennt auch die Weise der ächten Rothhäute. Es ist nicht nöthig, ihm diese Dinge weitläufig zu erzählen. Nun, Sie sind ja jetzt mit Ihrem Vater zusammengetroffen? Finden Sie den braven alten Soldaten als so eine Art Person, wie Sie ihn zu finden erwarteten?" „Er ist mein theurer Vater, und hat mich aufgenommen, wie ein Soldat und Vater sein Kind aufnehmen soll. Kennt Ihr ihn schon lange, Pfadfinder?"
„Allerdings, wenn wir wie die Leute rechnen wollen. Ich war gerade zwölf Jahre alt, als der Sergeant mich zu meiner ersten Späherstreife mitnahm, und das ist nun schon über dreißig Jahre. Wir hatten übrigens lange daran zu dauen, und da dieses geschah, ehe Sie geboren waren, so würden Sie wohl keinen Vater gehabt haben, wäre nicht die Büchse eine von meinen natürlichen Gaben gewesen."
„Erklärt Euch deutlicher."
„Es ist zu einfach für viele Worte. Wir waren in einen Hinterhalt gefallen; der Sergeant wurde schwer verwundet, und würde wohl seine Kopfhaut verloren haben, hätte ich nicht auf so einer Art von Instinkt zum Gewehr gegriffen. Wir brachten ihn dann weg, und ein schönerer Haarkopf ist, so lange das Regiment besteht, nicht in demselben gefunden worden, als wie ihn der Sergeant noch an diesem gesegneten Tage herumträgt."
„Ihr habt meines Vaters Leben gerettet, Pfadfinder," rief Mabel, und faßte unwillkürlich, aber mit Wärme, seine harten, sehnigen Hände mit den ihrigen. „Gott segne Euch auch hiefür, wie für Eure andern guten Handlungen!"
„Nein, ich sagte das nicht, obgleich ich glaube, daß ich seinen Skalp gerettet habe. Ein Mensch kann ohne Kopfhaut leben, und so kann ich nicht sagen, daß ich sein Leben gerettet habe. Aber Jasper könnte das wohl von Ihnen behaupten, denn ohne sein Auge und seinen Arm würde der Kahn nimmermehr in einer Nacht, wie die letzte, glücklich über die Stromenge gekommen sein. Die Gaben des Jungen sind für das Wasser, während die meinigen für die Jagd und die Fährte passen. Er ist dort in der Bucht, sieht nach den Kähnen und verwendet kein Auge von seinem lieben kleinen Fahrzeug. In meinen Augen gibt es keinen schmuckeren Burschen in dieser Gegend, als Jasper Western.«
Das erste Mal, seit sie ihr Zimmer verlassen, blickte jetzt Mabel abwärts, um auch einen Ueberblick über den Vordergrund des merkwürdigen Gemäldes, in das sie sich mit solcher Lust vertieft hatte, zu gewinnen. Der Oswego ergoß sein dunkles Wasser zwischen etwas erhöhten Dämmen, von denen der östliche sich kühner erhob und weiter gegen Norden hervorsprang, als der westliche, in den See. Das Fort lag auf der Westseite, und unmittelbar unter ihm befanden sich einige Blockhäuser, welche, da sie nichts zur Vertheidigung des Platzes beitragen konnten, an dem Ufer hin errichtet worden waren, um die Vorräthe aufzunehmen und aufzubewahren, welche gelandet wurden, oder nach den verschiedenen befreundeten Häfen an den Ufern des Ontario eingeschifft werden sollten. Dann zeigten sich zwei niedrige, gekrümmte, kiesige Punkte, welche mit überraschender Regelmäßigkeit durch die sich entgegenwirkenden Kräfte der Nordwinde und der schnellen Strömung gebildet waren, und sich mitten in dem Fluß zu zwei gegen die Seestürme geschützten Bayen gestalteten. Die auf der Westseite war am tiefsten ausgeschnitten, und da sie auch das meiste Wasser hatte, so konnte man sie als einen kleinen malerischen Hafen betrachten. Längs des nahen Ufers, welches sich zwischen der geringen Ansteigung des Forts und dem Wasser dieser Bucht befand, waren die eben erwähnten rohen Gebäude errichtet.
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