Kitabı oku: «Die Jagd nach der silbernen Feder», sayfa 3

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DER KNOCHENSAMMLER

Zögernd folgten Wald und Pepe, immer noch völlig außer Atem, der gekrümmten Gestalt ihres bleichen Führers. Pepe bemerkte, dass dieser humpelte. Schwer stützte sich der Höhlenbewohner auf einen langen Stab. Mit einem dumpfen Dröhnen setzte er ihn Schritt für Schritt neben sich auf. In der linken Hand hielt er eine funzelige Grubenlampe. Als Pepe den Stab im Zwielicht der Lampe genauer betrachtete, fiel ihm auf, dass er nicht aus Holz, sondern aus einem sehr großen, sehr alten Knochen zu sein schien.

„Was ist das für ein Mensch?“, flüsterte Pepe Wald atemlos ins Ohr.

Völlig erschöpft lehnte er sich gegen die kalte Höhlenwand. Wald rang nach Atem und keuchte: „Ein Knochensammler.“

„Oh, Sie sprechen über mich?“ Der Knochensammler drehte sich um. „Ich habe mich nicht vorgestellt. Wie unhöflich von mir. Ich bedauere es zutiefst. Entschuldigen Sie bitte, hohe Herren. Ich meine fast, auch Sie hätten es ein klein wenig eilig gehabt. Wie auch immer.“ Er wischte mit seiner Hand durch die Luft und die Grubenlampe flackerte. „Mein Name ist Geiswind. Geiswind, der Knochensammler.“

Pepe warf einen fragenden Blick in Walds sorgenvolles Gesicht.

Der Knochensammler umklammerte seinen Knochen und senkte den Kopf. „Ja, ja“, murmelte er halblaut, „die feinen Herren halten nicht viel von unsereins. Ja, ja. Es muss wohl so sein.“ Er schüttelte seinen Kopf und Pepe befürchtete beinahe, dass ihm dieser vom Hals fallen würde. Die Haut des Alten war fast durchsichtig, dünn und zerknittert. Nur über seinen hohen Wangenknochen spannte sie sich. Sein graues Haar war von verblassten roten Strähnen durchzogen. Es fiel ihm bis über die Schultern und rahmte einen Bart ein, der, struppig wie ein Sanddornbusch, über sein Gesicht wucherte. Er war nur wenig größer als Pepe und seine ganze Gestalt wirkte eingesackt. Vielleicht ist er einmal ein stolzer Mann gewesen?, dachte Pepe und betrachtete Geiswinds langen dunklen Mantel.

„Wir müssen weiter. Geht dicht hinter mir“, sagte der Knochensammler mit seiner trockenen Stimme und wandte sich zum Gehen.

„Halt! Wohin führst du uns, Mann?“, unterbrach Wald seinen Gang.

Geiswind drehte sich erneut um. Wald blickte ihm direkt in die Augen.

„Dieser Stollen wurde in den uralten Zeiten von Zwergen gegraben.“ Er hielt inne, um sich eine rote Strähne aus dem Gesicht zu wischen. „Auf der Suche nach Eisenerz trieben sie ihre Schächte durch das halbe Brachtland. Das Felsenmeer verdankt seinen Ursprung diesen alten Stollen. Sie wurden marode, stürzten ein und verwandelten die Landschaft.“

Wald verzog misstrauisch das Gesicht.

„Keine Sorge“, antwortete der Knochensammler. „Dieser Bereich ist stabil.“ Wie zur Bestätigung stieß er seinen Knochen hart auf den steinernen Boden. Ein dumpfes Dröhnen hallte durch den unterirdischen Gang. Dann streckte Geiswind seinen Arm aus und leuchtete mit der Grubenlampe in die Tiefe des Stollens. Pepe sah nur Schwärze. Der Knochensammler fuhr fort: „Etwa zwei Stunden strammen Fußmarsches weiter vorne gibt es eine Steige. Sie führt zu einem unterirdischen Seitenarm der Bracht. Dort könnt ihr mein altes Floß nutzen und zum Hauptfluss zurückgelangen …“

Wald ging einen schnellen Schritt auf Geiswind zu. „Wieso sollten wir dir trauen?“, unterbrach er den Alten unwirsch.

Geiswind senkte den Kopf. Wie ein Zischen schoss es aus seinem faltigen Mund: „Ich kann euch gerne wieder die Tür nach draußen öffnen. Entscheidet euch.“

In den Augen des Knochensammlers blitzte ein Funkeln auf, das Pepe nicht deuten konnte. So sehr er sich anstrengte, er konnte in der Tiefe dieser schwarzen Seele nichts lesen.

„Ich warne dich!“, knurrte Wald. „Führ uns durch den Berg! Und keine Fallen! Verstanden? Wir brauchen unsere Knochen noch!“

Die Wände der Schächte blieben so eng wie zu Beginn. Wald schienen seine sechs Läufe in dieser Umgebung eher hinderlich als dienlich zu sein. Seine Laune verschlechterte sich zusehends. In stummem Marsch gingen sie hintereinanderher. Die Lampe des Knochensammlers hatte von Anfang an nur dämmrig geleuchtet und nach knapp einer Stunde schien ihr Licht langsam zu erlöschen.

„Es ist gleich so weit“, krächzte Geiswind. Als die eiserne Grubenlampe zu flackern anfing, blieb er stehen, wandte sich nach rechts und kramte in seinem Mantel. Mit einem rostigen Schlüssel schloss er eine kleine hölzerne Tür auf, die sich knarrend öffnete. Der Knochensammler trat einen Schritt zur Seite und ließ Pepe und Wald im letzten Flackern der Lampe eintreten. Dann herrschte Dunkelheit. Sie hörten Geiswind schnarren und scharren und kurz darauf erleuchteten drei Öllampen den Raum.

Pepe blickte um sich und entdeckte eine beeindruckende Knochensammlung. Da standen mehrere Wiesendschädel an die Wände gelehnt und daneben riesige Oberschenkelknochen der längst ausgestorbenen Waldschrate. Auf einem hölzernen Schemel lag der flache Schädel eines Nebelparders neben dem gedrungenen Schädel eines Brillenbärs. Körbe voller Ellenbogen und kleine Schälchen mit Haifischzähnen bedeckten den Boden des Raumes. Hühnerknochen hingen, an Schnüren aufgereiht, unter der Decke und Töpfe voller Knochenstaub und Knorpelasche reihten sich ringsum auf den Regalen.

Während die beiden Gefährten sich erschöpft setzten, entzündete der Knochensammler ein kleines Kohlenfeuer. Er nahm einen leeren eisernen Topf aus einem der unzähligen Regale und füllte ihn mit Vogelknochen, die er von der Decke klaubte. Dann goss er kristallklares Wasser darauf und stellte den Topf auf die glühenden Kohlen. Er bewegte sich so flink, als würde er dieses Ritual mehrmals täglich durchführen.

Schließlich setzte sich auch er ans Feuer. Aus den Tiefen seiner Manteltasche kramte er eine winzige Flöte, schlicht aus einem Rinderknochen geschnitzt, heraus. Pepe lauschte den tiefen traurigen Tönen, die aus der Flöte krochen und die dunkle Luft mit ihrem trüben Klang beschwerten. Seine Augen wurden schwer.

„Nicht einschlafen!“ Wald stieß ihn von der Seite an. Pepe fröstelte. Er wusste nicht, wie lange der Knochensammler gespielt hatte. Doch als dieser offenbar meinte, er hätte genug Trübsinn in seine dunklen Gänge hinausgeflötet, nahm er den Topf mit den Knochen vom Feuer und füllte die Brühe in drei matte Schalen. Eine Handvoll Feigen kam aus seiner Manteltasche zum Vorschein, die er mit seinen langen dürren Fingern neben die Schälchen legte.

Die Suppe schmeckte fad und wässrig, aber wider Erwarten nicht schlecht. Die Feigen waren trocken, aber voller Geschmack. „Was gäbe ich jetzt für ein Stück Speck und Ziegenkäse“, grunzte Wald, verschlang die heiße Suppe jedoch gierig.

Satt, erschöpft und schläfrig lehnten sie sich mit dem Rücken an die kalten Felswände. Doch der Knochensammler erhob seine rauchige Stimme: „Zeit, aufzubrechen.“

Er füllte seine Grubenlampe und die Gefährten brachen schweigend auf. Sie marschierten zügig durch die dunklen verlassenen Schächte. Nach einer guten Stunde erreichten sie eine schmale Stiege, die abwärtsführte. Geiswind leuchtete mit seiner Grubenlampe in den dunklen, steil abfallenden Schacht und grunzte: „Brecht euch bloß nicht die Knochen.“

Langsam und vorsichtig stiegen sie abwärts. Nach einigen Metern vernahm Pepe ein fernes Gluckern. Mit jedem Schritt wurde das Glucksen lauter, kam näher, und als er meinte, schon neben einem Bach zu stehen, erreichten sie ein hohes Gewölbe. Pepe konnte die Decke nicht ausmachen. Die Höhle schien sich weit auszustrecken. Ganz in ihrer Nähe floss träge ein schwarzer Fluss. Das Licht der Grubenlampe schimmerte schwach auf seiner Oberfläche.

Geiswind führte sie etwa hundert Schritte flussaufwärts und kniete am felsigen Ufer neben einem alten Floß nieder. „Hier ist es.“ Er band den verwitterten Strick, der das Floß am Ufer hielt, los. „Steigt auf. Aber Vorsicht! Es hat schon bessere Tage gesehen.“

Skeptisch betrachtete Wald die modrigen Planken. „Das ist nicht dein Ernst, Knochensammler?“ Seine Augen durchbohrten Geiswind.

Geiswinds knöcherne Schultern zuckten. Die Grubenlampe flackerte. „Habt ihr eine Wahl?“ Er musterte Pepe. „Folgt dem Fluss. Passt auf. Die Strömung ist schnell. Mit etwas Glück erreicht ihr gegen Morgen den Ausgang.“

Die modrigen Planken ächzten, als Wald seine schweren Vorderpfoten auf ihnen platzierte. Das Floß neigte sich zur Seite. Pepe folgte ihm vorsichtig.

„Gib uns wenigstens deine Lampe!“ Bittend sah er den dürren Knochensammler an. Geiswind wühlte in seiner Tasche, kramte einen Kerzenstummel heraus und entzündete ihn an der Lampe. Dann reichte er Pepe seine Grubenlampe und stieß das Floß mit seinem Knochen ab. „Die Lampe hat genug Öl bis zum Ausgang. Greif unter dich, Junge. Dort findest du einen Stecken. Ihr werdet ihn brauchen, um euch abzustoßen.“

Wald drehte sich bedächtig um die eigene Achse. „Ich habe dich gewarnt, Knochensammler. Du solltest keine Spiele mit uns treiben!“ Sein Ruf hallte zum Ufer. Keine Regung war im Gesicht des Alten zu erkennen. Dann, das Floß hatte sich schon um fünf Längen vom Ufer entfernt, sah Pepe ein Lächeln über das Gesicht des Knochensammlers huschen. Auch dieses konnte er nicht deuten.

Die Strömung packte das Floß und trug sie schnell aus dem Gewölbe hinaus. Die Kerze Geiswinds wurde kleiner und verschwand. Der Nebenarm der Bracht trug sie in einen niedrigen Tunnel hinein. Pepe kauerte fast liegend auf dem Floß, um sich nicht an den spitzen Felsen zu stoßen, die aus der niedrigen Decke ragten. Die Nässe zog sich durch seine Kleidung und weil er sich nicht bewegen konnte, begann er nach kurzer Zeit erbärmlich zu frieren. Er konnte seine Fußspitzen und seine Hände vor Kälte kaum noch spüren.

Misstrauisch blickte Wald in die Schwärze und murmelte: „Sollte mich wundern, wenn das gutgeht. Entweder wir brechen uns auf dieser letzten Reise das Genick und der dürre Vogel sammelt später unsere Knochen auf. Oder aber er ist der erste ehrliche Knochensammler, den ich in meinem Welfenleben getroffen habe. Dann, aber ich halte das nicht für wahrscheinlich, kommen wir hier wirklich an einem Stück hinaus.“

Pepe und Wald kauerten wie versteinert am Boden des Floßes und verloren jedes Zeitgefühl. Die nasse Fahrt schien sich über Stunden zu ziehen. Pepe wusste nicht mehr, ob es draußen Tag oder Nacht war. Der schwache Schein der eisernen Grubenlampe erleuchtete immer nur den nächsten Meter und sie schienen in einem endlosen Labyrinth aus schwarzem Wasser und herabragenden Felsen gefangen zu sein.

Pepe spürte, dass die Strömung stärker und ihr Floß von der Flussmitte zum linken Ufer gezogen wurde. Er meinte, in der Ferne ein leises Rauschen zu hören. Pepe richtete sich auf und hob den Stecken an. Täuschte er sich oder war das Rauschen lauter geworden? Glitschig lag der feuchte Knochen in seiner Hand. Doch – da. Das Rauschen schwoll an und wurde bald zu einem ohrenbetäubenden Tosen.

Pepe kroch gebückt auf den vorderen Teil des Floßes. Das alte Floß schwankte bedrohlich. Kniend begann Pepe sich mit aller Kraft gegen die Strömung zu stemmen und versuchte, das Floß zurück in die Mitte des Flusses zu steuern.

Wald blickte beunruhigt in die tanzenden Schaumkronen vor sich. „Bring uns zurück in die Mitte, Pepe!“, keuchte er. „Schaffst du das?“

Pepe blickte sich hektisch um. Der Fluss schien sich zu teilen. Während der Hauptstrom weiter beharrlich geradeaus floss, hatte sich das Bild zu ihrer Linken verändert. Eine Nebenströmung hatte sie erfasst und zog sie unwiderstehlich mit sich.

Ihr Floß schwankte bedrohlich, als Wald versuchte, sich aufzurichten. „Pepe!“, brüllte er. „Du musst uns in die Mitte bringen!“

Pepe war wie versteinert. Walds Brüllen drang nur wie ein leises Flüstern in seine Ohren. Gebannt starrte er auf den Schlund, der sich auf der linken Seite öffnete. Nicht weit vor ihnen stürzten die Wassermassen mit einem Höllenlärm in die Tiefe. Seine Ohren dröhnten. Aus den Augenwinkeln und wie in Zeitlupe sah er Wald ins Wasser springen. Er verlor das Gleichgewicht, schwankte nach hinten, tat einen Schritt und stürzte auf die Knie. Walds Kopf tauchte neben dem Floß auf und wie durch einen Nebel nahm er wahr, dass Wald etwas rief.

„Hilf mir!“, brüllte Wald. „Stoß uns ab!“

Jetzt war Pepe hellwach. Nur noch wenige Bootslängen trennten ihn von dem Schlund. Nur noch Sekunden trennten ihn und Wald von einem Sturz in die undurchdringliche schäumende Schwärze. Wald drückte mit der Macht seines stämmigen Körpers gegen das Floß und Pepe stieß den langen Knochen mit aller Kraft dicht neben ihm in den Grund des Flusses. Der Stecken griff. Pepes Arme brannten. Wieder und wieder stieß er den Stab ins schwarze Nass. Dann, Pepe hatte die Hoffnung schon tausendmal aufgegeben, vergrößerte sich der Abstand zu dem Schlund und der Sog ließ nach. Sie waren aus der Strömung heraus.

„Das hätte dem Knochensammler gefallen“, keuchte Wald mit der Schnauze auf dem Floß. „Hübsch zerschellt wären wir da unten in der Tiefe.“

Pepe stieß das Floß mit einem letzten Ruck ab und zog den Stecken ein. Wald paddelte neben ihm. Pepe schloss die Augen. „He, sieh nach vorne!“, hörte er Wald neben sich. Pepe versuchte seine Augenlieder aufzuschlagen. Sie waren schwer wie Blei und ihn beschlich das albtraumhafte Gefühl, sie nie wieder öffnen zu können. Doch als er sich mit aller Kraft zwang und sie einen Schlitz weit aufdrückte, sah er einen hellen Sonnenschein am Ende des Tunnels. Das schreckliche Tosen lag hinter ihnen. Der Strom floss wieder ruhig und gluckerte friedlich.

„Gleich haben wir es geschafft“, murmelte Wald. „Ich glaube, du musst abbremsen, Pepe.“

Pepe ging in die Knie und verlangsamte mit dem Knochen die Fahrt.

Wald tauchte unter dem Floß hindurch und schob es mit kräftigen Paddelstößen langsam ans linke Ufer. Nass, durchfroren und müde erreichten sie die warme helle Öffnung, durch die sich der Fluss ins Freie ergoss.

Zitternd vor Kälte verließen Wald und Pepe das Floß und fanden Platz auf einem kleinen Felsvorsprung. Pepe verknotete das Floß mit dem modrigen Seil. Völlig erschöpft standen die zwei auf dem nassen Felsen, der aus der Höhle hinaus ins friedliche Tal hineinragte. Das kalte Wasser umspülte ihre Knöchel. Rechts von ihnen, aber weit genug weg, um ihnen nicht mehr gefährlich werden zu können, ergoss sich der unterirdische Seitenarm mit kräftigen Stromschnellen und Strudeln in einem breiten Wasserfall ins weite Flussbett der Bracht.

Die Sonne hatte den Horizont gerade erst erklommen und spiegelte sich auf der glitzernden Oberfläche des Flusses in Tausenden Farben. Das freundliche Zwitschern munterer Vögel klang durch das Rauschen des Wassers hindurch. Forellen tummelten sich im kristallklaren Flussbett und Libellen begrüßten den neuen Morgen mit schnellen Flügen dicht über der Wasseroberfläche.

Vor ihnen lag die weite Ebene des Brachtlandes, gespickt mit Obstbäumen, ausladenden Eichen und durch Hecken begrenztem Weideland. Pepe atmete tief ein.

Als Wald in die Weiten des Brachtlandes blickte, kannte er kein Halten mehr. „Spring auf, Junge!“, rief er ungeduldig.

Kaum saß Pepe auf seinem Rücken, stieß sich Wald mit seinen Hinterläufen vom Felsvorsprung ab. Er flog langgestreckt durch die Luft. Pepe klammerte sich an seinen Hals. Dann setzte er mit den Vorderläufen auf dem Boden auf. Er federte den waghalsigen Sprung ab und landete den Bruchteil einer Sekunde später auch mit seinen Hinterläufen. Wald drehte sich um und blickte nach oben zum Felsvorsprung.

„Verfluchter Knochensammler“, murmelte er. „Damit hättest du nicht gerechnet!“

Pepe klammerte sich an Walds warmes Fell. Der Welfe warf den Kopf in den Nacken, stieß einen kehligen Jauchzer aus und ließ seine Läufe weit ausgreifen. Immer schneller und schneller jagte er durch das satte Grün des morgendlichen Brachtlandes.

Die Sonne wärmte Pepes durchfrorenen Rücken und die kühle Morgenluft erfrischte sein Gesicht.

Hinter einem Felsen, nicht sichtbar für unsere Freunde, lugte das bleiche Gesicht des Knochensammlers hervor. Geiswind, der Knochensammler, blickte Wald und Pepe nach, bis er sie nicht mehr sehen konnte. Er stützte sich schwer auf seinen Knochen und seufzte. Den linken Arm schützend gegen das Sonnenlicht vor Augen haltend, machte er sich achtsam an den Abstieg.


AUF SCHMUGGLERPFADEN

Jisahs Hand begann zu zittern. Er ergriff nun auch mit der rechten Hand die Feder und presste sie fest gegen seine Brust. Keiner der Schmuggler rührte sich. Wie gebannt starrten sie auf die leuchtende Feder.

Doch vor der Höhle machte sich Unruhe breit. Hektisch warf der junge Reiter einen Blick über die Schulter und zischte: „Sie sind da.“ Das Leuchten erlosch.

„Weg mit der Feder!“, raunte ein alter Eselreiter und seine schmalen Lippen zitterten. Mit drei Schritten stand er neben Jisah, der die Feder unter seinem Hemd verschwinden ließ.

„Kommt mit“, zischte der Alte und griff Jisah bei der Hand. Zu den Eselreitern gewandt, flüsterte er: „Berichtet den Hyänen, ihr hättet einen Jungen und einen Welfen in Richtung des Südmeeres reiten sehen.“

Stolpernd folgte Jisah dem Alten, der seine Hand immer noch fest umklammert hielt, tiefer in die Höhle hinein. Winter lief dicht hinter ihm. Nach weniger als hundert Schritten endete die Höhle plötzlich vor einer grauen Felswand. Der Eselreiter sah nach oben, ging einige Schritte nach rechts und führte sie in einen schmalen Gang, der sich kaum sichtbar zwischen den Felsen auftat. Jisah bemerkte, dass ihr Weg leicht anstieg. Bereits nach wenigen Schritten erreichten sie eine niedrige Öffnung.

Vor ihnen tat sich ein runder Raum auf, groß genug, um vierzig Männern Platz zu bieten. Aus groben Stämmen waren Schlafpritschen an den Wänden entlang aufgeschlagen worden. Eine Feuerstelle in der Mitte, Kochgeschirr und allerlei Ausrüstung, Zaumzeug und Waffen zeugten davon, dass die Schmuggler hier regelmäßig ihr Lager aufschlugen. Der Alte wies Jisah an, auf einer der Pritschen Platz zu nehmen. Dann ging er in die Hocke und verschnaufte.

Lockiges graues Haar fiel ihm knapp über die Ohren. Sein Gesicht schien fast jugendlich. Er strahlte Würde und Reife aus, ohne alt oder gar greis zu wirken. Jisah griff an den Kragen seines Oberhemdes und zog ihn von sich weg, um einen Blick auf die Feder zu werfen. Und wieder strahlte sie ein sanftes und beruhigendes silbernes Licht aus.

Direkt hinter ihnen betrat der kleine Eselreiter die Höhle, der die Nachricht von der Ankunft der Hyänen gebracht hatte. „Die Hyänen haben uns Glauben geschenkt!“

Der Alte nickte. „Gut gemacht, Tiago.“

Tiago grinste. Der Alte blicke ihn zärtlich an und sagte: „Sendet ihnen Späher hinterher. Ich möchte wissen, wo sie sind, wohin sie sich bewegen, und vor allem, wie viele es sind.“

Tiago antwortete, während er sich auf dem Absatz umdrehte: „Ich meine, es sei eine ganze Meute gewesen. Ich sage den anderen Bescheid.“

„Und sage ihnen“, fügte der Alte hinzu, „dass der Schutz dieser beiden Boten Lians für uns nun das Wichtigste ist. Sie werden es verstehen.“ Er lächelte geheimnisvoll. Der Junge, der Tiago genannt wurde, nickte Jisah und Winter scheu, aber freundlich zu und verschwand.

Winter wandte sich an den Alten:

„Danke, dass Ihr uns geholfen habt.“

„Mir scheint“, antwortete der Alte, „als sei dies erst der Anfang gewesen.“ Er schüttelte den Kopf, wobei ein glückliches Grinsen sich auf seinem Gesicht breitmachte. „Die silberne Feder. Dass ich das noch erleben darf. Hoch lebe Lian!“

Er erhob sich langsam. Als er stand, blickte er in Jisahs Augen und fragte: „Wie heißt du, Junge?“

„Ich werde Jisah genannt“, flüsterte Jisah, der immer noch völlig entkräftet war. „Ich bin ein Botenreiter.“

Der Alte blickte Winter fragend an. Winter beantwortete seinen Blick und sprach mit kraftvoller Stimme: „Mein Name ist Winter. Auch ich stehe in Lians Diensten.“

Der Alte nickte nachdenklich. Dann antwortete er: „Mein Name ist Romm. Früher nannten sie mich ‚Romm, der Ehrfürchtige‘. Heute nennen sie mich“, nachdenklich fuhr er sich durch den stoppeligen Bart, „den König der Schmuggler. Doch mehr dazu später. Wir müssen los. Es wird höchste Zeit, etwas zu unternehmen.“

Romm führte Jisah und Winter den schmalen Weg zurück und in den vorderen Bereich der Höhle hinein. Nur noch der Geruch nach kaltem Rauch ließ erahnen, dass hier vor wenigen Minuten ein lustiges Feuer gebrannt und die Eselreiter eine kräftigende Pause eingelegt hatten. Jisah blickte in stumme Gesichter. Etwas unheimlich waren ihm diese bärtigen Gefährten schon. Sie standen entlang der Felswände und warteten darauf, dass Romm das Wort ergriff. Romm blickte in die Runde. Dann sprach er: „Ich hatte nur kurz Zeit zum Nachdenken. Doch was in diesen Augenblicken geschieht, so erscheint es mir, erfordert, dass wir alle zusammenhalten.“

Die Umstehenden nickten.

„Ihr wisst, worum es geht?“, fuhr Romm fort.

Wieder nickten die Eselreiter. Diesmal entschlossener.

„Wir müssen dafür sorgen, dass diese beiden Boten sicher ihr Ziel erreichen.“

„Wie soll das gehen?“, warf ein graubärtiger Schmuggler mit rotem Halstuch in die Runde. „Seit Monaten bereiten uns die Hyänen Probleme. Sie scheinen das gesamte Brachtland zu bevölkern. Wie hässliche, lachende Zugvögel ziehen sie umher und verbreiten Angst und Schrecken.“

„Du stellst die richtige Frage, Semli“, antwortete Romm und strich sich mit den Fingern durchs Haar. „Wir müssen eben noch vorsichtiger sein. Wir bringen sie in unser Dorf. Dort sind sie zunächst sicher. Dann können wir weitersehen.“

Ein tiefes Raunen machte die Runde. „Das ist viel zu gefährlich“, warf einer ein und ein anderer rief: „Wir müssen an unsere eigenen Familien denken. Wenn die Hyänen unser Dorf entdecken, dann …“ Er konnte den Satz nicht zu Ende bringen.

Da trat Tiago in den schmalen Höhleneingang. Romm wandte sich ihm zu. „Was bringst du für Nachrichten, Junge?“

Tiago berichtete atemlos: „Die Hyänen jagen in Richtung Süden. So, wie wir es geplant hatten. Doch einige von ihnen machen weiter das Umland unsicher.“ Er machte eine Pause, atmete einmal tief durch und zog seine schmale Stirn in Falten. „Sie scheinen uns doch nicht ganz getraut zu haben.“

„Wie auch immer“, entgegnete Romm bestimmt. „Das sind erst einmal gute Nachrichten. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“ Er blickte fragend in die Runde. Die Anspannung war greifbar.

„Er soll uns noch einmal die Feder zeigen!“, flüsterte der Schmuggler, den Romm Semli genannt hatte. Romm nickte Jisah zu.

Der griff unter den Augen der Eselreiter unter sein Oberhemd. Vorsichtig ertastete er den Schaft der Feder. Ihre Fahne glitt sanft wie Samt durch seine Finger. Dann kehrten seine Fingerspitzen zum Schaft zurück und er zog die Feder aus seinem Hemd hervor. Schüchtern hielt Jisah sie vor sich, fest umklammert und an seine Brust gedrückt.

Romms Augen ruhten auf der Feder und ein Lächeln umspielte seine Lippen. Dann löste er seine Augen und blickte in die Runde. „Sie ist es wirklich, Männer. Es ist die silberne Feder. Die Feder, die Hundrrit Lian vor langen Zeiten raubte.“ Er hielt inne. Staunend und ungläubig wanderten die Blicke der Eselreiter zwischen der Feder, Jisah, Winter und Romm hin und her. Zaghaft und ehrfürchtig erhob Semli die Stimme: „Meinst du, Romm …“ Er zitterte. „Meinst du, eine neue Zeit wird anbrechen?“

„Das liegt nun in unserer Hand“, antwortete Romm. „Werden wir diesen beiden helfen?“

Die Ausrüstung der Eselreiter war schnell zusammengepackt. Routiniert verstauten die Schmuggler ihr Hab und Gut in den Taschen ihrer Esel. Keiner unter ihnen hatte sich geweigert, Jisah und Winter zu helfen. Im Gegenteil. Nach Romms Frage hatte sich eine heilige Stille ausgebreitet. Ein Eselreiter nach dem anderen nickte. Danach verloren sie keine Worte und keine Zeit. Es gab Wichtigeres zu tun.

Als von außerhalb der Höhle das vereinbarte Hornsignal ertönte, brachen sie auf. Die Eselreiter hatten über die Jahre, die sie als Schmuggler lebten, eine geheime Sprache entwickelt. Über ihre Hörner konnten sie sich kilometerweit verständigen. So warnten sie sich vor Gefahren, gaben bekannt, dass ein Pfad sicher war oder gratulierten sich dann und wann auch mal zum Geburtstag. So wenig Jisah davon auch verstand, begriffen hatte er doch, dass ein einmaliges Hornsignal anscheinend so viel bedeutete wie: Der Pfad ist sicher. Ein zweimaliges Hornsignal schien vor Gefahr zu warnen.

Jisah hatte das schon richtig beobachtet. Was er natürlich nicht wissen konnte, war, dass es viele verschiedene Arten gab, ein Signal zweimal hintereinander zu blasen. Doch auch für uns wäre die Hornsprache der Schmuggler viel zu kompliziert. Belassen wir es also dabei. „Gefahr“ und „Weg frei“. Diese beiden Signale zu verstehen, das reicht.

Jisah und Winter wurden von den Eselreitern in die Mitte genommen. Rechts und links von ihnen, vor ihnen und hinter ihnen drängten sich die Leiber der Esel. So waren sie fast völlig vor neugierigen Blicken abgeschirmt. Jisah ritt direkt neben Tiago, der auf einem freundlich wirkenden grauen Esel saß. Jisah blickte Tiago an.

„Wie heißt dein Esel?“

Tiago strich seinem grauen Gefährten über die Mähne.

„Sein Name ist Gustav.“

Der Esel schnaubte: „Brrr … das hätte ich ihm auch selbst sagen können.“

Gustav wandte sich Jisah zu und Jisah blickte in ein aufgewecktes, freches Gesicht.

„Weißt du denn nicht, dass es unhöflich ist, über andere zu sprechen, während sie direkt neben einem reiten? Dafür, dass sie hier so ehrfürchtig über dich tuscheln, scheinst du mir doch recht dumm zu sein.“

„Lass gut sein, Gustav!“, sagte Tiago beschwichtigend. „Er wusste es nicht besser.“

Über Winters Gesicht zog sich ein breites Grinsen.

Jisah schwieg. Es dauerte einige Minuten, bis er sich wieder ein Herz nahm. Zaghaft wandte er sich an Tiago: „Ich habe einen riesigen Hunger. Winter sicher auch. Habt ihr noch Proviant dabei?“

Tiago griff lächelnd in seine Satteltasche. „Warum hast du das nicht früher gesagt?“

Er zog eine große Ecke geröstetes Fladenbrot und eine saftige Keule hervor. Jisah ließ Winter zuerst zubeißen. Dann verschlang er gierig die Reste der Keule und das Fladenbrot. Als er aufgegessen hatte, reichte Tiago ihm seine Wasserflasche. „Trink, Jisah, wir haben noch eine lange Strecke vor uns.“

Ihr Weg führte sie zu einem kleinen Fichtenwäldchen. Als sie ins grünschimmernde Licht des Waldes eintraten, löste sich die Anspannung aus der Herde der Eselreiter. Sie folgten einem schmalen ausgetretenen Pfad. Tiago begann zu berichten: „Das ist unsere übliche Route. Sie ist recht sicher. Wir haben hier einige Verstecke, die uns Schutz bieten. Trotzdem müssen wir vorsichtig sein. Seit einigen Monaten wagen sich Hyänen bis in diese hintersten Winkel. Sie scheinen sich zu sammeln. Immer wieder stoßen wir auf größere Meuten, die sich Richtung Norden bewegen.“

„In die Richtung des Schlosses?“, unterbrach ihn Jisah.

„Wenn du damit Lians Schloss meinst, dann würde ich ja sagen.“ Tiago nickte.

Schweigend ritten sie weiter. In unregelmäßigen Abständen ertönte von weiter vorne der einfache Hornstoß, welcher der Herde signalisierte: Der Weg ist frei. Zweimal hörte Jisah auch das doppelte Signal. Einmal drang es aus östlicher Richtung an sein Ohr. Es schien aus recht weiter Ferne zu kommen. Doch als das doppelte Signal ein zweites Mal ertönte, nun ziemlich dicht aus dem Westen, ließ Romm die Eselreiter anhalten. Sie lauschten angestrengt. Doch außer dem Rauschen der Wipfel war nichts zu hören. Mucksmäuschenstill standen die Esel auf dem Waldboden und gaben keinen Laut von sich.

Romm schickte eine kleine Gruppe von vier Reitern als Vorhut aus, um nach dem Rechten zu sehen. Der Rest wartete. Jisah wurde ungeduldig. Tiago hingegen saß völlig ruhig auf Gustav und streichelte sanft dessen Mähne.

„Hei, Tiago, dauert das noch lange?“, flüsterte Jisah Tiago zu.

„Pssst, du musst stillhalten. Keinen Mucks.“

Jisah schaute wieder nach vorne. Auf einmal ertönten aus der Richtung der Vorhut laute Stimmen.

„Grrruuurrrr, aus dem Weg, Schmuggler! Mach Platz!“

Jisah sah, dass Romm sich zu ihnen umdrehte. Sein Hemd flatterte. Er blickte Tiago an und wischte mit der Hand durch die Luft. Tiago drückte seinem Esel die Füße in die Flanken und zog seine Zügel nach rechts. „Sachte, sachte“, motzte dieser, blickte Winter an und zischte: „Kommt! Schnell!“

Jisah sah aus dem Augenwinkel und verdeckt durch ein Gebüsch gerade noch, dass die Vorhut der Eselreiter vor einer Meute Hyänen zurückwich. Mit stierem Blick und nach vorne gestreckten Hälsen trieben sie die Esel fauchend vor sich her. Stolpernd wichen die Esel nach hinten aus, während ihre Reiter versuchten, sie zu beruhigen.

Tiago führte sie nur wenige Meter. Dann raunte er: „Hier hinein!“ Er drängte Winter und Jisah in den hohlen Stamm einer mächtigen alten Eiche und schlüpfte selbst flink hinterher. Gustav ruckte sich und zuckte sich und zwängte sich schnaufend als Letzter in das Versteck.

„Ausgerechnet hier“, grummelte er. „Ich hasse dieses Versteck.“ Er schüttelte unwirsch den Kopf. „Und alles wegen eines ungezogenen Bengels mit einer Feder.“

„Lass schon gut sein“, zischte Tiago. „Du verrätst uns noch mit deinem ewigen Gemeckere.“

Alle vier hielten den Atem an und lauschten. Die Rinde der Eiche war dünn und rissig. So konnte Jisah durch eine feine Spalte hindurchlugen. Die Hyänen zogen misstrauisch an der Vorhut der Eselreiter vorbei.

Eine der größeren, sie schien der Anführer zu sein, wandte sich an Romm: „Eselreiter, sprich! Wir sind auf der Suche nach einem Dieb. Einem verschlagenen Jungen und einem gefährlichen Welfen. Wenn ihr sie gesehen habt, so seid ihr verpflichtet, uns Auskunft zu geben.“

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
249 s. 16 illüstrasyon
ISBN:
9783865067913
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