Kitabı oku: «Lesen in Antike und frühem Christentum», sayfa 31

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„After privateÖffentlichkeitnicht-öffentlich/privat prayer on entry to the building by the worshippers there was a public confession of the Jewish faith in the Shema (Dt. 6:4–9Dtn 6,4–9; 11:13–21Dtn 11,13–21), followed by prayers, including the Tephillah and the Shemoneh Esreh. Then came the centre of the worship, the reading of the Scriptures. A passage from the Pentateuch was read, according to a fixed scheme of lections, by several members of the congregation in turn, with an Aramaic paraphrase.“30

Dieses Vorgehen ist jedoch mit dem gravierenden Problem verbunden, dass diese Elemente allesamt erst später bezeugt sind. Insbesondere eine ProphetenlektionProphet lässt sich erst in späteren rabbinischenrabbinisch Zeugnissen nachweisen. Daher ist ein methodisches non liquet, die LeerstellenLeerstelle so zu erklären, dass der VerfasserAutor/Verfasser sie nicht hätte nennen brauchen, weil er sie kulturell bei seinen Lesern als bekannt voraussetzte.31 Wie oben zu sehenSehen war (7.4), ist zwar die Lesung der ToraTora am SabbatSabbat in der SynagogeSynagoge bezeugt, ob es sich dabei jedoch um eine fest institutionalisierte, auf alle Synagogen übertragbare Praxis handelt, ist vollkommen offen.

Gegenüber einer Einordnung in ein festes synagogales Gottesdienstschema, das in den Text eingetragen wird, muss zunächst von den exegetischenExegese Einzelbeobachtungen am Text ausgegangen werden, die allesamt deutlich machen, dass es sich um eine hochgradig literarisch stilisierte und inszenierte LeseszeneLese-szene handelt.

a) So zeigen sowohl die besprochenen kompositorischen Merkmale als auch die LeerstellenLeerstelle deutlich stilisierende Züge.

b) Angesichts dieser zahlreichen LeerstellenLeerstelle ist es insbesondere aus erzählökonomischer Sicht auffällig, dass das Übergeben (ἐπιδίδωμι) des BuchesBuch an den erzählten JesusJesus eigens geschildert wird (Lk 14,17Lk 14,17a); und zwar mit einem Verb, das eigentlich auch einen Besitzübergang des Schriftstücks impliziert;32 um ein einfaches Geben zum Ausdruck zu bringen hätte ein einfaches δίδωμι ausgereicht. Hier wäre weiterführend zu überlegen, ob dieser merkwürdigen Detailangabe, die noch dazu im Passiv steht, nicht eine tiefere, symbolische Deutung zugemessen werden könnte – nämlich, dass hier die im ZitatZitat zum Ausdruck kommende christologischechristologisch Aneignung des Jesajatextes in einem Übergeben des Textes schon zuvor symbolisch vorbereitet wird.

c) Es ist außerdem auffällig, dass der Text nicht noch einmal hervorhebt, dass JesusJesus das Mischzitat aus Jes 61,1 fJes 61,1 f und 58,6dJes 58,6 vorliest. Überhaupt ist die gesamte Passage, auch das ZitatZitat, der Erzählstimme zuzurechnen, die Figurenrede Jesu beginnt erst in Lk 4,21Lk 4,21b. Das Zitat folgt im Text nämlich direkt auf die Handlung des Öffnens und Findens; dass Jesus diesen Text vorliest, muss der LeserLeser inferieren.33 Dass Lexeme für den haptischen Umgang mit dem Medium und das Konzept des „Suchen und Findens“ metonymischMetonymie für den Leseprozess stehen können, ist allerdings nicht weiter ungewöhnlich, wie oben herausgearbeitet worden ist (vgl. 3.5 u. 3.6). Dennoch erscheint die beschriebene Handlung Jesu des Öffnens und Findens, und damit die Auswahl des zu lesenden Textes, stark stilisiert. Es kann dabei jedoch nicht eindeutig entschieden werden, ob der erzählte Jesus das SchriftmediumLese-medium öffnet und die im Folgenden zitierte Stelle zufällig findet34 oder ob er die zitierte Stelle intendiert sucht und findet.35 Dafür ist die Semantik von εὑρίσκωεὑρίσκω im Hinblick auf LeseszenenLese-szene zu unspezifisch. In jedem Fall ist die Darstellung schwer mit der Annahme zu verbinden, dass sich der Text auf eine fest institutionalisierte ProphetenlektionProphet bezöge, hier würde man aus erzählökonomischen Gründen ein weniger aufwändige Schilderung erwarten. P. Müller sieht die Funktion der Darstellung und insbesondere des Verweises auf das Geschriebene in leserpragmatischerPragmatik Perspektive darin, dass hier die Leser des Evangeliums zu Lesenden und Verstehenden der Schriftstelle gemacht werden: „Sie bekommen von Jesus sozusagen die SchriftrolleRolle (scroll) geöffnet, werden von ihm auf Jesaja 61 hingewiesen und lesen nun selbst.“36

d) Stilisiert ist auch das Mischzitat, und zwar sowohl im Hinblick auf den Text als auch auf die Länge: Bekanntlich handelt es sich um ein Mischzitat aus Jes 61,1 fJes 61,1 f und 58,6d, das so im ATAT/HB/LXX nicht vorkommt, bewusst vom VerfasserAutor/Verfasser abgewandelt worden ist und sich also um ein lukanisches Konstrukt handelt.37 Bei der Selektion und KompositionKomposition waren maßgeblich christologischechristologisch Erwägungen leitend, die das ZitatZitat für die narrative Adaption als Vorausverweis auf ChristusChristus passungsfähig machen.38 Zudem handelt es sich bei dem Zitat nur um wenige Worte, die doch schwerlich als vollständigeUmfangvollständig „Lesung“ zu verstehen sein können. Daraus folgt, auch wenn wir die Erwartungen an eine Veranstaltung in der SynagogeSynagoge der Erstrezipienten nur schwer bestimmen können, so ist doch angesichts dieser Aspekte zu vermuten, dass auch kritischen und im AT firmen antiken Lesern auffallen konnte, dass es sich hier nicht um eine wirklichkeitsgetreue Darstellung, sondern um eine Stilisierung handelt.

e) Auch die Reaktion der ZuhörerHörer (Lk 4,21Lk 4,21b) ist literarisch stilisiert; die gesamte LeseszeneLese-szene hat eine „deutlich retardierende Funktion“,39 deren Spannungsbogen in der Reaktion der Zuhörer, die auf JesusJesus starren, in Lk 4,20Lk 4,20b mündet.40

f) Zudem hat P. Müller in Bezug auf die gesamtkompositorische Funktion der LeseszeneLese-szene in Lk 4,16–20Lk 4,16–20 herausgearbeitet, dass diese zusammen mit der Auslegung der Schriften bzw. der hermeneutischen Anleitung zum Lesen und VerstehenVerstehen der Schrift in Lk 24 die gesamte Wirksamkeit JesuJesus einrahme und diesbezüglich dem Motiv des Öffnens der AugenAugen eine wichtige Rolle spielt.41

„Bei Lukas findet sich […] an exponierter Stelle ein ausformuliertes, explizites Lesemodell. Ein verstehendesVerstehen Lesen der biblischen Schriften, das ist die Grundaussage, ist nur möglich, wenn der auferstandene JesusJesus den Sinn dafür aufschließt. Im Grunde wird dies auch für das Lesen des Evangeliums selbst vorausgesetzt.“42

D. h. die inszenierte Darstellung in Lk 4,16–20 ist vor allem durch kompositionelleKomposition und leserpragmatischePragmatik Erwägungen geprägt und weniger dadurch, eine sozialgeschichtlichSozialgeschichte identifizierbare LesepraxisLese-praxis darzustellen.

Es gibt keine Anhaltspunkte, das Lesen eines Zitats aus dem BuchBuch Jesaja in Lk 4,16–20Lk 4,16–20 als „gottesdienstlicheGottesdienst“ Lesung zu charakterisieren. Eine solche Charakterisierung ist in heuristischer Hinsicht nicht zielführend. Im Kontext von Lk 4,14–32Lk 4,14–32 liegt der Schwerpunkt der Darstellung eindeutig auf der LehreLehre JesuJesus. Es handelt sich also lediglich um eine primär literarisch inszenierte Impulslesung für das anschließende Lehrgespräch. Fragt man nun nach dem Verhältnis des Textes zur außersprachlichen Wirklichkeit, zeigt sich, dass der Charakter der Veranstaltung sich sehr gut einfügt in das Bild, das die insb. unter 7.4 diskutierten Quellen von der LesepraxisLese-praxis am SabbatSabbat im 1. Jh. zeichnen: Die SynagogeSynagoge/der Sabbat ist primär43 ein Ort der Lehre und nicht des VorlesensRezeptionkollektiv-indirekt; wenn vorgelesen wird, steht dies im Dienst der Lehre und des LernensLernen. Dies entspricht auch der sonst engen Verknüpfung von Synagoge/Sabbat und Lehren im NT (vgl. z.B. Mt 4,23 parMt 4,23 par; 9,35Mt 9,35; 13,54 parMt 13,54 par; Joh 6,59Joh 6,59; Act 9,20Act 9,20; 13,5Act 13,5).44

Eindeutig bezeugt ist eine Lesung von ToraTora und ProphetenProphet in einer SynagogeSynagoge am SabbatSabbat in Act 13,15Act 13,15. Paulus und seine Begleiter gehen am Sabbat in die Synagoge in Pisidien und setze sich (Act 13,14Act 13,14). Sie werden μετὰ δὲ τὴν ἀνάγνωσιν τοῦ νόμου καὶ τῶν προφητῶν (Act 13,15Act 13,15a) von den Synagogenvorstehern um ein Wort des Trostes (λόγος παρακλήσεως) an das versammelte VolkVolk gebeten. Die Darstellung legt nahe, dass ἀνάγνωσις hier eine Form kollektiv-indirekteRezeptionkollektiv-indirektr Rezeption von Texten aus der Tora und aus den Propheten meint. Die Darstellung ist jedoch zu knapp, um weiterführende Schlussfolgerungen bezüglich eines besonderen „gottesdienstlichenGottesdienst“ Charakters der synagogalen Sabbatversammlung zu ziehen.45 Auffällig ist allerdings, dass – anders als in Lk 4Lk 4 – die Trostworte nicht explizit mit dem Vorgelesenen in einen Zusammenhang gesetzt werden, sondern nur allgemein und in umfassender heilsgeschichtlicher Perspektive mit der Tora und den Propheten in Bezug gesetzt werden (vgl. insb. Act 13,17–20Act 13,17–20.27Act 13,27).46 Diesen Text als Muster für die in Lk 4 dargestellte LeseszeneLese-szene in Anschlag zu bringen, ist nicht nur deshalb mit einigen Problemen behaftet. Einerseits handelt es sich um eine DiasporasynagogeDiaspora, andererseits ist insbesondere angesichts der Diskussion um die Datierung der Apostelgeschichte47 möglich, dass ActAct hier eine Situation im 2. Jh. voraussetzt, also eine Übertragung auf die Mitte des 1. Jh. in Galiläa methodisch gewagt wäre.48

Eine Stelle in den neutestamentlichen Erzähltexten zeigt eindeutig, dass die Lektüre des ATAT/HB/LXX im frühen ChristentumChristentum nicht exklusiv an kollektiv-indirekteRezeptionkollektiv-indirekt Formen der Rezeption gebunden war – und zwar die in Act 8Act 8 erzählte Begegnung des Philippos mit dem aus Jerusalem zurückkehrenden, Jesaja lesenden äthiopischen Hofbeamten der Kandake auf dem Weg von Jerusalem nach Gaza. Die für die Fragestellung dieser Studie entscheidenden Verse lautenLautstärkelaut:


a Und er [der Hofbeamte] war auf dem Heimweg
b
c
a Es sprach aber der Geist zu Philippos:
b
a Als Philippos aber hinlief,
b
c Verstehst du denn auch, was du da liest? (ἆρά γε γινώσκεις ἃ ἀναγινώσκεις;)
a Er aber sprach:
b Wie könnte ich denn, wenn niemand mich leitet (ὁδηγέω)?
c Und er bat Philippos, hinaufzusteige und sich zu ihm zu setzen.
a Den Abschnitt der Schrift, den er las, war dieser (ἡ δὲ περιοχὴ τῆς γραφῆς ἣν ἀνεγίνωσκεν ἦν αὕτη):
b Wie ein Schaf zum Schlachten geführt wurde,
c und wie ein Lamm vor dem Scherer stumm ist,
d so öffnet er nicht seinen Mund (οὕτως οὐκ ἀνοίγει τὸ στόμα αὐτοῦ).
[…]
a Der Eunuch antwortete aber Philippos und sprach:
b Ich bitte dich,
c
d Über sich oder über einen anderen?
a Philippos aber öffnete seinen Mund (ἀνοίξας δὲ ὁ Φίλιππος τὸ στόμα αὐτοῦ)
b

Die LeseszeneLese-szene weist in kompositorischer und thematischer Hinsicht Parallelen zur eben besprochenen Szene in Lk 4Lk 4 auf:49 a) Der Text ist konzentrisch um das ZitatZitat in Act 8,32f gestaltet.50 b) Die zitierte Textmenge ist relativ klein (26 Wörter in Lk 4,8 fLk 4,8 f; 39 Wörter in Act 8,32Act 8,32) c) Der ErzählerErzähler präsentiert den gelesenen Text primär für die LeserLeser der Apostelgeschichte, denn an diese wendet er sich in Form eines ErzählerkommentarsErzähler-kommentar in Act 8,32. Man kann nicht davon ausgehen, dass der äthiopische Hofbeamte den Text zu dem Zeitpunkt, als Philippos schon auf dem WagenWagen sitzt, erneut liest. Schließlich muss man aufgrund der narrativen Logik des Textes davon ausgehen, dass Philippos den Inhalt des Textes schon wahrgenommen hat. Denn die Frage in Act 8,30c bezieht sich ja darauf. d) Die Zitate stammen beide aus dem Buch Jesaja (hier Jes 53,7a–8bJes 53,7–8) und werden jeweils christologischchristologisch gedeutet.AT/HB/LXX e) Die gelesenen Texte dienen jeweils nur als Impuls für ein Lehrgespräch, das hier allerdings nur summarisch angedeutet wird (Act 8,35Act 8,35b).

Die LesesituationLese-situation ist relativ klar bestimmbar. Der Text versteht sich vor dem kulturellen Hintergrund des breit bezeugten Lesens auf der ReiseReise/auf dem WagenWagen (s. o. Anm. 61, S. 307),51 wobei impliziert ist, dass der äthiopische Hofbeamte durch Bedienstete gefahren wird. Der Wagen ist ein nicht-öffentlicherÖffentlichkeitnicht-öffentlich/privat Raum, in den Philippos in Folge einer Aufforderung eintreten darf (Act 8,31Act 8,31c) und infolge dessen der Leseprozess durch eine Gesprächspause unterbrochenLese-pausen/-unterbrechung wird. Die aktivischen Formulierungen von ἀναγιγνώσκωἀναγιγνώσκω (Act 8,30Act 8,30b/c.32Act 8,32a) legen nahe, dass der äthiopische Hofbeamte individuell-direktLektüreindividuell-direkt liest. Es gibt dagegen keine klaren Textsignale und auch keine zwingenden kulturellen Gründe anzunehmen, dass der äthiopische Hofbeamte den Text individuell-indirektRezeptionindividuell-indirekt rezipiert, ihn sich also vorlesen lässt.52

Im Hinblick auf die LeseweiseLese-weise lässt sich feststellen, dass der Eunuch vokalisierendStimmeinsatzvokalisierend und relativ lautLautstärkelaut liest. Dass Philippos den äthiopischen Hofbeamten lesen hört, reicht allein noch nicht zur Begründung aus (wenn jemand subvokalisierend liest, wäre das auch akustisch wahrnehmbar). Wie aber schon angedeutet, impliziert die narrative Logik des Textes, dass der erzählte Philippos anhand des Gehörten feststellen konnte, dass der äthiopische Hofbeamte den ProphetenProphet Jesaja liest (Act 8,30Act 8,30b). Die Frage in Act 8,30c zeigt sogar, dass er den entsprechenden Abschnitt identifizieren kann. Dass der äthiopische Hofbeamte hier vokalisierend und laut hörbarLautstärkehörbar liest, sollte jedoch angesichts der Ergebnisse dieser Studie in Bezug auf das Lesen in der griechisch-römischen Welt nicht mit einer allgemeinen Praxis begründet werden,53 sondern ist primär eben dieser narrativen Logik des Textes und der literarischen Inszenierung geschuldet: Philippos muss hören können, was der äthiopische Hofbeamte liest, um seine Frage stellen zu können.54 Möglicherweise steht das vokalisierende Lesen hier auch in einem Zusammenhang mit der Bezeichnung des äthiopischen Hofbeamten als εὐνοῦχος (Act 8,27Act 8,27b.34Act 8,34b), für den, so es sich um einen Frühkastraten handelt, die LeserLeser eine besondere Stimmlage imaginieren können. Über die LesefrequenzFrequenz, die KontinuitätKontinuität und den Umfang des Lesens kann man nur sehr wenig sagen. Auffällig ist allerdings der Hinweis darauf, dass der äthiopische Hofbeamte einen Abschnitt (περιοχή) liest.55 Es wird also ein Bewusstsein für Textstrukturen vorausgesetzt. Womöglich ist sogar gemeint, dass der äthiopische Hofbeamte sich intensiverAufmerksamkeitvertieft mit einem Teil des Textes AT/HB/LXXbeschäftigt. Zudem ist der Darstellung zu entnehmen, dass der Eunuch nicht bloß oberflächlichAufmerksamkeitoberflächlich/flüchtig den Text rezitiert, sondern dass er seinen Inhalt aufmerksam zur Kenntnis nimmt (s. u.).

Bezüglich des Ziels/Zwecks der Lektüre des äthiopischen Hofbeamten ist zunächst zu berücksichtigen, dass dieser auf dem Rückweg seiner Wallfahrtsreise zur Proskynese in Jerusalem (Act 8,27Act 8,27) befindet. Er wird also als dem JudentumJudentum nahestehende eingeführt.56 Daher setzt er sich mit dem prophetischenProphet Text auseinander. Inwiefern seine Jerusalemreise mit dem Besitz einer Jesajarolle in Zusammenhang steht, also ob er sie dort erworben (oder eben schon vorher besessen) hatte,57 kann man aus dem Text jedoch nicht erschließen. Die Frage nach der Sprache, die der äthiopische Hofbeamte liest, ist ebenfalls sekundär.58 Die Darstellung impliziert, dass es sich nicht nur um eine reine geistliche Übung handelt, bei welcher der Text um des Lesens willen lautlich realisiert wird, sondern dass die Lektüre des äthiopischen Hofbeamten auf das VerstehenVerstehen des Textes angelegt ist. So geht aus der Frage in Act 8,34Act 8,34c/d, die der äthiopische Hofbeamte dem Philippos stellt, eindeutig hervor, dass er den Inhalt des Textes verstanden hat. Die Frage nach außersprachlichen Textreferenzen offenbart eine hohe Lesekompetenz auf Seiten des äthiopischen Hofbeamten, der lediglich bei der Interpretation Anleitung benötigt. Es ist also im Hinblick auf die Paronomasie59 ἆρά γε γινώσκειςγιγνώσκω ἃ ἀναγινώσκειςἀναγιγνώσκω; (Act 8,30Act 8,30c), die zwei enge Parallelen im 2Kor2Kor hat und auch sonst nicht analogielos ist,60 von einem interpretatorischen, genauer gesagt christologischenchristologisch, Verstehen auszugehen.61 Dies korrespondiert mit der schon häufig in der Forschung gemachten Beobachtung, dass die Stilistik der Figurenrede, die hohe Bildung sowohl des äthiopischen Hofbeamten als auch von Philippos hervorhebt.62

Auch wenn es sich hier wie schon in Lk 4Lk 4 um eine stark literarisch inszenierte LeseszeneLese-szene handelt,63 so verweist die Leseszene auf die kulturell bekannte Praxis individuell-direkteLektüreindividuell-direktr Lektüre.64 Es ist bezeichnend, dass das lukanische Doppelwerk die christologischechristologisch Schriftauslegung einmal anhand einer kollektiv-indirektenRezeptionkollektiv-indirekt Rezeptionssituation der SchriftAT/HB/LXX und einmal anhand einer individuell-direkten Leseszene thematisiert. Angesichts dieses Befundes ist – bei allen methodischen Schwierigkeiten zur Bestimmung der genauen historischen Referenzialität auf der Ebene der AdressatenAdressat – Vorsicht geboten, Lesen im frühen ChristentumChristentum monosituativ in performativen Gruppenlesungen zu situieren. So kann ausgehend von der Leseszene in Act 8Act 8 z.B. geschlussfolgert werden, dass angesichts der im frühen Christentum vorauszusetzenden Mobilität65 zumindest die Gebildeten z.B. auch auf ihren ReisenReise (wenn man keinen WagenWagen voraussetzen möchte, dann doch zumindest auf Schiffsreisen) individuell-direkt gelesen haben.

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