Kitabı oku: «Elfenzeit 5: Trugwandel», sayfa 8
Craig grinste breit, zwinkerte Nadja zu und machte sich mit zwei weiteren Kollegen auf den Weg.
Macht mich auch noch an und hält das wohl für eine gute Masche, der blöde Kerl, dachte sie wütend.
Der Bus transportierte sie ins hell erleuchtete Besucherzentrum, wo sie in ein Büro geführt wurden und vor einem Schreibtisch Platz nehmen durften. McNamarra setzte sich dahinter.
»Also, dann erzählen Sie mir mal, was das mit den Spiegeln zu bedeuten hat«, forderte er die beiden Ertappten auf.
»Um den Effekt zu verstärken«, antwortete Fabio. »Das ist eine sehr komplizierte Apparatur, die ich selbst berechnet und entwickelt habe … aber natürlich hätten wir sie wieder abgebaut und nichts beschädigt.«
»Aha. Können Sie sich ausweisen?«
Auch jetzt lag Nadja etwas auf der Zunge, aber sie schüttelte lediglich den Kopf und sah den Mann aus großen, unschuldigen, fragenden und leicht ängstlichen Augen an. In solchen Schwierigkeiten steckte sie nicht das erste Mal, bei Reportagen kam das auch ab und zu vor. Sie wusste, wie man mit diesen Sicherheitsleuten umging. Man war brav, nahm sie ernst, zeigte sich kooperativ, hilflos und naiv.
»Nein, die Ausweise haben wir natürlich daheim gelassen«, sagte Fabio und grinste stolz.
Wir sind Bonnie und Clyde, dachte Nadja und fand die Situation plötzlich ziemlich komisch. Und außerdem, was sollte ihnen schon passieren? Sie hatten ein paar Tricks auf Lager, gegen die normale Menschen nicht ankamen, und McNamarra wirkte recht zivilisiert. Hauptsache, die Polizei wurde nicht eingeschaltet.
»Sie sind nicht von hier.«
»Oh nein, wir kommen aus Italien.«
»Aber Sie sprechen sehr gut Englisch.«
»Wir Italiener lieben Fremdsprachen. Deutsch kann ich auch, wollen Sie mal hören?«
McNamarra winkte ab. »Ich habe keine Lust, mich ständig mit Spinnern wie euch abgeben zu müssen. Zur Sonnenwende sind es regelmäßig die Druiden, zu Samhain die Weißen Hexen … und jetzt fangt ihr Ausländer auch noch an beliebigen Tagen an, euren Riten nachzugehen. Ich rufe am besten die Polizei, die wird euch erst mal einbuchten.«
»Weswegen denn?«, fragte Fabio erstaunt.
»Nun, Sie sind in den Tumulus eingebrochen …«
»Entschuldigung, Sir, aber das ist nicht ganz korrekt. Da war keine verschlossene Tür. Außerdem wollten wir nichts stehlen, wir haben im Gegenteil etwas gebracht. Das wir wieder mitgenommen hätten, ohne auch nur ein Fitzelchen Müll zurückzulassen. Das ist bestenfalls Hausfriedensbruch, aber nicht mehr. Nicht mal grober Unfug.«
Der Ire musterte Nadjas Vater aus verengten Augen. »Sie sind ein ganz Schlauer, was? Machen das wohl öfter?«
Fabio schüttelte den Kopf und setzte sein strahlendes Lächeln auf. »Nein, aber ich schaue mir jeden Tag Das Gericht tagt an. Und natürlich Matlock. Kennen Sie Matlock? Das ist ein Anwalt, der …«
»Interessiert mich nicht!«, wehrte McNamarra ab, als sich die Tür öffnete.
Ein Mann kam herein, derselbe, der den Tumulus untersucht hatte. »Wir haben die Spiegel sichergestellt. Keinerlei Beschädigungen oder sonstige Spuren. In ihren Taschen war nichts weiter, auch keine Spraydosen oder irgendetwas, um die Steinsymbole zu zerstören. Vandalismus können wir wohl ausschließen. Und den Rest, Drogen und Alkohol, auch.«
McNamarra rieb sich grübelnd das Kinn.
»Ähm …«, begann Fabio vorsichtig. »Könnten wir die Spiegel bitte wiederbekommen? Die haben eine Stande Geld gekostet und waren nicht leicht aufzutreiben.«
Fragend sah der Mann seinen Chef an. Der machte eine ungeduldige Geste. »Ja, in Ordnung, warum nicht. Die gehören uns schließlich nicht, sind nicht illegal oder Beweismittel, und am Ende werden wir noch wegen Diebstahls angezeigt.« Er richtete den düsteren Blick wieder auf Fabio, der ihn nach wie vor freundlich anlächelte. »Irgendetwas sagt mir, dass ich mir eine Menge Ärger einhandle, wenn ich Sie und Ihre … Tochter der Polizei übergebe.«
»Ich finde es toll, wie eifrig Sie Ihren Dienst versehen, Sir, dass Sie uns überhaupt bemerkt haben«, meinte Fabio. »Wir waren sicher, dass es keinem auffällt.«
»Hmja. Jemand hat eine Bewegung bemerkt und uns informiert. Die Kameras haben nichts angezeigt, wurden aber nicht manipuliert. Da muss wohl ein Techniker ran. Insofern war es sogar gut, dass das passiert ist.«
»Da waren Kameras?«, entfuhr es Nadja scheinbar überrascht.
McNamarra verdrehte die Augen. »Also, was soll ich jetzt mit euch beiden machen?«
»Uns gehen lassen?«, schlug Fabio beinahe schüchtern vor, und Nadja lächelte bittend.
»Nun, wir haben eine Menge Aufwand gehabt …«
»Also, ich wollte diesem großartigen historischen Monument sowieso eine Spende zukommen lassen …« Fabio zückte seinen Geldbeutel, und Nadja hoffte, dass er echte Scheine hervorziehen würde, nicht irgendwelche Einkaufszettel oder Tankquittungen. Doch er war tatsächlich vernünftig. Er blätterte dreihundert Euro auf den Tisch. Offensichtlich hatte er sich auf eine mögliche Bestechung vorbereitet, denn sonst trug er nie so viele Scheine mit sich herum. »Wäre das … in etwa angemessen?«
McNamarra betrachtete das Geld mit tiefen Sorgenfalten. Dann steckte er es seufzend ein. »Sie dürfen das Gelände nicht mehr betreten, verstanden?«
»Ehrenwort. Die Stunde ist sowieso schon überschritten, es funktioniert nicht mehr.«
»Wenn ich Sie hier noch einmal sehe, kommen Sie nicht so leicht davon!«
»Völlig verständlich, Sir, Sie können ganz beruhigt sein. Und wir sind es auch, wenn Leute wie Sie ein so wichtiges Bauwerk beschützen. Es ist von großer spiritueller Bedeutung!«
McNamarra hatte genug. »Raus jetzt! Ich habe anderes zu tun, als mir die Nacht mit ausländischen Esoterikern um die Ohren zu schlagen.« Er gab dem wartenden Kollegen einen Wink. »Bringt sie raus zum Parkplatz, dann machen wir den Laden wieder dicht.«
Sie konnten ihre Spiegel einpacken, dann wurden sie von nicht weniger als vier Männern hinausbegleitet und anschließend vor dem Tor allein gelassen, während hinter ihnen alles verschlossen, versperrt und verriegelt wurde.
Nadja und Fabio gingen die Straße hinunter, als ihnen ein Wagen entgegenkam. Rian saß am Steuer, und David sprang heraus. »Endlich! Wir wären jetzt da reingegangen, und …«
»Alles in Ordnung«, sagte Nadja lachend. Das tat gut und löste die Anspannung.
»Machen wir, dass wir wegkommen!«, forderte Rian auf. »Pirx und Grog warten schon.«
Nadja und Fabio stiegen ein, und sie fragte sich, warum ihr Vater die ganze Zeit so geheimnisvoll grinste.
7.
Ainfar: Das Ziel
»Ich sollte dem Herrn Bericht erstatten«, überlegte Melemida und strich sich mit den Zweigfingern über die Borke. »Er hält sich jetzt schon sehr lange in Bandorchus Gemächern auf. Ich glaube nicht, dass er so schnell hier wieder erscheinen wird.«
»Besser du als ich«, meinte Ainfar. Er hatte die Larve eines harmlosen Tierelfen angenommen, ein wenig haarig, mit dem Ansatz eines Geweihs, doch nicht eindeutig zuzuordnen. Dennoch traute er dem Frieden nicht so ganz, er sollte es nicht herausfordern.
Andererseits musste er Regiatus unbedingt eine Nachricht zukommen lassen. Zwar hatte er keine Ahnung, wie er das bewerkstelligen sollte. Es hatte einmal geklappt, aber ein zweites Mal? Gewiss, bei aller Klugheit und Planung waren weder die Königin noch der Getreue bisher darauf gekommen, dass sie einen Spion in den eigenen Reihen hatten. Sie konzentrierten sich immer nur auf ihre Vorgehensweise und versetzten sich, viel zu überzeugt von sich selbst, nie in die Lage des Gegners.
Genau damit hatten die Cerviden-Brüder gerechnet: Wer nahm schon an, dass jemand freiwillig ins Schattenland ginge, um die Dunkle Königin zu belauschen, wenn dies doch angeblich das Ende des Weges darstellte, aus dem bisher noch nie jemand zurückgekehrt war? Wer würde sich die lebenslange Verbannung ins Reich der Schrecken antun, nachdem die Königin als besiegt galt und zum Exil verurteilt wurde?
Als hätten wir es geahnt, dachte der Tiermann. Ich, verbesserte er sich. Regiatus konnte dafür überhaupt kein Verständnis aufbringen. Ich weiß selbst nicht, was mich dazu trieb – doch wie sehr hatte ich Recht. Und nun zahlt es sich aus.
Ainfar dachte niemals darüber nach, was geworden wäre, wenn Bandorchu das Schloss nicht hätte aufbauen können, und alles weitere. Das waren hinfällige Spekulationen und dem gesunden Elfenverstand nicht zuträglich.
»Denkst du, mein weiblicher Charme könnte ihn friedlicher stimmen?«, knarrte die Dryade lachend.
»In jedem Fall«, erwiderte Ainfar. »Und schließlich hat er dich beauftragt. An mich wird er sich vermutlich nicht mehr erinnern.« Glücklicherweise, fügte er in Gedanken hinzu.
»Ich bringe schließlich keine schlechten Nachrichten.«
»Oh nein, gewiss nicht.«
»Also, dann gehe ich mal.«
»Soll ich mitkommen?«
»Ich … schaffe das.« Melemida richtete sich zu ihrer vollen Höhe auf und rauschte davon.
Ainfar wartete neben dem Thron, als Eledula die Antilopenfrau sich zu ihm gesellte.
»Ich habe dir noch nicht gedankt.«
»Wofür?«
»Dass du mir den Mund zugehalten hast, als alle den Schwur leisteten.«
Ainfar lachte leise. »Ach so, das.«
»Wie konntest du ihm widerstehen?«, fuhr sie fort.
Er machte eine unbestimmte Handbewegung. »Ich kann Pathos nicht ausstehen, und noch weniger, wenn er vom Getreuen kommt.«
Da musste sie auch lachen. Zärtlich strich sie über sein wolliges Haar. »Du bist … so anders. Ich weiß nie, wer du bist, selbst wenn du dich mir in deiner bevorzugten Gestalt zeigst.«
»Ich will nur, dass du frei bist, Eledula. Du hast mit all dem hier nichts zu tun. Du sollst gehen, wohin du willst.«
»Und … du?«
»Ich habe noch eine Pflicht«, antwortete er. »Wahrscheinlich werde ich die Soldaten anführen. Ich weiß daher nicht, ob wir zusammen gehen können. Wenn nicht, suche den Cerviden Regiatus auf. Du wirst ihn leicht erkennen. Sag ihm, ich hätte dich geschickt und bitte für dich um Asyl bei den Crains. Er wird dich aufnehmen wie eine Schwester.«
Sie musterte ihn prüfend aus goldgesprenkelten Augen. »Weil du … sein Bruder bist?«, wisperte sie, dicht an seinem Ohr.
Er legte den Finger an ihre Lippen, dann nahm er ihn fort und drückte stattdessen seinen Mund darauf. Sie erwiderte den Kuss willig.
»Sei unbesorgt«, flüsterte sie, als er sie wieder freigab. »Wie du sagtest, dies hier ist nicht mein Kampf, und ich schulde dir viel zu viel, nicht zuletzt, dass du mich vor der Falle bewahrt hast. Meine Treue gilt dir.«
Er nickte stumm, und sie verließ ihn.
Ainfar ließ den Blick durch den Thronsaal schweifen, der nach wie vor vollbesetzt war, doch die meisten Elfen wirkten jetzt bedeutend lebhafter und optimistischer als vor dem Eid. Sie vertrauten darauf, dass die Königin sie hier herausholen würde; schließlich hatte sie dieses Schloss gebaut. Ihr war einfach alles möglich.
Auch draußen hatten sich die meisten Elfen in den Trümmern einigermaßen eingerichtet, teilweise richteten sie gemeinsam wieder Mauern auf und deckten sie ab, um den Schutz vor den Wolken zu erweitern. Die Ordnung war zurückgekehrt. Nur wenige Elfen hatten gänzlich aufgegeben und waren versteinert.
*
Melemida raschelte den Gang entlang, ihr Wurzelgeflecht erzeugte schleifende, kratzende Geräusche auf dem blinden Boden. Die Königin würde einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn sie das Schloss in diesem Zustand vorfand. Aber es war nicht zu ändern, im Moment konnten sie nichts tun.
Die Tür zu Bandorchus Gemach war offen. Vorsichtig lugte die Dryade hinein und entdeckte den kleinen dicken, wie hieß er doch gleich … ja, richtig, Gofannon. Ein Gott sollte er mal gewesen sein. Jetzt hing er nur noch triefäugig an Bandorchus Rockzipfel und flehte um Erhörung.
So dick sah er allerdings gar nicht mehr aus, sondern eher eingefallen. Er musste gestürzt sein, denn er richtete sich gerade ächzend auf, versuchte auf die Beine zu kommen und sackte schwach hin.
Melemida sah ein Schwert zwischen ihm und … dem Getreuen liegen, der in sich zusammengesunken vor der Tür zum verbotenen Raum lag! In der Dryade zog sich alles zusammen und vor Schrecken verlor sie eine Handvoll Blätter.
»Was hast du getan, Wahnsinniger?«, herrschte sie den Gott an, der aus trüben Augen zu ihr hochblickte. Er sah ganz und gar nicht gut aus, wirklich.
»Ich, nichts«, antwortete er mit kränklicher Stimme. »Frag lieber, was er mir angetan hat!« Anklagend wies er auf den Getreuen.
»Ist er tot?«
»Ich hoffe es.« Gofannon bemerkte den Blick der Dryade zum Schwert und fügte schnell hinzu: »Wenn, dann nicht durch meine Hand.«
»Was ist dann mit ihm geschehen?«
»Ich weiß es nicht. Er muss erneut das Bewusstsein verloren haben. Ich habe ihn das erste Mal so vor dem Bett gefunden.«
Melemidas Zweige knarrten. »Und versucht, ihn zu erschlagen.«
»Na ja … also gut, schön, ich geb’s zu«, knurrte der Gott.
Die Dryade knarzte vor Empörung. »Einen Wehrlosen, selbst wenn er der Getreue ist – das ist eines Gottes unwürdig! Du bist verachtenswert.«
»Damit könnte ich problemlos leben, aber da ich keinen Erfolg hatte, kannst du mir gar nichts nachsagen, du vertrocknete alte Borke.« Gofannon schaffte es endlich, auf die Beine zu kommen, dann schwankte er in armseligem Stolz nach draußen und war weg.
Die Dryade näherte sich vorsichtig dem leblos wirkenden Getreuen, vergewisserte sich ängstlich, dass die Kapuze immer noch übers Haupt gezogen war, und stupste ihn dann scheu an. »Herr? Gebieter? Was ist mit Euch? Kommt zu Euch, ich habe Nachrichten.« Sie beugte sich tiefer über ihn, versuchte ihn mit ihren Astarmen aufzusetzen.
Da regte er sich plötzlich, als ein wenig von ihrer Aura auf ihn überglitt, und seine Hände schossen nach oben.
*
Schließlich wurde Ainfar unruhig. Melemida blieb zu lange fort, da stimmte etwas nicht. Er gab einem der wartenden Soldaten den Befehl, die Aufsicht zu übernehmen, und ging hinter dem Thron vorbei auf den Gang, der direkt zu Bandorchus Gemächern führte.
Lange war er nicht mehr hier gewesen, und er war beunruhigt, dass eine Falle aufgestellt sein könnte, die ihn betraf. Schließlich hatten sie seiner nie habhaft werden können, nachdem er geflohen war, und auch seine Rückkehr nicht mitbekommen. Sein Bild war in den Köpfen der Elfen inzwischen erloschen, sie erinnerten sich nicht mehr an ihn. Nachdem er ins Schattenland hinaus geflohen war, hatte Bandorchu die Verfolgung abgeblasen und ihn seinem Schicksal überlassen. Was nicht bedeuten musste, dass sie nicht trotzdem rachsüchtig auf seine Rückkehr wartete und ihm eine Falle stellte.
Doch die Sorge war unbegründet.
Vielleicht … vielleicht hatte auch ein weiteres Mal Gwynbaen die Vorherrschaft errungen und dafür gesorgt, dass Ainfar fortan unbehelligt blieb. Immer noch gab es Hoffnung. Und genau deswegen würde er weiterkämpfen.
Unbehelligt erreichte Ainfar das Schlafgemach der Königin, und wehmütige Erinnerung regte sich in ihm. Einmal nur wieder bei ihr sein … ihre Hand auf sich fühlen … ihren Duft einatmen …
Aber nein, er hatte jetzt Eledula. Sie war die passende Gefährtin, Verwandte noch dazu. Beim Baum konnten sie sich ein neues Leben aufbauen, wenn das hier vorüber war. Wer wusste schon, vielleicht würden sie sogar eine Familie gründen, bevor alles endete, und ein Vermächtnis hinterlassen. Es wurde Zeit, an den Frieden und eine neue Zukunft zu denken.
Ach, verdammt. Ainfar hatte sich zu sehr von seinen Gedanken ablenken lassen, daher traf es ihn unvorbereitet und wie ein Schock.
Vor dem Bett lag Melemida, nicht mehr als eine ausgetrocknete Hülle, völlig leer, zusammengesunken, die Borke zusammengeschnurrt und rissig. Kein Blatt war mehr an ihr, viele zarte Zweige gebrochen.
Vor der offenen Tür zum verbotenen Raum stand der Getreue, mit dem Rücken zu Ainfar. Seine breiten Schultern verdeckten die Sicht auf das Zimmer dahinter, nur der eine oder andere Lichtstrahl konnte sich an ihm vorbeistehlen.
»Was ist geschehen?«, rief Ainfar betroffen und in aufkeimendem Zorn. Dieses Ende hatte die Dryade nicht verdient, die stets so treu und liebevoll für ihre Königin gesorgt hatte!
»Ich weiß, die Königin wird zornig sein«, erklang die tiefe, leicht abwesende Stimme des Getreuen. »Doch ich hatte keine Wahl, ich brauchte ihre Lebenskraft.« Er wandte sich Ainfar halb zu, und weitere Lichtstrahlen schossen an ihm vorbei ins Gemach, stachen dem Tiermann in die empfindlichen Augen. Das Portal, dachte er.
»Schicke mir noch ein Dutzend Diener, die leicht entbehrlich sind«, befahl er. »Ich brauche mehr. Erst dann habe ich genug Kraft, um den Weg zu öffnen.«
»Ich soll Euch Elfen schicken, damit Ihr sie tötet?«, stieß Ainfar empört hervor.
»Es ist notwendig, denn wenn ich nicht mehr bestehe, bleibt deine Königin für immer verloren. Ist das dein Ziel?« Eiskalt glitzernde Augen richteten sich auf den Tiermann.
Ainfar erschauerte bis ins Mark. »Nein«, sagte er leise. Weil Gwynbaen immer noch in Bandorchu existiert, und sie vertraut mir, dass ich sie befreie! Wir haben einen Pakt …
»Dann tu, was ich dir befehle.«
»Ich … kann das nicht.«
»Ein Elf mit Skrupeln.« Die Stimme des Getreuen klang amüsiert. »So tief ist das Volk inzwischen gesunken.«
»Dieses Land hier ist der Boden des Abgrunds, tiefer geht es nicht mehr«, erwiderte Ainfar mit bebender Stimme. »Ich mag verurteilt und verbannt sein, aber ich habe meine Ehre nicht aufgegeben!«
»Das ist mein Vorteil euch gegenüber, ich habe gar keine Ehre.« Der Getreue schwieg kurz, senkte leicht den Kopf, um nachzudenken. »Also gut«, sagte er dann. »Gib einer Zofe den Befehl, Dienerschaft herzuschicken, die saubermachen soll. Dann hat keiner von euch die Wahl getroffen. Kannst du damit leben?«
»Ich muss es wohl.«
»Gewiss. Sonst ist es damit nämlich vorbei, mein Freund. Wir verstehen uns?«
Ainfar schluckte. »Ja, Herr.« Er wandte sich zum Gehen, doch der Getreue hob die Hand.
»Ich war noch nicht zu Ende. Sobald ich mich ausreichend gestärkt habe, werde ich in die Menschenwelt zurückkehren und alles vorbereiten, einen neuen Ausgang zu schaffen, durch den ihr dann gehen werdet, sobald ich euch rufe. Halte deine Soldaten ständig auf Abruf bereit. Wie viele hast du?«
»Derzeit fünfzig, Gebieter.«
»Die genügen vorerst. Aber weitere sollen in Bereitschaft bleiben, es kann unter Umständen schnell gehen.«
Erregung stieg in Ainfar auf. »Dann … werden wir das Schattenland bald verlassen?«
Der Getreue nickte. »Sehr bald.«
»Und … wohin werden wir gehen?«
»Nach Irland«, lautete die Antwort. »Ich werde das Zeitgrab in Newgrange öffnen, um von dort aus die in der Zeit verschollene Königin zurück zu holen.«
Ainfar verschlug es für einen Moment die Sprache. Aber dann begriff er die Zusammenhänge, die Rätsel klärten sich. »Verstehe. Ich werde alles vorbereiten.« Selbstverständlich musste die Königin in diese Zeit zurückgeholt werden! Nicht auszudenken, wenn sie in der Vergangenheit blieb … alles würde sich verändern, der Krieg um Crain völlig anders verlaufen … das wäre eine Katastrophe! Damit war er ausnahmsweise einmal einer Meinung mit dem Verhüllten. Manchmal musste man sich mit dem Feind verbünden oder ihn zumindest unterstützen, um noch Schlimmeres zu verhindern.
Vielleicht war dies dann endlich die Gelegenheit, eine Nachricht an Regiatus abzusetzen – auch wenn Ainfar immer noch keine Ahnung hatte, was er dazu benutzen sollte.
Ainfar, noch halbwegs unter Schock über Melemidas Tod stehend, kehrte in den Thronsaal zurück und gab die Befehle des Getreuen weiter. Eine Zofe – nicht Eledula – erhielt den Auftrag, mindestens ein Dutzend Diener zu Bandorchus Gemach zu schicken. Alles Weitere verdrängte der Tiermann, er konnte sowieso nichts dagegen machen. Der Tod des Getreuen wäre angesichts der derzeitigen Situation kaum dienlich, und auch Ainfar hatte noch einiges zu erledigen, bevor er nach Annuyn gehen musste.
Anschließend suchte er fünfzig Soldaten aus und postierte sie beim Thron, fünfzig weitere hielt er in Bereitschaft. Die übrigen, die noch kämpfen konnten, verdienten die Bezeichnung »Soldat« nicht und sollten erst nachfolgen, wenn es soweit war.
Aufbruchstimmung machte sich breit. Ainfar fragte sich, wie die Verbannten sich ihr künftiges Leben denn vorstellten? Einen fortdauernden Krieg, bis sie alt wurden und starben? Aber vermutlich war ihnen im Moment alles egal, Hauptsache, sie entkamen endlich der Verbannung. Er konnte es ihnen nicht verdenken. Schließlich konnte er selbst es kaum mehr erwarten, das Schattenland zu verlassen.
Aber nun hieß es warten. Der Getreue hatte sich nicht geäußert, wie schnell und vor allem auf welche Weise er den Weg in die Freiheit ermöglichen würde, und wie sie es erfahren sollten. Da die Reise so kurz bevorstand, wurde der Tiermann ungeduldig. Vor allem aus Sorge, dass im letzten Moment noch etwas schiefging und er hier gefangen bliebe.
Ainfar tigerte nervös auf und ab, kurz davor, sich zu verwandeln. Die anderen Elfen waren ebenfalls unruhig, bezähmten sich aber. Sie waren längst daran gewöhnt, auszuharren und nicht zu sehr aufzufallen. Kurz kreuzten sich Ainfars Blicke mit Eledulas, die zusammen mit den anderen Zofen in einer Nische mit bequemen Sitzgelegenheiten wartete. Der Tiermann nickte der Antilopenfrau kurz zu, dann drehte er sich um, verschwand durch die schweren Vorhänge und betrat den Gang hinter dem Thron.
Es war geisterhaft still. Kein Geräusch, niemand zu sehen. Ainfar ging gelassen weiter. Er hoffte, dass der Getreue sein grausiges Werk inzwischen vollendet hatte und es endlich vorwärts ging. Viel Zeit blieb dem Tiermann nicht mehr, um Regiatus vorzuwarnen.
Als er am Treppenabgang vorbeikam, hörte er leisen Gesang von weit unten heraufschallen. Ainfar wusste wie jeder Elf, hier ging es zu den Kerkern hinunter. Normalerweise ging man an dieser Treppe sehr schnell vorbei und achtete möglichst auf nichts. Doch dieser Stimme konnte er sich nicht verschließen. Dafür kannte er sie viel zu gut.
»Ich bin so alleiiin, alle haben mich vergessen, das kann doch gar nicht seiiin, wo ich doch geschworen hab, mich zu bessern …«
Als gäbe es hier unten weder Schmerz noch Schrecken, trällerte jemand ein fröhliches Liedchen. Text und Reim waren grauenvoll und die Melodie nicht viel besser. Das konnte wirklich nur einer sein. Und Ainfar hatte nicht einmal gewusst, dass er hier war!
Als der Tiermann in den Kerkergang abbog, gab es sofort Aufruhr in den Verliesen. »Herr, gnädiger, gütiger Herr, lasst mich frei, ich bin unschuldig!« – »Lasst den doch reden, er ist ein stinkender Lügner, aber ich, bitte, guter Herr, ich habe die Freiheit viel mehr verdient!« – »Hört nicht auf die, edler Herr, sie wollen euch nur ermorden! Doch ich will Euer Diener sein, auf ewig, wenn Ihr mich befreit!«
Von allen Seiten drangen Stimmen auf ihn ein, und viele unterschiedliche Gliedmaßen streckten sich flehend aus der Dunkelheit durch die Gitterstäbe. Ainfar hielt sich die Ohren zu, er konnte es kaum ertragen. So viel Jammer und Leid waren selbst für einen Elfen zu viel. Der Weg durch den fackelbeleuchteten Gang wurde zum Pfad durch die Endlosigkeit. Der Tiermann ermahnte sich, nicht darauf zu achten, er hatte nur ein Ziel; nämlich den Verursacher des Liedes zu finden, und dabei durfte er nicht auffallen. Um keinen Preis.
Doch schließlich hielt er es nicht mehr aus. Bei der nächstbesten Tür verharrte er, prüfte Schloss und Magie, fand beides recht einfach, und knackte es. Mit einem heftigen Ruck riss er die Gittertür auf und sagte: »Komm heraus, du bist frei!«
In der Dunkelheit, die seine Augen nicht durchdringen konnten, gab es ein platzendes Geräusch, gefolgt von einem … Kichern?
Ainfar fuhr zurück, als ein nur handspannenlanges, geflügeltes Wesen in Augenhöhe herausschwirrte und sich vor Lachen ausschüttete.
»Ein … ein Irrwicht … aber wie …«, stieß der Tiermann bleich hervor.
Rings um ihn zogen sich die Gliedmaßen plötzlich zurück, und überall erklangen die platzenden Geräusche und das Kichern. Scharen von Irrwichten strömten durch die Gitterstäbe heraus und flatterten schnatternd und sich gegenseitig schubsend davon, die Treppe hinauf.
Ainfar schüttelte den Kopf, zwickte sich in den Arm, ob er träumte, und konnte es nicht fassen. Aus der Tiefe des Gangs, von wo das Lied erklungen war, erschall nun Gelächter. Ainfar wandte sich um und sah im flackernden Fackellicht eine Silhouette am anderen Ende, die in Ketten hing. Ein schlecht angenagelter, nicht angepasster Schatten hing in Fetzen von den Füßen herab. Die Fackeln zeichneten mit Feuerfingern ein Hirschgeweih über dem Kopf des Gefangenen an die Wand.
»Du bist echt«, sagte der Tiermann und ging auf den Häftling zu.
»Brüderchen!«, rief Alebin begeistert. »Ich bin gerührt, dich zu sehen! Dich hätte ich hier zuletzt erwartet, Nesthäkchen!«
»Ich dich ebenso wenig«, gestand Ainfar. Er wies auf die leeren Kerker. »Was hat das alles zu bedeuten? War es immer nur Lug und Trug, was wir da oben hörten?«
»Wer weiß?« Alebin kicherte wie ein Irrer. Sein nur noch von Fetzen bedeckter Körper war zerschunden, aber im Heilungsprozess. »Seit ich hier unten bin, gab es niemanden sonst. Ich habe selbst eine halbe Ewigkeit gebraucht, bis ich die Irrwichte erkannte. Du kannst dir mein Staunen vorstellen! Natürlich habe ich meinen Foltermeister gefragt, was das zu bedeuten hat. Er lachte nur hämisch, wie du dir denken kannst, und meinte, er wollte das Verlies ganz für mich reservieren, alles andere sei unwichtig geworden.«
»Verdammt …« Ainfar ballte die Hände zu Fäusten. »Das … glaube ich einfach nicht!«
»Glaub, was du willst, kleiner Bruder, du wirst keine Antwort erhalten. Wir werden nie herausfinden, wer er ist, auch wenn ich schon nahe dran bin. Doch ich denke, den letzten Schritt wird er mir vorenthalten …« Alebin gackerte.
»Er gibt dir doch nur, was du willst, Alebin, und du hast nichts Besseres verdient, für all die Lügen, Intrigen, Schandtaten, die du schon begangen hast«, erwiderte Ainfar wutentbrannt. »Deinetwegen fand meine Mutter den Tod …«
»He, das war ein Unfall!«
»Und was war das mit unserem Vater?«
»Ach, das nimmt er mir doch längst nicht mehr übel …«
Ainfar hatte nicht übel Lust, nach der Peitsche zu greifen und das Lachen aus seinem Halbbruder zu prügeln. Uralter, lange unterdrückter Hass wallte in ihm hoch und verlangte nach Rache.
»Warum bist du hier?«
»Ach, nichts weiter«, antwortete Alebin wegwerfend. »Ich habe die Königin verraten, Rhiannon umgebracht, und …«
»Du hast was?«
»Ein bedauerlicher Unfall, ganz ehrlich! Eigentlich wollte ich ihren Bruder erwischen.«
Ainfar hatte Mühe, Fassung zu bewahren. »Du wolltest … die Zwillinge … die Erben der Crain …« Er konnte für einen Augenblick nicht weitersprechen, dann schrie er: »Warum hat der Getreue dich nicht getötet?«
Alebin fand seine Schandtaten offenbar komisch, denn er lachte schon wieder. »Er selbst hat mich zum Tabu erklärt. Solange er das nicht aufhebt, kann ich nicht sterben, nicht mal durch ihn. Ich glaube, er will mich gar nicht töten, das Foltern macht ihm viel mehr Spaß.«
Der Tiermann war wie erschlagen. Er hätte sich am liebsten hingesetzt, aber hier gab es natürlich keine Sitzgelegenheiten. Hilflos irrte sein Blick umher, glitt über die Felsmauern, die feucht von unzähligen Elfentränen waren, blieb wieder am Bruder hängen.
»Warum hast du das alles getan?«, flüsterte er.
»Das ist eine lange Geschichte, aber ich gebe sie dir in Kurzform. Ob es das Warum klärt, überlasse ich dir, es erklärt jedenfalls das Was und Wie.« Alebin plauderte munter drauflos, als säßen sie in irgendeinem Wirtshaus bei Whisky und Anekdoten. Als Darby O’Gill in prächtiger Erscheinung war Alebin ein hervorragender Unterhalter und Trinker, weithin bekannt und vor allem bei den Frauen beliebt. Alebin hatte den älteren Bruder dafür als Jüngling bewundert.
Als er mit seiner Erzählung am Ende war, wollte nun der Schotte Antworten: »Und wie kommt es, dass du hier bist, du anständiger kleiner Bruder, Augapfel unseres hochgeschätzten Vaters?«
»Deinetwegen, Meidling«, gab Ainfar prompt Auskunft. »Um die Schande von unserer Familie wieder abzuwaschen.«
»Und dafür gehst du ausgerechnet hierher?« Alebin brach erneut in schallendes Gelächter aus. »Was für ein entzückender naiver Idiot du doch bist!«
»Falls du es vergessen haben solltest – du hängst hier in Ketten, nicht ich. Und ausnahmsweise einmal muss ich dem Getreuen Anerkennung zollen. Du bist genau am richtigen Ort und erhältst die dir angemessene Strafe.« Ainfar wandte sich zum Gehen.
»Bruder, warte – äh … bitte«, sagte Alebin schnell. »Ich bin hier abgeschnitten von allem. Sag mir, was in der letzten Zeit geschehen ist!«
»Warum sollte ich das tun?«
»Du hast Recht. Warum sollte mich das interessieren. Leb wohl!«
Ainfar wusste, er sollte jetzt gehen. Doch so einfach war das nicht, sie waren durch Blutsbande aneinandergebunden. Also gab er nach und berichtete, und Alebin hörte aufmerksam zu, obwohl Ainfar sich während der Erzählung des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass er bereits über alles Bescheid wusste. Möglicherweise wollte er nur die Einsamkeit noch ein wenig hinauszögern.
»Also trifft meine Annahme zu!«, sagte Alebin nach dem Abschluss triumphierend, und in seine Augen kehrte das Leben zurück.
»Was meinst du damit?«, fragte Ainfar erstaunt.
»Ich habe unseren finsteren Freund auf die Lösung gebracht.« Alebin schmunzelte, und für einen Moment schimmerte Darby O’Gill in ihm durch. »Ich dachte mir, dass sie in die Zeit gestürzt ist.«
Ainfar legte die haarige Stirn in Falten. Sein Bruder war früher schon zu außergewöhnlichen Schlussfolgerungen fähig gewesen. »Hast du auch eine Idee, wie es dazu kommen konnte?«
»Na, das ist einfach«, brummte Alebin. »Die Königin war zu ungeduldig. Sie ging, noch während alles im Schwanken war. Die Grenzen haben sich verschoben, und zwar in alle Richtungen. Es war ein Schritt zu früh, der auf den verkehrten Weg führte. Und was hat der Getreue jetzt vor?«