Kitabı oku: «Kein Drummer zum Küssen», sayfa 2

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2 – Aufgeflogen

Das Haus, vor dem der Hubschrauber landete, wurde von einer unzähligen Solarstrahlern beleuchtet, genau wie der kleine Landeplatz, den man trotz der Dunkelheit perfekt ausmachen konnte. Es war wunderschön, wie ein kleines Juwel in der Finsternis der kanadischen Wälder.

Neugierig folgte ich Jacob und Niobe in Richtung des Holzhauses und staunte. Das, was den Charme einer kleinen Jagdhütte hatte, schien sich einiges vorgenommen und als großes Vorbild ein Schloss zu haben.

Jacob öffnete die Eingangstür und meinte, nachdem er zahlreiche mysteriöse Schalter am Eingangspanel umgelegt hatte: »Ich denke, ich führe euch erst herum!«

Wie selbstverständlich übernahm er die Leitung und selbst Niobe folgte ihm, ohne ihn in Frage zu stellen. Der Typ sollte devot sein? Interessant!

Auf einmal war ich sehr dankbar für die Anwesenheit der erfahrenen Escort-Dame, denn in meinem Geiste tummelten sich plötzlich ein Haufen fast genauso fantastischer neuer Ideen, streckten ihre schwarzen Fühler aus und brachten die Schmetterlinge in meinem Unterleib zum Fliegen. Aber das war natürlich naiver Blödsinn!

»Wieso sind wir ausgerechnet hier?«, erkundigte sich Niobe, ganz ohne meine Hilfe.

»Weil es den Besitzer ärgert«, erklärte Jacob, im Wohnzimmer angekommen.

»Wer ist der Besitzer?«

»Alex Roth«, gestikulierte ich, aber Jacob kam mir mit der Antwort zuvor und wirkte dabei so selbstgefällig, dass ich mich fragte, ob ich nicht doch etwas bei dem Escort-Auftrag oder dem Telefonat mit Trish übersehen hatte.

»Dann verratet mir mal, an welche Spiele ihr so gedacht habt«, forderte Jacob, während er uns ungefragt einen Whiskey einschenkte – und sich auch.

Ich schüttelte den Kopf und der Bärtige zog eine Augenbraue hoch und musterte mich, als hätte ich ein Rad ab. Ein Eindruck, der sich noch verstärkte, als Niobe meinte: »Wir haben uns hauptsächlich ästhetische Spiele ausgedacht, optische Leckerbissen und deswegen würden wir mit einer visuellen Aufbereitung anfangen.«

»Ihr meint, ihr wollt mich rasieren und mir die Haare schneiden?«, übersetzte Jacob. Er klang amüsiert, zumindest einen Moment lang. Ich atmete erleichtert ein. Er war also nicht dumm und schien auch Humor zu haben.

Leider verschwand zumindest der letzte Eindruck, als sich sein Blick umwölkte und er energisch den Kopf schüttelte. »Ich bin ganz zufällig glücklich mit meinem Aussehen.«

»Weil es Alex Roth ärgert?«, gestikulierte ich und Niobe wiederholte meine Frage laut, während »das Tier« erst ihr ein Glas in die Hand drückte und dann zu mir trat.

»Ja, Kleines«, meinte er und nutzte seine Größe, indem er demonstrativ auf mich herabblickte. »Weil es Alex ärgert.«

Jacob roch nach Vanille und süßlichem Rauch – und das ließ mich deutlich wissen, dass mir der Rockstar zu nahe war. Viel zu nahe. Und er wusste es genau, wusste, wie man jemanden einschüchterte!

Unwillkürlich musste ich daran denken, dass keine Sau wusste, wo Niobe und ich waren: Irgendwo im Nirgendwo.

Niobe fing sich schneller als ich und meinte entschieden: »Ohne visuelle Aufbereitung sind wir raus!«

Jacob verharrte in der Bewegung und sah Niobe genauso ungläubig an wie ich. Doch im Gegensatz zu mir fing er an zu lachen. »Weil ich nicht bereit bin, mich zu verändern?«

Ich sah Niobe strafend an, doch sie schien es ebenso wenig zu merken, wie die Tatsache, dass sie eben weit über jedes Ziel hinausgeschossen war. Unter meiner wütenden Beobachtung setzte sie sogar noch einen drauf: »Der Bart macht es meiner Partnerin beinahe unmöglich dich zu verstehen, weil sie aufs Lippenlesen angewiesen ist.«

Jacobs Blick irrte zu mir und ich nickte innerlich. Niobe hatte tatsächlich ein gutes Argument gebracht. Der Drummer wischte es mit einer Handbewegung zur Seite. »Dafür bist du da.«

Jacob sah auf meine Gesten, die Niobe ignorierte. Im Moment war ich förmlich versucht, sie anzufallen. Etwas, was Jacob zu spüren schien, sie aber nicht, denn er wandte sich zu mir und entließ mich betont langsam und deutlich in eine schöne und entspannte Nacht, ohne seine schlechte Laune, die überraschenderweise mir persönlich zu gelten schien, zu verbergen.


Verwirrt und ein wenig gekränkt machte ich mich allein auf, das Haus zu erkundigen. Ich fand die Küche, machte mir eine dieser eher schrecklichen fünf Minuten Suppentöpfchen und schenkte mir ein Wasser ein, rollte meinen Koffer auf eines der Zimmer, räumte die Kleidung in den Schrank und liebäugelte einen Augenblick mit dem Fernseher, bevor mir einfiel, dass ich ja taub war. Ich sah mich in dem kleinen, aber fein eingerichteten Raum um: Bett, Nachttisch, Kleiderschrank, Badezimmer. Auf dem Nachttisch das obligatorische Telefon. Mein Blick glitt zurück zum Fernseher. Neben dem Gerät lag ein Bademantel, ein Saunatuch und weiße Badeschluffen. Es gab also eine Sauna und mindestens einen Whirlpool. Irgendwo auf der anderen Seite des Hauses diskutierten Niobe und Jacob inzwischen lautstark miteinander. Ich konnte zwar kein einziges Wort erkennen, jedoch würde ich mich hüten, in Niobes Nähe zu kommen. Aber wie sollte ich in dieser Stimmung schlafen?

Wieder fielen mir die weißen, flauschigen Wellnesssachen ins Auge.


Ich blieb in der Tür stehen und starrte die Frau an, die meine Lieblingsbank besetzt hatte. Hatte ich sie nicht fortgeschickt?

Aber nein, dort saß Miss-Perfekt-Barbie, sittsam in ihr Saunatuch gewickelt und genoss die wohlige Wärmekabine, die ich bereits bei unserer Ankunft vorgeheizt hatte. Als sie die Augen aufschlug, wurde mir klar, dass sie genauso wenig über meine Anwesenheit erfreut war, wie ich über ihre.

»Du bist nur taub, nicht stumm, oder?« Ich musterte sie und gab mir Mühe nicht herablassend zu klingen, während ich mich neben sie setzte. Rache wurde am besten ohne Vorwarnung serviert!

Sie nickte huldvoll und allein diese Geste reicht, um jeden Gedanken daran, dass sie vielleicht etwas anderes als böse Absichten hatte, verfliegen zu lassen. »Sag mal was?!«

»Wieso, scheint doch vergebliche Liebesmühe zu sein«, behauptete sie herausfordernd.

Ihr Blick hing wie gebannt an mir und meinen Lippen und nur zu gerne hätte ich gewusst, was sie über mich dachte. Stattdessen begnügte ich mich mit einer weiteren Frage: »Du hättest deiner Kollegin vorhin am liebsten den Kopf abgerissen, oder?«

Sie sah mich mit gerunzelter Stirn an und ich wiederholte meine Frage langsam und deutlich – ganz ohne ihr den hübschen Hals umzudrehen.

»Ja«, gab sie zu.

»Wieso hast du sie nicht unterbrochen?«

Blondie zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich wusste sie es selbst nicht, oder es war ihr egal. Ihre Worte ließen auf Letzteres schließen: »Wieso ist dir das wichtig?«

»Ich will wissen, ob ich dich in meiner Nähe ertragen kann.«

Obwohl sie mich immer noch anstarrte, gab sie mir durch eine Geste zu verstehen, dass ich den Satz wiederholen sollte. Ich seufzte leise und setzte mich neben sie. Wie konnte jemand so hübsches nur so … daneben sein?

Unwillkürlich begannen meine Finger einen kleinen, nervösen Rhythmus zu klopfen.


Natürlich wiederholte Jacob seinen Satz nicht. Stattdessen trommelte er auf der Sitzbank herum und streifte dabei meine Finger. Ich zog meine Hand fort und verfluchte ihn im Stillen, weil er mir schon wieder zu nahe war. Durch seine Nähe wurde mir nervtötend intensiv bewusst, dass er halbnackt war – und ich auch.

»Es würde vielleicht helfen, wenn du die Ohropax rausnimmst«, gestikulierte er plötzlich und ich starrte blinzelnd auf seine Hände. Hatte er eben …?

In der nächsten Sekunde wurden meine langen Haare nach hinten gestrichen und Jacob musterte mich wie etwas besonders Ekeliges, das sich in seine Sauna verirrt hatte.

»Erklärung«, verlangte er nonverbal.

»Das gehörte zu dem Spiel, das wir für dich aufbauen wollten – um dich nicht abzulenken.«

»Es ist eine verdammte Lüge!«, meinte er und seine Stimme war bar jeder Freundlichkeit.

»Bei einem Office-Escort-Spiel geht es um Fantasie und darum, Wünsche zu erfüllen. Man muss sich darauf einlassen«, erklärte ich erzwungen geduldig, aber seriös.

Jacob starrte mich an, seine Augen dunkel und unergründlich. Dann entfernte er kommentarlos und ohne mich zu fragen die weichen Stöpsel, die ich trug, um halbwegs glaubwürdig taub spielen zu können, aus meinen Ohren.

»Dann war das Spiel Scheiße!«, meinte er. Er klang überheblich und genau wie ich mir einen Rockstar immer vorgestellt hatte. Korrektur: Genau wie ich wusste, dass Rockstars waren.

»Vielleicht wäre es okay gewesen, wenn ich nicht ganz zufällig eine taubstumme Mutter hätte«, meinte Jacob einlenkend. Offenbar erwartete er keine Entschuldigung oder eine Antwort, denn er stellte sofort eine weitere Frage: »Wieso also habe ich zwei Mädchen bekommen, wenn ich eigentlich eines wollte?« Er sah mich an und zum ersten Mal fiel mir auf, dass er schöne Augen hatte. Doch es war seine Warnung, die mich nachdenklich werden ließ: »Zu einem Spiel mit mir gehört Ehrlichkeit!«

Ich dachte kurz über seine Worte nach und entschied mich wirklich für die Wahrheit: »Es hieß, es würde jemand für ästhetische Aufgaben gesucht, aber auch jemand, der sehr dominant ist. Da es zurzeit keine Escort-Dame gibt, die beides kann und ich für meine Lieblingsaufgaben gerne auf Hilfe und ein menschliches ‚Stoppschild‘ zurückgreife, bot es sich an.«

»Du bist also die mit dem ästhetischen Gespür?«, erkundigte sich Jacob und musterte mich, als hoffte er, mich so einer Lüge zu überführen.

Ich nickte, obwohl ich mir nicht sicher war, dass das besonders klug war.

»Du bleibst hier. Niobe fliegt heim!«, beschloss er. Sein Tonfall ließ keinen Spielraum für einen Widerspruch.

Ich tippte mir trotzdem an die Stirn. Eine universelle Geste, die meinem Gegenüber klar machte, was ich von der Idee hielt. »Ich denke, wir zwei sind nicht kompatibel.«


»Und ich denke, das interessiert mich nicht.« Ich schenkte Barbie ein böses Lächeln. Sie hatte sich die Suppe eingebrockt, jetzt konnte sie diese auch alleine auslöffeln! Selbst schuld, wenn sie gemeinsame Sache mit Trish und Alex machte!

»Sie bleibt oder wir gehen beide«, verhandelte die widerspenstige Escort-Dame und ihre Wut klang wie Musik in meinen Ohren.

»Ich befürchte, diese Entscheidung liegt nicht bei dir.«

Das Timing des startenden Hubschraubers hätte nicht besser sein können, denn genau in diesem Moment drang der Lärm der Rotoren bis in die Sauna.

Barbie starrte mich einen Augenblick mit großen, blauen Augen an, dann sprang sie auf. Auf dem Weg zur Tür bemerkte sie, dass sie niemals schnell genug sein würde, denn sie hielt an und wandte sich zu mir. »Bist du irre?«

»Nein, ich weiß nur, was ich will.« Ich stand auf und trat zu ihr. So nahe, dass sie zu mir aufsehen musste, und ich genoss, dass sie klein war und wirklich exquisit. Jemand wie sie war vermutlich noch nie mit jemandem wie mir konfrontiert worden. Und ich war wirklich sauer auf sie, wegen der Lüge, weil sie irgendwas mit Alex zu schaffen hatte und weil sie niemals meinen Sinn von Ästhetik treffen konnte.

»Du kannst nicht einfach mittendrin alles ändern«, protestierte sie. »Es gibt Regeln und der Vertrag …«

»Genau das Stichwort, meine Schöne.« Ich schob mich näher zu ihr, drohender.

»Versuchst du mich einzuschüchtern?« Sie verschränkte unwillig die Arme vor der Brust und sah genervt zu mir auf. »Ich dachte, du bist devot?«

»Devot ist aber nicht gleichbedeutend mit blöd«, spottete ich.

»Und wieso sollte ich darauf eingehen?« Immer noch wich sie nicht zurück und ließ sich auch nicht anmerken, ob ich sie tatsächlich einschüchterte.

»Weil du das Geld brauchst, um deiner Mutter zu helfen?!«, schlug ich vor, um anschließend zu genießen, wie ihr Gesicht entgleiste. Völlig. Erst als sie sich wieder unter Kontrolle hatte, ergänzte ich: »Als mir klar wurde, dass du nicht taub bist, habe ich Erkundigungen eingeholt. Ich lasse mich ungerne verarschen.«

»Und ich arbeite nicht für einen erpresserischen Entführer«, zischte sie böse.

»Du hast einen Arbeitsvertrag unterschrieben«, erinnerte ich sie, »halte ihn ein!«

»Leck mich!« Ich konnte sehen, dass sie ihre Hände unwillkürlich zu Fäusten geballt hatte – so als würde sie sich nur zu gerne auf mich stürzen. Etwas, was mich Grinsen ließ, genau wie mein Konter: »Wenn du es befiehlst gerne!«


Inzwischen war ich richtig wütend. Was zum Geier dachte sich dieser bescheuerte Rockmusiker? Dass er mich entführen oder einsperren konnte und ich mit ihm ins Bett ging? Ich würde nicht einmal meinen Job machen!

Verärgert stampfte ich aus der Sauna und griff nach meinem Handy, das ich draußen zusammen mit dem flauschigen Bademantel platziert hatte. Kein Empfang. Verwirrt starrte ich das Display an, dann Jacob, der mir gefolgt war, nur um einen Wimpernschlag später in Richtung meines Zimmers zu gehen.

»Die Telefone funktionieren nur mit Code«, erklärte Jacob. Seine Worte brachten mich zum Anhalten. Langsam drehte ich mich zu ihm um. Hatte ich vorher gedacht, ich wäre wütend, so war ich inzwischen beinahe rasend.

»Was hältst du davon, wenn du dich erst einmal beruhigst?«, meinte er mit einer Mischung aus Arroganz, Amüsement und Herablassung.

»Gib mir einen Autoschlüssel«, verlangte ich, obwohl ich mit keiner positiven Antwort rechnete.

»In dieser Phase werde ich dir ganz sicher keinen Autoschlüssel geben!«, meinte Jacob und schlug vor: »Du beruhigst dich und wir reden morgen beim Frühstück?«

»Was zum Teufel ist dein Problem?« Ich trat einen Schritt auf ihn zu.

»Wieso sollte ich ein Problem haben?«, fragte er lässig.

»Du bist echt ein typisches Rockstar-Arschloch. Du bist reich, siehst gut aus, bist charmant, die Welt und die Frauen liegen dir zu Füßen, und obwohl die Presse auf jeden Fehler von dir lauert, verzeiht sie ihn dir und liebt dich dafür, dass du ein Comeback versuchst, einen Drogenentzug machst oder dich in die nächste Beziehung stürzt. Sie lieben dich sogar dafür, dass du dich gehen lässt und dich wie ein Vollpfosten benimmst. Whatever.«

Die letzten Worte hatte ich Jacob beinahe ins Gesicht gebrüllt. Dementsprechend perplex war auch sein Blick. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass eine Frau nicht sofort vor ihm niederkniete und ihn anbetete, wenn er danach verlangte.

»Wir reden morgen beim Frühstück«, meinte er schließlich überraschend sanft, drehte sich um, ging aus dem Wellnessbereich und ließ mich einfach stehen. Scheiße!


3 – Ehrlichkeit

Ich hatte so gut wie gar nicht geschlafen. Dafür hatte ich in jeder erdenklichen Ecke und mit jeder möglichen Verrenkung versucht, mit meinem Handy Empfang zu bekommen. Danach hatte ich stundenlang jeden potentiellen Code im Telefon eingegeben und war jetzt früh auf den Beinen, um notfalls zu Fuß zu fliehen, bevor Jacob wach wurde.

Angespannt schlich ich aus dem Zimmer, aber der Kaffeegeruch belehrte mich sofort eines Besseren. Egal wie früh ich auf war – Jacob war ebenfalls wach!

Ich seufzte schwer. Dann eben Plan B! Der Drummer war devot, wäre doch gelacht, wenn ich ihn nicht dazu bekommen konnte, nach meiner Pfeife zu tanzen!

»Guten Morgen!«, meinte er, als ich in die Küche trat, ohne auch nur in meine Richtung zu sehen. »Schnapp dir die zwei Kannen und folge mir unauffällig.«

Ich starrte Jacobs Rücken an und suchte noch nach einer patzigen Bemerkung, als mir klar wurde, dass er losgegangen war und wirklich mit meiner Folgsamkeit rechnete. Schicksalsergeben – und weil ich ein klitzekleines bisschen neugierig war – nahm ich die zwei Kannen und folgte ihm ins Freie. Ärgerlicherweise war er schon fast am Waldrand und ging einen kleinen Pfad entlang, der nach oben führte, durch den Nadelwald. Rasch folgte ich ihm, ärgerte mich aber mit jedem Schritt mehr über mich selbst. Wieso musste ich so neugierig sein?

Ich hatte ja nicht einmal eine verdammte Jacke an und es war arschkalt – und nebelig!

Als der Waldweg auf einer Lichtung endete, hielt Jacob an und gab mir mit einer Geste zu verstehen, dass ich vorangehen sollte, durch den letzten Ring der Bäume. Missmutig zögerte ich, machte dann aber doch unter seinem amüsiert wirkenden Blick die letzten zwei Schritte, bis ich sehen konnte, was sich auf der freien Fläche befand.

Der Ausblick auf den Wasserfall war gigantisch! Aber das war es nicht, was mich verwirrt stehenbleiben ließ, sondern das vorbereitete Picknick. Wie lange war Jacob schon wach?

Eine riesige Iso-Decke lag in der Nähe des Abhangs, umrahmt von vier Feuerstellen und etlichen bunten Windlichtern und Kerzen. Die Speisen waren noch zugedeckt, aber auch hier war ein gelungenes Arrangement zu erkennen. Das Ganze war wild romantisch und ging vom Stil in die Richtung: Wär das mein Freund und würde er mich fragen, ob ich ihn heirate, wäre das ein ziemlich idealer Augenblick.

Zum Glück war alles, was Jacob sagte: »Setz dich, das Rührei wird sonst kalt.«

Ich war immer noch zu fassungslos, um zu widersprechen und tat tatsächlich, wie mir geheißen und ging voraus zum Picknickplatz. Schon inmitten der Feuer war mir schlagartig wärmer. Trotzdem war ich dankbar, dass mir Jacob eine farblich zur restlichen Szenerie passende Decke umlegte.

»Tee oder Kaffee?«, erkundigte er sich und mein Verwirrungslevel nahm noch zu. Der Drummer deutete auf die zwei Kannen. Ein wenig unwillig, als sei es ihm peinlich so einen Aufwand betrieben zu haben. »Ich wusste nicht, was du morgens trinkst, also habe ich beides gemacht.«


Mein makelloses Gegenüber mit dem wunderschönen, regenbogenbunten Oberteil blinzelte verwirrt und zeigte auch sonst nicht das Verhalten, auf das ich gehofft hatte.

»Ist alles in Ordnung?«, erkundigte ich mich.

»Nichts ist in Ordnung!«, meinte sie nachdrücklich und wirkte deutlich angepisst. Etwas, was ich mit diesem Frühstück hatte verhindern wollen.

»Es ist nicht vergiftet.« Ich schenkte ihr ein unsicheres Lächeln. Immer noch war ich mir nicht sicher, ob ich ziemliche Scheiße gebaut hatte oder ich nicht jeden Grund hatte sauer zu sein – aber immerhin zog ich Option Eins nicht nur in Betracht, sondern tendierte sogar ganz stark in diese Richtung.

Barbie reagierte nicht, sondern starrte mich nur böse an. »Was ist es dann? Bestechung?«

»Ich versuche mich gerade zu entschuldigen.« Glaubte ich zumindest. Nervös trommelte ich mit den Fingern einen kleinen Rhythmus, der mir schon seit gestern nicht mehr aus dem Kopf ging, sich aber immer noch nicht perfekt anfühlte. Schließlich, meinte ich, weil sie nichts sagte: »Du hast nicht vor, mir das leicht zu machen, oder?«

»Du hast versucht mich zu erpressen. Und ich arbeite nicht für einen Erpresser.« Sie presste ihre Lippen fest zusammen und schien sich wieder im Kampf-Modus zu befinden. Wie gestern nach der Sauna. Ihre Reaktion schien authentisch zu sein und irritierte mich.

»Ich habe nicht vor, dich zu erpressen, Mädchen«, erklärte ich deswegen und fügte sanfter hinzu: »Ich versuche lediglich, mich nicht selbst in Gefahr zu bringen.«

Ich schwieg und war versucht, mir selbst in den Arsch zu treten. Ich versuche lediglich, mich nicht selbst in Gefahr zu bringen? Ach bitte! Wer war ich? Ein verkappter Poet auf Wahrheitsdroge?

Barbie starrte mich an und versuchte wohl zu verdauen, was ich gerade angedeutet hatte. Es schien ihr nicht zu gelingen.

»Erklärung!«, forderte sie schließlich. Im selben Tonfall, den ich gestern in der Sauna benutzt hatte.

»Würdest du mir den Gefallen tun, und wenigstens etwas essen?« Ich wartete und sprang über meinen Schatten. »Ich verspreche dir, wenn du nach diesem Gespräch nicht mehr spielen willst – fliege ich dich zurück.«

Mein farbenprächtig gekleidetes Gegenüber beäugte mich misstrauisch, schaufelte sich dann aber Rührei auf den Teller und bestrich ein Brötchen mit gesalzener Butter, bevor sie sich Kaffee einschenkte und mit Milch und Zucker versah.

»Ich hatte eine Frau gebucht, da standen zwei. Eure Erklärung war dürftig, genau wie eure Spielausführung. Also wollte ich euch mit Kanada ärgern«, begann ich unter ihrem aufmerksamen Blick, mit dem sie wohl versuchte meine Redlichkeit einzuschätzen. Immerhin schien ich sie soweit überzeugt zu haben, denn sie biss nach diesem Geständnis ins Brötchen.


Ich nickte stumm und biss in das verlockend riechende Brötchen. Natürlich konnte Jacob immer noch ein erpresserischer Psycho-Star sein, aber immerhin war er ein ehrlicher und außerdem war ich ja doch durchaus bestechlich. Zumindest mit gutem Essen und … verdammt! Waren diese Brötchen etwa selbstgebacken?

Ich starrte den Drummer an und war versucht, mir genießerisch die Lippen zu lecken oder zumindest irgendein glückliches Geräusch von mir zu geben. Der Mann hatte verborgene Qualitäten!

Jacob schien meine Reaktion falsch zu deuten, denn er sah zu Boden, als schämte er sich für sein Geständnis, redete aber weiter: »Ich war überzeugt, dass Alex und Trish dahinterstecken, also habe ich bei euch beiden sehr genau hingesehen. Ich habe schon am Flughafen bemerkt, dass du mich hören kannst.« Ich musste ein ungläubiges Schnauben von mir gegeben haben, denn er erklärte: »Niobe hat manchmal etwas anderes übersetzt, als ich gesagt hatte und du hast trotzdem richtig geantwortet.«

Hatte sie? Verdammt! Aber wer hätte schon damit rechnen können, dass ein Musiker Gebärdensprache beherrschte?

Der Drummer sah auf und sein Blick war absolut aufrichtig. »Wie gesagt, ich lasse mich nicht gerne verarschen, also habe ich dich überprüfen lassen, während des Flugs.«

Ich biss mir auf die Unterlippe und fühlte mich schuldig, obwohl ich mir nichts hatte zuschulden kommen lassen. Außerdem hatte er ja nicht viel entdeckt. »Du hast das mit meiner Mutter herausgefunden?!«

»Und dass du erst seit drei Wochen für den Escort-Service arbeitest.« Er sah mich an, als erwartete er eine Erklärung.

Als ich schwieg, hakte er nach: »Wieso arbeitest du als Escort? Wieso erst seit drei Wochen? Und wieso kriegst du nach drei Wochen schon so einen Auftrag?«

»Du hältst mich für ein Groupie?«, lachte ich amüsiert. Viel falscher konnte man wahrlich nicht liegen.

»Ist mir in den Sinn gekommen, ja.«

Ich starrte ihn ungläubig an, musste dann aber wieder lachen. »Und trotzdem hast du ein schlechtes Gewissen?«

Jacob nickte, trommelte aber wieder auf der Decke, was er gar nicht zu bemerken schien. »Dein Ausbruch gestern. Das war persönlich – du würdest dir vermutlich lieber die Hände abhacken, als dich privat mit einem Rockstar einzulassen.«

Ich zuckte mit den Schultern und sortierte mein Ei, das bei meinem Lachen auf den Teller gefallen war, zurück aufs Brötchen.

»Was mich aber wieder zu der Frage zurückbringt, warum du überhaupt hier bist«, meinte Jacob leise.

Ich sah ihn an, aber er wirkte nicht misstrauisch, sondern ernst und neugierig. Seltsam. Genauso seltsam, wie seine Gedankengänge, die wiederum mich neugierig machten. »Wieso glaubst du, dass Trish und Alex dahinterstecken und wieso bist du deswegen böse?«

»Bekomme ich dann meine Antwort?«, fragte er neckend.

»Meinetwegen«, meinte ich gönnerhaft. Ich hatte ja nichts zu verbergen.

»Eine Antwort für eine Antwort?« vergewisserte sich der Drummer und behielt mich genau im Auge.

»Deal.« Ich hielt ihm die Hand hin und nach einem kurzen Zögern der Überraschung schlug er ein, um sofort eine Frage zu stellen: »Du arbeitest erst seit drei Wochen für den Office-Escort?«

»Das ist deine erste Frage?«, erkundigte ich mich ungläubig und antwortete erst nach seinem Nicken: »Ja.«

»Und du bist wirklich kein Groupie oder ein Golddigger?«

»Nein.« Ich hob zwei Finger, um die Zahl seiner Fragen mitzuzählen.

»Wieso hält man dich für qualifiziert genug, um als ästhetische Koryphäe vor mir zu bestehen?«

Ich hob einen dritten Finger, überlegte aber, wie weit ich ausholen sollte, um zu antworten. Schließlich entschied ich mich für eine Gegenfrage. »Wieso glaubst du, dass Alex und Trish etwas Böses im Schilde führen?«

»Tue ich gar nicht. Ich glaube sogar, dass ihre Absichten gut sind.«

»Wieso bist du dann so wütend?« Ich nahm den letzten Bissen Brötchen und schnappte mir anschließend ein Schokocroissant, das ebenfalls selbstgemacht wirkte.

»Weil sie sich in mein Leben mischen, sich umsonst Sorgen machen und mir andauernd – wirklich andauernd – irgendwelche Dominas anschleppen.«

Ich prustete los. »Das hängt vielleicht mit deinem Imagewechsel und der damit verbundenen Optik zusammen?«, schlug ich vor und gönnte mir endlich die Schoko.

»Ist das deine dritte Frage?«, erkundigte er sich lauernd. Begeistert von dem Geschmackserlebnis tat ich ihm den Gefallen und nickte.

»Vermutlich«, gab er zu und sah mich auffordernd an. Anscheinend erinnerte er sich genau wie ich daran, dass ich ihm eine Antwort schuldig war.


Barbie kramte ihr Handy aus ihrer Tasche und einen Moment lang befürchtete ich, sie würde ein Bild von mir machen. Stattdessen schien sie etwas zu suchen, bevor sie aufsah und befahl: »Rutsch!«

Bevor ich reagieren konnte, hatte sie schon einige der Lebensmittel zur Seite geräumt und sich neben mich geschoben. Damit überrumpelte sie mich vollkommen und setzte gleich noch einen drauf, indem sie mir vertrauensvoll ihr Handy in die Hand drückte.

Meine Verwirrung über ihre Nähe und steigerte sie allerdings durch etwas anderes. Sie sah mich verwirrt an, dann schnupperte sie – wenig unauffällig – an mir, meinen Haaren und meinem Hals.

»Was tust du da?«, krächzte ich irritiert.

»Wonach riechst du?« Sie runzelte die Stirn. »Vanille, süßer Rauch? Geruchgewordene, bunte Musik?«

Ich konnte spüren, wie ein Lächeln um meine Mundwinkel zuckte. Anscheinend war ich nicht der einzig durchgeknallte Poet auf dieser Lichtung. »Gefällt es dir?«

»Ja«, meinte sie und wurde rot. Ein ziemlich süßer Effekt, als fiele ihr erst jetzt auf, was sie gerade getan hatte.

»Ist ein Geheimnis!«, behauptete ich. Wenn mein neu entworfenes Parfüm diesen Effekt auf so attraktive Frauen hatte, sollte ich es nicht auf den Markt bringen, sondern für mich behalten!

Doch statt ihr diese Erkenntnis auf die Nase zu binden, oder im Gegenzug an ihr zu riechen, wandte ich mich den Bildern zu. Sie zeigten eine Bondageshow, in der ein überirdisch scheinender Engel zu sehen war. Sie trug eine weiße Maske, ein helles Spitzenoberteil und passendes Höschen, die nahezu in ihre helle Haut übergingen – genau wie die Fesseln. Der kleine Film zeigte etwas anderes, die Kunstfertigkeit, mit der eine Gotteskreatur fiel, auf dem Boden, schwebend. Es musste die Gefesselte unglaubliche Kraft gekostet haben, die Figuren aufrecht zu halten – und ihren Partner, die Fesselungen live zu ändern und beim Fallen die Fesselfarben an dem beweglichen Gestell, das dreidimensionale Bewegungen der Hängenden ermöglichte, zu ändern.


Jacob starrte die Bilder an und wirkte fasziniert. Ich konnte förmlich spüren, dass sie ihm gefielen, denn gerade die Verbindung mit Feuer, Wasser, Sound und Lichteffekten war neu.

Als er zu den Bildern der nächsten Ausstellung kam, wollte ich ihn am Weiterblättern hindern, brachte es aber angesichts seiner plötzlichen Anspannung nicht über mich.

»Das sieht aus wie …« Er sah mich misstrauisch an. »Hast du so was auch für Alex und Trish gemacht?«

Ich nickte. Jacob lachte leise und mir fiel auf, dass ich dieses Geräusch mochte – genau wie seine Stimme – aber beides würde ich für mich behalten, fehlte noch, dass der selbstbewusste Rockstar noch einen Höhenflug bekam!

»Du hast auch mit Hagen Taylor zusammengearbeitet?« Obwohl sich der Drummer ziemlich sicher zu sein schien, machte er eine Frage daraus und sah mich prüfend an. »Du bist Rainbow, oder?«, fragte er schließlich leise, fast ehrfürchtig.

Ich war versucht, mir resigniert durch die Haare zu fahren!

»Du hättest dich auf das geplante Spiel einlassen sollen«, tadelte ich. Jetzt würde er mir sein Vertrauen ja nur noch schenken, weil er meinen Ruf kannte. Etwas, was ich tunlichst vermied. Vor allem, weil er nicht mehr gerechtfertigt war.

»Tut mir leid, dass ich so misstrauisch bin.« Unvermittelt drückte mir Jacob mein Handy wieder in die Hand und stand auf. »Man begegnet einem Haufen schräger Leute, wenn man im Rampenlicht steht.« Er reichte mir die Hand und zog mich auf die Füße, bevor ich begriff, was er vorhatte. »Komm, ich flieg dich zurück.«

Für einen Moment wirkte er schuldbewusst. Wie ein kleiner Junge, dem man ein tolles Geschenk vor der Nase wegnahm, weil er Blödsinn gemacht hatte.

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145 s. 9 illüstrasyon
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9783945163702
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