Kitabı oku: «Einstellungen erkennen, beeinflussen und nachhaltig verändern», sayfa 3

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2.5 Bestimmungsstücke von Einstellungen

Je mehr ich mich mit Einstellungen beschäftigte, desto deutlicher wurde mein Eindruck, dass unser Verhalten offensichtlich von ihnen beherrscht wird. Ich musste mich also über meine Einstellungen klar werden, wenn ich ein bewusst gesteuertes Leben führen wollte. Bevor ich allerdings daran ging, die einzelnen Einstellungen zu untersuchen, die mein Verhalten bestimmten, wollte ich die Kategorien kennenlernen, mit denen man Einstellungen kennzeichnen kann.

Die Qualität, die Stärke und Dauerhaftigkeit von Einstellungen sowie einige andere Eigenschaften dieses hypothetischen Konstruktes unterscheiden sich darin, worauf sich diese Einstellungen beziehen, wie sie entstanden sind und welche Funktionen sie für uns haben.

Einstellungen unterscheiden sich

● in der Intensität: Es gibt Einstellungen zu bestimmten Objekten, z. B. zum Rauchen, die einige Personen sehr heftig reagieren lassen. Daher wird auf eine stark ausgeprägte affektive Komponente geschlossen. Man spricht auch von der Intensität der Einstellung.

● in der Differenziertheit: Es könnte sein, dass derjenige, der sehr heftig gegenüber Rauchern reagiert, dies nur in ganz spezifischen Situationen tut oder nur ganz spezifische Formen des Rauchens, z. B. das Rauchen von Zigarren, ablehnt. Man spricht dann von einer differenzierten Einstellung.

● in der Vernetzung zu anderen Einstellungen: Verschiedene Einstellungen stehen nicht unverbunden nebeneinander. Die Einstellung zum Rauchen hängt z. B. mit der Einstellung zu gesundem Verhalten, zur Zigarettenindustrie, zur Toleranz usw. zusammen.

● in der Nähe zum Selbstbild: Jeder Mensch hat auch ein Bild von sich selbst. Er definiert sich selbst in bestimmter Weise, er ist z. B. ein überzeugter Demokrat oder ein Intellektueller, ein Einzelkind usw. Dieses Bild, das man von sich selbst hat, wird auch von Einstellungen bestimmt. Eine Einstellung kann sich mehr oder weniger auf das Selbstbild beziehen.

Je ausgeprägter die affektive Komponente, die Intensität, die Differenziertheit, die Vernetzung zu anderen Einstellungen und die Nähe zum eigenen Selbstbild sind, desto schwerer sind solche Einstellungen zu verändern. Wenn alle diese Komponenten eine starke Ausprägung besitzen, dann lassen sich solche Einstellungen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verändern.

2.6 Verstand und Gefühl

Bisher habe ich hier vor allem die wertende und damit die gefühlsmäßige Seite der Einstellungen in den Vordergrund gestellt. Wenn wir an eine bestimmte Einstellung, wie z. B. unsere Einstellung zum Rauchen denken, dann fallen uns auch eine Reihe von rationalen Begründungen ein, warum wir so und nicht anders auf das Rauchen oder die Raucher reagieren. Wie sieht es mit dieser kognitiven Seite der Einstellungen aus? Sind nicht Einstellungen letztlich doch rational begründbar?

Der russische Winter

Als die russisch-finnische Grenze neu festgelegt wurde, verlief sie mitten durch das Gehöft eines Bauern. Man erklärte ihm die Sachlage und stellte ihn vor die Wahl: Er könne entscheiden, ob sein Hof in Zukunft zu Russland oder zu Finnland gehören sollte.

Der Bauer erbat sich Bedenkzeit. Nach einigen Wochen erklärte er, er habe sich die Sache gründlich überlegt, aber er möchte lieber in Finnland wohnen. Einige Russen waren in ihrem Stolz gekränkt und bedrängten ihn, er solle sich die Sache noch einmal überlegen, er sollte sich doch für Russland entscheiden, das hätte doch so viele Vorteile für ihn.

Der Bauer hörte geduldig zu und sagte zuletzt: „Ihr habt ja so Recht. Es war auch keine leichte Entscheidung für mich. Es war schon immer mein Wunsch bei Mütterchen Russland zu wohnen. Aber in meinem Alter kann ich einfach keinen dieser russischen Winter mehr durchstehen.“

Der Bauer hat seine Entscheidung begründet, aber – wie an diesem Beispiel wunderbar deutlich wird – ist keine rationale Begründung für seine Entscheidung verantwortlich, sondern sein Bild vom „russischen Winter“, welcher sich objektiv gesehen nicht vom finnischen Winter unterscheidet.

Die Tatsache, dass eine Einstellung die Bildung einer Abstraktion, also eine kognitive Leistung, voraussetzt, könnte als Begründung dafür dienen, dass Einstellungen (im Gegensatz zu emotionalen Reaktionen auf konkrete, spezifische Wahrnehmungen) immer auch eine kognitive Komponente haben. Wir können in der Regel Argumente angeben, warum wir eine bestimmte Einstellung haben. Das heißt nicht, dass diese Argumente ausschlaggebend sind, oder die eigentliche Begründung für die spezifische Einstellung darstellen. Die „Begründung“ kann auch nur in unserer Vorstellung bestehen, wie in der Geschichte mit dem „russischen Winter“. Wie viele Experimente gezeigt haben, bilden wir uns zwar oft ein, dass wir rational gesteuerte Wesen sind, die aufgrund vernünftiger Überlegungen handeln – aber dies ist genauso oft eine Selbsttäuschung. Wir reagieren meist emotional, aufgrund von Wertungen, die keine rationale Begründung haben und die uns oft gar nicht bewusst sind.

Einstellungen haben also immer eine kognitive und eine affektive Komponente.

Abb. 1: Die zwei Komponenten einer Einstellung


2.7 Die Bedeutung des Unbewussten

Häufig reagieren wir aufgrund von Bewertungen, die uns nicht bewusst sind. Das ist für mich ein beunruhigender Gedanke. Bin ich denn nicht „Herr im eigenen Haus“? Kann ich nicht frei über das entscheiden, was ich will und was ich tue? Ich beschloss, mich etwas näher mit dem Thema „Unbewusstes“ oder „Unterbewusstes“ (Damasio (2002) spricht von den „Untergrundbezirken des Bewusstseins“) zu beschäftigen.

Nach Damasio haben Vorstellungen, und damit auch bewertete Vorstellungen unterschiedliche Bewusstseinsstufen. Man kann unterscheiden:

● bewusste Vorstellungen,

● bewusstseinsfähige, aber nicht beachtete Vorstellungen,

● verdrängte, nicht im Bewusstsein gewünschte Vorstellungen und

● steuernde, aber nicht bewusstseinsfähige Vorstellungen (z. B. solche, die die Körperfunktionen regulieren).

Wenn wir gefragt werden, warum wir etwas getan haben, so haben wir in der Regel keine Schwierigkeiten, vernünftige, wenn auch oft subjektive Gründe anzugeben, die unsere Taten rechtfertigen oder zumindest „verständlich“ erscheinen lassen. Wir bilden uns ein, dass wir hinsichtlich dieser Gründe frei entscheiden können und daher Gestalter unseres Verhaltens sind.

Sigmund Freud, aber auch viele seiner Anhänger und Nachfolger, wie z. B. Carl G. Jung, Ernest Dichter und andere, haben schon vor vielen Jahrzehnten nachgewiesen, dass das ein Irrtum ist und dass uns oft unsere eigentlichen Motive nicht bewusst sind. Ein Experiment mit Hypnose kann als eindringlichster Beweis für diese Behauptung gelten: Wenn einem Menschen in Hypnose etwa der Befehl gegeben wird, sich um 14 Uhr die Haare zu waschen, sich aber an diesen Befehl nicht mehr erinnern soll, so tut er das pünktlich, wenn er wieder aus der Hypnose erwacht ist. Wenn man ihn dann fragt, warum er sich zu einer so ungewöhnlichen Zeit die Haare wäscht, so sagt er z. B., dass ihm bewusst geworden ist, dass er schon lange den Kopf nicht mehr gewaschen hat, oder dass ihn der Kopf gejuckt habe und er dachte, dass das von dem Schmutz kommt, der sich auf dem Kopf angesammelt hat.

Die Motive unseres Handelns sind uns aber nicht nur dann nicht bewusst, wenn wir hypnotisiert wurden. Jeder Mensch reagiert jeden Tag auf hunderte von inneren und äußeren Reizen, die ihm nicht bewusst werden. Es strömen in jeder Sekunde 11 Millionen Reize auf uns ein: Die Haut sendet uns Reize, wir hören das Ticken einer Uhr, das Summen einer Fliege oder den Verkehr in der Ferne und viele andere Geräusche, die wir als unwichtig klassifizieren und die uns daher nicht bewusst werden. Wir können pro Sekunde nur etwa 40 Informationen bewusst wahrnehmen. Wir erleben viel mehr Dinge, als uns bewusst werden können: wir kratzen uns z. B. am Kopf, wenn es juckt, ohne es zu bemerken. Wir können uns von den Milliarden von Reizen nur wenige Millionen bewusst machen. Der Rest wird zwar wahrgenommen – wir können sogar darauf reagieren –, wird uns aber nicht bewusst.

Ein weiteres Beispiel für die Funktionsweise unseres Unbewussten und die Überforderung des Bewusstseins ist ein alltägliches Gespräch: Wenn wir uns mit jemandem unterhalten, dann konzentrieren wir uns auf die Formulierung dessen, was wir ausdrücken wollen. Die Frage, welche Motive uns dazu bringen, das zu sagen, was wir sagen, bleibt im Allgemeinen unbeachtet. Wie aus vielen therapeutischen Gesprächen bekannt ist, können wir uns die eigentlichen, ehrlichen Motive unserer Sprechinhalte gar nicht so einfach bewusst machen. Aber wir senden neben den gesprochenen Worten noch viel mehr Signale an unseren Gesprächspartner. Wir zeigen eine bestimmte Mimik: unsere Augen leuchten, oder machen einen traurigen, uninteressierten oder abgelenkten Eindruck und unser Mund verrät eine Vielzahl von differenzierten Stimmungen. Unsere Körperhaltung, die Bewegung unserer Hände und unseres ganzen Körpers begleiten unser Sprechen und liefern zu den gesprochenen Inhalten zusätzliche Informationen. Es ist uns unmöglich, all diese Bereiche des Ausdrucks bewusst zu kontrollieren. Sie laufen von unbewussten Bereichen in uns gesteuert ab.

Das Gleiche gilt allerdings auch bei der Informationsaufnahme unseres Gesprächspartners. Auch er sieht alle diese Signale nicht bewusst. Er konzentriert sich auf die Inhalte, die unsere Worte ausdrücken, oder auf die Erwiderung, die er gedanklich vorbereitet. Er nimmt die vielen Hinweise, die er durch das Verhalten seines Gesprächspartners bekommt, nicht bewusst wahr. Aber er reagiert auf diese Hinweise. Wir haben z. B. häufig ein untrügliches Gefühl dafür, ob unser Gesprächspartner das Gesagte ehrlich meint. Oder wir haben ein angenehmes oder unangenehmes Gefühl, bei dem was er sagt. Wir glauben ihm oder nicht, ohne uns genau darüber Rechenschaft abgeben zu können, woran wir z. B. erkennen, dass wir vorsichtig sein sollten. Unser Bewusstsein wäre einfach überfordert, wenn alle Eindrücke durch seine Instanz laufen müssten.

Nicht immer ist die Leistung unseres Unbewussten so hilfreich wie in dem gerade geschilderten Beispiel. Hin und wieder zeigt sich die Existenz unseres Unbewussten in „Fehlleistungen“, die uns in schwierige Situationen bringen. Wir „verlegen“ Dinge, die wir benötigen, uns fallen Namen von Personen nicht ein, die wir eigentlich kennen, oder wir versprechen uns und offenbaren damit unsere eigentlichen „Hintergedanken“, ohne es zu wollen.

Freud (2000), der ein ganzes Buch über die nach ihm benannten „Freud’schen Fehlleistungen“ geschrieben hat, berichtet uns von einem berühmt gewordenen Beispiel: Er war einmal um 1900 in Wien bei einer feinen Gesellschaft eingeladen und unterhielt sich beim Abendessen angeregt mit seiner Tischdame. Es ging darum, ob es für seine Akzeptanz auch bei einem Mann wichtig sei, gut auszusehen, so wie das offensichtlich für Frauen gilt. Freud meinte aus voller Überzeugung, dass das für einen Mann nicht notwendig sei, und er fügte hinzu: „Ein Mann braucht nur fünf gerade Glieder!“ Er berichtet, dass in dem Moment, in dem er das gesagt hatte, die Tischrunde auf einmal still war, und es war ihm äußerst peinlich. Natürlich wollte er „vier gerade Glieder“ sagen, das fünfte Glied war zumindest in dem Wien seiner Zeit und in feiner Gesellschaft absolut tabu.

Ein besonders interessantes „Betätigungsfeld“ unseres Unbewussten besteht darin, dass es häufig dafür sorgt, dass genau das eintritt, was wir – aus welchem Grunde auch immer – erwarten. Henry Ford, der Erfinder der Serienproduktion der nach ihm benannten Autos, hat einmal gesagt: „Ob du sagst: ‚Ich kann das‘, oder sagst: ‚Ich kann das nicht‘, du hast in jedem Fall recht.“ Wenn wir unbewusst eine bestimmte Erwartung haben, so trifft diese auch ein.

Wir bestätigen unsere Prognosen selbst, indem wir durch kleine, uns nicht bewusste, förderliche oder hinderliche Handlungen genau das erreichen, was wir erwarten. Dieses Phänomen wurde vor allem in den USA vielfältig untersucht und immer wieder bestätigt. Man spricht von der „Sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung“ („self fulfilling prophecy“). So kann man auch erklären, warum die Prognosen von Kartenlegern und anderen Wahrsagern häufig eintreffen, wenn die Betroffenen daran glauben, oder warum Menschen, die sich selbst als „Pechvogel“ bezeichnen, tatsächlich häufiger vom Pech verfolgt werden, während selbsternannte „Glücksvögel“ häufiger Glück haben.

Der Mechanismus der Sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung wurde mir an einer Geschichte deutlich, die ich in meiner Bekanntschaft erlebte.

Die Verwandlung eines Traummannes

Erika hatte den Mann ihrer Träume gefunden. Sie liebte ihn vom ersten Augenblick an. Es war nicht nur Liebe auf den ersten Blick, es war der Mann, den sich Erika ihr Leben lang gewünscht und vorgestellt hatte – sie hatte es fast schon aufgegeben, ihn zu finden.

Der Mann war etwas zurückhaltend, aber das war kein Problem. Erika war schön und konnte sehr charmant sein, und sie wusste das. Sie setzte also alle ihre Fähigkeiten ein, um den Mann zu erobern. Nach einiger Zeit gelang es ihr auch: Er wurde „ihr“ Mann.

Sie lebten lange zusammen und waren glücklich. Sie hatten bezaubernde Kinder und jeder in ihrem Bekanntenkreis beneidete sie um ihr Glück. Erika war aber auch sehr eifersüchtig und traute den Männern nicht. „Männer sind doch immer nur auf das eine aus …“, so dachte sie immer wieder. „Ob mein Mann auch so ist?“, fragte sie sich eines Tages, nachdem sie mit ihren Freundinnen über dieses Thema diskutiert hatte. „Ob er mir bisher treu war? Wenn es so ist, dann sicher nur deshalb, weil er keine Gelegenheit oder zu viel Angst vor meiner Eifersucht hatte. Ich werde seine Treue testen. Zunächst einmal muss ich mich rar machen, denn wenn er mich immer dann, wenn ihm danach ist, lieben kann, dann ist es ja kein Wunder, dass er mich nicht betrügt.“

Sie erklärte also ihrem Mann, dass sie durch eine hormonelle Umstellung keine Lust mehr habe, mit ihm intim zu werden. Der Mann hatte Verständnis und machte sich Sorgen um ihre Gesundheit, aber die zerstreute seine Frau. Das sei ganz normal und würde sehr oft vorkommen. Das würde anderen Paaren auch passieren und die würden auch einen Weg finden, damit umzugehen.

Der Mann wusste nicht, was das heißen sollte, „einen Weg finden“, aber seine Sehnsucht nach körperlichem Kontakt nahm stetig zu. Auf seinen Geschäftsreisen lernte er immer wieder auch attraktive Frauen kennen, aber er wollte keine Beziehung eingehen, er hatte bei Freunden erlebt, wozu das führen kann, und daher widerstand er immer wieder der Versuchung.

Aber eines Tages erreichte ihn über das Internet ein Angebot. Er las von Frauen, die auch keine Möglichkeit hatten, ihre Bedürfnisse innerhalb einer Partnerschaft auszuleben und daher Kontakt zu Männern suchten. Sie wünschten sich nur ab und zu ein wenig Körperkontakt, ohne eine Beziehung eingehen zu wollen.

„Das“, so dachte Erikas Mann, „ist vielleicht der Weg, von dem meine Frau gesprochen hat“. So lernte er über das Internet mehrere Frauen kennen, mit denen er einen schönen Abend, ein paar schöne Stunden verbringen konnte. Er benahm sich diesen Frauen gegenüber wie ein Gentleman: Er brachte Blumen mit oder bedankte sich für die schönen Stunden mit einer E-Mail. Aber er liebte seine Frau und seine Familie nach wie vor und hatte daher auch kein schlechtes Gewissen. Er nahm ja seiner Frau nichts weg, und es fiel ihm leichter, sie nicht zu bedrängen.

Eines Tages fragte ihn Erika, was er denn tun würde. Sie wären jetzt schon so lange nicht mehr körperlich zusammen gewesen, und sie wisse doch, dass er darauf nur schwer verzichten könne. Der Mann überlegte, ob er offen sein sollte. Seine Frau war doch tolerant, und er wollte keine Geheimnisse vor ihr haben, die er doch liebte. Er erzählte ihr also, dass er Frauen gefunden habe, mit denen er sich ab und zu traf, die aber weiter nichts von ihm wollten. Die Antwort seiner Frau war so, wie er sie erwartet hatte: „Das habe ich mir schon gedacht“. Für ihn war die Situation damit geklärt.

Als der Mann aber das nächste Mal auf Reisen ging, wollte sie es doch genauer wissen. Sie recherchierte in den Unterlagen ihres Mannes, verschaffte sich Zugang zu seinem Computer und öffnete auch die Schränke, die ihr Mann immer verschlossen hielt – und sie wurde fündig. Ihr Mann hatte alle E-Mails aufgehoben und so konnte Erika lesen, wo er welche Frau getroffen hatte. Sie konnte erkennen, dass viele Treffen in sehr schönen Hotels stattgefunden haben, sie fand sogar Bilder von manchen Frauen, Briefe und E-Mails, mit denen sich ihr Mann für die Treffen bedankte.

Jetzt hatte sie die Bestätigung: „Alle Männer sind Schweine und mein Mann ist keine Ausnahme. Das wird er bereuen. Ich werde mich rächen. Mich so zu betrügen!“

Und sie machte ihm das Leben zur Hölle. Dass sie dabei ihr eigenes Leben auch zur Hölle machte und dass auch die Kinder einiges davon mitbekamen, nahm sie in Kauf. Schließlich hatte sie ja das moralische Recht auf ihrer Seite. Dass aus der Rache Hass wurde, und dass sie dieser Hass selbst zerstörte, waren ja nur Folgen der Untreue ihres Mannes. Dass er, nachdem sie ihn zur Rede gestellt hatte, den Kontakt zu all den Frauen eingestellt hatte, veränderte die Situation auch nicht. „Schließlich hat er mich jahrelang betrogen, und wie intensiv er das betrieben hat! So etwas kann man doch nicht vergessen! Kann ich ihm denn jetzt überhaupt noch glauben?“

Letztlich wurden die Erwartungen all der Bekannten erfüllt, die das Familienglück als unnatürlich empfunden hatten, und auch die von Erika, die ihre Annahme bestätigen konnte, dass alle Männer gleich sind.

Nicht immer ist es so offensichtlich wie in dem obigen Beispiel, aber wir richten es unbewusst oft so ein, dass unsere Erwartungen sowie unsere Befürchtungen tatsächlich eintreffen. Allerdings sind wir immer wieder davon überzeugt, dass wir nur Opfer der „Schlechtigkeit der Welt“ bzw. der „Ungerechtigkeit des Schicksals“ sind.

Wir müssen uns also an den Gedanken gewöhnen, dass zu unserer bewussten Persönlichkeit auch ein nicht bewusster Teil gehört, der zu einem bedeutenden Anteil unser Verhalten und unser ganzes Wesen bestimmt. Im Allgemeinen sind die unbewussten Anteile unseres Selbst nichts Negatives, sondern können eine große Hilfe sein. Ihr Nutzen kann noch intensiviert werden, wenn wir eine positive Einstellung zu diesen Bereichen entwickeln, wenn wir uns über ihre Existenz freuen und sie wie einen Freund betrachten statt zu bekämpfen.

Unser Unbewusstes kann uns also helfen oder behindern. Wir können es nutzen, wenn wir seine Gesetze beachten, wir können es aber nicht neutralisieren oder unwirksam machen. Auch wenn wir seine Existenz leugnen, wird es uns unser Leben lang begleiten und beeinflussen. Unsere Einstellung zum Unbewussten bestimmt wesentlich die Qualität unseres Daseins.

Joseph Murphy (2002), der einen Bestseller über die Macht des Unterbewusstseins geschrieben hat, gebraucht einen Vergleich mit einem riesigen Ozeandampfer. Er setzt das Unterbewusste mit der Mannschaft gleich, die im Bauch des Schiffes arbeitet – die Heizer, die Techniker usw., die dafür sorgen, dass genügend Energie zur Fortbewegung des Schiffes vorhanden ist, und die Richtung des Schiffes nach den Befehlen des Kapitäns bestimmen. Der Kapitän braucht seine Mannschaft, und wenn er sie auch nicht bei allen Entscheidungen mitreden lassen kann, so ist es doch sinnvoll für ihn, auf sie zu hören und ihre Warnungen hinsichtlich Störungen ernstzunehmen. Er sollte sie dazu motivieren, ein harmonisches Team zu bilden und nicht nur „Dienst nach Vorschrift“ zu machen oder im Extremfall die Arbeit zu verweigern.

In einem Experiment, das die Bedeutung der unbewussten Haltung bzw. Einstellung beweist, stammt von John Bargh (Spiegel vom 10.4.06): In einer High School nahmen afroamerikanische Schüler an einem Wissenstest teil. In einem Fragebogen hatten die Forscher zuvor um Auskunft über die eigene Person gebeten. Ein Teil der Schüler wurde nach ihrer Rasse gefragt, bei der anderen Hälfte fehlte diese Frage.

Der Effekt war schockierend: Die Gruppe, die nach der Rasse gefragt wurde, erzielte im Wissenstest die eindeutig schlechteren Resultate – und das, obwohl alle bei einer Befragung angaben, an das Klischee von den „dümmeren Schwarzen“ nicht zu glauben. Das Bewusstmachen, dass man einer Rasse angehört, die von der Mehrheit der Menschen als weniger intelligent betrachtet wird, führte dazu, dass diese Afroamerikaner tatsächlich schlechtere Leistungen zustande brachten.

Wir müssen also akzeptieren, dass wir Einstellungen haben, die uns nicht bewusst sind, die wir nicht wahrhaben wollen und die dennoch Einfluss auf unser Verhalten nehmen. Wenn wir daher unsere eigenen Einstellungen analysieren wollen, haben wir eine schwierige Aufgabe.

Wie kann es überhaupt dazu kommen, dass wir Einstellungen haben, die uns nicht bewusst sind? In obigem Experiment wird dieser Mechanismus deutlich: Die Amerikaner mit dunkler Hautfarbe glaubten nicht, dass ihre Rassenzugehörigkeit etwas mit Intelligenz zu tun hat (Allgemeinwissen wird häufig als ein Merkmal von Intelligenz gesehen). Das widersprach ihrem Selbstbild. Die gewünschte positive Einstellung zu sich selbst und die Einstellung, dass Afroamerikaner weniger intelligent sind, widersprechen sich. Eine Möglichkeit, diesem Widerspruch zu entgehen, bestand für die Afroamerikaner darin, dass sie die negative Einstellung zur eigenen Abstammung verdrängten und ins Unbewusste abschoben. Das bedeutet aber nicht, dass sie von dort nicht wirksam wäre.

Wie kann ich nun unbewusste Einstellungen in mir erkennen? Um Einstellungen ändern zu können, ist es wichtig, sie erst einmal zu identifizieren. Zum einen müssen wir damit rechnen, dass vor allem Einstellungen, die sich auf die eigene Person beziehen, unbewusst sind, denn solche Einstellungen führen häufig zu den erwähnten Widersprüchen. Der einzige Weg, seine eigenen wirksamen, aber unbewussten Einstellungen zu erkennen, besteht darin, sein eigenes Verhalten zu beobachten und zu analysieren.

Schon Goethe hat erkannt, dass uns die Fehler, die wir selbst überwunden zu haben glaubten, bei anderen am meisten stören. Er nimmt an, dass wir diese Fehler nicht wirklich überwunden, sondern nur ins Unbewusste abgeschoben haben. Wenn wir jetzt jemandem begegnen, der uns daran erinnert, dass es auch in uns solche Fehler gibt, dann haben wir es schwerer, diesen Fehler im Unbewussten zu halten. Wir lehnen daher diesen Fehler bei anderen umso heftiger ab. Die Energie, die sich dabei zeigt, ist eigentlich die Energie, die wir mobilisieren, um die eigene negative Einstellung aus dem Bewusstsein fernzuhalten.

Auch im Matthäus-Evangelium entdecken wir diesen Mechanismus: „Du sahst im Auge deines Bruders den Splitter, in deinem hast du den Balken nicht bemerkt.“ Immer dann also, wenn uns eine bestimmte Eigenschaft und damit die entsprechende Einstellung am anderen stört (der Splitter), sollten wir uns fragen, welche unbewusste eigene Einstellung (Balken im eigenen Auge) dem entspricht und welche eigenen Fehler man überwunden zu haben glaubt. Das gilt vor allem dann, wenn solche Beobachtungen immer wieder vorkommen.

Mich selbst hat es früher immer sehr gestört, wenn sich jemand in Besprechungen so selbstbewusst hervorgetan hat. Solche Menschen waren mir auf Anhieb unsympathisch. Allerdings brachte mir das große Schwierigkeiten, denn es waren oft die Menschen, mit denen ich Geschäfte machen sollte, wenn ich mit meiner Firma Erfolg haben wollte. Das passierte immer wieder und ich spürte, dass da ein Mechanismus am Werk war, den es aufzudecken galt. Ich hatte selbst auch den Wunsch, bei wichtigen Sitzungen im Mittelpunkt zu stehen, habe aber früher damit schlechte Erfahrungen gemacht. Ich kam als kleines Kind aus Berlin in eine bayerische Schule. Zu der Zeit sprach man in bayerischen Schulen Dialekt und war auch gegenüber anderen Dialekten nicht sehr tolerant. Auf jeden Fall wurde ich wegen meines Berliner Dialekts oft ausgelacht (oder angelacht, je nach Interpretation und Einstellung), wenn ich mich vor der Klasse äußerte. Diese Angst, mich zu blamieren, hinderte mich also daran, mich selbst zu präsentieren, aber das wollte ich natürlich nicht wahrhaben. Also entwickelte ich die Einstellung, es sei nicht gut, sich immer in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn jemand das dann trotzdem tat, dann widersprach er meinen Erwartungen und erinnerte mich indirekt an meine Angst, ausgelacht zu werden.

In dem Moment, in dem mir dieser Zusammenhang bewusst wurde, konnte ich relativ einfach daran arbeiten. Einerseits konnte ich meine negative Einstellung gegenüber den Personen ändern, die sich in den Vordergrund stellten, indem ich mir bewusst machte, dass meine Einstellung ihnen gegenüber nichts mit diesen Menschen, sondern mit mir zu tun hatte. Andererseits half mir diese Überlegung auch, meine eigenen Ängste zu bearbeiten, wenn es darum ging, sich in den Vordergrund zu stellen. Ich machte mir bewusst, dass sie aus der Kindheit stammen und nicht mehr gerechtfertigt waren.

Bei der Analyse der eigenen Einstellungen und Normen kann es für uns sehr hilfreich sein, wenn wir uns deutlich machen, dass sehr strenge Normen oft dazu da sind, eigene unbewusste Schwächen zu verdecken. Das könnte uns demütig machen und uns helfen, Licht auf unsere Schattenseiten zu lenken. Wir könnten uns bewusst werden, dass auch wir fehlbar sind – und das kann zu einer toleranteren Einstellung der eigenen Umwelt gegenüber führen. Wir müssen also immer damit rechnen, dass wir in andere gerade das hineinprojizieren, was eigentlich unser eigenes Problem ist – manchmal projizieren wir unsere eigenen Einstellungen sogar in ein Tier, wie folgendes Beispiel zeigt.

Lebertran für den Hund

Ein Mann hatte einen alten Hund. Man sagte ihm nun, dass Lebertran gut für den Hund sei und dass er mit regelmäßigen Gaben von Lebertran viel länger leben würde. Jeden Tag flößte er daher seinem Hund diese Medizin ein, und das war eine schwierige Prozedur. Der Hund wehrte sich dagegen und verkroch sich schon, wenn sein Herrchen die entsprechende Flasche vom Regal nahm. Sein Besitzer gab ihm die Medizin, indem er den Kopf seines Hundes zwischen die Knie nahm, das Maul gewaltsam öffnete und mit einem Esslöffel den Lebertran einflößte.

Eines Tages konnte sich der Hund aus dem Griff seines Herrchens befreien und der Lebertran tropfte auf den Boden. Zum größten Erstaunen des Mannes leckte der Hund aber den Lebertran begierig vom Boden auf. Es zeigte sich, dass der Hund nichts gegen den Lebertran hatte, aber sehr viel gegen die grobe Behandlung, die er bei der Einnahme erleiden musste.

Offensichtlich verabscheute der Mann Lebertran und ging dabei davon aus, dass auch sein Hund nur mit Gewalt dazu zu bringen ist, diese Medizin einzunehmen. Wie oft sehen wir in einem Anderen Vorlieben, Schwächen oder Fehler, nur weil wir sie selbst besitzen.

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